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Die Geschichte von der Reise der drei jungen Söhne des Königs von Sarandib.

Vor alters lebte im Orient und zwar im Lande Sarandib ein großer und mächtiger König mit Namen Dscha'afar, der hatte drei männliche Kinder; weil er nun einsah, daß er sie als Herren von großer Macht zurücklassen müßte, beschloß er als ein weiser und liebevoller Vater, sie auch mit allen Tugenden versehen, die einem Fürsten geziemen, zurückzulassen. Dieserhalb zeigte er großen Eifer, in seinem ganzen Lande einige Männer zusammenzubringen, die sich in verschiedenen Wissenschaften auszeichneten; und nachdem er ihnen ein geräumiges und großes Gemach, wie es ihrem Stande angemessen war, bezeichnet hatte, in das auch kein anderer eintreten durfte, überließ er ihnen die sorgfältige Erziehung seiner Söhne, zumal er vermeinte, daß er seinen Söhnen nichts Köstlicheres zu geben vermöchte, als sie derart unterrichten zu lassen, auf daß man sie als seiner würdig erkennen könnte. Die Lehrmeister sind nun dem gegebenen Befehle, die Söhne zu unterrichten, mit solch großem Eifer nachgekommen, jeder in seinem Fache, um dem Befehle ihres Herrn genugzutun, daß sie die Söhne, die mit dem besten Verstande begabt waren, in kurzer Zeit in der Wissenschaft und den Dingen, die für Fürsten so wertvoll sind, über alle anderen ihres Alters und Standes weise und gelehrt machten. Als dem Könige dies eines Tages gemeldet wurde, konnte er nicht glauben, daß sie so bald solch große Fortschritte gemacht hatten, und beschloß, sich selbst durch eine Probe davon zu überzeugen; und kurz darauf rief er seinen ältesten Sohn zu sich und redete ihn also an:

»Du weißt, o mein Sohn, wie lange ich die Last einer so großen Herrschaft und die Leitung eines so weiten Reiches getragen und nach Maßen meiner Kraft über meine Völker und Untertanen immer sorgsam und mit solcher Liebe und Barmherzigkeit regiert habe, daß ich um so viel Größeres leisten konnte, als es der Wille Allahs durch mich ja auszuführen vermochte. Jetzt nun bin ich zu so hohem Alter gekommen, daß es billig ist, wenn ich, nachdem ich so lange Zeit um das Wohl meiner Untertanen und der meiner Herrschaft angehörigen Staaten Sorge getragen habe, den kurzen Lebensabend, der mir noch bleibt, zu Betrachtungen meiner selbst und des Heiles meiner Seele verwende. Ich habe auch beschlossen, mich in ein nicht gar zu fernes Kloster zurückzuziehen, wo ich in aller Stille meiner Sünden und der meiner Seele zugefügten Beschädigungen gedenken und darüber möglichst große Reue tragen kann, auf daß ich die Verzeihung des Allmächtigen erlange und von ihm für jede Beleidigung Ablaß bekomme. Weil nun du mein ältester Sohn bist, habe ich dich vor mich rufen lassen, um dir kundzutun, daß du mir in meiner Herrschaft und in der Verwaltung dieses Reiches nachfolgen sollst. Und ich bitte dich besonders, dir deine Brüder wie deine eigenen Söhne angelegen sein lassen und sie immer mit der Sorge behandeln und mit der Liebe umarmen zu wollen, die ihnen zukommt; des weiteren, daß du jedem die gleiche Gerechtigkeit zuteil werden lässest und bei allen deinen Handlungen die göttliche Erhabenheit vor Augen habest und mit Milde und Liebe die Untertanen und Völker deiner Staaten beherrschest, und dich besonders derer, die in armen und kläglichen Verhältnissen sind, immer annehmest. Ehre mit jeder Art von Ehre die alten und gebrechlichen Menschen, strafe die Bösen und Verruchten. Tu dein möglichstes, stets die Gesetze und Anordnungen der göttlichen Erhabenheit und dieses Reiches vor Augen zu haben!«

Der kluge und weise Sohn konnte sich nicht genugsam über solche Reden und Ratschläge seines Vaters wundern; und nachdem er ihm erst seine Ehrfurcht bezeigt hatte, antwortete er ihm solchermaßen:

»O mein Gebieter, ich habe deinen Rat und Beschluß, den du mir auszuführen auferlegt hast, auf das trefflichste verstanden. Weil es mir aber tadelnswert zu sein scheint, daß ich zu deinen Lebzeiten herrschen und dein Reich innehaben soll, und ich auch weiß, daß ich niemals ein Auge von solcher Größe finden kann, das dein Strahlenauge überstrahlt, und daß ich keinen Glanz finden kann, der dem der Sonne gleicht, wenn du lebst, der du das Strahlenauge und die Sonne deiner Herrschaft bist, so meine ich denn, kommt es auch keinem andern zu, die zu besitzen und zu beherrschen. Und wiewohl ich nun all das, was du mir aufträgst, pünktlich ausführen möchte, mag es jedoch niemals geschehen, daß ich dir noch bei deinem Leben, dem unser Herr lange und glückliche Jahre hinzufügen möge, in der Herrschaft nachfolgen soll. Wenn es aber dereinst geschieht, daß der Herrgott dich zu sich ruft, will ich mir solches zu Herzen nehmen und gemäß deiner weisen und heiligen Ratschläge gebieten, so gut ich es nur vermag, und mich der Gerechtigkeit befleißigen und das Reich in Furcht vor der göttlichen Erhabenheit beherrschen und verwalten!«

Ob solcher Antwort seines klugen Sohnes wurde der König gar sehr getröstet und fröhlich, da er bei dieser ersten Prüfung in ihm die Tugend gefunden hatte, die einen weisen und maßvollen Fürsten ziert; und indem er zur Stunde die Zufriedenheit seines Herzens verbarg, gab er seinem Sohne den Abschied; er wollte auch die andern beiden der gleichen Prüfung unterwerfen und rief den zweiten sogleich vor sich, redete zu ihm die gleichen Worte wie zum ersten und erhielt von ihm solche Antwort:

»O mein Gebieter, lang und glücklich möge deine Herrschaft währen, und es möge dir unser Herrgott Noahs Alter verleihen; sage mir bitte, ob eine Ameise, die eben ihr kleines Kämmerlein verläßt, imstande ist, ein großes Reich zu beherrschen und zu verwalten? Was bin ich anders, als ein schwaches und kleines Ameislein? Wie könnte ich die Sorge um ein so großes Reich auf mich nehmen? Hat des ferneren mein Bruder, dein ältester Sohn, der dir rechtmäßig in der Herrschaft folgen muß, nicht ein frisches und gesundes Leben?«

Mit solch schneller und kluger Antwort seines zweiten Sohnes war der König außerordentlich zufrieden und dankte dem Herrgott demütiglich und frommen Herzens, daß er ihn zum Vater solcher Kinder gemacht hatte; er beurlaubte dann auch diesen von sich und ließ den jüngsten vor sein Angesicht treten und trug ihm die gleiche Rede vor, die er schon den andern vorgetragen hatte; der Jüngling aber antwortete und begann solcherart zu sprechen:

»Wie kann ich, o mein Gebieter, dem die göttliche Erhabenheit viele glückselige Lebensjahre verleihen wolle, wie kann ich, sage ich, der ich noch ein zartes Knäblein bin, eine so schwere und wichtige Sorge auf mich nehmen? Ich komme mir vor wie eine Art kleiner Wassertropfen, dein Reich aber scheint mir einem weiten und unendlichen Meere zu gleichen, wie sollte es da möglich sein, daß ich ein so großes Reich nach Gebühr verwalten könnte? Da du aber weißt, daß ich noch ein Kind bin, so spottest du meiner und legest mir etwas so Gewichtiges auf, um einen Spaß mit mir zu treiben. Wenn ich auch noch ein Kind bin, o Gebieter, habe ich doch, Gott sei Dank, so viel Verstand, daß ich mein Können und meine Kräfte und meine Schwächen kenne, und merke, daß du jedenfalls Spaß mit mir treibst. Wenn solches nicht zutreffen sollte, habe ich dann nicht zwei ältere Brüder, denen du die Last der Herrschaft aufbürden könntest?«

Ob solcher gescheiten Antwort des Knaben staunte der Vater im höchsten Staunen, und da er in ihm eine bewundernswerte Geistesschärfe entdeckte, wurde er dessen unsagbar froh.

Nachdem er nun auf solche Weise durch das stattgefundene Gespräch mit allen seinen drei Söhnen den großen Fortschritt erfahren hatte, den sie in der Wissenschaft gemacht, und die klugen Gedanken und verständigen Antworten, die sie gegeben hatten, beschloß er, auf daß sie in aller Weisheit vollkommen würden, sie auszuschicken, die Welt anzusehen, um die Verschiedenheit und die Gebräuche und Sitten vieler Völker mit demselben Eifer zu schauen, mit dem sie sich schon den Inhalt der Bücher und die Unterweisungen der Lehrer zunutze gemacht hatten. Und nachdem er sie andern Tages vor sich entboten hatte, heuchelte er, über die Maßen erzürnt zu sein, und tat, als ob er schwer daran trüge, daß keiner ihm hatte gehorchen wollen, um die Last seines Staates auf sich zu nehmen, und redete also zu ihnen:

»Da keiner von euch meinen Befehl hat ausführen wollen, wessen ich mich wahrlieh nicht versehen hatte, so macht, daß ihr in einem Zeiträume von acht Tagen außer den Grenzen meines Reiches seid, sintemal ich keine ungehorsamen und verruchten Kinder mehr in ihm haben will!«

Ob solchen Ereignisses waren die Söhne gar sehr betrübt; und da sie dem Willen ihres Vaters gehorchen wollten, begaben sie sich sogleich auf die Reise, gingen aus seinem Kö-* nigreiche heraus und kamen in das Land eines großmächtigen Kaisers, mit Namen Behram-Gur. Als sie nun auf der Reise nicht weit von seiner Hauptstadt waren, stießen sie eines Tages auf einen Kameltreiber, dem ein Kamel entflohen war; sie wurden von ihm gefragt, ob sie vielleicht eines auf dem Wege gesehen hätten; und weil sie die Fußtapfen und die Losung eines solchen Tieres auf der Straße gesehen hatten, nahmen sie sich vor, zu sagen, daß sie es auf dem Pfade angetroffen und – auf daß er ihnen Glauben schenkte, denn sie waren kluge und weise Jünglinge – daß sie auch viele Zeichen des verlorenen Kamels gesehen hätten. Sogleich sprach der älteste: »Sage mir, o Bruder, ist das Kamel, das du verloren hast, nicht blind auf einem Auge ?« Und als der Kameltreiber geantwortet hatte, daß solches seine Richtigkeit habe, fuhr der zweite fort und sprach: »Sage mir, fehlt ihm nicht außer dem blinden Auge auch noch ein Zahn im Maule ?« Nachdem der Kameltreiber das zugegeben hatte, wurde er vom dritten befragt: »Sage doch, hinkt es zufällig auch?« Und als der Kameltreiber auch das bestätigt hatte, sagten sie: »Deinem Kamele sind wir wahrlich, es ist nicht lange her, auf der Straße begegnet und haben es ein gut Stück hinter uns gelassen!« Darüber wurde der Kameltreiber gar fröhlich und dankte den drei Brüdern und suchte auf ihre Worte hin einen Weg von gut zwanzig Meilen das Kamel auf der Straße, konnte es jedoch nicht finden. Da kehrte er müde und kummervoll um und fand die Jünglinge folgenden Tages nicht weit von dem Orte, wo er sie verlassen hatte, trinkend an einem klaren Quell, zum Essen gelagert. Und hier klagte er ihnen, daß er sein Kamel nicht wiedergefunden habe, und sagte zu ihnen: »Ich bin gut zwanzig Meilen den Weg entlang gewandert, der mir von euch gewiesen wurde, habe aber vergebens solche Anstrengung erduldet, weil ich mein Tier nicht wiederfinden konnte; und da ich von euch die untrüglichsten Zeichen gehabt habe, kann ich wahrlich nicht glauben, daß ihr mich nur bloß äfftet!«

Hierauf antwortete ihm der älteste Bruder: »An den Zeichen, die wir dir angegeben haben, kannst du wohl ersehen, ob wir dich geäfft haben oder nicht; auf daß du aber schließlich keine schlechte Meinung von uns hast, will ich dir noch ein anderes Zeichen angeben; dein Kamel war auf der einen Seite mit einer Last Butter, auf der andern aber mit Honig beladen!« »Und ich«, fuhr der zweite fort, »sage dir, daß auf deinem Kamele ein Weib saß«; »und dieses Weib,« sprach der dritte, »auf daß du erkennest, wir sagen dir die Wahrheit, war sicherlich schwanger!«

Als der Kameltreiber solche Worte hörte, fing er um der vielen und zutreffenden Anzeichen willen, welche die Jünglinge angaben, an zu glauben, daß sie ihm das Kamel gestohlen hatten, zumal er es auf dem von ihnen bezeichneten Wege nicht hatte finden können. Er beschloß, sich Genugtuung verschaffen zu wollen und die Jünglinge anzuklagen, daß sie ihm sein Kamel auf der Straße gestohlen hätten, und ging vor den Richter und klagte die drei Brüder hart des begangenen Diebstahls an; die aber wurden in das Gefängnis geworfen.

