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Aus einem alten Ratsprotokoll

Vor mir liegt ein mächtiger Foliant, abgegriffen und vergilbt. Vom braunledernen Einbande fehlen der vordere Deckel und die ersten Seiten. Eine noch erhaltene Schließe mahnt symbolisch, wie der bedeutsame Inhalt des Buches, vor neugierigen Blicken gehütet, sich nur berufenen Augen kundtun sollte. Es ist ein Ratsprotokoll des Marktes Eibiswald und die Eintragungen reichen von 1689 bis 1782. Was da von oft unsicherer Hand gemeldet wich über die innere Regierung eines steirischen Marktes vor mehr als zweihundert Jahren, es atmet vor allem unverkennbar den starren konservativen Geist jener alten Zeit. »Wie es von altersher gebräuchig gewest«, diese oft wiederkehrende Formel, die für unser modernes Empfinden drückend auf jedem der Ratschlüsse lastet, sie galt den Köpfen von damals nur als vertraute Bürgschaft sicherer Rechtlichkeit und breitet überdies über die bedachtsame Übung manch alten Brauches einen farbigen Schimmer von Würde, der wie ein zarter Goldton auf den Bildern alter Meister leuchtet. Zu anderen Zeiten allerdings kommt im kleinlichen Gezänk des Alltags wohl auch die unbefangene faustdicke Grobheit unserer Altvorderen zu oft ergötzlichem Durchbruche.

Den Inhalt des Bandes bilden alle Amtshandlungen, die teils auf Grund verbriefter Freiheiten, teils nach altem Gewohnheitsrechte vor Richter und Rat des Marktes verhandelt werden mußten. Ihre Kraft endet an den engen Grenzen des eigenen Burgfrieds und nur selten, wie zu Kriegszeiten, lassen diese Miniaturen im Hintergrunde ganz blaß das Bild der großen Zeitereignisse aufscheinen. Als die Höhepunkte dieser bescheidenen Selbstverwaltung wurden die »Banntaidinge« empfunden, feierliche Ratsversammlungen im Beisein der gesamten Bürgerschaft, die dreimal im Jahre, am Freitag nach St. Georgi (24. April), nach Micheli (»nach dem Lesen«) und am Mittfastenfreitag abgehalten wurden. Schon tags zuvor hatte »ein derzue tauglicher Burgersmann mit dem Mantel und in Handten habenden unseres des gemainen Markhtes Gerichtsstab« die Bürger aufs Rathaus entboten und sie erinnert, daß ein jeder vor Sonnenaufgang des anderen Tages seinen »Bannpfenning« ins Gerichtshaus tragen oder schicken solle. Acht Tage vor Georgi war der neue Marktrichter zu wählen und darauf von der hochgräflichen Herrschaft (Schrottenbach) zu konfirmieren. Zum Georgi-Banntaiding wurde dann die Wahl der Ratsherren vorgenommen: zwei rief der Herr Marktrichter an seine Seite, zwei standen dem Malefizrecht vor, zwei hatten »auf das Gewicht und die Wag achtung zu geben«, zwei hüteten die »Vischwaid« und endlich wurden zwei bestimmt, »die auff die gemain burgerschafft obsicht tragen und ihr vorgeher seindt«. Ins Rechtsgebiet der Banntaidinge fielen außerdem die Verleihung des Bürgerrechts an neu aufgenommene Jungbürger; der dabei zu erlegende Bürgertaler wurde gegen nachträgliche getreue Verraitung vom Richter in die Marktlade gelegt. Käufe und Verkäufe wurden abgeschlossen und verbrieft, streitige Grundgrenzen nach glaubhafter Angabe alter Leute festgelegt, böswilliger Ortsklatsch wurde gütlich verglichen, schlimmere Händel unter dem streitlustigen, weinseligen Teile der Marktrücksassen, die zu »Mauldoschen, Zückhen der Wöhr«, wohl gar zu »bluetrinstigen Straichen« geführt hatten, mußten gesühnt werden, meistens durch eine »demüetige christliche Abpitt«, in schweren Fällen wohl auch durch einige »Speziesdaller« oder »Dugatten Pön«, unter Umständen überdies durch kurze Haft in der Keichen auf dem Rathause, die durch Einlegen in Eisen verschärft werden konnte.

