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Zehntes Kapitel

Wie die Liebschaft weitergehen und zu einer förmlichen Liebeserklärung kommen tut

Indessen konnt' es nicht immer so sein und bleiben,
Amor mußte das Spiel weiterhin treiben,
Und so kam's binnen einem Vierteljahr
Zu einer Liebeserklärung bar.

In welcher Form dergleichen Erklärungen geschehen,
Kann man in Romanbüchern gleichfalls nachsehen;
Denn sie besonders zu beschreiben hier,
Verdürbe nur die Zeit und 's Papier.

Daß der Baron am ersten sich erkläret,
Sich Esther aber anfangs sehr gewehret
Und alles geschah mit herzbrechendem Weh,
Versteht sich von selbst als latus per se.

Den Zeitpunkt, in welchem er's erst gewaget
Und ihr sein Herzensanliegen geklaget,
Weiß ich nicht genau, doch mein' ich, es sei
Ohngefähr gewesen anfangs Mai.

Denn in diesem wonniglichen Monate
Geschehen Liebesanträge früh und spate,
Teils an Toiletten, teils in Büschen, teils im Stall,
Von jungen Herrn bis zu Kater und Nachtigall.

Esther hörte zwar mit so vielem Entzücken
Den schönen Baron so zärtlich sich ausdrücken
Und wurde innerlich so tief gerührt,
Als hätte sie Mesmer magnetisiert.

Aber sie führte ihm vorab zu Gemüte,
Daß ihr bürgerliches und sein adliges Geblüte
Zu einem ernsthaften Liebesverein
Sich so wenig fügten wie Wasser zu Wein

Und sie gegen jede andre Art der Verbindung
Und unerlaubte Leidenschaft und Empfindung
Bei aller sonstigen Seelenharmonie
Hätte eine ewige Antipathie.

Um sich also der Liebe zu entschlagen,
Suchte sie allerlei Vernunftgründe vorzutragen,
Jedoch mittlerweile sie also sprach,
Floß aus ihren Äuglein ein Tränenbach.

Sie hatte noch allerhand gewöhnliche Ausflüchte,
Teils von größerm, teils geringerm Gewichte,
Fügte auch manches von der Untreu
Und dem Wankelmute des männlichen Geschlechts bei.

Er aber versicherte hoch und teuer,
Er sei kein Lügner oder Alltagsfreier,
Und noch viel weniger wolle er
Über ihre jungfräuliche Unschuld her.

Schwor gar, daß die Bäume hätten mögen krachen,
Bei Kav'lierparol' und derlei zuverlässigen Sachen,
Er würde seine heftige Liebe und sie,
Solange er atmete, quittieren nie.

Redete auch von Verzweiflung, Degen und Pistolen,
Von Halsbrechen, ja gar von Teufelholen
Und andern Dingen, welche rührend schön
In »Werthers Leiden« beschrieben stehn.

Von diesen so fürchterlichen Schwüren
Ließ sich Esther endelich rühren;
Denn sie dachte, sie möcht' den verliebten Baron
Sonst wirklich bringen zur Desperation.


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