Solche Tat kam dem Kaiser zu Ohren, der einigen Verdruß darüber hatte, zumal er über die Maßen eifrig darauf bedacht war, daß man in seinem Reiche sicher und ohne Furcht vor Räubereien wandern möchte; darüber sehr aufgebracht, ließ er die drei Jünglinge andern Tages vor sein Angesicht kommen und auch den Kameltreiber rufen, da er von ihm in Gegenwart der Jünglinge über den ganzen Vorfall in Kenntnis gesetzt werden wollte. Als er genügend von dem Kameltreiber erfahren hatte, auch was für gewisse Kennzeichen des verlorenen Kamels die Jünglinge angegeben hatten, wandte er sich ganz zornig gegen diese und redete sie also an:

»Ihr habt nun die Anklage des Kameltreibers gehört und verstanden; wegen der von euch angegebenen Kennzeichen glaube ich wahrlich, daß ihr ihm sein Tier gestohlen habt, weil er es trotz seines sehr großen Eifers auf dem Wege, den ihr ihm gewiesen habt, nicht hat wiederfinden können. Und es ist gerecht, daß ihr um solcher Missetat willen des Todes sterbet; nichtsdestoweniger habe ich beschlossen, da ich von Natur aus mehr zur Milde als zur Strenge neige, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, aber ihr sollt unverzüglich das gestohlene Kamel herausgeben; wofern solches nicht ohne jede Verzögerung geschieht, sollt ihr morgen beizeiten wie Räuber eines schändlichen Todes sterben!«

Als die Jünglinge die Worte und den Beschluß des Kaisers vernommen hatten, waren sie ein wenig über solchen Ausgang betrübt; sie trösteten sich jedoch mit ihrem reinen Gewissen und ihrer Unschuld und antworteten ihm: »O Gebieter, wir sind drei Wandersieute, die sich aus keinem andern Grunde auf der Wanderschaft befinden, als um verschiedene Länder und die Wunder zu sehen, die sich in dieser Welt antreffen lassen; und zu solchem Zwecke sind wir hier. Als wir in dein Land gekommen waren, stießen wir nicht gar fern von dieser Stadt auf den hier anwesenden Kameltreiber, der uns fragte, ob wir zufällig ein Kamel, das er verloren habe, auf dem Wege gesehen hätten; da wir nun nichts weiter auf der Straße gesehen hatten als die vielen Anzeichen des verlorenen Kamels, antworteten wir Scherzes halber, daß wir ihm begegnet seien. Und auf daß er unsern Worten, die wir ihm über sein Kamel sagten, Glauben schenkte, beschrieben wir es dem Kameltreiber genauer, und zufällig stellten sich die Angaben als richtig heraus; und als er auf dem von uns gewiesenen Wege das gestohlene Kamel nicht wiederfinden konnte, hat er uns ungerechterweise beschuldigt, daß wir ihm sein Tier geraubt haben. Und hat uns hierher vor dein Angesicht geführt und uns beleidigt, wie du siehst. Solches aber, was wir sagen, ist die Wahrheit. Sollte es sich aber anders zugetragen haben, so sind wir einverstanden, daß du uns des Todes sterben läßt, den du über uns verhängst; wie hart und grausam er auch immer sein mag!«

Als der Kaiser die Worte der Jünglinge gehört hatte, vermochte er nicht zu glauben, daß die sechs dem Kameltreiber angegebenen Zeichen zufällig alle hätten richtig sein können, und sprach zu ihnen: »Ich glaube wahrlich nicht, daß ihr drei Propheten, sondern vielmehr drei Straßenräuber seid, welche die Leute ermorden, die ihnen auf der Straße begegnen; und darum meine ich solches, weil ihr euch auch nur in einem der sechs Zeichen, die ihr dem Kameltreiber angegeben habt, nicht irrtet.« Also redend, ließ er sie wieder ins Gefängnis bringen.

Es begab sich inzwischen, daß ein Nachbar des Kameltreibers in eigenen Geschäften über Land ging und das verlorene Tier auf der Straße wiederfand; er erkannte es und brachte es nach seiner Rückkehr seinem Herrn, der sein Nachbar war, zurück. Wie nun der Kameltreiber sich seines Irrtums bewußt wurde und bei sich bedachte, in welch großer Gefahr die Jünglinge auf seine Anklage hin schwebten, lief er unverzüglich zum Kaiser und ließ ihn wissen, daß er sein Kamel wiedergefunden habe, und bat ihn gar demütiglich und inständig, die unschuldigen Jünglinge aus dem Gefängnis herauszulassen. Als der Kaiser solches vernahm, schmerzte es ihn sehr, die unglücklichen Jünglinge eingekerkert zu haben, freute sich aber über die Maßen, daß er ihnen noch nichts Arges zugefügt hatte, und gab Befehl, sie sogleich aus dem Gefängnis zu holen und vor sein Angesicht zu bringen, was ohne eine Verzögerung von seinen Dienern ausgeführt wurde. Zuerst entschuldigte er sich, sie auf die falsche Anklage des Kameltreibers hin eingekerkert zu haben, hierauf verlangte er zu wissen, wie sie die Zeichen des verlorenen Tieres hatten erraten können, und bat sie gar sehr, ihm solches offenbaren zu wollen.

Da nun die Jünglinge dem Kaiser deswegen in jeder Weise genugtun wollten, sagte der älteste zu ihm: »O Gebieter, daß das verlorene Kamel auf einem Auge blind war, schließe ich daraus: als wir die Straße entlang wanderten, auf der es auch gegangen war, sah ich, wie an ihrer Ränder einem das Gras, das magerer war als das, das am andern Wegrande wuchs, völlig niedergetreten und abgefressen war, während es am andern Rande noch vollständig unberührt stand. Daraus schloß ich, daß es auf dem Auge blind ist, da es die Seite, wo das fette Gras wuchs, nicht hatte sehen können, weil es sonst wohl statt des fetten das magere würde haben stehenlassen!«

Der zweite fuhr fort und sagte: »O Herr, daß diesem Kamele ein Zahn fehlte, habe ich daran gemerkt, daß sich alle paar Schritte auf dem Wege einige Bissen gekautes Gras vorfanden, die so groß waren, daß sie durch den Spalt, den ein solcher Tierzahn einnimmt, fallen konnten!«

»Und ich, o Gebieter,« hub der dritte an, »erkannte daran, daß das verlorengegangene Kamel lahmte, weil ich nur die Trappen von drei Füßen des Tieres deutlich eingedrückt fand; der vierte schien mir aber, soviel ich aus den Spuren ersehen konnte, nachzuschleifen.«

Ob des Verstandes und der Klugheit der Jünglinge wunderte sich der Kaiser über die Maßen und wünschte zu hören, wie sie die drei andern Zeichen hatten in Erfahrung bringen können, und bat sie inständigst, ihm auch das erzählen zu wollen. Um seiner Bitte vollständig Genüge zu tun, sagte der Jünglinge einer:

»O Gebieter, daß das Tier auf der einen Seite mit Butter, auf der andern Seite mit Honig beladen war, habe ich daran gemerkt: auf der Strecke von gut einer Meile sah ich auf der einen Straßenseite unzählige Ameisen, die das herabgeträufelte Fett begehrten, auf der andern aber zahllose Mücken, die gierig dem Honig nachgingen!« »Und daß eine Frau auf ihm saß,« sprach der zweite, »schließe ich daraus: ich sah die Spur, wo sich das Kamel hingekniet hatte, und daselbst auch die Spur eines menschlichen Fußes, der mir der einer Frau zu sein schien, doch ich schwankte, weil er auch der eines Knäbleins sein konnte; als ich solches bei mir überlegte, sah ich, daß bei der menschlichen Spur Wasser gelassen war, und kauerte mich über besagten Harn nieder und wollte ihn riechen, und sogleich wurde ich hitzig von fleischlicher Lust ergriffen, was bewies, daß der Fuß einer Frau angehörte!«

Der dritte aber, der behauptet hatte, die Frau sei schwanger, sagte: »Ich mutmaßte es aus der Spur der Hände, die ich da in der Erde sah, weil sie, um die Last des Körpers, nachdem sie geharnt, wieder aufzurichten, ihrer Hände bedurfte!«

In grenzenlose Verwunderung versetzten die Worte der Jünglinge den Herrscher; und sie flößten ihm infolge ihres Verstandes eine unglaubliche Achtung ein, und er beschloß, sie in jeder Weise lieb zu haben und sie dergestalt zu ehren, wie es ihrem seltenen Werte angemessen war. Er ließ ihnen in seinem eigenen Palaste ein köstliches Gemach herrichten und bat sie herzlich, daß sie zustimmen möchten, einige Zeit bei ihm zu bleiben, indem er sie seiner höchsten Achtung versicherte, die er ihres schlagfertigen und hohen Verstandes wegen für sie gefaßt hatte.

Wie sich nun die Jünglinge derart von einem so großen Fürsten geehrt sahen, sagten sie ihm seiner großen Höflichkeit halber vielmals Dank und beschlossen, auf das schnellste jedem seiner Wünsche Genüge zu leisten. Darauf wurden sie vom Kaiser selbst in die hergerichteten Gemächer geführt und nach Schicklichkeit herrlich behandelt. Und es verstrich kein Tag, an dem der Kaiser nicht wenigstens drei Stunden mit ihnen verschiedene Gespräche führte und an ihrer großen Klugheit und ihrem raschen Verstände herzlich Freude hatte; zu often Malen versteckte er sich auch in einem ihrem Gemache anliegenden Räume und hörte sie immer von hohen Dingen reden, wurde ihrer froh und ging so hinweg. Und er gab Befehl, daß die Jünglinge von seiner eigenen Tafel gespeist würden; eines Tages nun, als es zur Essenszeit war, ließ er ihnen ein fettes Lamm, unter vielen andern köstlichen Speisen, und einen Krug herrlichen Weines darbieten und zog sich in den Nebenraum zurück, um ihren Gesprächen mit viel Vergnügen zu lauschen.

Als jetzt die um den Tisch sitzenden Jünglinge das Lamm zu verzehren und den Wein zu trinken begannen, den der Kaiser ihnen hatte zustellen lassen, sprach der älteste: »Wahrlich, ich glaube, daß der Weinstock, von dem dieser Wein stammt, der uns da heute als ganz etwas Besonderes vorgesetzt ist, auf einem Grabe steht, und kann mir nicht denken, daß es sich anders verhält!« »Und was mich angeht,« sagte der zweite, »so können mich alle Weisen der Welt nicht anders bereden, als daß dieses Lamm, das da heute vor uns steht, mit Hundemilch genährt ist!« Es dauerte nicht lange, und es hub der dritte zu sprechen an: »Gar sehr, o Brüder, schmerzt mich eine Sache, die ich heute morgen gemerkt habe, und sie besteht darin, solches konnte ich aus einigen Zeichen entnehmen: der Herr, von dem wir so viele Höflichkeiten empfangen haben, hat einen Sohn seines Wesirs um begangener Missetat willen töten lassen; sein Vater trachtet nun nur darauf, wie er, um seines Sohnes Tod zu rächen, seinen Herrn ums Leben bringen kann!«

Die Reden der Jünglinge aber hatte der Kaiser gar wohl vernommen und wurde über die Aussage des dritten gar sehr bestürzt und trat in ihr Gemach ein, verbarg aber den Kummer seines Herzens. Er sagte zu ihnen: »Welch schöne Gespräche führet ihr?« Nach geziemender Begrüßung aber sagten sie, daß sie zur Stunde nichts Bedeutendes besprochen hätten; und da das Mahl beendigt war, wollten sie sich erheben. Der Fürst aber bat sie mit vielen Worten, daß sie ihm ihre Gespräche mitteilen möchten, und gestand ihnen, daß er sie, ehe er eingetreten war, gehört hatte. Da sie ihm nun die Wahrheit weder verbergen mochten noch konnten, erzählten sie ihm der Reihe nach alles, was sie beim Essen gesprochen hatten.

Als er bei ihnen in solcher Weise einige Zeit verweilt hatte, zog er sich in sein Gemach zurück und ließ sogleich den vor sich kommen, der für seinen Keller zu sorgen hatte, und fragte ihn, in welchem Teile des Landes der Wein hergestellt sei, den er heute morgen den Jünglingen übersandt habe.

Nachdem er alles erfahren hatte, ließ er den Herrn des Weinberges zu sich rufen; und als der vor seinem Antlitze stand, fragte er ihn, ob der Weinberg, der in seiner Obhut war, von alters her ein Weinberg oder ob er erst neuerdings aus Brachen oder ungepflegten Ländereien zur Kultur hergerichtet wäre; da hörte er denn, daß dort, wo sich zur Stunde ein Weinberg befand, der so köstliche Weine lieferte, zweihundert Jahre früher ein Friedhof und eine Begräbnisstelle für Tote gewesen sei. Als der Kaiser solches erfahren hatte und überzeugt war, daß es wahr sei, was der Jüngling darüber gesprochen hatte, wollte er sich auch noch über die Aussage des zweiten vergewissern, da es nicht nötig war, daß er jemanden nach der Rede des dritten befragte, weil er wußte, daß er selbst den Sohn seines Wesirs seiner Missetaten wegen hatte töten lassen. Er gab also Befehl, daß der Hirt seiner Herde herbeigerufen würde, und fragte ihn, mit welcher Art Weidefutter er das Lamm gemästet habe, das er an diesem Tage für seine Tafel geschlachtet habe; der wurde nun bleich, und am ganzen Körper zitternd, antwortete er, daß das Lamm, das noch sehr jung gewesen sei, keine andere Nahrung als die Milch der Mutter bekommen hätte; doch es merkte der Kaiser an der Furcht, in der er den Hirten sah, daß er nicht wahr gesprochen hatte, und sagte zu ihm: »Ich merke nur zu genau, daß du mir etwas vorlügst, daher versichere ich dir, offenbarst du mir nicht zur Stunde die Wahrheit, lasse ich dich sogleich eines grausamen und herben Todes sterben!«

»Ach, o Gebieter,« sagte der Hirt darauf, »möge es dir gefallen, mir das Leben zu schenken, ich will dir gewißlich alles erzählen.« Als der Kaiser ihm solches versprochen hatte, fuhr er fort: »O Gebieter, als das Lamm noch ganz klein war, und die Mutter eines Tages auf dem Felde weidete, entfernte sie sich um ein weniges und wurde mir von einem Wolfe geraubt; und da zufällig in den Tagen die Hündin, die ich als Wache der Herde halte, ihre Jungen geworfen hatte, wußte ich mir keinen bessern Rat, das kleine Lamm nähren zu lassen, als es an die Zitzen der Hündin zu legen; und es wurde von ihr so aufgezogen, daß ich es für eine deiner würdige Speise hielt, und schlachtete es und brachte es dir heute morgen und gab es deinem Haushofmeister!«

Als der Kaiser dieses vernommen hatte, begann er wahrlich zu glauben, daß die mit solch tiefem und würdigem Verstände begabten Jünglinge mit prophetischem Geiste ausgestattet wären; und nachdem er den Hirten entlassen hatte, kehrte er zu den Jünglingen zurück und sprach zu ihnen: »Alles, was ihr mir erzählt habt, trifft zu und läßt mich glauben, weil ich in euch eine so edle und hohe Tugend finde, wie es die Kunst des Wahrsagens ist, daß sich drei Menschen euresgleichen auf der ganzen Welt nicht finden lassen. Aber sagt mir doch bitte, was für Anzeichen habt ihr heute bei Tische gehabt, daß ihr euch das mir Erzählte habt denken können?«

Da antwortete ihm der älteste: »Daß der Wein, o Herr, den du uns heute bringen ließest, von Reben stammte, die auf einem Grabe wuchsen, habe ich also gemerkt: ich fühlte nämlich, als ich noch nicht das erste Glas ausgetrunken hatte, zumal ja immer das Herz des Menschen durch den Wein froh und lustig zu werden pflegt, daß ich alsbald von einer tiefen Traurigkeit und Schwermut befallen wurde; daraus schloß ich, daß der Wein, der eine solche Wirkung in mir hervorbrachte, wahrlich an keinem andern Platze als auf einem Friedhof gewachsen sein könnte.« »Und als ich«, fuhr der zweite fort, »einige Bissen von dem Lamme gegessen hatte, fühlte ich gegen die Gewohnheit einen Salzgeschmack im Munde und fand ihn voll des Schaumes; daraus schloß ich, daß das Lamm mit keiner andern Milch als mit der einer Hündin ernährt, worden sein könnte!« »Und da es mich deucht, o Herr,« hub der dritte an, »daß du mit lebhaftem Verlangen von mir zu hören erwartest, wie ich habe merken können, daß deines Wesirs Gemüt voll des Hasses gegen deine kaiserliche Person ist, so wisse denn: als du gestern wegen der Züchtigung der Missetäter einen Rat hieltest, befanden wir uns bei dir, und ich sah, wie dich dein Wesir mit vom Zorn verzerrten Antlitze und mit bösem Auge ansah und, vom Durste gepeinigt, Wasser zum Trinken verlangte, das seine Leber erfrischen sollte; daraus ersah ich, daß du ihm keine geringere Beleidigung zugefügt hattest, als den Tod seines Sohnes!«

Da der Kaiser nun erfahren hatte, daß die Jünglinge in jeder Sache wahr gesprochen hatten, wurde er darüber über die Maßen beunruhigt und antwortete ihm: »Ich bin fest überzeugt, daß die Sache gerade so ist, wie du sie mir erzählt hast, und daß mein Wesir keinen andern Gedanken mit sich herumträgt, als wie er mich töten kann, um seinen Sohn zu rächen, den ich billigerweise seiner Vergehen halber zum Tode verurteilte; aber was kann ich ihm antun, um aus seinem Munde ein Bekenntnis zu erlangen? Denn ich glaube, daß er mir niemals etwas eingestehen wird, so großen Martern ich ihn auch aussetze. Wenn ich aber kein Geständnis aus seinem Munde habe, werde ich ihn gerechterweise auch nicht verurteilen können. Da ich dich jedoch mit dem besten Verstande begabt weiß, meine ich, daß du hierzu ein Mittel finden kannst.« »Das Mittel«, sagte der Jüngling darauf, »ist, zur Hand, o Gebieter, wenn du meinem Rate folgen willst.