Die Beteiligung am Banntaiding war wohl nicht immer allzu stark, denn als ungewöhnlich verzeichnet es die Chronik zum 10. Mai 1726, daß zu demselben nicht allein der ganze Magistrat und auch alle Bürger erschienen waren, sondern »auch alles mit unerhörter Bescheidenheit und verwunderlicher Einigkeit vorbeygegangen war«. Da ging's 1751 im April anders zu: Während die Mehrzahl der Wohlgesinnten nach altem Brauche ruhig zur Richterwahl schritt, waren die Rädelsführer der Mißvergnügten, Raimund Traunsteiner und der bürgerliche Hafnermeister Josef Löscher, ein besonders unruhiger Kopf, an der Spitze eines Haufens von zwanzig Bürgern auf dem Rathause erschienen und hatten sich »rebellischerwais aufgelaint mit vermelten, es wäre ihnen dermallen aus dem Rate kheiner anstentig noch zu einem Richter tauglich«. Sie wollten die Ratsstellen daher aus ihrer Mitte besetzen und seien der Zustimmung ihrer Herrschaft im vorhinein sicher. Es ist leider nicht zu ersehen, wie sich die Sache ihren tieferen Gründen nach verhalten hat, doch wurde der Zwist in den nächsten Tagen, »weillen er in der Gähen und Übereillung beschehen«, gütlich verglichen. Traunsteiner aber wurde doch Marktrichter.

Mochte nun der konservative Teil der Bürgerschaft nicht ohne gehobene Stimmung am förmlichen Ablaufe dieser Amtshandlungen nach althergebrachter Übung Anteil nehmen, so gab's doch auch zuzeiten wieder Unterströmungen, besonders in den Kreisen des unruhigen Kleinbürgerstandes, von dem manche unterm stachelnden Hetzwort der Demagogen die weisen Anordnungen der Stadtväter hitzig bekrittelten und wohl gar beim Vespertrunke in der Winkelkneipe ihre würdigen Mitbürger höhnten. Doch blieb solches selten ungeahndet, und wenn 1748 der Lederermeister Veit Linzeder, ein ortsbekannter Grobian, sich wiederholt hinreißen ließ, »im offenen Würtshauß wider Richter und Rath öffentlich zu schmehen, daß nemblich selbe kheinen burgersmann aufkommen lassen wollen, selbe unterdrücken, briegel unter die Füeß werfen und kheinen, der sich bewerbet, vergunnen«, so büßte er diese Gemütserleichterung mit drei Speziestalern Strafe und Haft auf dem Rathause. Wurden derlei Strafen dann vom Verurteilten als ungerecht empfunden oder war er überhaupt von rauher, gewalttätiger Art, so erhob sich bisweilen gar ein kleiner Bürgerkrieg wie im Juli 1704, als der Marktschmied Thomas Reinbacher wegen kränkender Zweifel an der ehelichen Treue der Baderin vier Tage am Rathause sitzen sollte. Unsere Chronik meldet nun: »Am 4. Jully ist er Thoman Reinpacher auff daß Rathhauß wegen seiner vorigen erkhandten straff gesötzt worden, umb seine straff aldorten auszustehen, so haben sich etlich burger unterstandten, ihm schmidten heimbzusuechen und den schmidt voll angetrunkhen und aldorten grobe Röden außgelassen, als erster Martin Steinwender, Stefan Soinig, Jakob Burckhauser und Sockhenmacher. Undter dessen ist der Herr Richter die Rathaußtür gangen zuverbötschieren, sie aber alles weckhgebrochen und mit gewalt heraußgebrochen, er schmidt aber dem Rathhauß ein großes Loch eingebrochen, Ist auch von einem Löbl. Mag. Rath erkhandt, daß der Thoman Reinpacher alß der schmidt zur straff 4 fl. in barn gelt geben mueß, der Steinwender aber zwey dowerk (Tagwerk) bey dem Rathhauß arbeiten soll, die anderen aber ein jeder ein Dag zur straff auff dem Rathhauß sizen, ist vom Herrn Richter und Rath mit zween dugaten verpent worden.« Notorische Störer des Marktfriedens sollten wohl auch bisweilen die volle Strenge des Gesetzes zu fühlen bekommen, doch blieb's gewöhnlich bei der bloßen Drohung, wie im Falle jenes Hans Kayer, der im Mai 1727 nach dem Banntaiding, »als er besoffen war, nicht alein wider jetzigen Magistrat sondern auch wider die schon abgestorbenen Ratsverwandten lesterlich geschmellet, alle dem Teuffel in die Hölle gewunschen, die abgestorbenen tetten schon brinnen und pratten dieweilen sie das (Rats-) prothokoll verfölscht« (und seinen Grundtausch unrichtig eingetragen hätten). Dafür sagte der Spruch des Rates: »Hanns Kayer solte mithin von der burgerschafft ausgeschlossen sein, kein burger solte mit ihme röden essen oder trinkhen bis negstkunftigen Montag, dann solte er morgens in das Gerichtshauß khomen, die Falschheit des Protokolls authentisch darthuen, wurde er dises nit zeigen können, solte er drey Dag nacheinander in der Keichen sitzen.« Doch wurde dem alten Manne über Vorbitten mehrerer Bürger die Ausschließung endlich nachgesehen. Ernster erging's einem anderen Störenfried, dem Bürger Mathias Raingo, der am 24. Juli 1724 »wegen seiner zu öfftern malen gehabten und muetwilligen Handel auch über den Herrn Richter und Magestrat außgestoßener schlechter worthen innerhalb sechs Wochen seine Behausung verkhauffen und vom Markt hinwegziehen solte«. (Doch wurde auch dies harte Urteil »auff sein demüetig Pitten« gemildert.)

