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Dreizehntes Kapitel

Wie Herr Jobs die Liebenden in der Laube attrappieren tat, zur Nacht und Unzeit

Phöbus hatte vollbracht auf gewöhnliche Weise
Um die Erde herum seine Tagereise
Und die Postpferde schon abgeschirrt
Und die Räder für morgen eingeschmiert.

Verschlossen waren Kramläden und Buden
Sowohl bei beschnittenen als christlichen Juden,
Und im Dachstübchen im Hinterhaus
Blies ein Philosoph sein Tranlämpchen aus.

Auf den Schneidertischen lagen pêle-mêle
Gestohlne Lappen, Schere und Ehle,
Und müßig in des Schreiners Werkstätt'
Säge und Hobel auf halbfert'gem Brett.

Vom Armenwächter bis zum Staatsminister,
Vom Erzbischof bis zum Hundeküster,
Vom Profoß bis zum General hinzu
Hatte alles von der Amtspflicht Ruh.

Gott Morpheus streuete Schlummerkörner,
Luna zeigte ihre glänzenden Hörner,
Und manchem abwesenden Ehemann
Ward ein Horn zu Hause zugetan.

Überall herrschte feierliche Stille,
Nur hier und da zirpte eine Grille,
Oder ein wachsamer Kettenhund
Machte in ihrem Beruf gehende Diebe kund.

An der unermeßlichen weiten Ferne
Schimmerten droben tausend freundliche Sterne,
Und das azurne Himmelblau
Ward durch kein Wölkchen noch Nebel grau.

Auf des verflossenen Tages Schwüle
Folgte eine sanfte erquickende Kühle;
Ich erinnere mich, es war grade just
Um die Mitte des Monats August.

Das Mondlicht fiel hell durch Ritzen und Fenster,
Manches Sonntagskind sah Phantomen und Gespenster
Die Eule flog auf die Fledermausjagd,
Mit einem Wort: Es war Mitternacht.

Wer gewohnt ist, seine Menschenpflichten
Des Tages durch gehörig zu verrichten
Und dabei satt gegessen und getrunken hat,
Dem ist die Nacht eine wahre Wohltat.

Denn weder sein leerer Magen noch volles Gewissen
Plagt ihn mit Drücken und peinlichen Bissen,
Und nach ausgezogenem Pantoffel oder Schuh
Kommt er im Bette sofort zur Ruh.

Herr Hieronimus hat baß als manche Großen
In seinem Pfarrstande dies Glücke genossen,
Denn kein Hunger noch Gewissensgewicht
Drückte seinen Unterleib noch Kopf nicht.

Jedoch hat es sich einsmalen zugetragen,
Daß er, vielleicht wegen überladenem Magen,
Die oben beschriebene Augustnacht
Etwas schlaflos hat zugebracht.

Er entschloß sich, sofort aufzustehen
Und im Garten ein wenig spazierenzugehen,
Um durch diese kleine Motion
Zu fördern den Schlaf und die Konkoktion.

Er fand die Hintertür seines Hauses offen,
Und ward davon zwar ein wenig betroffen,
Doch glaubte er, die Hausmagd habe dies
Vielleicht getan gestern per abus.

Er wandelte im Schlafrock mit langsamem Schritte
Ohngefähre bis zu des Gartens Mitte,
Wo unfern davon, linker Hand,
Sich eine kleine dichte Laube befand.

Aber plötzlich ward sein Spazieren unterbrochen,
Denn es wurde in dieser Laube laut gesprochen,
Und es deuchte sogar, indem er horchte, ihm,
Es sei seiner Schwester Esther Stimm'.

Er schlich näher, sehr langsam und leise,
Ohngefähr wie Katzen nach dem Gerispel der Mäuse,
Und hörte drauf im wohlbekannten Ton
Auch die Stimme vom jungen Herrn Baron.

Er erstaunte natürlicherweise darüber,
Ja sein Erstaunen ging in Erstarren gar über,
Als er fürder zur Laube kam
Und den Inhalt des Gesprächs vernahm.

Denn er hat da nun deutlich erfahren,
Daß man schon seit mehrern Jahren
Diese Laube hatte gewählet zu
'nem nächtlichen geheimen Rendezvous.

Er hat sogar mit Schaudern vernommen,
Daß die Sache sehr weit mit beiden gekommen
Und daß vielleicht eine Entführung gar,
Wie es schiene, auf'm Tapete war.

Ohne vorerst weiter was anzufangen,
Ist er stille zurücke ins Haus gegangen,
Um zu überlegen bei kaltem Blut,
Wie das böse Ding sei zu machen gut.

Wie lang das Rendezvous in der Laube gewähret,
Drüber bin ich so genau nicht belehret;
Es kann dieses, lieber Leser mein,
Dir und mir auch wohl gleicheviel sein.


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