Wie ich habe sagen hören, hat dein Wesir eine Bettgenossin, die er sehr liebhat und der er auch jedes seiner Geheimnisse anvertraut. Du mußt Mittel und Wege finden, dieses Mädchen wissen zu lassen, du seiest derartig in Liebe zu ihr entbrannt, daß du zu sterben vermeintest, und es gäbe nichts, was du ihretwegen nicht tun wolltest, um ihr einzig deine Liebe zu versichern; weil nun der größere Teil der Weiber lange Haare und kurzen Sinn zu haben pflegt, wird die Schöne, wenn sie dies erfahren hat, sich leicht überzeugen lassen, daß du den Wunsch habest, sie möchte dir ihre Liebe zum Geschenke machen. Da du ihr Fürst und ihr Herr bist, glaube ich, daß sie sofort in deinen Machtbereich kommt; und auf solche Weise wirst du sicherlich jeden Anschlag, den dein Wesir gegen deine Person im Schilde führt, aus ihrem eigenen Munde erfahren.«

Außerordentlich gefiel dem Kaiser der Rat des Jünglings; und nachdem er eine kluge und weise Botin gefunden hatte, heuchelte er ihr gegenüber, die Bettgenossin seines Wesirs auf das feurigste zu lieben, und schüttete ihr sein ganzes Herz aus und befahl ihr, daß sie ihm unverzüglich solchen Dienst leisten solle. Die kam nun seinem Auftrage schnell nach und fand Gelegenheit, mit dem Weibe zusammenzukommen, offenbarte ihr die Gefühle ihres Herrschers und sagte, daß er sie leicht in seine Gewalt bekommen könnte, indem er entweder den Wesir tötete oder veranlaßte, daß sie eines Tages von seinen Dienern geraubt würde; da solches aber die Tat eines Tyrannen und die keines gerechten und menschlichen Fürsten wäre, wolle er keine Gewalt anwenden und bäte sie auf das freundlichste, es möge ihr gefallen, ihm zuzustimmen. Als das Weib des Wesirs die Worte der Botin gehört hatte, bat sie sie unzählige Male, sie möchte in ihrem Namen dem Kaiser der Liebe wegen, die er zu ihr trüge, unendlichen Dank darbringen und zu ihm sagen, daß sie, da sie ein Weib von geringer Herkunft wäre, sich höchlichst erstaune, weil er sich mit seinem Begehren so tief herabließe; nichtsdestoweniger aber wäre sie zu jeder seiner Freuden bereit; da sie jedoch scharf von dem Wesir bewacht würde, wüßte sie kein einziges Mittel, solches ins Werk zu setzen, das nicht von ih m entdeckt werden könnte. Nun solle sie ihr zuerst schwören, keinem andern als dem Kaiser zu offenbaren, was sie ihr jetzt anvertrauen wolle. Und es schwur ihr nun die Botin hoch und heilig, schweigsam zu sein, und sie begann solcherart zu reden: »Du mußt wissen, daß der Wesir, in dessen Gewalt ich bin, gegen den Kaiser, unsern Herrn, einen bösen und grausamen Anschlag unternehmen will; und er gibt sich mit keinem anderen Gedanken ab, als wie er ihn töten kann, und hat einen vergifteten Trank hergestellt und erwartet die Gelegenheit, ein Gastmahl zu veranstalten, um ihm dabei den Tod zu geben; die einzige Mitwisserin solcher Dinge aber bin ich; obschon ich es mir vorgenommen hatte, den Kaiser auf irgendeine Weise um ein so schweres Verbrechen wissen zu lassen, hat sich mir nichtsdestoweniger bis jetzt noch keine Gelegenheit dazu geboten: nun sollst du dem Kaiser alles, was du eben gehört hast, offenbaren und ihm sagen, daß, wenn das Mahl zu Ende ginge, das ihm der Wesir geben wird, ihm der eine Kristallschale mit einem Getränk darreichen würde, er solle es aber um keinen Preis kosten, da es gänzlich mit Giften durchsetzt sei, doch möchte er es ihm selbst zu trinken geben; indem er ihn um seines Verbrechens willen bestraft, gibt er ihm den Tod und befreit mich aus den Händen eines so elenden Verräters; und auf solche Weise hat er mich immer zu seinem Wohlgefallen.«

Als die Botin alles sorgsam angehört hatte, was ihr von dem Weibe des Wesirs erzählt wurde, nahm sie Urlaub von ihr und begab sich unverzüglich wieder zum Fürsten und teilte ihm alles der Reihe nach mit. Nun hatte der in diesen Tagen gerade einen großen Sieg über einen mächtigen und großen König gewonnen, der willens gewesen war, ihm sein Reich zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit nahm er sich vor, zum Zeichen der Freude ob eines solch großen Sieges, den vornehmen Dienern seines Staates, unter welchen der Wesir die erste Stelle einnahm, Geschenke darzureichen; so glaubte er denn, wenn er ihn fürstlich beschenkte, gäbe er ihm damit einen Grund, das auszuführen, was er schon beschlossen hatte. Daher machte er ihm nun ein kostbares Geschenk und wurde von ihm bei dieser Gelegenheit wenige Tage später zu einem königlichen und prächtigen Feste geladen.

Er ging nun in das Haus des Wesirs und wurde von ihm mit großer Fröhlichkeit und Freude aufgenommen, und nachdem er reiche und große Geschenke erhalten hatte, setzte er sich an den Tisch, der mit den köstlichsten Speisen besetzt war; und Musik und Gesang verschönten das Mahl; als man aber zum Aufbruch vom Mahle bereit war, bot der Wesir dem Kaiser mit eigner Hand eine Kristallschale, voll eines duftenden Trankes, an und sagte solche Worte: »O Gebieter, da du, ein so großer und hoher Herr, dich herabließest, mein, deines niedrigen Dieners, Mahl zu beehren, habe ich mich mit all meiner Kraft bemüht, dir eine deiner Person würdige Speise und Nahrung vorzusetzen; daher habe ich auch diesen Trank bereiten lassen, von dem man seinesgleichen nicht auf der ganzen Welt finden kann; sintemal außer den vielen Kräften, so in ihm wohnen und die alle aufzuzählen viel zu langwierig sein würde, sich nichts finden läßt, das besser als er die menschliche Leber zu erfrischen vermag, möchte ich ihn deiner kaiserlichen Erhabenheit darbieten!«

Hieran merkte der Kaiser, daß es der Gifttrank war, den der Wesir laut der Mitteilung seines eignen Weibes vor kurzem hergestellt hatte, und er antwortete ihm in solcher Weise: »Wie ich, weißt auch du, daß ich vor nicht langer Zeit deinen Sohn begangener Missetaten wegen habe töten lassen; so ist es denn wahrscheinlich, daß du um seines Todes willen eine maßlos hitzige und entzündete Leber hast, daher würde ich mich wenig liebevoll dir gegenüber bezeigen, wenn ich dich dieses Trankes beraubte, der so große Wohltat bewirken kann. Nimm ihn also herzlich an, ich mache ihn dir zum Geschenk, weil ich erfahren habe, daß er dir heilsam ist, weshalb du ihn denn auch zur Stunde und in meiner Anwesenheit trinken sollst!«

Ob solcher Eede des Kaisers wurde der Wesir über die Maßen betrübt, und fürchtend, sein Anschlag sei zu Boden geschlagen, sprach er darauf: »Da dieser Trank, o Gebieter, so köstlich wie selten ist, meine ich, daß er nicht mir, sondern deiner kaiserlichen Erhabenheit zukommt!« Der Kaiser aber wiederholte ihm: da er ihn wertschätze und ihn wie sich selbst liebe, solle er die Liebe und Verehrung, die er zu jeder Zeit für ihn gefühlt hätte, erkennen, und sagte: »Ich weiß, daß du seiner bedarfst, und wofern ich dir diesen Trank wegnähme, würde ich wahrlich keine meiner Zuneigung zu dir würdige Handlung begehen; und es ist gewiß, daß jener dir den größten Segen zu bringen vermag, während er mir, dessen Leber nicht weiter erhitzt ist, nicht von Nutzen sein kann!«

Als der Wesir nun den Widerstand sah, den sein Gebieter ihm leistete, und merkte, daß er den ihm dargebotenen Trank selbst trinken mußte, zweifelte er nicht, daß sein Verrat entdeckt war, und sprach: »O Gebieter, in die Grube, in die ich dich stürzen wollte, bin ich selbst gefallen; weil ich dich aber immer als einen von Natur zur Milde neigenden Herrscher gekannt habe, darf ich hoffen, daß du mir meinen Fehler verzeihen wirst, da ich dir eine Warnung für dein sehr wichtiges Leben geben will. Wenn du irgend jemandes Sohn des Todes hast sterben lassen, solltest du seinem Vater nimmer erlauben, daß er in deiner Nähe verweilt; wisse, da du meinen Sohn begangener Missetaten halber hast töten lassen, habe ich mich trotz der vielen Güte und der Geschenke, die du mir deswegen gemacht hast, meines großen Seelenschmerzes nicht entraten und dich niemals sehen können, ohne daß sich all mein Blut empörte und mir der Gedanke, dir den Tod zu geben, kam; und wiewohl ich von dir zahllose Ehren und Guttaten empfangen habe und du meinen Sohn eines gerechten Todes hast sterben lassen, mischte ich trotzdem ungerechterweise diesen Gifttrank, weil ich auf solche Weise meines Sohnes Tod rächen zu müssen glaubte.« Nachdem der Kaiser den schwarzen Plan seines Wesirs gehört hatte, schenkte er ihm das Leben; verbannte ihn aber sogleich aus seiner Nähe, zog all seine Habe ein und ließ ihm wissen, er solle innerhalb dreier Tage die Grenzen seines Königreichs verlassen. Er sagte hierauf dem Allmächtigen heißen Dank, weil er ihn aus einer solch großen Gefahr befreit hatte. Hierauf begabte er das Weib, das ihm den schweren Verrat entdeckt hatte, reichlich und verheiratete sie mit einem seiner ersten Emire. Nach solchem Geschehen suchte er die Jünglinge auf, erzählte ihnen den ganzen Ausgang des Mahles bei seinem Wesir und sprach, während er sie königlich beschenkte, zu ihnen: »Da ihr mit solcher Klugheit und so hohem Verstände begabt seid, daß ihr so viele Dinge habt erraten können, und mein Leben aus den Händen des ungerechten und bösen Wesirs befreitet, zweifle ich nicht, daß ihr auch in einer großen Sache, die ich jetzt vorhabe, Rat schaffen könnt. Und ich glaube wahrlich, daß ihr mir solches nicht abschlagen werdet: habe ich doch heute schon bei einer Angelegenheit, die für mein Leben wichtig war, die große Liebe entdeckt, die ihr zu mir fühlt!«

Als sie ihm nun ihre Hilfe in jeder Sache sogleich angetragen hatten, hub er an und sprach: »Es wurde von alten Weisen dieses Königreichs, die meine Vorgänger jederzeit hochgeachtet haben, eine Art Spiegel erfunden, den sie den Spiegel der Gerechtigkeit nannten, sintemal er die Eigenschaft hatte, daß, wo zwei zusammen einen Prozeß führten und der Richter sie in ihn hineinblicken ließ, dem, der ein Unrecht begangen hatte, sogleich das Gesicht schwarz wurde, und der, welcher sich wahrhaft verteidigte, seine gewöhnliche Farbe beibehielt und erfolgreich vom Richter fortging. Daher bedurfte man von Stund an der notwendigen Zeugen nicht; und dank der Tugend, die dem Spiegel innewohnte, lebte man in solcher Ruhe und Frieden, daß man das Reich hier dem Paradiese selbst vergleichen konnte. Wem nun für seinen Betrug das Antlitz schwarz wurde, der konnte durch kein andres Mittel in seinen früheren Zustand wieder zurückversetzt werden, außer daß man ihn in einen ziemlich tiefen Brunnen hinunterließ, wo er nur mit Brot und Wasser das Leben fristen und hier vierzig Tage verweilen mußte. Nach solcher Buße wurde er aus dem Brunnen gezogen und vor das Volk gestellt; Und wenn er jetzt seine Sünden bekannte, erhielt er seine frühere Hautfarbe wieder. Aus Furcht vor dem Spiegel nun lebte man in großer Ruhe, und ein jeder war mit seinem Zustande zufrieden, und man beschäftigte sich mit der Feldwirtschaft; das Land aber trug vielfältig, und jeder arme Kaufmann oder Fremdling, der anderswo wohnte, kehrte reich in sein Vaterland zurück. Und die Feinde des Landes hielt der Allmächtige mit aller Macht fern, und jeder erfreute sich viele Jahre lang eines ruhigen und glücklichen Lebens.

Es lebte zu diesen Zeiten nun mein Großvater, der zwei Söhne, meinen Vater und meinen Oheim, hatte; als die jedoch nach seinem Tod, der Herrschaft wegen, miteinander haderten, geschah es, daß mein Vater der Sieger verblieb. Um aber eine Gelegenheit zu haben, sich an seinem Bruder zu rächen, bemühte sich mein Oheim, daß er ihm den Spiegel raubte; und mit ihm flüchtend, brachte er ihn nach Indien. Dort war eine Jungfrau Königin, welche die Regierungssorgen einem ihrer Wesire übertragen hatte; dieser Jungfrau nun wurde der Spiegel von meinem Oheim überreicht und ihr dabei ausführlich seine Wunderkraft mitgeteilt, die er aber außer in unserm Reiche anderswo nicht zu zeigen vermochte. Es ließ sich aber seit einigen Tagen in der Hauptstadt dieses Landes, die am Meere gelegen ist, bei Sonnenaufgang eine große und geöffnete rechte Hand auf dem Meere blicken, die sich erst bei Sonnenuntergang von dem Platze, an dem sie herausgekommen war, fortbewegte, sich mit herniedersinkender Nacht der Küste näherte und einen Menschen ergriff und ihn mit sich ins Meer nahm; und dies tat sie unablässig. Nun war seit der Zeit eine große Zahl Menschen in diesem Lande auf diese Weise verlorengegangen. Deswegen beschloß das traurige und sehr betrübte Volk, der Hand den Spiegel an der Meeresküste entgegenzustellen, da man glaubte, man könnte sie hierdurch vielleicht besänftigen. Und als man ihn der Hand entgegengetragen hatte, stellte sich folgende Wohltat ein: hatte die Hand anfangs täglich einen Menschen mit sich genommen, so nahm sie nunmehr keinen Menschen mehr, sondern ein Pferd oder ein Rind.