Aus begreiflichen Gründen waren die Zustände der öffentlichen Sicherheit damals auf dem flachen Lande nicht die besten. Aus den zahlreichen Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts schlug sich manch verdächtiger Schnapphahn marodierend in die Büsche, traf sich mit seinesgleichen und landfahrenden Dirnen an Kreuzwegen, in Scheunen und verrufenen, abgelegenen Keuschen, um dann gemeinsam als »arme Soldathenkinder« in Wind und Sonne ihre Straße zu ziehen, nicht eben zum Segen für den ruhigen Bürger und Bauer. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts läßt die Behörde wiederholt auf verdächtiges Gesindel fahnden, das in den weiten Wäldern um Krummbach und in der Soboth Unterschlupf gesucht. Diesen Kindern der Landstraße gegenüber nötigte die einfache Selbsthilfe zu rascher Justiz und summarischem Verfahren: »Kunz Horner, eyn Soldathenkind, so sich von Jugend aus mit Betln und Scheerfangen in Hungarn, Oesterreich und Steuermarkht betragen«, hatte 1748 »mit einer Weibspersohn, auch einem gebohrenem Soldathenkind«, mit der er sich kurz zuvor auf der Landstraße gefunden, mehrere Tage beim Wirte Mütznegg lustig und in Freuden gelebt. Als sie die Zeche nicht bezahlen konnten, mußte der etwas anrüchige Wirt, der schon des öfteren Vaganten ausgenommen hatte, den Schaden tragen. Die zarte Weiblichkeit aber, »die bey ihme vier Dage gezöcht und allbereith 3 fl. versoffen und schuldig verbliben, ist obenauß, der Vagantenkerl aber undtenauß gebeitscht worden«!

Und wenn an frühen Winterabenden der Sturmwind pfauchend um die niederen Schindeldächer sprang und das offene Herdfeuer schwelend niederschlug, spann sich wohl manch schaurige Erzählung im Kreise der bangen Hausgenossen von Mord und Straßenraub und nächtlich verrufenen Orten.

