Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstes Kapitel

Beschreiben die Verdienste des Herrn Schnellers

Ehe wir nun weiter zur Geschichte schreiten,
Ist es nötig, den Leser zu bedeuten,
Was Herr Schneller gewesen für'n Mann,
Durch den Hieronimus dem Tode entrann.

Er hatte wie gesagt viel und große Verdienste,
War erfahren und kannte alle Heilkünste,
Übte sie immer gar fleißig und
Machte Gesunde krank und Kranke gesund.

Er hatte in Straßburg die Baderkunst studieret
Und daselbst qua talis cum applausu kursieret;
Auch manches pergament'ne Testimonium,
Mit Siegeln dran, erhöhte seinen Ruhm.

Er war ungemein berühmt im Praktizieren,
Durch Vomieren, Purgieren, Klistieren,
Sakrifizieren und Kauterisier'n,
Akkuschier'n und Amputier'n,

Salivieren, Fomentieren, Anatomieren,
Pflasterschmieren und andere ieren,
Und dieses machte ihn durch ganz Schwabenland
Als einen Wunderdokter bekannt.

Keiner tat sich so wie er auf den Puls verstehen,
Keiner konnte so wie er das Wasser besehen,
Und keiner sagte so gewiß wie er
Gesundheit oder vielmehr den Tod vorher.

Keiner war mit der Säge und dem Messer
Bei chirurgischen Operationen fixer und besser,
Und er nahm bei jedem schicklichen Umstand
Sofort die Sektion vor die Hand.

Glücklicher als mancher promovierter Doktor
Steckte er oft dem Freund Hein den Stock vor,
Und machte also mit aller Gewalt
Durch schöne Mittel in der Krankheit halt.

.

Denn entweder den einen Weg oder den andern
Mußten die Patienten in weniger Zeit wandern,
Und sie wurden, wie sich's gebührt,
Sicher zur Behörde expediert.

Fieber, Schwindsucht, ansteckende Seuchen,
Wassersucht, Schlag, Lähmung und dergleichen,
Krätze, Wahnsinn, Stein und Skorbut,
Kurierte er alle, meist kurz und gut.

Eine seiner Pillen tat mehr Zeichen
Als zehn andre Pillen ihresgleichen;
Und was er gewöhnlich den Kranken gab,
Das führte nach allen Seiten schnell ab.

Kurz! seine Arzneien waren durchgehend kräftig,
Purgierten wenigstens 40 mal heftig,
Und wer sie nahm morgens nüchtern und frisch,
Dem ward Magen und Darm so rein wie ein Fisch.

Seine Arkana pflegte er selbst zu bereiten
Und verkaufte sie teuer, doch nur reichen Leuten;
Von Armen nahm er nur mäß'gen Prosit
Als ein gewissenhafter Mann beiläufig mit.

Und weil sich auch in benachbarten Landen
Käufer für seine herrliche Komposita fanden,
So gab er sie, erga 50 Prozent davon,
Andern zu verhandeln in Kommission.

Er ersann schlau für seine Arzneimittel
Des mehrern Abgangs wegen prächtige Titel,
Obgleich sich meistens es so befand,
Daß alles aus simpeln Sachen bestand.

Eine Unze vom Pulvis aureus Doctoris Schneller
Kostete bei der Anlage nicht mal 'nen Heller;
Denn es war Salz mit Ziegelstein,
Zu einem Pulver gerieben gar fein.

Sein Praeservans contra alle Krankheiten,
Bestand aus Honig und einigen Kleinigkeiten;
Und etwas Eichenrinde mit Fliedermus war
Das Königliche Restaurativ Electuar.

Sein Elixir tonicum universale
Bestund aus Weinessig und gefeiltem Stahle,
Und seine Essentia stomachalis pretiosa
Aus Wasser mit abgekochter Menta.

Die Pilulae purgantes miraculosae
Bestunden aus Aloe, nebst einer guten Dose
Von Jalappenharz und Gummigutt,
Claterium und Semen Cataput.

Sein berühmter Trank, die Lebensgeister zu wecken,
War der Absud von Haferkörnern und Quecken,
Und das Decoct ad omnes morbos pectoris
War eine Brühe von Süßholz und Anis.

Das Specificum infallibilie contra Fieberhitze
War eine Mixtur von Salpeter und Gerstengrütze,
Und die Tinctura contra Gicht und Stein
War Terpentinöl mit Branntewein.

Das Extract imperiale, die Ausdünstung zu mehren,
Bestand aus Bier, gekocht mit Wacholderbeeren,
Und sein Balsam vulnerar für Leib und Seel'
War etwas Kampfer mit Rüböl.

Seine Species nobiles confortantes
Waren gleichfalls etwas ganz Bekanntes;
Sie bestanden aus Kreide, Salbei
Und etlichen Körnern von Karwei.

Seine Incomparable Visceral-Tropfen
Waren ein Extrakt von Wermut und Hopfen,
Und sein Unguent nervin war Teer,
Stark vermenget mit Schweineschmer.

