Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Wie Hieroniumus ein Hausschreiber ward bei einem alten Herren, welcher eine Kammerjungfer hatte, mit Namen Amalia, und wie er sich gut aufführte bis im folgenden Kapitel.

Unter allen Ständen, die da werden
Angetroffen auf unserer Erden,
Ist zweifelsohne, wie bekannt,
Der Witwenstand der betrübteste Stand.

Wo der Mann, als das Haupt des Weibes
Fehlt, da steht es um die Pflege des Leibes,
Und um die ganze Haushaltung schlecht,
Und nicht das Geringste geht zurecht.

Die Einkünfte werden nach und nach vermindert,
Die unentbehrliche Nahrung wird verhindert,
Und gleich wie in einem Jammertal
Ist Angst, Not, Elend überall.

Frau Jobs hat dies auch leider! erfahren,
Denn sie merkte, daß gleich in den ersten Jahren
Alles im Hause den Krebsgang ging
Und sie arm an zu werden fing.

Hieronimus nun hat dazu freilich
Das Seinige beigetragen getreulich,
Denn er lebte in müßiger Ruh,
Aß gut und trank noch besser dazu.

Indessen ward doch nun auf die Dauer
Der guten Witwe solche Wirtschaft zu sauer,
Und ihr Hieronimus gereichte fast
Der Ökonomie zur größten Last.

Er hat es auch selbst eingesehen,
Daß es nicht länger gut werde gehen,
Und erkundigte sich also weit und breit
Um eine andre Gelegenheit.

Wie nun gewöhnlich die Dummen und Frommen
Am allerbesten in der Welt fortkommen,
So bot auch bei einem Edelmann
Sich abermal für ihn eine Stelle an.

Dieser Herr lebte auf dem Lande
In einem trefflichen ruhigen Stande
Und verzehrte als ein biedrer Kavalier
Seine großen Einkünfte mit Pläsier.

Er tat in seiner Jugend einige Züge
Im damaligen Siebenjährigen Kriege,
Doch lag er meistens in Garnison
Und schonte soviel wie möglich seine Person.

Indes ward er bald dieses Lebens müde,
Denn er haßte Krieg und liebte Friede,
Und hielt folglich als ein tapfrer Mann
Untertänigst um seinen Abschied an.

Jedoch fand er noch immer viel Vergnügen,
Oft zu reden von verschiedenen Siegen,
Und wie er einmal von ohngefähr
Auf der Flucht beinahe gefangen wär'.

Übrigens war er geneigt zu spaßen,
Schoß auch wohl auf der Jagd einen Hasen,
Trank bei der Tafel Burgunderwein
Und lebte ohne Gemahlin allein.

Er war also insoweit ein Junggeselle,
Doch war bei ihm, an der Gemahlin Stelle,
Eine Kammerjungfer, die früh und spat
Die nötigen Bedürfnisse besorgen tat.

Er sparte als Greis den Rest seiner Kräfte
Und bekümmerte sich um keine Geschäfte,
Sondern ein treues Bedientenpaar
Besorgte, was zu besorgen war.

Der eine war ein schlauer, alter,
Treubefundener Hausverwalter,
Und der andre Herr Bediente war
Ein also genannter Sekretar.

Der Verwalter war noch am Leben
Und befand sich beim Dienste nicht uneben,
Denn er sorgte klug und weislich
Wenig für'n Herrn und viel für sich.

Der Sekretar war vor einigen Tagen,
Weil er tot war, zu Grabe getragen,
Und also und dergestalt fand
Sich diese wicht'ge Bedienung vakant.

Nun war der Verwalter ein alter Bekannter
Von Hieronimi Eltern, und darum wandt' er
Als ein treuer, dienstfertiger Mann
Alle Müh' für Hieronimus an,

Und hat ihn sehr kräftig rekommandieret,
Ihn darauf in Persona präsentieret
Bei der Jungfer und beim alten Herrn
Als einen fähigen Sekretärn.

Es hat auch seine Person für allen
Der Kammerjungfer nicht übel gefallen,
Drum versprach sie ihm steif und fest,
Bei dem Herrn zu reden das Best'.