Noch in den Siebzigerjahren des 18. Jahrhunderts galt der »Eysenbub«, ein aus dem Eibiswalder Schloßkeller entsprungener Sträfling namens Johann Ränner, als der Schrecken der Gegend. Trotz des Preises von zwei Dukaten für den, der ihn fänge, wußte er immer wieder die Häscher zu narren und häufte Untat auf Untat. Bald sprang er bewaffnet und gefolgt von einem großen Hunde während des Kirchganges in ein einsames Bauernhaus, bald wurde er im Florianer Walde lauernd gespürt, heute wurde er in Gespanschaft des »Gutschebers« und des »langen Wiener Seppl« gesehen und morgen erzählte ein Glastrager auf dem Hauptwachplatze zu Grätz einem Herrn von Adel, der Eisenbub sei mit einer Bande in Kärnten und habe sich gebrüstet, zur Karwoche 1780 hoffe er wieder die Eibiswalder zu besuchen. Und als er endlich im darauffolgenden September in der (damals) St. Pauler Herrschaft Faal glücklich ins Garn gegangen war, scheint er abermals entsprungen zu sein, denn schon im nächsten Monate hat er in der Gegend Weidenbach bei Eibiswald mit einem Gespan ein Bauernweib gebunden und gänzlich ausgeraubt. Im gleichen Monate noch hatte er die vulgo Pratterjörglin beim Schwabschuster nächst Eibiswald durch Säbelhiebe bestialisch abgeschlachtet und war mit seiner Beute (einer geladenen Pistole, einem Säbel, einem Paar weißwollener Strümpfe und einem Gulden Bargeld) in den nahen Wald entkommen. Nicht lange darauf fiel er doch der irdischen Gerechtigkeit in die Arme und endete sein verzweifeltes Leben am Galgen, den er sich vom Bannrichter jammernd statt des Räderns erbeten hatte.

Dagegen nehmen sich die Vergehen, die vor Richter und Rat unter den Ortsinsassen zu schlichten waren, allerdings ziemlich harmlos aus. Keifende Weiber wurden auf dem Rathause in den Halsring oder »in die Geigen« gespannt, Diebstahl wurde mit Prangerstehen, »Kharabätschstreichen« und Ortsverweisung geahndet. Johann Gosch, der seine Eltern geschlagen, wurde (1780) »zu eynem spieglenden Beyspil mit sein Verbrechen enthaltender angehängter Tafel« öffentlich ausgestellt und darauf mit dem Universalmittel, mit »Kharabätschstreichen«, gezüchtigt.

Gewissenhaft verzeichnet unsere Quelle all die Sünden wider das leidige sechste Gebot, die Verhandlungen »in Sachen der Unzucht«. Genauestens wurden vor Richter und Rat die heikelsten Umstände des Vergehens in naiver Breite erörtert und der erwiesene Fehltritt, wenn anders nicht Stand, Familienverbindungen und Tatumstände des Inkulpaten die Richter zur Milde stimmten, strenge bestraft. Der junge Bürgerssohn (1706), der in wetterschwüler Hochsommernacht in des Metzgers Baumgarten die Jungdirn seiner Mutter sich zu Willen zwang, wurde nur mit einer ernsten Vermahnung und sechs Reichstalern »Pöhn« entlassen, die Sünderin aber kam auf etliche Tage auf dem Rathause ins Halseisen und wurde dann schimpflich des Burgfrieds verwiesen. Und die junge Bäckermeisterin, die in verschwiegener Nacht einen Gefreiten des durchziehenden Regimentes »bey gelöschtem Licht« (die weiblichen Zeugen beobachteten so genau!) zu sich ins Kämmerlein genommen, sie kam mit 10 Gulden Gerichtsstrafe und einem strengen Verweise des Marktrichters noch glimpflich davon.

Leider bietet unsere Quelle unter diesen Verhandlungen zivil- und strafrechtlicher Natur nur wenig eigentliche chronistische Beiträge. Der beschauliche Fluß des täglichen Lebens mochte wohl wenig bringen, was des Aufzeichnens für Kind und Kindeskinder würdig schien. Von den Ereignissen der weiten großen Welt draußen brachten nur die wöchentliche »Klepperpost« aus Grätz, hie und da die Erzählungen eines verabschiedeten Soldaten oder wandernden Hausierers spärliche Kunde. Man saß geruhig am häuslichen Herd und empfand es nicht unbehaglich, »wenn hinten weit in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen«. Zuzeiten allerdings rückten Truppendurchzüge auf dem alten Verbindungswege zwischen Steiermark und Kärnten über den Radl den Bürgern den Ernst der Zeiten in bedeutsame Nähe und boten Stoff zu gewichtigen Gesprächen beim Vespertrunke. »Item so seint bishero letzten September des 1707. Jahrs hundertfünfzig Wägen von Grätz zweimahlen mit dreißig Wagen Pulffer, hundertzwanzig Wagen mit Stückh- und Granath-Khugeln alher in unsern Markt gefüert und alda ich Marktrichter Lerch vor die Pauernwagen ihren Fuhrlohn eine quittung geben mießen und des andern tags aber solches Pulffer, Khugeln und Granathen wiederumb in das Khärndten und sodan nacher Welischland gefüert worden zu der khayserlichen Armee. Seint auch jedesmal ain bis zween Khunstäbler dabei gewesen und solche verwacht.«

