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Fünfunddreißigstes Kapitel

Hier folgt zum Beschluß die Moral, und das Buch nimmt ein trocknes Ende

Pro primo kann man überhaupt hieraus sehen,
Daß oftmals sonderbare Dinge geschehen
Und es auf unsern Lumpenerdenplanet
Kraus und bunt durcheinandergeht.

Denn wenn wir die sämtlichen Avantüren
Des Hieronimi vernünftig ponderieren,
So finden wir, daß in keinem Roman
Etwas Kuriosers geschehen kann.

Pro secundo kann man hier erfahren
Den Unterschied der jüngern und ältern Jahren,
Und wie wahr das gemeine Sprichwort spricht:
Der Verstand kommt oft vor dem Alter nicht.

.

Denn Hieronimus war vormals in seiner Jugend
Eben kein Liebhaber der Gelehrsamkeit und Tugend,
Bis er, als Schwabe, nach 40 Jahr
Ein vernünft'ger und gelehrter Mann erst war.

Pro tertio muß man niemals verzagen
In trüben und finstern Elendstagen,
Weil im künftigen Lebenslauf
Die Glückssonne sich oft kläret auf.

Denn als Hieronimus im Nachtwächterstande,
Ja gar als Toter im Sarge sich befande,
Ging es ihm traurig und schlecht, nachher
Ging es ihm desto angenehmer.

Pro quarto wirkt ein vermeintes Ungelücke
Manchmal günstige Änderung im Menschengeschicke,
Und aus Dornen sprießen sehr oft
Gleichsam Rosen hervor gar unverhofft.

Denn der Schlaf, drin Hieronimus drei Tage gelegen,
Gereichte ihm zu seinem Glücke und Segen,
Und sein ganzer Charakter und Verstand
Wurde dadurch gleichsam umgewandt.

Pro quinto notieren wir uns hier die Lehre,
Daß Wohlstand, Reichtum, Glück und Ehre
Oft von einer ohngefähren guten Tat
Ungesucht ihren ersten Ursprung hat.

Denn hätte Hieronimus auf der Reise den reichen Herren
Nicht gefunden sich gegen die Räuber wehren
Und ihm seinen Beistand geleistet darob,
So wär' er vielleicht jetzt noch so arm wie Job.

Pro sexto muß man die große Pflicht betrachten,
Daß man keinen Menschen dürfe verachten,
Wenn ihn auch das Schicksal verächtlich neckt,
Weil man nicht weiß, was hinter ihm steckt.

Denn wer hätte im ersten Teil es sagen wollen,
Daß Hieronimus der Mann hätte werden sollen,
Der er, wie ich hoffe, mit guter Art
Im jetzigen zweiten Teile ward.

Pro septimo läßt sich nicht undeutlich merken,
Groß Glück sei nicht immer Folge von Müh' und Werken,
Sintemal es oft mancher im Schlaf
Ohn' alles sein Zutun und Mühe antraf.

Denn hätte Hieronimus kein Opiat genommen
Und wäre nicht dadurch in Todesschlaf gekommen,
So wär' auf ihn von niemand reflektiert,
Noch Herr von Ohnewitz zu ihm geführt.

Pro octavo, läßt sich finden und verstehen,
Wie gut und ersprießlich alle Sachen ergehen,
Wenn man nicht nur in Wort, sondern auch Tat
Reiche Patronen und Freunde hat.

Denn wäre Herr von Ohnewitz, wie wir gelesen,
Nicht sein wahrer Gönner und Freund gewesen,
So bekleidete er jetzt nicht im Wohlstand
Die reichste Pfarrstelle im ganzen Land.

Pro nono ist es eine sehr geringe Mühe,
Daß man daraus noch manche andre Lehre ziehe,
Und das mögen nach bestem Gefallen nun
Die hochgeehrten Leser allenfalls selbst tun.

Pro decimo will ich nur noch den Rat erteilen,
Sich nie im Urteilen zu übereilen,
Sondern daß jeder das Respice finem
So wie ich jetzt sich zur Regel hinnehm'.


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