Mit dem Verluste dieses Spiegels aber verlor unser Land seine frühere Glückseligkeit; und da mein Vater unablässig darauf bedacht war, ihn wiederzubekommen, schickte er seinen Gesandten an die Königin und ließ ihr einen großen Schatz anbieten, wenn sie willens wäre, ihn zurückzugeben. Und er versuchte, sie dazu auf die mannigfaltigste Weise zu überreden, und bewies ihr, daß der Spiegel ihrem Lande wahrlich keinen Nutzen bringen könnte, wohingegen er unser Reich in seinen früheren Zustand und seine Ruhe zurückversetzen würde.

Als jedoch der Gesandte mit seiner Rede nichts Günstiges erreichte, kehrte er zurück und sagte, daß um der Wohltat willen, die das Reich von Stund an durch den Spiegel empfangen hätte, weil seit einigen Tagen die Hand statt eines Menschen ein Pferd oder ein Rind mit sich forttrüge, seine Königin ihn nur dann wieder ausliefern wollte, wenn von meinem Vater irgendein Heilmittel für den Schaden, den die Hand anrichtete, gefunden würde; sollte er ihr Reich aber von solchem Unheil befreien können, wollte sie ihm den Spiegel willigen Herzens zurückgeben, weil ihre Vorväter doch lange mit unseren Vorfahren befreundet gewesen wären. Da nun mein Vater kein Mittel dagegen zu finden vermochte, stellte sich auch die frühere Ruhe nicht wieder ein.

Da ich euch nun als Männer kenne, die mit hohem und edlem Verstände begabt sind, so glaube ich wahrlich, daß ihr, wenn ihr euch in dieser Angelegenheit bemühen wolltet, jenes Land von dem Übel der Hand befreien und mir den Spiegel und damit die Euhe und Glückseligkeit meines Reiches wieder verschaffen könntet; und wenn ihr dies tut, verspreche ich euch zu Besitzern eines großen Schatzes zu machen!«

Als die Jünglinge die Erzählung und das Anliegen des Gebieters vernommen hatten, versprachen sie ihm sogleich der vielen Höflichkeiten und Ehren wegen, die er ihnen erwiesen hatte, nach Indien zu reisen und sich nicht eher wieder vor seinem Angesichte einzufinden, wenn sie ihm nicht zugleich den Spiegel mitbrächten.

Der Kaiser war darüber über die Maßen erfreut und gab ihnen einige seiner vornehmsten Großen zur Begleitung und sandte sie nach Indien.

Nach ihrer Abreise führte er, da er hoffte, den Spiegel auf jeden Fall dank der scharfsinnigen Urteile der Jünglinge zurückzubekommen, ein äußerst heiteres Leben; und Musik und Gesang ergötzten ihn sehr, und aus allen Teilen seines Reiches ließ er die besten Sänger und Lautenspieler kommen, die er auf das reichste beschenkte, und vertrieb sich mit ihnen all die Zeit in den Gärten und auf den Jagden, indem er mit grenzenlosem Verlangen der Jünglinge Rückkehr erwartete. Es ereignete sich nun eines Tages, daß ein Kaufmann, der mit seinen Waren dorthin gekommen war und hörte, wie sehr sich der Fürst an Sang und Spiel ergötzte, und auch von den großen Geschenken vernahm, die er deswegen zu machen pflegte, eine Sklavin von so einziger Schönheit besaß, die in jeder Art von Musik derartig ausgezeichnet war, daß sie zu der Zeit jeden in dieser Kunst übertraf. Dies ließ er ihn wissen und wurde sogleich vor ihn gerufen; er befahl ihm aber, er sollte das Mädchen, das Dilirama mit Namen hieß, vor sein Angesicht führen, auf daß er den hohen Wert ihrer musikalischen Kunst zu prüfen vermöchte. Seinem Befehle wurde nun von dem Kaufmanne ohne eine Verzögerung nachgekommen. So kam denn die in köstliche Gewänder gekleidete Jungfrau mit ihrem Herrn vor Behram- Gur, der, als er ihre seltene Schönheit sah und ihr liebliches Spiel und ihren Sang vernahm, den sie in seiner Gegenwart hören ließ, von hitziger Liebe zu ihr ergriffen wurde; und nachdem er dem Kaufmann eine große Summe Geldes hingezählt hatte, kaufte er sie und ließ sie in reiche und kostbare Gewänder kleiden. Und er war so über die Maßen von Liebe zu der Jungfrau ergriffen, daß, wenn er der Staatsgeschäfte ledig war, er immer nur mit ihr zusammen sein wollte. Als er nun eines Tages mit ihr auf die Jagd zog und auf einen Hirsch traf, wandte er sich zu Dilirama und sprach: »Siehst du den Hirsch? Sogleich werde ich ihn mit einem Pfeile durchbohren, deshalb sage mir, an welcher Stelle du ihn erschossen haben willst; wenn du mir das gesagt hast, will ich ihn wahrlich an der Stelle treffen!« Hierauf antwortete sie: »Ich, o Gebieter, bin der festen Überzeugung, daß du ein so tüchtiger Schütze bist, daß du den Hirsch an der Stelle, wo du es willst, auch triffst; da du aber wünschst, ich soll angeben, welchen Schuß du tun sollst, so wird es mir lieb sein, wenn du dem zu treffenden Tiere mit einem einzigen Schusse eine Pfote mit dem Ohre zusammenheftetest!« Dilirama aber bildete sich ein, daß es der Fürst nicht ausführen könnte, da es ein Ding der Unmöglichkeit sei. Behram- Gur, der einen edlen und hohen Verstand hatte, versprach jedoch, den Auftrag der Jungfrau sogleich auszuführen; er nahm einen Bogen mit Kügelchen zur Hand, drückte ab und traf mit den Kügelchen das Ohr des Hirsches, der sich nun des schmerzenden Schusses halber, wie es unvernünftige Tiere zu tun pflegen, das Ohr mit der Pfote kratzte. Hierauf nahm der Kaiser unverzüglich einen Bogen mit Pfeilen, schoß ihn ab und heftete dem Hirsch, der sich immerfort kratzte, mit einem Schusse die Pfote ans Ohr. Dieses setzte jeden seiner Edlen in maßlose Verwunderung, und sie sahen darin ein Zeichen von Behram-Gurs hoher und scharfsinniger Urteilskraft; da wandte sich der Kaiser frohen Antlitzes gegen die Jungfrau und sagte: »Was sagst du, o Dilirama, meinest du, daß ich deiner Forderung genuggetan habe?« Hierauf erwiderte sie lächelnd: »Ich meine, o Herr, daß du einen solchen Schuß niemals hättest tun können, wenn du nicht den Hirsch und mich auf gleiche Weise mit dem Bogen mit Kügelchen getäuscht hättest; doch mit dem Betruge, dessen du dich bedientest, hätte auch ein anderer Mensch die Pfote mit dem Ohr des Hirsches zusammenheften können!« Als der Kaiser solche Worte hörte, schien es ihm, daß sie allzu scharf seien und daß sie seine Ehre befleckten, da sie die Ersten seines Gefolges gar deutlich vernommen hatten. Und so sehr er in Liebe zu ihr entbrannt war, wurde er trotzdem plötzlich von heftigem Zorne ergriffen und glaubte, daß er seine Ehre wahren müßte, und befahl seinen Dienern, sie sollten die Jungfrau sogleich entkleiden und ihr die Hände auf den Rücken binden und sie in einen nicht weit entfernten Wald führen, wo sie nachts die wilden Tiere verschlingen könnten. Als die Diener dies ungesäumt ausgeführt hatten, schleppten sie die unglückliche und heftig jammernde Jungfrau in den Wald und überließen sie dort den wilden Tieren; dann kehrten sie zu ihm zurück und berichteten, daß sie dem Befehle voll nachgekommen wären. Nachdem Behram-Gur dies vernommen hatte, begab er sich, von Liebe und Zorn heftig gepeinigt, ganz traurig und betrübt in die Stadt zurück.

Schließlich überraschte Dilirama, die mit gebundenen Händen im Walde zurückgeblieben war, die Nacht; bitterlich weinend und sich Allah empfehlend, ging sie auf vielen Wegen, indem sie erwartete, daß von irgendeiner Seite ein wildes Tier kommen könnte, um sie zu verschlingen; und so wandernd, kam sie auf die Hauptstraße, und es gefiel Allah, daß um Sonnenuntergang eine Schar Kaufleute, die nach der Herberge zogen, die nicht weit davon entfernt war, die Jungfrau in ihrem traurigen Zustande weinen hörten. Da ging nun der älteste von ihnen der Stimme nach und näherte sich ihr; er sah sie, und da sie jung und schön war, hatte er das größte Mitleid mit ihr und band ihr die Hände los und bekleidete sie notdürftig mit Kleidern und führte sie mit sich nach der Herberge. Und er fragte sie, woher sie stammte und worauf sie sich verstünde, wie und von wem sie aufgezogen und gebunden, und aus welchem Grunde sie in solches Unglück und Elend geraten wäre; doch konnte er nichts von ihr erfahren, außer daß sie sich auf Musik verstünde. Daher ließ sich der Kaufmann vom Wirte eine Laute geben und legte sie der Jungfrau in die Hand; als er aber die Lieblichkeit und Gewandtheit ihres Spieles und Gesanges hörte, wurde er ganz betroffen und von ihrer Kunst entzückt; und er nahm sie an Tochter Statt an und führte sie in sein Land.

Behram-Gur aber war inzwischen in die Stadt zurückgekommen, und da die Liebe mehr Macht über ihn hatte als der Zorn, bereute er es, der Jungfrau so hart zugesetzt zu haben, und beschloß, sie mit all seiner Macht wiederzuerlangen; er rief daher seine Diener vor sich, die im Walde nach seinem Befehle gehandelt hatten, und hieß sie mit einer großen und wohlbewaffneten Schar, um sich vor den wilden Tieren zu schützen, aufsitzen und sogleich in den Wald zurückkehren und sich alle Mühe geben, die Jungfrau wiederzufinden; und sie sollten sie mit ihren Gewändern bekleiden und ihr die Hände losbinden und sie vor sein Angesicht führen. Dieser Auftrag wurde schnellstens von den Dienern ausgeführt; ohne Säumen stiegen sie zu Pferde und begaben sich in den Wald; doch wie sehr sie auch die ganze Nacht über alle Teile des Waldes durchstreiften, sie konnten Dilirama, die von dem Kaufmanne aufgelesen war, nicht wiederfinden. Als sie nun andern Tags zum Kaiser zurückkehrten, und er erfuhr, daß sie trotz der Sorgfalt, mit der sie den Wald nach allen Seiten hin durchsucht hatten, sie nicht hätten wiederfinden können, glaubte er, da das Land ziemlichen Überfluß an wilden Tieren hatte, das sie wahrlich von ihnen aufgefressen sei. Darüber wurde er trauriger, als je ein Mensch auf der Welt; und von einer heftigen Schwermut ergriffen, kam eine gar schwere Krankheit über ihn, die ihm vollends den Schlaf raubte, so daß man ihn durch die besten Heilmittel, die man ihm einflößte, nicht zu heilen vermochte. Da ihn der Gram verzehrte, so erwartete man tagtäglich sein Absterben. Hierüber trugen alle Großen seines Landes Kummer und waren über die Maßen betrübt; sie kamen zusammen und beratschlagten miteinander und beschlossen, da die Ärzte ihrem Herrn das Leben nicht retten konnten, ihn, wenn es möglich wäre, mit Speisen hinzuhalten, bis die drei Brüder aus Indien zurückkehrten, wohin sie gereist waren, um den Spiegel zurückzuholen; denn sie glaubten zuversichtlich, daß von ihnen, die an Verstand Überfluß hatten, ein Mittel gegen Behram-Gurs Krankheit würde gefunden werden.

Als nun diese drei Brüder in Indien angekommen waren, ließen sie einen Tag, ehe sie zusammen mit den Großen des Kaisers, die sich in ihrer Begleitung fanden, in die Hauptstadt einzogen, seine Königin wissen, wie gemäß der früher getroffenen Abmachung zwischen Behram-Gur und ihr von diesem einige Männer ausgewählt worden wären, die zuversichtlich hofften, ein Rettungsmittel vor der Hand zu finden, die solch großen Schaden in ihrem Lande anrichtete, und wenn sie dies ausgeführt hätten, sollte man ihnen den Spiegel ausliefern, auf daß sie ihn ihrem Gebieter wiederbringen könnten. Deshalb befänden sie sich in der Nachbarstadt; und sie sollte das, was ihr genehm sei, befehlen. Als die Königin diese Nachricht erhalten hatte, erfüllte sie große Freude, so daß sie deswegen ein großes Fest veranstaltete und befahl, man sollte den Jünglingen mit einem großen Gefolge der Vornehmsten ihres Landes etwa zehn Meilen entgegenziehen. Vor der Königin angelangt, wurden sie fröhlichen Angesichts von ihr empfangen, dann in einen sehr prächtigen Palast geleitet, wo ihrer ein königliches Mahl wartete; und nachdem ihnen ihr Reisegewand ausgezogen war, setzten sie sich mit den Ersten der Königin zu Tisch. Und als sie sich hier in weisen Gesprächen verschiedenen Inhaltes ergangen hatten, verließen sie, da es schon zu später Stunde war und sie durch den langen Weg ziemlich ermüdet waren, mit gutem Urlaub die Großen der Königin, um sich auszuruhen. Nachdem sie sich am folgenden Morgen zeitig erhoben hatten, wurden sie von den Wesiren der Königin in deren Namen aufgesucht und mit den köstlichsten Weinen und prächtigen Speisen bewirtet. Sie wurden nun von ihnen über die lange Dauer des Schadens aufgeklärt, den die Hand ihrem Lande zufügte, und erwiderten ihnen folgendes:

»Der Kaiser Behram-Gur, der begierig ist, seinen Spiegel wiederzuerlangen, der nach dem zwischen ihm und eurer Königin abgeschlossenen Vertrage in deren Hand ist, hat uns in diese Gegenden geschickt, damit wir ihn ihm zurückbringen, wenn wir erst dieses Reich von dem großen Schaden befreit haben, dem ihm beständig die Hand, die jeden Tag auf dem Meere erscheint, zufügt!« Darüber, sagten die Wesire, sei die Königin sehr zufrieden, und wenn das Land von dem Unheil der Hand befreit wäre, sollte ihnen unverzüglich der Spiegel ausgeliefert werden. Und sie schieden von den Jünglingen, die sie aufforderten, andern Tags zeitig wiederzukommen, weil sie mit ihnen zum Meergestade zu gehen wünschten, wo sie sich so lange bemühen wollten, bis die Hand nicht mehr zu sehen wäre und dem ganzen Lande keinen Schaden mehr tun könnte.

