Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel

Fortsetzung des vorigen

Seine Vorgänger taten bei gutem Mute
Sich gerne bei andern bene und zugute
Und waren mit Weib und Kindern viel,
Wo was zu essen oder trinken vorfiel.

Er aber ging höchst selten zum Schmause,
Und geschah es, so eilte er doch früh nach Hause,
Denn er haßte alle Schmarotzerei
Und blieb seiner geistlichen Würde getreu.

Er war auch zu Hause kein heimlicher Prasser,
Trunk wie Timotheus nur wenig Wein, doch mit Wasser,
Bei der Tafel und sonsten nur für
Den Durst ein leichtes Hausmannsbier.

Bei gewissen hochfeierlichen Gelegenheiten,
Pflegte er wohl bis zum halben Räuschlein zu schreiten,
Aber er behielt doch immer den Verstand rein,
Stank übrigens nie nach Tobak und Branntwein.

Auch war er kein Leckermaul noch Fresser,
Sein Magen- und Mundbedürfnis war selten größer
Als Suppe, ein Stückchen Fleisch und Zugemüs'
Oder sonstwo 'ne Kleinigkeit zum Anbiß.

Die etwaigen Tafelüberflusse
Hatten immer die Armen zum Genusse,
Und diese hielten jahrein jahraus
Offne Tafel in seinem Vorhaus.

Besonders geschah dieses seit den Jahren,
Als seine Mutter Schnaterin Todes verfahren;
Denn die liebe, gute, selige Frau
War zuweilen etwas ängstlich und genau.

Hatte er dann und wann seltne Leckerbissen,
So pflegte er selbst nur wenig davon zu genießen,
Sondern dürftige Kranke bekamen davon
Meistens die größeste Portion.

Überhaupt war er voll Mitleid und Erbarmen
Für alle und jede Notleidenden und Armen
Und war mit möglichstem Rat und Tat
Ihnen zu helfen immer parat.

Er unterließ nicht, mit vollen Händen
Almosen den Hilfsdürftigen auszuspenden,
Und wo er einen nackt und unbekleidet sah,
War er gleich mit Hemd, Rock, Schuh, Hosen da.

Morgens war oft seine Kasse und Ficke
Von eingekommenen Geldern voll und dicke,
Aber abends beim Zubettegehn
War kein Batzen mehr drin zu sehn.

Er gab aber alles in größester Stille
Ohne Prahlerei, Vorwürfe oder Gebrülle,
Und immer blieb gleichsam der linken Hand,
Was die rechte machte, unbekannt.

Er war stets freundlich und dienstfertig
Und gleich bei Tag und Nacht gegenwärtig
Zur Menschenliebe und zur Dienstpflicht
Und so kommod' wie sein Antezessor nicht.

Besonders achtete er weder Frost noch Hitze,
Wind und Regen, Donner und Blitze,
Wenn ihn etwa dringende Not
Zu einem Kranken zu eilen gebot.

Nie war er kriechend oder niederträchtig,
Aber doch in Reden und Äußerungen bedächtig
Und im Umgang kein pietistischer Murrkopf
Noch in Gesellschaften ein Sauertopf.

Vielmehr suchte er im Umgang mit Leuten
Frohsinn um sich her zu verbreiten;
Denn er gedachte, das echte Christentum
Besteht nicht im Kopfhängen oder Gebrumm.

Doch Possen und zweideutige Narrendeutungen
Trieb er nie bei Mädchen und bei jungen
Weibern, sondern er bezähmte sein Fleisch
Und blieb durchaus ehrbar, züchtig und keusch.

Deswegen konnten mannbare Töchter und Frauen
Ihm sicher alle Geheimnisse anvertrauen,
Und weder Vater noch Ehmann sahen dazu,
Wenn er bei jenen allein war, jaloux.

Entfernt vom geistlichen Stolz und Hochmute,
Blieb er vor wie nach bei kaltem Blute,
Wenn man ihn just nicht »Herr Doktor« hieß,
Sondern es beim simpeln »Herr Pfarrer« ließ.

Drum will auch ich beim gewohnten Stil bleiben
Und nicht Doktor, sondern Pfarrer Jobs meist schreiben,
Weil ohnehin heutzutag der Doktorgrad
Eben nicht hoch ansehnlich mehr staht.

Allen Eigennutz und Geiz haßt' er
Als ein häßliches ungeistliches Laster
Und gab viel lieber, als daß er nahm,
Wenn Geben und Nehmen in Kollision kam.

Deswegen wollte er auch nie wegen der Pfarrpächten
Mit seinen Pfarrkindern krakelen oder rechten,
Und er tat nie mit seinen Schuldnern so
Wie der Schalksknecht im Evangelio.

War wo 'ne Kleinigkeit zu reparieren,
So ging er nicht gleich betteln und kollektieren
Und enthielt sich von jeder Prellerei,
Sie mag Namen haben, wie sie wolle, frei.

Seine Vorgänger suchten durch Plusmachen sich zu bessern
Und die Pfarreinkünfte jährlich zu vergrößern
Und hatten immer bald hinten bald vorn
Etwas zu tadeln an Beichtpfennig und Korn.

Zwar geschah dies nicht immer ohn' Ursach aus Geize;
Denn viele Ohnwitzer waren schlimme Käuze
Und hielten es eben für kein Skandal,
Wenn man den Pfarrer betrog oder bestahl.

Drum gaben sie manchen falschen Beichtdreier
Und Hühner, die den Pips hatten, und faule Eier,
Und bei dem Getreide das mehrestemal
Fehlte es an Maß, Qualität und Zahl.

.

Nie mischte er sich in fremde Händel und Sachen,
Dachte vielmehr an die Lehre des alten Sirachen:
Was deines Amts nicht ist zu Ohnwitz,
Da laß, liebes Kind! deinen Vorwitz!

Ehestiftungen und niederträchtige Kuppeleien
Haßte er besonders bis zum Verabscheuen,
Obgleich dies Geschäft seinem Amtsvorfahr
Durch manchen Kuppelpelz einträglich war.

Gegen andre Religionsverwandten
Bezeigte er sich immer als einen Toleranten
Und schlug bei geringen Ketzerei'n
Nicht gleich mit dem Prügel des Anathema drein.

Er hielte sowohl Katholiken als Kalvinisten
Für seine lieben Mitbrüder und Mitchristen
Und verdammte keinen mit kaltem Blut,
Wär's auch gewesen Türk', Heid' oder Jud'.

Kurz, er machte seinem Amte und seiner Lehre
Als ein echter Religionsprediger Ehre,
Und in der ganzen Gegend umher
War ein so braver Pfarrer nicht mehr.


 << zurück weiter >>