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Siebentes Kapitel

Wie auch der junge Herr von Ohnwitz krank ward, und wie ihm keine medizinische Fakultät helfen konnte, wie dieses wohl oft in Krankheiten der Fall sein tut

Sonderbar ist's zu vernehmen und zu hören,
Daß auch bei dem jungen adligen Herren
Von Ohnwitz, jedoch mutatis mutandis,
Sich eine ähnliche Krankheit anwies.

Er war sonst ein herzlieber edler Junge,
Hatte großen Verstand und 'ne geläufige Zunge
Und ein gar vornehmes adliges Ansehn,
Und war von Angesicht bräunlicht und schön.

Auch hatte der junge Herr, Ihro Gnaden,
Ziemlich runde Wangen und passable Waden
Und übte mit seinen Muskeln voll Kraft
Immer eine gute Ritterschaft.

.

Ich will hier zur Ergötzung und zum Vergnügen
Sein Porträt einsweilen beifügen;
Es gleicht ihm zwar nicht, doch stelle ich's her,
Man muß sich nur vorstellen, als wenn er es wär'.

Aber, wie gesagt, seit einigen Zeiten
War auch er geplagt mit Übelkeiten,
So daß er weder app'titlich trank noch aß
Und dabei verginge wie Laub und Gras.

Er schlich traurig oft weg insgeheime,
Hatte nachts allerlei beschwerliche Träume,
Und weder sein Lakai noch Reitknecht
Konnten ihm je etwas machen recht.

Weder Musik, Spiel oder Studieren
Konnten ihn aufmuntern oder amüsieren,
Denn gleich dem ärgsten Hypochondrikus
Hatte er an allem und jedem Verdruß.

Er verfiel dabei augenscheinlich,
Sein Embonpoint wurde mehr und mehr kleinlich,
Das machte denn viel Sorge beim Herrn Papa
Und noch mehr dito bei der Frau Mama.

Manche Arztfakultät ward zu Rat gezogen,
Da hat man den Zustand kollegialisch erwogen,
Aber in methodo medendi war
Einer dem andern direkte kontrar.

Der eine focht mit medizin'schen Sophismen,
Der andre mit Hippokratis Aphorismen,
Ein andrer berief sich mit guter Art
Auf langjährige Praxis und grauen Bart.

Der eine verschrieb Pulver und Mixturen,
Der andre Latwergen und Tinkturen,
Der eine riet zum Purgieren und Schweiß,
Der andre zu einer Brunnenreis'.

Doch nach langem Fechten und Disputieren
Und pro et contra Deliberieren
Kam man nach geendigtem gelehrten Zank
Drin überein: der junge Herr sei krank.

Aber ob diesem Lärm, Disputieren und Zanken
Hätte Patient schier mögen erkranken.
Drum tat derselbe weislich und klug,
Daß er alles Einnehmen rund abschlug.

Er nahm indes täglich an Munterkeit abe,
Schien fast zu stehn mit einem Fuß im Grabe,
Obgleich weder an Lunge noch sonst innerlich
Eigentlich befande kein Fehler sich.

Es schien doch, als könn' er seine melanchol'schen Grillen
Am besten damit wegjagen und stillen,
Wenn er ein bißchen spazierte aus
Nach dem Ohnewitzer Pfarrerhaus.

Sintemal nun für junge kränkliche Naturen
Die Heiraten oft sind die zuträglichsten Kuren,
So fielen auch seine gnäd'gen Eltern für ihn
Auf diese besondre Art von Medizin.

Es waren aber im Distrikt von rundum einigen Meilen
Viele mannbare sehr artige Freiinnen und Fräulen,
Welche wohl eine schier baldige Heirat
Gleichfalls gehalten hätten für 'ne Wohltat.

Ihm ward also von den Eltern dringend empfohlen,
Sich ein Fräulein daher bald heimzuholen,
Und sie gaben ihm gerne im voraus, wenn's
Nur ritterbürtig sei, ihren Konsens.

Denn sie hielten große Stücke auf ihren Adel,
Der war auch bisher blieben ohne Tadel
Und von allem unsaubern bürgerlichen Blut
Noch unvermischt und durchaus kerngut.

Alles andre hielten sie für Kleinigkeiten,
Welche bei Konvenienzehen nichts bedeuten;
Es war ihnen sogar durchaus einerlei,
Ob die künftige Schwiegertochter reich oder arm sei.


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