Als sich diese Nachricht in der Stadt verbreitete, erregte sie bei jedem unglaubliche Freude und Bewunderung; und da man wußte, daß am folgenden Morgen die Jünglinge zum Meere wandern wollten, begab sich eine unzählige Menschenmenge nachts vor die Stadt nach dem Platze, wo sie sich einfinden mußten. Am Morgen kamen die Wesire in Begleitung des ganzen Hofes zum Palaste der Jünglinge, die mit ihnen zusammen aufbrachen; und bei Sonnenaufgang am Strande angelangt, sahen sie die geöffnete rechte Hand aus dem Meere erscheinen. Da stellte sich nun der älteste der Brüder ihr sogleich gegenüber und hob seine Hand, den zweiten und dritten Finger aufrecht haltend, die drei übrigen aber hielt er geschlossen nach unten. Als er das getan hatte, tauchte die Hand, die so großen Schaden angerichtet hatte, unverzüglich ins Meer und wurde niemals wieder von irgendwem gesehen. Das Volk, das sich zu dem gegenwärtigen Schauspiele eingefunden hatte, brach, als es dies sah, in große Verwunderung aus; und die Königin wurde sehr schnell von diesem Ereignisse benachrichtigt. Sie war hoch erfreut und über die Maßen zufrieden und hieß die Jünglinge, die noch am Meeresstrande verweilten, mit großer Feierlichkeit und Ehrerbietung am Stadttore mit dem Befehle empfangen, daß sie, ehe man sie in den ihnen angewiesenen Palast führe, vor ihrem Angesichte erscheinen sollten. Man kam nun ihrem Geheiß nach und führte alsbald die Jünglinge nach ihrer Rückkehr in die Stadt in den königlichen Palast vor die Königin; die empfing sie mit großer Ehre und Feierlichkeit und bat sie, sie möchten ihr das große Geheimnis, mit dem sie ein so hohes Wunder bewirkt hätten, offenbaren. Der Jüngling, der die Hand auf dem Meer verjagt hatte, wollte der Königin Bitte erfüllen und entfernte sich so weit mit ihr von dem Volke, das anwesend war, daß es seine Worte nicht zu hören vermochte. »Wisse denn, o Königin,« sagte er zu ihr, »sobald ich heute morgen die offene Hand über dem Meere erblickte, habe ich gedacht, daß sie nichts anderes sagen wollte, als: ›Wenn fünf Menschen mit einem Willen gefunden werden könnten, möchten sie wohl die ganze Welt unter ihre Gewalt bringen‹; weil die Hand aber verstanden sein wollte und sich niemand bisher fand, der dies zu lösen vermochte, hat sie beständig deinem Volke so schweren Schaden und Unbill zugefügt. Ich nun, der ich mit Allahs Hilfe das erriet, fand mich am Strande ein, und ihr gegenüber die Hand hochreckend, hielt ich den zweiten und dritten Finger nach oben, die andern aber geschlossen und nach unten: da tauchte sie nun aus Scham ins Meer unter und wird nicht wieder erscheinen; denn da sie anzeigen wollte, daß sich fünf Menschen mit einem Wollen zu Herren der ganzen Welt aufschwingen könnten, bewies ich ihr, daß sie sich täuschte, und daß nicht fünf, sondern zwei, die mit gleichem Willen gefunden würden, solches und noch Größeres zuwege bringen könnten!« Als sie diese Worte hörte, erstaunte die Königin sehr und schloß daraus, die Jünglinge müßten mit edlem und hohem Verstande begabt sein. Die aber nahmen Urlaub und kehrten, von den Großen des Landes begleitet, in ihren Palast zurück.

Hiernach versammelten sich die Wesire um die Königin. Als sie über die Rückgabe des Spiegels an Behram-Gur wegen der empfangenen Wohltat berateten, sagte der älteste von ihnen: »Unzweifelhaft haben die Jünglinge, soviel man bis zu dieser Stunde sehen kann, das Land von einem schweren Unheil befreit, doch was sichert uns davor, daß schließlich nicht zu irgendeiner Zeit die Hand wiederkommt und uns abermals in den ersten Jammer zurückversetzt? Daher scheint es mir gut, daß wir dies, ehe der Spiegel zurückgegeben wird, reiflich erwägen müssen!« Die Königin erwiderte: »Wir können und dürfen das Behram-Gur gemachte Versprechen nicht außer acht lassen; was aber die Sicherheit angeht, daß die Hand unser Land nicht mehr belästigen soll, so habe ich dazu ein gutes Mittel, und das ist dies: der König, mein Vater, glückseligen Angedenkens, der mich als Herrin eines so großen Staates zurückgelassen hat, sprach zu mir, ehe er aus diesem Leben schied, unter vielen Ermahnungen, die er mir gab: ›O meine Tochter, weil dir nach meinem Absterben die Herrschaft zukommen muß, werden wahrlich viele Fürsten und große Herren, um sie zu erlangen, alles aufbieten, dich zum Weibe zu bekommen; da nun aber die Reiche sich nicht minder durch Weisheit als auch durch Kraft zu erhalten und zu vergrößern pflegen, so trage ich dir auf, daß du niemand zum Gatten nehmen sollst, der nicht eines der beiden Dinge (die er mir zur Stunde sagte) zu raten versteht; wenn du aber einen findest, der es dir auflösen kann, dem sollst du dich vermählen.‹ Nun glaube ich, die drei Jünglinge, die Brüder sind, müssen, ihrem adligen Aussehen nach zu urteilen, die Söhne eines großen Fürsten sein; gehe also einer von euch zu ihnen und zwinge sie durch Eidschwur, ihre Abstammung zu offenbaren; da wird man, glaube ich, erfahren, daß sie einem edlen Geschlechte entsprossen sind; und den von ihnen will ich zum Gatten haben, der eines von den beiden Dingen, die mir mein Vater gesagt hat, zu lösen vermag. Und ich glaube auch wahrlich, daß dies zutreffen wird, weil sie mir mit hohem Verstande und viel Klugheit begabt zu sein scheinen. Wenn nun auf diese Weise einer von ihnen als mein Gatte bei mir zurückbleibt, haben wir nicht mehr zu fürchten, daß die Hand unserm Volke jemals wieder irgendwelchen Schaden zufügen kann!« Da den Wesiren der Königin Vorschlag gar sehr gefiel, ging folgenden Tages einer von ihnen zu den Jünglingen, und nachdem er eine Zeitlang bei ihnen verweilt hatte, ließ er sie in einer langen Rede folgendes hören: da sie das Land von dem Übel der Hand befreit hätten, könne das nur geschehen sein, weil sie mit hohem Verstände und Klugheit geboren wären; und die Königin wünsche nun sehr, zu erfahren, wer und wessen Söhne sie wären, und sie bitte sie inniglich, ihr dies zu offenbaren. Doch die Jünglinge, die bis zur Stunde keinem ihre Geschichte hatten anvertrauen wollen, antworteten, sie wären die drei Söhne armer und gemeiner Leute, die in Behram -Gurs Stadt wohnten. Auf solche Worte entgegnete der Wesir, daß weder die Königin noch irgendein anderer das glauben könnte wegen ihres adligen Aussehens und ihrer hohen Klugheit und Gelehrsamkeit, und sagte: »Weil ich gewiß weiß, daß man mir schwerlich glauben wird, ihr möchtet armer und gemeiner Leute Kinder sein, und auf daß ich dieses Anlasses wegen niemanden anders zu belästigen habe, seid bereit, mir zu schwören, daß eure Worte, die ihr mir gesagt habt, auf Wahrheit beruhen; denn wenn ich der Königin berichte, dieses sei mir von euch durch einen Schwur bekräftigt worden, so wird sie euren Worten wahrlich völligen Glauben schenken!« Als sie sich nun zu einem Eidschwur veranlaßt sahen, berieten sie ein wenig untereinander; da sie in die Enge getrieben worden waren, beschlossen sie, die Wahrheit offenbaren zu wollen, und bekannten dem Wesir, daß sie Dscha'afars, des Königs von Sarandib, Söhne wären, und gestanden alles, was ihnen bis auf diesen Tag zugestoßen war, und bekräftigten es durch einen Eidschwur.

Als die Königin dies vernommen hatte, wurde sie über die Maßen froh und zufrieden und glaubte, wenn sie jedenfalls einen der Jünglinge zum Gatten bekäme, würde sie ihr Land für immer von dem Unheil der Hand befreien. Sie ließ sie folgenden Tages vor ihr Angesicht kommen und sprach also zu ihnen: »Wie ich euch bis zur Stunde um des scharfsinnigen Urteils und eurer hohen Weisheit und der großen Wohltat willen, die ihr meinem Lande angetan habt, indem ihr es von der räuberischen Hand befreitet, in höchster Verehrung gehalten habe, so ehre und achte ich euch jetzt, wo ihr mir eröffnet habt, daß ihr eines so großen Fürsten Söhne seid, mehr denn alle andern, zumal ich weiß, wie bei euch der Adel des Blutes von großem Wissen begleitet ist. Und weil ich gemäß dem zwischen mir und Behram-Gur bestehenden Vertrag verpflichtet bin, den Spiegel auszuliefern, so muß und will ich mein Wort halten. Zu welcher Zeit ihr daher wollt, daß ich ihn euch gebe, wird er immer zu eurem Belieben stehen. Da ihr nun so vornehmer Herkunft entsprossen seid, kann ich nicht umhin, zu glauben, daß ihr zugleich auch höfisch gesittet seid, und will euch um einen weitern Beweis eurer hohen Klugheit bitten, der eurer Gelehrsamkeit wert ist; aber ehe ich euch sage, worum es sich handelt, verlange ich, daß ihr ihn mir nicht zu verweigern versprecht.« Nachdem die Jünglinge zur Antwort gegeben hatten, daß sie bereitwilligst allen ihren Aufträgen nachkommen wollten, erwiderte sie: »Ich war noch ein Kind; und bevor der König, mein Vater, gepriesenen Angedenkens, aus dem Leben ging, hörte ich ihn oft mit seinen Ratgebern reden, es sei freilich möglich, daß ein Mensch in einem Tage ein ganzes Salzlager essen könne, aber er habe gleichwohl niemals jemanden finden können, der dies zu tun imstande gewesen sei. Da ich euch nun als so klug und weise kenne, meine ich, ihr könntet mir dieses Rätsel wohl lösen, und bitte euch herzlich darum!« Auf diese Worte erwidernd, sagte der zweite Bruder: »O Königin, da ich dein heißes Verlangen sehe, dies lösen zu können, sage ich dir, es ist ein leichtes, ein ganzes Salzlager an einem Tage aufzuessen, und biete mich an, das zu deinem Gefallen zu tun!«

Darüber geriet die Königin in große Verwunderung; weil sie aber des Jünglings hohen Verstand kannte, gab sie ihren Großen Befehl, daß er folgenden Tages die Probe machen sollte. Die führten nun den Auftrag aus, standen am Morgen zeitig auf und gingen nach dem Palaste der Jünglinge und führten sie nach dem Lager, wo das Salz war. Hier befahlen sie den Dienern, es zu öffnen, was unverzüglich ausgeführt wurde. Der Jüngling trat aber ein, und eine Fingerspitze seiner Hand mit Speichel anfeuchtend, legte er sie auf das Salz und hob einige Körnchen auf, verzehrte sie und sagte, sich gegen die Großen wendend, sie möchten das Lager schließen, er habe sein Versprechen der Königin gegenüber völlig eingelöst. Hierüber erstaunten alle im höchsten Staunen und sagten, sie könnten nicht glauben, daß der Jüngling auf diese Weise dem gegebenen Versprechen nachgekommen wäre; er aber fügte noch hinzu, sie sollten die Königin nur von dem, was er getan habe, unterrichten, da er sich seines Auftrags auf das beste entledigt hätte.

Als die Königin dies von ihren Vornehmsten hörte, hieß sie den Jüngling vor ihr Antlitz treten; und als er vor sie hingetreten war und sie ihn gefragt hatte, wie das zu verstehen sei, daß er mit vier einzelnen Salzkörnchen, die er gegessen habe, seinem Versprechen genuggetan zu haben vermeine, sagte er, daß jeder, der mit seinem Freunde so viel Salz äße, wie er auf dem Lager in den Mund genommen hätte, und doch noch nicht der Freundschaft Aufgaben und Pflichten erkennen könnte, es auch nicht erfahren würde, wenn er zehn Lager, geschweige denn eines aufgegessen hätte; solches aber hätte er vermocht, und deshalb glaube er, seinem Versprechen völlig nachgekommen zu sein.

Diese Antwort befriedigte die Königin über die Maßen, da es ihr vorkam, als habe ihr Vater das unter der Lösung des Rätsels gemeint; sie lobte den Jüngling seines scharfen Verstandes wegen sehr und sprach: »Etwas andres bleibt mir noch; wenn ihr mir das zu deuten vermögt, will ich euch eher für Götter als für Menschen halten!« Und hierauf antwortete denn der jüngste Bruder: »Gebe mir das Herz der Königin auf, soviel ihm immer gefällt, ich will es zufriedenstellen!« Nachdem sie befohlen hatte, daß er sich folgenden Tages wieder im Palaste einfinden sollte, und er zur bestimmten Stunde gekommen war, ließ sie alle aus ihrem Gemache hinausgehen und behielt nur ihren ersten Wesir und den Jüngling bei sich zurück. Sie öffnete ein Kästchen, nahm fünf Eier heraus und sagte, sich gegen den Jüngling wendend: »Das hier sind, wie du siehst, fünf Eier; und in diesem Gemache befinden wir drei uns allein. Da nun deine beiden Brüder so große Prüfungen in meinem Reiche bestanden haben, so wage ich zu glauben, wenn auch noch du diese fünf Eier, ohne eines zu zerbrechen, zwischen uns in drei gleiche Teile zu teilen vermagst, daß man auf der ganzen Welt nicht drei Menschen finden kann, die euch an Verstand gleichkommen!« Der Jüngling sagte darauf: »Etwas Leichtes hast du, o Königin, mir da aufgetragen!« Und er nahm die Eier sogleich der Königin aus der Hand, legte drei vor ihr nieder, gab eines dem Wesir und behielt eines für sich. »Da sind, o Königin,« sprach er, »drei gleiche Teile, ohne eines zu zerbrechen!« Als sie nun dem Jünglinge sagte, daß sie dies nicht glauben könnte, wenn er nicht eine andere, genauere Erklärung abgäbe, bat er sie sehr um Verzeihung und sprach: »Die Teile sind in der Weise gleich, daß dein Wesir und ich, einer wie der andere, zwei Eier in der Hose haben, du aber keines; von den fünf, die du mir gegeben hast, habe ich dir drei, dem Wesir eines und das andere mir selbst zugeteilt; nun hat jeder drei, und ich habe sie recht unter uns drei verteilt!«

Diese Antwort gefiel der Königin über die Maßen gut; sie wurde aber über und über rot und erklärte dem Jüngling, daß sie sehr zufrieden sei; der nahm Urlaub von ihr und kehrte in seinen Palast zurück. Sie blieb nun mit ihrem Wesir allein und sagte zu ihm, weil es dem hohen Allah gefallen habe, daß einige Jünglinge, eines so mächtigen Königs Söhne, in ihr Land gekommen wären und die ihnen vorgelegten Fragen, auf die sie bis zur Stunde von vielen, die sie darum gefragt habe, keine Lösung habe erhalten können, ihr so schnell zu beantworten gewußt hätten, so wäre sie entschlossen, der Ermahnung ihres Vaters gemäß, einen von ihnen zum Gatten zu erwählen; da nun alle drei mit so hohem Verstande begabt wären, sagte sie, würde ihr der am meisten zusagen, der ihr das Salzrätsel mit so großer Klugheit gelöst habe.