Sein Emplastrum summum für Hauen und Stechen,
Beinbrüche und ähnliche Gebrechen
Bestand, so viel ich mich erinnern kann,
Aus Schuhpech, Bleiglätte und Fischtran.

Sein Egregium Linimentum zum Schmieren beim Anwachsen
Und in Sugillationen vom Stoßen, Fallen oder Baxen,
Oder wenn etwa der Unterleib schwall,
War grüne Seife und Ochsengall.

Sein Cataplasma gegen alte Geschwüre und Scirrhen
War Mehlkleister mit etwas Asa und Myrrhen,
Und sein Spiritus Magnus resolvens war
Bierhefen mit ana, Urin gar.

Sein Arcanum arcanorum supracoeleste
War trotz des hohen Titels auch nicht das beste,
Weil es aus geraspelten Knochen und
Gedörretem Hammelblute bestund.

Sein Lapis excellens et divinus
Bestund aus etwa zwei Teilen plus minus
Von Alaun und von Zucker einem Teil;
Das stopfte jeden Blutsturz in Eil'.

So war auch weder mehr noch minder
Seine Emulsio nobilis für kleine Kinder,
Bei Verstopfung, Würmern und schwerer Not,
Ziegenmilch mit zerriebenem Mäusekot.

Sein Antidotum Dominae Principissae
Waren zerquetschte, unreife welsche Nüsse,
Und seine Orientalis Confectio
War Syrup mit zermalmtem Bohnenstroh.

Es fanden sich salva venia in seiner Apotheke
Noch mehr Büchsen mit ähnlichem Drecke,
Von dem ich die Bereitung nebst dem Preis
Nicht so genau mehr kenne noch weiß.

Lange hatte er vormals in fremden Landen
Öffentlich als ein leibhafter Doktor ausgestanden,
Wodurch er sich, obgleich mancher Kranker starb,
Doch ein ziemliches Vermögen erwarb.

.

Endlich ließ er sich in Schildburg nieder,
Legte flott daselbst alle seine Kollegen und Brüder
Und fand auf Kosten der Kranken alsbald
Reichlich allda seinen Unterhalt.

Denn er war der ganzen Gegend Orakel,
In seinem Hause war immer Gewühl und Spektakel,
Reiche und Arme, groß und klein
Drängten sich beständig aus und ein.

Gelückte eine Heilung unter seinen Händen,
So war ein Posaunen hier und an allen Enden,
Und es hieß: Da hat der hochberühmte Mann
Abermal eine treffliche Kur getan;

Hingegen, wenn seine Patienten verdarben
Oder gar bald in seiner Kur starben,
So hieß es: Je nun, mein lieber Christ!
Für 'n Tod kein Kräutlein gewachsen ist.

Er pflegte auch wohl zu tun kleine Reisen
Und seine Hilfe dringend anzupreisen,
Und keiner, dem etwas fehlte nur,
War sicher vor seinen Pillen und Kur.

Auch junge Weibchen, denen was quälte,
Oder Mädchen, denen es heimlich wo fehlte,
Gingen weit und breit mit frohem Sinn
Zu niemand als zu Doktor Schneller hin;

Denn sie konnten in jedem weiblichen Anliegen
Immer bei ihm sichre Spezifika kriegen,
Dabei unterhielt er gewöhnlich sich
Als ein artiger Mann mit ihnen vertraulich.

Auch für Männer, die ihre ehliche Pflichten
Wegen ihrer Jugendsünden nicht konnten verrichten,
Hatt' er ein geheimes Aphrodisiak
Von herrlicher Wirkung und gutem Geschmack.

Das wachsame Collegium medicum des Landes,
Welches viel von ihm hörte, verstand es
Unrecht und nannte es Pfuscherei,
Weil er nicht rite promotus sei,

Und ließ ihn oft zur Verantwortung zitieren;
Er blieb aber vor wie nach beim Praktizieren
Und nannte diese Zudringlichkeit
Offenbare Mißgunst und Nahrungsneid.

Er wußte übrigens weder Latein noch andre Sprachen,
Und was sollte er auch eigentlich damit machen?
Denn mit Griechisch und Lateinisch wird
Doch nie, sondern mit Arzneien kuriert.

Er haßte alle sogenannte Methoden und Sekten,
Wünschte gar, daß alle Dogmatiker verreckten,
Und verließ sich einzig im Kurieren nur
Auf Erfahrung und des Kranken starke Natur.

Von medizinischen Büchern, sowohl neuen als alten,
Pflegte er ebenfalls gar nichts Gescheites zu halten;
Nur besaß er ein geheimes Manuskript
Und war in dessen Lektüre geübt.

Zwar war's schon alt, ohne Namen und Titel,
Doch zeigte es lauter schöne Hausmittel
Und enthielte für allerlei Weh
Manch sicheres Geheimnis und Rezipe.

Es will mir übrigens hier nicht geziemen,
Diesen Wundermann länger zu preisen und zu rühmen;
Genug, es war der Retter des Hieronimus:
Es lebe Herr Schneller, der Medikus!


 << zurück weiter >>