Er schien ihr beim ersten Anblick schon besser
Als der vorige Schreiber, sein Antezesser;
Denn Hieronimus war stark und lang,
Der vorige aber war mager und krank.

Alldieweil er nun, wie gesaget,
Der Kammerjungfer, als der Hauptperson, behaget,
So gab auch der alte Herr sofort
Dazu sein Fiat und adliges Wort.

Um ihm desto mehr Gnaden zu erweisen,
Mußte er sogar diesmal mit ihm speisen,
Und der Herr sprach mit freundlicher Stimm'
Nach geendigter Mahlzeit zu ihm:

»Seine Pflicht soll darin bestehen,
Daß Er nach Vieh und Gesinde muß sehen
Und als der geheime Sekretär
Schreibe, was etwa zu schreiben wär'.

Wird Er nun diese seine Amtspflichten
Als ein braver Schreiber ausrichten,
So geb' ich Ihm dafür alle Jahr
Vierzig harte Reichstaler bar.

Gefällt Ihm diese Bedingung, so bleib Er
Bei mir sub titulo als Hausschreiber,
Und ich verspreche Ihm, wenn Er treu,
Noch manche Akzidenzien dabei;

Doch muß Er niemals probieren,
Mit der Kammerjungfer zu haselieren;
Denn solchen Unfug leide ich durchaus nicht,
Das sage ich Ihm trocken ins Gesicht.

Der letztverstorbene Hausschreiber
Sah gerne Mädchen und junge Weiber,
Und es ward mir sogar kund,
Daß er mit meiner Jungfer gut stund.

Ich hätte ihn prostituieret
Und ohne viele Umstände kassieret;
Weil er aber klein war und schwach,
So sah ich ihm noch den Fehler nach.

Das Mädchen ist zwar schlau und witzig,
Aber dabei verzweifelt hitzig
Und, wie mir gar manchesmal deucht,
Zu allerlei schlimmen Sachen geneigt.

Vor fünf Jahren, unvermuteterweise,
Traf ich sie an auf einer Reise;
Und ihr lustiges Wesen gefiel mir,
Machte also meine Jungfer aus ihr.

Er wird übrigens, ohne zu fragen,
Leicht schließen, was ich hiemit will sagen;
Denn einmal vor allemal sage ich nu,
Halte Er mit Amalien nicht zu!«

Hieronimus wäre nicht klug gewesen,
Wenn er nicht ohne viel Federlesen
Auf obige Bedingung geworden wär'
Sehr gern der geheime Sekretär.

Er trat also sein Amt an geschwinde
Und sah täglich nach Vieh und Gesinde,
Schrieb auch auf öfters und viel,
Was etwa zu notieren vorfiel.

Zum Exempel: eingekommene Pächte,
Ausgegebenes Lohn für Mägde und Knechte,
Der geschossenen Hasen und Rebhühner Zahl,
Oder wenn man den Herrn bestahl;

Oder was der Hausadvokat bekommen,
Oder der Richter extra genommen,
Oder was auf dem Markte indes
Man gelöset an Butter und Käs';

Oder wenn etwa der Hausschneider
Der frommen Amalia ihre Kleider
Unten und oben weiter gemacht,
Oder die Kuh ein Kalb gebracht;

Oder wenn die Jungfer Unpäßlichkeit wegen
Zur Ader gelassen oder krank gelegen,
Oder ein Huhn geleget ein Ei;
Ausgaben und Einkünfte mancherlei.

Wenn auch etwa Briefe zu schreiben waren,
So ließ der alte Herr, all's Schreibens unerfahren,
Dem Herrn Sekretär auch diese Müh',
Und Hieronimus besorgte treulich sie.

Mit Hilfe von Talanders Briefsteller
Ward er in Briefen fertiger und schneller
(Und dieses zwar gar in kurzer Zeit)
Als je ein Schulmeister in der Christenheit.

In den übrigen Stunden ging er müßig,
Aß, trank und schliefe überflüssig,
So daß er dieses Sekretariat
Sich lebenslänglich gewünschet hat.


 << zurück weiter >>