Dagegen blickt der ganze blutige Ernst einer furchtbaren Ortskatastrophe aus zwei fliegenden Blättern, die am Schlusse des Bandes eingelegt sind und von den verheerenden Marktbränden der Jahre 1711 und 1763 melden. Der Knecht Simon des Benefiziaten von Saldenhofen sollte am 18. Mai 1711 mit seinem Herrn nach Graz reisen, um einige tausend Gulden an den Bischof Grafen Leslie als den eigentlichen Inhaber der Pfarrpfründe abzuliefern. Sie hatten die Pferde im Stalle des Herrn Johann Georg Kächerl (heute Lerch) eingestellt. Der Knecht hatte noch des Abends alte Bekannte heimgesucht, »alwo er einen gueten Rausch angesoffen«, und legte sich dann zur Ruhe. »Balt nach zwölf Uhr stehet er wiederumb auf, nimbt die Kerzen auß seines Herrn Zimmer, gehet in Stall, in Willens die Pferde zu füettern und satteln, damit sie wiederumb vor Dags reißen möchten, den es waren dazumahlen warme Dag. Alß er aber kein Liecht hatte, der Würth auch mit schlechten Haußleuthen versehen ware, sizet er in Stall auf die Strey nider, in Willens Feyer zu schlagen. Weillen aber der Rausch noch in Khopff, khönte er nicht sechen, daß der Schwamm Feyer empfangen. Von Schlaff überfahlen, laßt er Zeug und Schwamm fahlen und verschlafft. Under dessen hebt die Strey an zu brinnen, die Pfert wegen des Rauch an zu wietten und schlagen, worüber der Knecht erwacht, sicht aber, daß der völlige Stall schon im Feyer, der Rockh an sein Leib auch halb verbrent, verlast beede Pfert in Feyer, so auch verbrunnen, laufft zu sein Herrn in das Zimmer, weckht ihme auff, nehmen beede das Gelt und gehen dervon, ohne ein Lermen zu machen. Umb halb ein Uhr wirdt gerueffen Feyer, Feyer! Da waren schon alle Staill des Herrn Khächerl in Feyer, griff schon gegenüber das Khriegerische Haus und Staill an, welche gleich in völligen Flamen stunden. Von diesen ist das Feyer durch den Windt zu den Heussern bey der Khürchen getragen worden, (hat) auch gleich im Markht zu brinnen angefangen. Weillen disses also umb Mitternacht die Leuth im bösten Schlaff, haben wenige das Ihrige salvieren mögen, sondern vill khaumb sich selbsten erröttet, seint also in einer Stundt achtundvierzig Heusser sambt den Staillen in vollen Flamen gestandten. Der Khürchthurn hat bey der Khupel schon anfangen zu brinnen, ist aber durch die herzuegelauffenen Bauern auf guete Anstalt der Khürchenpröbst erröttet worden. Das Feyer ist vor das obere Markhtthor nicht hinauskhomen, auch somit die Heusser auf der Tratten, am Khürchenbüchel und die Lödererwerkhstätten und drey andere Heusser am Grieß neben dem Freythoff und der Pfarrhoff stehen verbliben. Alle Handtwercher haben ihre Laaden und Freyheiten salviert, aber die bürgerliche Laad, Freyheiten und alle alten Schriften (sind) verbrunen, weillen selbe am Rathhauß waren. Diß ist geschechen am 19. Mai, an einem Erchtag (Dienstag) und ist vor eine absonderliche Gnadt Gottes zu halten, weillen die Brunst umb Mitternacht, die Leuth alle im Schlaff, dennoch ist niemandt verbrunen, ja gahr niemandt verprent oder verlötzt worden.«