Als der Wesir diesen Beschluß guthieß, trug sie ihm auf, er solle sich andern Morgens bei den Jünglingen einstellen, und nachdem er ihnen vor allem die Ermahnung ihres Vaters verkündigt habe, sollte er ihren Wunsch offenbaren und den in ihrem Namen zum Gatten begehren, der ihr das Rätsel des Salzes aufgelöst habe. Der Wesir führte nun den Auftrag aus, stellte sich bei den Jünglingen ein; er verkündigte ihnen den Wunsch der Königin und begehrte den in ihrem Namen zum Gatten, der ihr das Salzrätsel zu lösen gewußt hatte. Darüber erstaunten die im höchsten Maße und konnten kaum glauben, daß die Worte des Wesirs auf Wahrheit beruhten; sie berieten erst eine gute Weile untereinander und beschlossen, eine so hohe Ehre anzunehmen. Und es rief der, dem sie sich zu vermählen gedachte, den Wesir vor sich und sagte, da ihnen von der Königin so viele Liebeszeichen bewiesen worden wären, und er so sehr von ihr verlangt würde, sei er bereit, sich ihr zu vermählen; und er ließe ihr deswegen in seinem und seiner Brüder Namen herzlichen Dank sagen; weil es nun aber billig wäre, daß sie dem Willen des Königs, ihres Vaters, folgten, obwohl sie von ihm des Landes verwiesen wären, hätten sie beschlossen, in sein Land zu ziehen, um ihm als gehorsame Söhne um alles wissen zu lassen und mit seiner gütigen Erlaubnis sogleich zur Hochzeitsfeier zurückzukehren.

Als die Königin solchen Beschluß der Jünglinge vernommen hatte, und daß sie in die Eheschließung einwilligten, ließ sie sie mit dem Wesir vor ihr Antlitz kommen, und nachdem heimlich zwischen ihnen Treue geschworen worden war, gab sie den Auftrag, daß ihnen der Spiegel unverzüglich übergeben würde, auf daß er von ihnen, der zwischen ihr und Behram-Gur bestehenden Abmachung gemäß, zurückgebracht würde, und sie in ihr Land gehen könnten, woher sie, nachdem der König von der Vermählung in Kenntnis gesetzt worden wäre, mit seinem Segen zu der Hochzeitsfeier zurückkehren sollten. So empfingen denn die Jünglinge den Spiegel und reisten freudig und über die Maßen froh und von der Königin mit köstlichen Geschenken beladen ab, kamen in kurzer Zeit in Behram-Gurs Land, und als der von ihrer Rückkehr hörte, und daß sie den Spiegel zurückbrächten, wurde er, trotzdem er sich seines Leidens wegen in keinem guten Zustande befand, doch ein wenig froh und glaubte, es könnte von ihnen, die er mit so hohem Verstande begabt wußte, ein Mittel gegen sein Ungemach gefunden werden. Sobald also die Jünglinge in der Königsstadt angelangt waren, erschien der erste Wesir vor des Königs Angesicht, küßte ihm zuerst die Hände, und nachdem er sein Übel gar sehr bedauert hatte, berichtete er ihm ausführlich von der Wiedererlangung des Spiegels und den im Lande der Königin abgelegten Proben der Jünglinge, und daß sie offenbart hätten, daß sie Dscha'afars, des Königs von Sarandib, Söhne wären, und von der beschlossenen Heirat. Als der Kaiser Behram-Gur dies vernommen hatte, ließ er sie sogleich vor sich treten und sagte ihnen unendlichen Dank für den Spiegel, den sie zurückgebracht hatten. Dann erzählte er ihnen das Mißgeschick, das ihm durch Diliramas Schuld zugestoßen war, und bat sie, sie möchten versuchen, mit ihrem Verstande und ihrer Weisheit irgendein Heilmittel gegen seine Krankheit zu finden, denn er sei überzeugt, wenn sie ihm nicht helfen könnten, müsse er in kurzer Zeit aus dem Leben scheiden, weil er bis zu dieser Stunde keinen Menschen zu finden vermocht habe, der ihm für sein Leben ein Heilmittel zu geben gewußt hätte. Als der König seine Rede beendigt hatte, waren die Jünglinge weger der Ursache seines Leidens schwer bekümmert. Der älteste entgegnete ihm aber: »Auch noch gegen dieses Übel, o Gebieter, wollen wir wahrlich schnell ein Mittel finden, und es ist folgendes: Nicht gar weit von dieser Stadt liegt eine sehr große und sehr heitere Ebene; sie soll das Mittel sein, durch das du deine frühere Gesundheit wiedererlangen wirst; lasse dir dort sieben sehr schöne und verschiedenartig bemalte Paläste bauen und verweile dort eine ganze Woche, indem du in jedem von ihnen, mit dem Montag beginnend, eine Nacht ruhst!« »Und außerdem«, hub der zweite an, »schicke sieben deiner Gesandten in sieben Teile der Welt, von wo sie sieben Jungfrauen, Töchter der größten Fürsten, die sie dort vorfinden, herbeibringen sollen; und wenn du in jeden Palast eine führst, sollst du mit ihnen in köstlichen und gefälligen Gesprächen die Wochenfrist verbringen.«

Als er mit Sprechen aufgehört hatte, fuhr der dritte fort: »Gib auch Befehl, daß in den sieben Hauptstädten deines Reiches ausgerufen wird, der beste Geschichtenerzähler, der in jeder von ihnen zu finden ist, solle vor dein Antlitz kommen, von wo du sie mit den kostbarsten Geschenken in ihre Heimat zurückschicken wolltest, nachdem sie dir eine schöne Geschichte erzählt hätten!«

Da befahl nun Behram-Gur, daß die drei von den Jünglingen vorgeschlagenen Dinge unverzüglich ausgeführt würden; und nachdem er die Herstellung der Paläste befohlen hatte, wurde in kurzer Zeit alles vollendet; und als die sieben Paläste erbaut waren, ließ man sie reich ausschmücken und in jeden eine Jungfrau und einen Geschichtenerzähler hineingehen. Nach dem Rate der Jünglinge ließ er sich an einem Montagmorgen in einer Sänfte in den ersten Palast bringen, der mit Silber verziert war, während er selbst und sein ganzes Gefolge silberne Gewänder angelegt hatten. Hier legte er sich nun auf ein prächtiges und reiches Lager, weil er infolge seines Leidens schwach und völlig kraftlos war, und befahl der Jungfrau, vor sein Antlitz zu treten, und unterhielt sich mit ihr des längeren in verschiedenen und ergötzlichen Gesprächen. Als dann die Abendstunde herangekommen war, ließ er den Geschichtenerzähler kommen, und wie der vor ihn hintrat, wurde ihm von einem der Wesire aufgetragen, er solle eine schöne Geschichte erzählen. Nachdem der aber den Auftrag erhalten hatte, küßte er erst dem Kaiser die Hand und begann dann in solcher Art:

»Es herrschte ehemals im Lande Bekhâr ein weiser und kluger muselmännischer Kaiser, der vier Frauen hatte, deren eine seines Oheims Tochter, die andern drei aber großer Fürsten Töchter waren. Und weil er nun ein Mann von großer Gelehrsamkeit war, pflegte er den die Weisheit liebenden Männern Zeichen seiner großen Liebenswürdigkeit zu geben; sowie er nur erfahren hatte, daß solche in sein Land gekommen waren, wurden sie von ihm mit prächtigen und reichen Geschenken geehrt. So kam es denn, daß sich stets eine große Menge solcher Leute bei ihm befand, mit denen er sich in der Zeit, in der er von Staatsgeschäften frei war, über mannigfaltige und die Wissenschaften angehende Dinge unterhielt. Als er eines Tages nun mit einem ausgezeichneten Philosophen, der im Rufe eines über die Maßen weisen Mannes stand, über die schönen und wunderbaren Wirkungen in der Natur sprach, bat er ihn, er möchte ihm irgendein geschehenes Wunder der Natur erzählen, denn er dachte sich, weil der ein schon hochbejahrter und sehr weiser Mann wäre, könnte er irgend etwas Merkwürdiges von ihm erfahren. Und er täuschte sich hierin auch nicht; da ihm der Philosoph willfahren wollte, hub er also an: ›O Gebieter, da ich dich so begierig sehe, irgendein merkwürdiges Geheimnis der Natur kennenzulernen, will ich dir eines erzählen, wie ich zeit meines Lebens nie ein größeres gehört noch gesehen habe. Vor nicht langen Jahren befand ich mich im Abendlande, wohin ich gezogen war, um es kennenzulernen, und überzeugte mich auf das genaueste, daß sich in diesem Lande viele mit hohem und edlem Verstande begabte Menschen finden. Es begleitete mich aber ein weiser und erfahrener Jüngling, mit dem ich eines Tages in eine Stadt ging; und bei den verschiedenen Gesprächen, die wir auf dem Wege über die bemerkenswerten Dinge in der Natur zu führen pflegten, ereignete es sich nun, daß er zu mir sagte, er kenne ein Wunder, das alle andern überträfe. Er könne jedesmal nach seinem Gefallen, wenn er ein Tier irgendwelcher Art getötet hätte, nach einigen Worten, die er über dem Körper des toten Tieres gesprochen hätte, mit seinem lebendigen Geiste in dieses hineinschlüpfen; den eigenen Leib aber lasse er tot liegen, und das getötete Tier würde mit seinem Geiste wieder lebendig; und wenn er in ihm, solange es ihm gefiele, verweilt hätte, stelle er sich wieder mit dem Tierkörper über seinen eignen, und dieselben Worte sprechend, kehre er mit seinem lebendigen Geiste wieder in diesen zurück, das vernunftlose Tier aber falle tot nieder, wie es zuerst gewesen wäre, er jedoch befände sich wieder in seinem früheren Zustande. Dies schien mir nun unmöglich zu sein; und als er sah, daß er mich schwer davon überzeugen konnte, machte er in meiner Gegenwart die Probe. Und ich, der ich niemals ein größeres Wunder gesehen hatte, bekam den sehnlichsten Wunsch, es zu erlernen; und da ich dem Jüngling viele Dienste geleistet hatte, so erreichte ich durch meine inständigen Bitten, daß er es mich nach einer langen Frist lehrte und mir meinen Wunsch erfüllte.‹ Als der Philosoph dies dem Kaiser erzählt hatte, sprach der zu ihm: ›Wie könnte ich über solch eine unmögliche Sache urteilen, ohne eine Probe, die mich überzeugte, zu sehen?‹ Da antwortete der Philosoph: ›Machen wir doch den Versuch, daß du siehst, daß solches wohl möglich ist; lasse mir zur Stunde ein vernunftloses Tier hierherbringen, und du sollst alles sehen!‹ Nachdem der Kaiser sogleich einen Sperling hatte holen lassen, wie es der Philosoph angegeben hatte, erstickte der ihn und warf ihn zu Boden, sprach mit leiser Stimme einige Worte über ihm und fiel plötzlich tot zur Erde, und der wieder lebendig gewordene Sperling begann durch das Gemach, in dem sie sich befanden, zu fliegen; und nach einer guten Frist kehrte er auf den Körper des toten Philosophen zurück, sang etwas über ihm, und indem er den Philosoph auferweckte, blieb er tot, wie er es vorher gewesen war. Als der Kaiser, sobald der Philosoph wieder vor ihm stand, seine lebbafte Verwunderung hierüber geäußert hatte, entbrannte er im heißesten Verlangen, ein solch großes Geheimnis zu erlernen; und da er den Philosophen gar sehr bat, wagte der es nicht, einem so großen Fürsten etwas abzuschlagen, und eröffnete ihm alles auf das genaueste. So wurde der nun Meister eines wunderbaren Geheimnisses und ließ sich fast jeden Tag einen Vogel holen; und wenn er ihn getötet und mit seinem Geiste in ihn geschlüpft war, ließ er seinen eignen Körper tot liegen, und nachdem er sich, solange es ihm gefiel, ergötzt hatte, kehrte er von neuem mit seinem Geiste in seinen Körper zurück, und den Vogel tot lassend, ging er aus ihm heraus. Und da er mit dieser Kunst die Gemüter vieler seiner Untertanen prüfen konnte, strafte er die Bösen und belohnte die Guten mit vielen Geschenken und erhielt sein Reich in Ruhe und Frieden. Als sein Wesir, der wußte, wie teuer er seinem Herrn war, dies gemerkt hatte, unterhielt er sich eines Tages mit ihm, wie er dieser Kunst teilhaftig geworden wäre, und fing an zu erzählen und bewies ihm, daß er über einige seiner Geheimnisse (mit seiner Hilfe) unterrichtet wäre, und bat ihn recht inständigst, er möchte ihm auch das offenbaren. Da ihn nun der Kaiser sehr liebte und darum bereit war, ihm auf jede Weise gefällig zu sein, zeigte er es ihm und machte dem Wesir sogleich einen Versuch vor und war begierig, ihn darin auf das beste zu unterweisen. Es ereignete sich nun eines Tages, daß der Wesir zusammen mit seinem Gebieter auf die Jagd gegangen war, und sie sich ein gut Stück von den andern, die in ihrem Gefolge waren, entfernten und auf zwei Hirschkühe stießen, die sie töteten; und es schien dem Wesir die beste Gelegenheit zu sein, einen bösen Vorsatz, den er seit langem in seinem Herzen verborgen trug, ins Werk zu setzen. Und er sprach zum Kaiser: ›Ach, o mein Gebieter, wollen wir nicht mit unserem Geiste in diese beiden Hirschkühe schlüpfen, da wir so fern von der Begleitung sind, und ein wenig dahinspringen und uns auf diesen grünen Hügeln ergötzen?‹ Der Kaiser antwortete: ›Du hast wahrlich einen guten Gedanken, und sicherlich werden wir durch einen derartigen Spaziergang ein großes Vergnügen haben!‹ Nach solchen Worten stieg er vom Pferde und band es an einen Baum, stellte sich dann sogleich über eine der toten Hirschkühe und sagte die Worte des Geheimnisses, und nachdem er mit seinem Geiste in die Hirschkuh geschlüpft war, ließ er seinen Leib hier tot liegen. Als der Wesir das sah, sprang er sofort vom Pferde, trug keine Sorge, es anzuknüpfen, und stellte sich über den toten Körper des Kaisers, sagte ebenfalls die Worte des Geheimnisses und ließ seinen eignen Körper tot auf der Erde liegen, schlüpfte mit seinem Geiste in den des Kaisers, und auf dessen Pferd steigend, kehrte er zu dem Gefolge zurück; und als er wieder in die Stadt kam, wurde er von jedermann, da er den Körper und die Gestalt des Herrschers hatte, als der Kaiser verehrt. In dem Kaiserpalaste angelangt, erkundigte er sich sehr eifrig bei vielen seiner Vornehmen nach seinem Wesir; es fand sich aber niemand, der ihn gesehen hatte. Darüber trug er großen Kummer und gab vor, zu glauben, daß er von den wilden Tieren, die im Buschwerk hausten, verschlungen wäre, als er sich von dem Gefolge entfernt hätte. Von Stunde an leitete und beherrschte er das Reich und verrichtete alle Dinge, so wie es der wahre Kaiser zu tun pflegte; doch weil es dem hohen Allah nicht gefällt, daß ein Betrug lange verborgen bleibt, ereignete es sich, daß er, als er bei drei der Frauen seines Gebieters gelegen hatte, auch bei der liegen wollte, die die Tochter des Oheims des Kaisers war; und als er sich in der vierten Nacht nach der Bückkehr von der Jagd zu ihr legte, merkte sie, wie ganz anders er sie liebkoste, als es der Kaiser gewöhnlich zu tun pflegte; und da sie wußte, daß ihr Gebieter das Geheimnis, mit dem Geiste in den Leichnam jeden Tieres zu schlüpfen, kannte, fiel ihr bei, daß sich der Wesir nach der Jagd nicht wieder eingefunden habe; und als ein Weib von bestem Verstande merkte sie sogleich um den Betrug und das dem Kaiser zugestoßene Unglück. Obwohl der Wesir ganz den Körper des Kaisers hatte, sprang sie doch sofort von dem Lager, und indem sie tat, als ob sie nichts von dem Betruge gemerkt hätte, sagte sie zu ihm: ›Kurz, ehe du dich zu mir legtest, habe ich, o Gebieter, ein großes und erschreckliches Gesicht gehabt, das zu offenbaren mir gegenwärtig verboten ist. Darum habe ich mir ernstlich vorgenommen, keusch zu leben. Dieses Ereignisses wegen bitte ich dich herzlich, mir nachzugeben und nicht mehr zu mir zu kommen, um bei mir zu liegen; wenn du mich aber nicht erhören willst, will ich mich eher selbst umbringen, als deinem Willen nachkommen!‹ Wiewohl diese Worte dem falschen Kaiser gar sehr mißfielen, fürchtete er dennoch, weil er das Weib über die Maßen liebhatte, es würde sich töten, wenn er sich nicht des Liegens bei ihr enthielte, und da ihm das Sprechen darüber auch verboten war, begnügte er sich einzig damit, sich darüber zu wundern und alles bei sich zu erwägen; nichtsdestoweniger versah er alle übrigen Geschäfte des Reiches, wie es einem wahren und gerechten Kaiser zukommt. Der aber, um auf ihn zurückzukommen, war in eine Hirschkuh verwandelt worden und wurde von allem möglichen Mißgeschick ereilt; er wurde von den männlichen Hirschen verfolgt und von andern wilden Tieren oft sehr gestoßen, und beschloß, um so vieles Unglücks willen zu fliehen und sich von allen Tieren fernzuhalten und allein zu wandern. So fand er eines Tages einen Papageien, der vor kurzem gestorben war, im Felde liegen, und da er glaubte, kein so mühseliges Leben mehr führen zu müssen, wenn er mit seinem Geiste in den Leichnam dieses Tieres schlüpfte, sprach er über ihm die Worte, die solche Wirkung hervorbrachten, und alsbald ließ er die Hirschkuh tot auf der Erde liegen und wurde Papagei; und während er sich zu vielen andern Papageien gesellte, ereignete es sich, daß er auf einen Vogelsteller aus seiner Hauptstadt stieß, der die Netze zum Vogelfangen aufgespannt hatte; und da er sich einredete, wenn er sich von ihm fangen ließe, könne er vielleicht seine frühere Gestalt wiedererlangen, begab er sich an einen Platz, wo er von dem Netze bedeckt werden mußte, und wurde dann auch auf diese Weise von dem Vogelfänger in Gemeinschaft mit vielen andern Vögeln und Papageien gefangen. Und als er zusammen mit den andern in einem großen Käfig untergebracht war, schickte sich der Vogelsteller von neuem an, die Netze zu legen. Da zog er, der mit Vernunft und Weisheit begabt war, mit dem Schnabel ein Hölzchen heraus, das die Türe des Käfigs geschlossen hielt, und öffnete sie; während alle andern Vögel entflohen, blieb er allein in dem Käfig zurück. Nicht lange Zeit hernach kam der Vogelsteller nach dem Platze zurück, wo der Käfig aufgestellt war, und als er sah, daß durch die Flucht der Vögel die Mühen dieses Tages vergeblich gewesen waren, wurde er ganz traurig und trat herzu, um die Tür zu schließen, damit der Papagei, der ihm noch blieb, nicht auch noch entflöge; er wurde aber von dem mit weisen und klugen Worten getröstet. Hierüber äußerte er lebhafte Verwunderung, und es schien ihm unmöglich zu sein, daß ein frisch gefangener Papagei mit solcher Klugheit zu reden verstünde, und tröstete sich ganz, da er glaubte, für diesen eine große Summe Geldes lösen zu können. Darauf ließ er sich mit ihm in ein Gespräch ein, und als er sah, daß er ihm kluge Antworten gab, löste er die Netze und legte sie zusammen; und mit dem Papageien der Stadt zugehend, unterhielt er sich mit ihm auf dem Wege über viele Dinge; da er merkte, daß das Tier sehr vernünftige und weise Reden führte, begann er zu glauben, er könne mit ihm viel Reichtum erwerben. Wie er dann in die Stadt und auf den Markt gekommen war, begegneten ihm einige seiner Freunde, und als er mit ihnen zu reden begann, entstand nicht weit von ihnen ein großer Lärm, und der Papagei fragte seinen Herrn, was für ein Getümmel da wäre. Und nachdem der es von den Umstehenden erfahren hatte, sagte er, es wäre da eine berühmte und sehr schöne Dirne, die in der vorhergehenden Nacht geträumt habe, daß sie bei einem Vornehmen der Stadt geschlafen habe; diesem sei sie auf dem Markte begegnet und habe ihn beim Gewände ergriffen und verlange hundert Dinare von ihm, indem sie sage, daß sie um einen geringeren Preis noch niemals bei einem andern Manne geschlafen habe. Weil sich aber der Vornehme hierzu nicht verstehen wolle, sei dieser Lärm entstanden. Als der Papagei das gehört hatte, sprach er: ›Dies ist fürwahr ein böser Handel, zumal sie darum so hitzig miteinander streiten; und wenn du sie zu mir kommen läßt, werde ich sie wahrlich miteinander aussöhnen können.‹ Da nun der Vogelsteller wußte, wie klug der Papagei war, überantwortete er den Käfig, in dem er saß, einem seiner Freunde, dem er auf dem Markte begegnet war, und ging eilends dorthin, wo das Getümmel war; und nachdem er den Lärm, den der Vornehme und die Dirne schlugen, mit Worten ein wenig gedämpft hatte, nahm er sie bei der Hand und führte sie an den Käfig und sagte zu ihnen: ›Wenn ihr damit einverstanden seid, euch in diesem Streite dem Urteil des Tieres hier zu unterwerfen, so glaube ich wahrlich, daß es gerecht zwischen euch richten wird!‹ Über solche Worte spotteten die Umstehenden sehr, weil es ihnen unmöglich erschien, daß ein vernunftloses Tier das, was der Vogelsteller gesagt hatte, zu tun vermöchte. Der Vornehme aber, der solch ein Wunder sehen wollte, wandte sich zu der Dirne und sprach: ›Wenn du damit einverstanden bist, will ich mich, auf mein Wort, dem Richterspruche, den der Papagei über unsern Handel fällen wird, fügen!‹ Als sich die Dirne auch hiermit zufrieden zu geben versprach, näherten sie sich dem Käfig; da fragte sie dann der Papagei zuerst nach ihrem Zwiste; und nachdem er alles aus ihrem Munde vernommen hatte, auch daß sie mit dem Urteil, das er ihnen spräche, zufrieden sein wollten, gab er Befehl, daß ein großer Spiegel vor seinen Käfig gebracht würde. Dies wurde sogleich ausgeführt; dann ließ er sie vor den Spiegel treten, und nachdem der auf einen Tisch gelegt worden war, sagte er zu seinem Herrn, daß er den Spiegel mit dem rechten Fuße halten sollte; dann wandte er sich an den Vornehmen und verlangte, er solle sogleich die von der Dirne geforderten hundert Dinare auf den Tisch legen. Die freute sich darüber und war über die Maßen froh, denn sie glaubte schon ihren Beutel mit ihnen bereichert zu haben; der Vornehme aber legte sie traurig vor dem Spiegel nieder. ›Und du, o Weib,‹ sprach der Papagei, ›rühre nicht die Dinare an, die du auf dem Tisch aufgezählt siehst, sondern nimm die hundert, die in dem Spiegel so funkeln; weil dein Zusammensein mit dem Vornehmen ein Traum war, so ist es billig, daß der Lohn, den du dafür verlangst, einem Traume ähnlich ist!‹ Über solches Urteil war das Volk, das sich dazu eingestellt hatte, sehr erstaunt und konnte kaum glauben, was es doch mit eigenen Augen gesehen hatte, daß ein vernunftloses Tier einen solchen Urteilsspruch mit so großer Klugheit gefällt hatte. So wurde denn der Name des Papageien in der ganzen Stadt berühmt und bekannt.

Als dies nun der Kaiserin zu Ohren kam, meinte sie, in dem Tiere, das von so hoher Vernunft und Klugheit sei, müsse sich der Geist des Kaisers, ihres Gatten, befinden, und gab Befehl, daß der Papagei mitsamt dem Vogelsteller sogleich vor sie gebracht werden sollten. Und dies wurde von den Dienern ausgeführt. Als der Vogelsteller in dem Serail angelangt war, wurde er unverzüglich vor das Angesicht der Kaiserin gebracht. Nachdem sie ihn lange über den Fang und die Klugheit des Tieres befragt hatte, ließ sie ihn wissen, daß sie ihn, falls er damit einverstanden wäre, ihn ihr zu verkaufen, zu einem so großen Herrn machen wolle, daß er nicht mehr auf den Vogelfang auszugehen brauche. Als die Kaiserin diese Worte gesagt hatte, sprach er: ›Wir, o Herrin, der Vogel und ich, sind in deiner Macht; und die höchste Gunst, die ich von dir erbitten kann, ist: du möchtest ihn von mir als Geschenk annehmen, da ich deine Huld höher sehätze als den Reichtum, den ich mir mit ihm erwerben könnte!‹ Über solche Worte geriet die Kaiserin in große Verwunderung und konnte kaum glauben, daß der Vogelsteller eine so edle Gesinnung hatte, nahm den Papagei an und ließ sogleich seinem Herrn seiner Freigebigkeit wegen ein Jahrgeld von fünfhundert Dinaren verschreiben. Nachdem sie dem Tiere einen reichen und kostbaren Käfig hatte machen lassen, setzte sie ihn hinein und ließ ihn in ihr Gemach bringen; und mit ihm über verschiedene Dinge redend, pflegte sie den größten Teil des Tages so zuzubringen. Als nun der Papagei einen Zeitraum von zwei Monaten Tag und Nacht bei der Kaiserin zugebracht und niemals gesehen hatte, daß der falsche Kaiser bei ihr lag, wurde er darüber sehr froh, obschon er sich in einem so traurigen Zustande befand. Eines Morgens aber unterhielt sie sich mit ihm zu einer Zeit, da sie sich allein in ihrem Gemache befand, und sie sprach zu ihm: ›Ich merke wahrlich, o mein kluges und weises Tier, daß du dich mit mir über die verschiedensten Dinge mit viel Verstand und Weisheit unterhältst, deshalb kann ich nicht glauben, daß du vernunftlos bist, vielmehr halte ich es für gewiß, daß in dir der Geist eines edlen Menschen weilt, der durch Zauberkunst in einen Papagei verwandelt ist; da ich dies nun wahrlich glaube, bitte ich dich gar sehr, mir gegenüber offen zu sein!‹ Als die Kaiserin solche Worte beendet hatte, konnte sich der Fürst der großen Liebe wegen, die er für sein Weib hegte, nicht länger zurückhalten und erzählte ihm die ganze Geschichte von Anfang an und wie er sich durch den Verrat des treulosen und schändlichen Wesirs in einem so unglücklichen und so elenden Zustand befand. Hierauf antwortete die Kaiserin, daß sie dies an der ungewohnten Weise, in der sie der falsche Kaiser umarmt hatte, wohl gemerkt habe; und wie sie ihm den Schwur getan habe, ehe sie bei ihm liege, wolle sie sich mit eigener Hand den Tod geben. Da sprach der Papagei: ›Wenn du willst, kannst du sofort eine Heilung für alles finden und mich in meinen früheren Zustand zurückversetzen und an dem elenden und treulosen Wesir eine vollständige Rache nehmen!‹ Da sie dies mehr als alles andere wünschte, bat sie ihn, ihr die Weise, wie sie es tun könnte, anzugeben. Das Tier antwortete: ›Wenn sich der falsche Kaiser mit meinem Körper dir nähern will, zeige ihm ein heiteres und fröhliches Gesicht und fange an, ihn zu liebkosen, und sage zu ihm: ›Wahrlich, ich kann mich dem unglücklichsten Weib, das es auf der Welt gibt, vergleichen, weil ich dich liebe, so sehr ich es nur kann, und doch nicht imstande bin, mich deiner zu erfreuen, wie ich es früher zu tun pflegte, infolge des Argwohnes, der, was deine Person angeht, in mir erregt ist: seit langer Zeit nämlich sehe ich dich nicht mehr mit deinem Geiste in den Leichnam irgendeines Tieres schlüpfen und in ihm zu deinem Vergnügen herumspringen, wie du es ehedem zu tun pflegtest; deshalb nun glaube ich vor Kummer zu sterben.‹ Da er nun keine andere Sache, als bei dir zu liegen, sehnlicher wünscht, darf man glauben, daß er sogleich, um dich zufriedenzustellen und dir auf solche Weise zu versichern, daß er der wahre Kaiser ist, mit seinem Geiste in irgendein totes Tier schlüpfen und dir somit Gelegenheit geben wird, dich bitter für seine Treulosigkeit zu rächen; denn sobald er das tut, öffne mir den Käfig, dann kann ich auf meinen toten Körper fliegen; und mit dem Geiste in ihn zurückkehrend, werde ich meinen früheren Zustand wiedererlangen, und wir werden nach dem Ereignisse ein frohes und ruhiges Leben leben!«