Am 4. Juni 1734 drohte dem Markte neuerdings Vernichtung durch eine verheerende Feuersbrunst, »die in des Lorenz Hietinger Stall bey einem Soldathenmarsch durch einen liederlichen Fähnrichtsbedienten ist angefeuert worden«, doch fehlen nähere Angaben über den Umfang des Schadens. Neuen Schrecken brachte der Marktbrand von 1763: »Am 4. Mai ist umb Mitternacht zwischen zwölf und ein Uhr bei der Maria Anna Walterin in Stall daß Feyer ausbrochen, wobey, leider Gott, der größte Schröckhen in ganzen Markht war. Bey dissen tobenden Feyer aber haben Schaden gelitten des Bildhauer Hauß und Stallung, die Sebernig Schmide, Hauß und Stallung, des Graber Josl Hauß, die Stallung ist stehen gebliben. Bey allen diesen jammerlichen An- und Zuesehen ist guete Veranstaltung von Herrn Raimund Traunsteiner, als damaligen Markhtrichter, auf Seiten des Grässels und auf Seiten des Zimmermannbeter (Peter) von Herrn Jakob Freytag des Raths geschehen, die ganze burgerschafft hat darbey fleißig das Ihrige gethan und tapfer gearweithet, Gott aber der allerhögste, alls welicher uns durch den hochwürdigen Herrn Pfarrer Franciscus Gostwein ist biß zue Seullen heraufgetragen worden und das Feuer benediziret, hate den Windt gebotten, daß nicht der mindeste Lufft und Windt gegangen ist, solang das Feyer dauerte. Gleich darauf folget ein starkher Windt.« Zum Danke für diese glückliche Rettung aus Feuersnot »ist gleich des Tags darauf die ganze burgerschafft … bey der Seullen (der Mariensäule am oberen Marktplatz) zusamben gangen und alda mit brinenden Kerzen und öffentlichen Gebet sambt Mitziehung eines geistlichen Herren von dortaus in die Kirchen gegangen und ein Lobamt zu Ehren des heilligen Floriani und der heiligen Muetter Anna gehalten worden, wobey alle zum Opfer gingen. Das Amt aber erhielt sich und sollte bleiben, so lang als ein Hauß zu Eiwisbalt stehen wirdt«.

Noch manchen kleinen Beitrag enthält unser Buch zur Sittengeschichte eines steirischen Marktes in jenen Tagen, so über die »lüderlichen Spielcompagnyen und Plöschtänze«, über die Klagen der Zünfte »bei zunehmender Hantierung auf dem Gey«, über die ewigen Klagen der Bäckerinnung »gegen die Stör und Sudlbeckhen« und das widerrechtliche Brotbacken zu Verkaufszwecken durch Bürgersfrauen, doch würde all dies den Rahmen dieser kleinen Arbeit zu sehr dehnen. Wir schließen darum mit einem freundlichen Bilde, der Burgfriedsbereitung aus dem Jahre 1752. Die feierliche Umreitung der Gemeindegrenzen sollte alle acht bis zehn Jahre stattfinden, doch verging bisweilen ein Menschenalter, bis sie wieder in altgebräuchlichem Prunke abgehalten wurde. Nicht ohne feierliches Gepränge und in der behaglichen Fröhlichkeit unserer Altvordern scheint sie am 5. Juni des genannten Jahres verlaufen zu sein, denn unsere Chronik meldet: »Erstlichen ist der ganzen burgerschafft angesagt worden der bestimbte Tag, als dan wurde mit der Trumel das Zeichen gegeben zu erscheinen ins Gerichtshauß. Alsbald erschinen der Rath alle zu Pferdt und die ganze Gemain mit Gewöhr; wie alle beisamen wahren, so seyn sie auß dem Gerichtshauß baar und baar in die Kürchen und haben bey gehaltenen Ambt fleißig und mit Andacht beygewohnt und seyndt auch alle zum Opfer gegangen … Nach Vollendung des Gottesdienst seyndt wiederumb alle baar und baar außgezogen von Gerichtshauß und ist noch einmal das Zeichen gegeben worden mit Trumel und Pfeiffen zu marschieren. Alsdan ist der Zug angestellet worden dergestalten: Erstlich reutet Herr Markhtrichter wohlgezirt, alsdan Herr Josef Löscher in schönster Galla als Corneth mit schöner Standar, hernach riten der Rath baar und baar, nach dem Rath zoge die ganze burgerschafft in schönster Ordnung mit Gewöhr, wohibey Herr Johannes Moritsch als Haubtmann. Erstlich gingen zwey Zimmerleuth mit geschulterten Hackhen (um die Grenzbäume anzumerken), dann zwey mit Heleparten, dann zwei mit Spitzhauen, hernach die Dambors mit Pfeiffer, hernach Herr Haubtmann Hannß Georg Huebmann, Herr Anthony Plengg mit fliegenter Fan als Fenrich, hernach Herr Hannß Zäpffel (ein Schneider) als Leutnanth, hernach die burgerschafft, alle drey und drey.«

Nun folgt vom Lenzensteg aus mit dem Herrschaftsverwalter Rauscher und seinem Gefolge die gemeinsame Umreitung des Burgfrieds, der im wesentlichen mit den heutigen Gemeindegrenzen übereinstimmte. An allen Randsteinen erhielten die Kinder den üblichen Backenstreich (den »Mercks«) und ein kleines Geldgeschenk … »Alsdan seyndt von Herrn Markhtrichter zwey vom Rath namlichen Jakob Grützner und Michael Altersperger zu der Herrschaft Herrn Grafen von Schrottenbach abgeordnet worden mit folgenter Post: Seine hochgräfliche Gnaden geruhen uns gnädigst unseren Zurückmarsch durch das Schloß zu passieren (jedoch unpräjudizierlich) zu erlauben, welches Seiner hochgräflichen Gnaden sehr wohl gefallen und alsogleich die Erlaubnis ertheillet haben. Haben auch zugleich bey der gnädigen Gräffin und Freyllein die Cammerjungfern zu einer christlichen regreation ausgebetten, welches (sie) auch erlanget haben. Alsdan geschahe der Durchzug in schönster Paradierung, wo die gnädigste Herrschaft ein sehr Wohlgefallen erzeuget. Sodan gehet der Marsch über die Brucken hinunter durch den Markht und Steinweg zu des Herrn Markhtrichter seiner Behaußung, wo sich der sammentliche Rath wie auch die burgerschafft bey dem Markhtrichter vor das guete Commando bedanket, worauf die versamlete burgerschafft von Herrn Richtern zur Mittag Taffel eingeladen worden, worzue auch alle erschienen. Der sammentliche Rath speisete in dem neuerbauten Zimmer in Beysein Herrn Landtgerichtsverwaltern und dessen Ehefrau, dan Ihre Hochwürden Herrn Pfarrer Ernestus Traunsteiner von Altenmarkht, Herrn Joseph Iberer (dem Hammerwerksverweser) und dessen Ehefrau und beider Cammerjungffern von der Herrschafft, wo sich Herr Markhtrichter recht splendite sowohl in Essen, dan extra mit einen guten Trunkh hat sehen lassen, wo auch allesambt ein vergnügen gehabt, haben darbey eine schöne Tafelmusica gehabt. Nach eingenommener Mahlzeit haben sich die mehrsten mit Tanzen belustiget, wo alles gut abgeloffen, außer daß der Michel Käär (ein notorischer Störenfried) einen blauen Buckel davongetragen.«

Mit diesem festlich bewegten Tag will ich schließen. Noch einmal überfliege ich die vergilbten Blätter, darinnen in treuherziger Schilderung ein gut Stück Kleinleben eines mittelsteirischen Marktes in unserer Urgroßväter Zeit fortlebt: Viel umständliche Breite, manch Zeugnis rauher Sitten, häßlichen Geschäftsneides und arglistiger Biedermeierei, aber zum weitaus überwiegenden Teile doch viel redliche Tüchtigkeit, sorglicher Bedacht auf Ehrlichkeit in Handel und Wandel, ein gesundes Empfinden für die Wichtigkeit der wenn auch eng umzirkten Selbstregierung des gemeinen Marktes und bei all dem täglich aufschießenden kleinlichen Gezänke stets der gutmütige Wille, die Schäden des unbedachten Wortes und der raschen Faust durch eine »demüetige christliche abpitt« auf dem nächsten Wege zu heilen. Alles in allem ein Bild engen Genügens, nicht ohne bescheidene Behaglichkeit, das mit seinen blassen Zügen aus der »guten alten Zeit« wundersam hineinschaut in die fahrige Unrast unserer Tage.


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