Nachdem das Tier also geredet hatte, handelte die Kaiserin unverzüglich nach seinem Rate. Als nämlich am Abend desselben Tages der Kaiser in ihr Gemach trat und sich mit ihr, wie er es zu tun pflegte, über verschiedene Dinge unterhielt, fing sie an, ihm die Rede, die ihr von dem Papagei vorgesagt worden war, zu halten. Er aber, der nichts sehnlicher wünschte, als ihre Gunst und Liebe zu erlangen, sprach zu ihr: ›Großes Unrecht wahrlich, o Weib, hast du dir und mir allzu lange getan, da meine Person aus solchem Grunde bei dir in Verdacht geraten ist, denn in der ersten Stunde, wo du mich das hättest hören lassen, würde ich den Zweifel von dir genommen haben; doch soll man mir sogleich eine Henne bringen, auf daß ich dich sehen lasse, wie sehr dich dein Argwohn bis auf diese Stunde getäuscht hat!‹ Und nachdem solcher Befehl unverzüglich gegeben worden war, brachte man ihnen eine lebende Henne in das Gemach; und sie schlossen sich allein mit dem Papagei zusammen in das Gemach ein. Da nahm der falsche Kaiser die Henne und erdrosselte sie mit eigner Hand, und über ihrem Körper die Zauberworte sprechend, schlüpfte er mit seinem Geiste in sie, während sein eigener Körper tot auf dem Boden liegen blieb. Als die Kaiserin das sah, öffnete sie ohne Verzug den Käfig des Papageien, der aber flog über den toten Körper und kehrte kraft der Worte mit seinem Geiste in ihn zurück; der Papagei aber blieb tot. Hierüber war die Kaiserin über die Maßen froh, und Freudentränen weinend, hielt sie den wahren Kaiser, ihren Gatten, lange umarmt. Darauf nahm der die Henne, die, ihr Unglück ahnend, hin und her lief, riß ihr den Kopf ab und warf sie in das Feuer, das in dem Gemach brannte. Auf daß aber niemand im Serail etwas merkte, gaben sie vor, der Papagei sei gestorben, und gingen aus dem Gemache und sagten für den folgenden Tag für die Frauen und Vornehmen ein Fest an. Nach diesem beurlaubte der Kaiser die drei andern Frauen, die er hatte; die aber, die seines Oheims Tochter war, behielt er; und er leitete nach solch großem Unglück sein Reich mit ihr in höchster Ruhe, und sie lebten lange in Freude und Wonne!«

Als nun der Geschichtenerzähler, der Behram-Gur erzählte, mit seiner Geschichte zu Ende gekommen war, wurden ihm vom Kaiser, der sehr große Freude an den berichteten Ereignissen gehabt hatte, reiche Geschenke gemacht; und nachdem der Urlaub erhalten, kehrte er reich beschenkt in seine Heimat zurück.

Behram-Gur hatte sich aber durch die ihm erzählte Geschichte ein wenig erholt, und er fing an zu glauben, daß der Rat der Jünglinge ihm dazu nützlich gewesen wäre. Daher ließ er sich ihrer Bestimmung gemäß am Dienstagmorgen beizeiten in der Sänfte in den zweiten Palast bringen, der ganz mit Purpur geschmückt war, und sein ganzes Hofgesinde und er selbst war in gleicher Farbe gekleidet. Und er ließ die Jungfrau aus dem zweiten Himmelsstriche vor sein Antlitz kommen, und nachdem er sich mit ihr eine gute Zeit über viele Dinge unterhalten hatte, gab er Befehl, daß der zweite Geschichtenerzähler erscheinen sollte. Der trat nun vor ihn hin und küßte seine Hand und wurde von dem Wesire aufgefordert, seine Geschichte zu erzählen. Da begann er dann nach empfangenem Auftrag in solcher Weise:

»In der alten Stadt Benefzuva herrschte einst ein großmächtiger König, dem viele Länder und Landstriche unterworfen waren; und weil er ein Mann von großer Macht war, ließ er sich inmitten dieser Stadt einen sehr großen Palast zu seiner Behausung erbauen, den er nachts über von hundert wilden und grimmigen Hunden bewachen ließ, die außerdem auch noch die zum Tode Verdammten zu fressen pflegten. Dieser König aber hatte einen einzigen Sohn, der außer vielen andern Tugenden, die er hatte, alle Genossen seines Alters in der Kunst des Bogenschießens übertraf. Weil er nun der einzige Sohn war, beschloß der Vater, ihm ein Weib zu geben, um Kinder von ihm zu sehen, auf daß er Erben in seinem Reiche habe. Daher rief er ihn eines Tages vor sich und ließ ihn um seinen Entschluß wissen und sagte ihm auch, es seien ihm vieler großen Herrscher Töchter dazu angetragen worden. Als Antwort hierauf hatte ihm der Sohn gesagt, er wolle ihm in allem zu Willen sein; und hatte ferner untertänig gebeten, wenn er vermählt werden solle, möchte er ihm die Wahl überlassen. Weil er, wenn er ein Weib nehmen müßte, die ganze Zeit seines Lebens mit ihm zu verbringen habe, so wolle er eines, das seinen Augen wohlgefällig wäre, und kein anderes nehmen. Damit war der Vater wohl zufrieden, doch konnte er keines, das dem Sohne zusagte, finden. Hierüber war er über die Maßen betrübt und wußte nicht, was er in dieser Sache zu tun vermöchte, und führte ein recht trauriges und schmerzensreiches Leben. Nun hatte sein Wesir eine sehr schöne und kluge Tochter; und es ereignete sich, daß ihre Amme, die ein verständiges, kluges Weib war, nachdem sie erfahren hatte, man könnte keine Jungfrau finden, die dem Jüngling wohlgefällig wäre, sich einredete, daß ihm die Wesirstochter ihrer großen Schönheit wegen gefallen möchte. Als sie gelegentlich bei ihm war, gab sie ihm zu verstehen, wenn er die Tochter ihres Herrn gesehen hätte, die an Klugheit und Gestalt alle andern ihres Alters überragte, würde er sie, des sei sie überzeugt, zum Weibe begehren. Solchen Worten lieh der Jüngling ein Ohr und bat die Amme inständigst, sie möchte ihm verraten, wie er sie sehen könnte. Sie antwortete ihm: »Der Wesir, mein Gebieter, pflegt seine Tochter jeden Sonntag auf die Jagd zu schicken, auf daß sie zum wenigsten an diesem Tage einiges Vergnügen habe, nachdem sie sich die ganze Woche über mit tugendsamen Arbeiten beschäftigt hat. Wünschst du sie nun zu sehen, so kann das sehr leicht geschehen, wenn du uns am nächsten Sonntage ins Feld folgen willst!« Für diese Worte dankte der Jüngling der Amme herzlich und offenbarte sich einem einzigen seiner Gefährten. Mit diesem setzte er sich nun am Sonntag zu Pferde; und sie schickten sich an, den Frauen des Wesirs, die zur Jagd ausritten, von weitem zu folgen. Es war ungefähr drei Meilen von der Stadt ein berühmtes und altes Bethaus; als hier die Jungfrau, die der Jüngling vermöge der Zeichen der Amme erkannte, mit ihrer Gefolgschaft angekommen war, sah sie auf dem Minarett zwei Tauben; und da sie einen Bogen zur Hand hatte, setzte sie sich in Bereitschaft, mit Kügelchen auf sie zu schießen. Als aber der Jüngling, der ganz weit von ihr entfernt war, dies sah, nahm er sogleich auch den Bogen zur Hand und schoß ihn vor ihr ab, und eine der Tauben, die durch seinen Schuß getötet wurde, fiel zur Erde, die andere aber flog erschreckt auf; in der Luft jedoch wurde auch sie von der Jungfrau mit einer Kugel getötet. Hierüber verwunderte sich der Königssohn höchlichst; und da er ihre Geschicklichkeit erkannt hatte, sandte er ihr, um ihr zu beweisen, daß sie einen besseren Schuß als er getan habe, durch seinen Pferdehalter die Taube, die er getötet hatte, als Geschenk und ließ ihr sagen, weil sie den kunstgerechtesten Schuß abgegeben habe, habe sie sie gewonnen. Als nun die Jungfrau die edle Handlung des Jünglings erfuhr, konnte sie nicht dulden, daß sie von jemand an Höflichkeit übertroffen wurde, und gab die Taube demselben Pferdehalter zurück und trug ihm auf, daß er seinem Herrn in ihrem Namen für die erwiesene Güte danken sollte, und machte ihm auch ihre Taube zum Geschenk. Nachdem der Stallsklave seinen Auftrag ausgeführt hatte, erwog der Königssohn den Wert und die Klugheit der Jungfrau bei sich; und wiewohl er ihr Gesicht noch nicht gesehen hatte, verliebte er sich über die Maßen heftig in sie. Und er beschloß, auf irgendeine Weise ihr Gesicht zu sehen, und stieg vom Pferde und verbarg sich hinter einem Busche, nicht weit von der Begleitung des Mädchens. Nahe bei dem Busch war ein sehr schöner und klarer Quell, und da die Jungfrau wegen der Anstrengungen der Jagd großen Durst litt, entschleierte sie ihr Antlitz und ließ sich in einem Krüglein Wasser schöpfen; und als der Jüngling sie auf solche Weise gesehen hatte, wurde es ihm gewiß, daß ihm die Amme die Wahrheit gesagt hatte, wenn sie von ihrer Schönheit und Tugend gesprochen hatte, und er beschloß, sie zum Weibe zu nehmen, und offenbarte sein Vorhaben sogleich seinem Vater. Der König wurde aber über die Maßen froh und zufrieden, da er schon die Hoffnung aufgegeben hatte, ein seinem Sohne wohlgefälliges Weib zu, finden. Er rief seinen Wesir vor sich und verkündete ihm das Verlangen des Jünglings; nachdem unter ihnen im geheimen die Ehe abgemacht worden war, verschoben sie ihre Bekanntgabe auf eine gelegenere Zeit. Den Jüngling nun, der das Mädchen heftig liebte, erfüllte darüber eine erstaunliche Freude, und nichts wünschte er sehnlicher, als bald die Hochzeit zu feiern. Da es Allah gefiel, wurde der König kurze Zeit danach von einer heftigen Krankheit ergriffen und starb für dieses Leben. Nach seinem Tode nun folgte ihm sein Sohn in der Herrschaft; als der alles vorgesehen hatte, was zur Ruhe der Stadt und seiner Untertanen nötig war, wurde die Vermählung mit einem Feste bekanntgegeben, und er führte die junge Braut in den Königspalast; und nachdem hier die Hochzeit feierlich gefeiert worden war, wollte er bei seinem Weibe liegen. »O Herr,« sagte dieses, »obschon ich weiß, daß ich dir zu gehorchen habe, und es billig ist, dir beizustimmen, will ich dir trotzdem, ehe ich zugebe, daß du dich zu mir legst, einen ehrbaren Wunsch vortragen. Und der besteht darin, du wollest zulassen, weil du mich zum Weibe genommen hast, neben deinen Namen den meinigen auf das Geld prägen zu lassen!« Diesem Begehren, das seiner Ehre schaden konnte, glaubte der König nicht nachkommen zu dürfen, und sprach zu ihr: »O Weib, wenn es einer der Könige, die meine Vorgänger im Reiche gewesen sind, getan hat, kannst du sicher sein, daß ich wegen meiner großen Liebe zu dir nicht allein solches, sondern noch viel größere Dinge tun werde; und kannst dich gar leicht davon durch Proben überzeugen. Weil das aber meines Wissens weder in diesem noch in einem andern Reiche Brauch gewesen ist, so gib dich zufrieden und entschuldige mich; denn da ich mehr auf die Ehre als auf irgendeine andere wichtige Sache achtzugeben habe, so kann ich dir deine Bitte nicht erfüllen!« Auf solche Worte aber antwortete sie: »O Gebieter, ich hätte wahrlich nicht geglaubt, daß du meine erste Bitte, die ich an dich getan habe, abschlagen würdest; weil ich aber daraus ersehe, wie wenig teuer ich dir bin, zumal du meinen ehrenwerten Wunsch nicht erfüllt hast, so wisse, ich will eher den Tod erleiden, als zugeben, daß du bei mir liegst. Denn wenn du, wie du gesagt hast, ein Auge auf deine Ehre haben mußt, so ist es billig, daß ich ebenso auf meine achte!« Diese Erklärung der Königin versetzte den König in sehr große Betrübnis, und er beschloß zu versuchen, ob er mit List bewerkstelligen könnte, daß sie von ihrem Begehren abstünde. Als er sich nun mit ihr eines Tages lange über seine Liebe zu ihr unterhalten hatte, sagte er: »O Weib, da du in Wahrheit mein Weib bist, aber nicht willst, daß ich Beilager mit dir halte, wenn ich nicht neben meinen auch deinen Namen auf die Münzen prägen lasse, so tust du mir damit großes Unrecht; damit du aber siehst, wie ich dir in allen Dingen gern zu Gefallen sein möchte, so will ich ihn wahrlich auf die Münzen prägen lassen,wenn du mit dem Bogen und Pfeil in der Hand die Probe nachtust, die du mich ablegen siehst!< Weil sie sich hinreichend auf das Bogenschießen verstand, da sie diese Kunst von Jugend an unablässig geübt hatte, war sie damit einverstanden und sagte es zum König. Er führte sie nun eines Abends nach dem Essen in ein geräumiges Gemach, an dessen Ende er ein nicht sehr großes Becken aufzustellen befahl, das er sie erst sehen ließ; hierauf sagte er, daß er drei Pfeile hineinschießen wollte, und ging mit ihr an das andere Ende des Gemaches. Und nachdem er Befehl gegeben hatte, daß die Lichter entfernt werden sollten, nahm er den Bogen zur Hand und schoß drei Pfeile hinein, und wenn sie das Becken trafen, hörte man deutlich den Klang. Als er solches getan hatte, nahm die Königin den Bogen zur Hand und schoß auch drei Pfeile ab, den Klang des ersten aber vernahm man, den zweiten und dritten Pfeil hörte man jedoch nicht auftreffen. Der König war über die Maßen zufrieden und fröhlich und meinte, daß der zweite und dritte Pfeil das Becken nicht getroffen hätten, und sprach zu sich selbst: >Nun bin ich ledig des Wunsches meiner Frau und werde hiernach nicht mehr von ihr belästigt werden, und sie kann sich nicht länger weigern, bei mir zu liegen!> Und er ließ die Lichter herbeibringen und sah seine drei Pfeile, die er hatte aufschlagen hören, an drei Stellen des Beckens haften, und den ersten, den die Königin geschossen, mitten zwischen ihnen; die andern beiden aber sah er an seinem Schafte haften. Hierüber geriet er in große Verwunderung und stand ganz verwirrt und schmerzerfüllt da. Aber obwohl er es gesehen hatte, daß die Königin einen so guten Schuß gemacht hatte, wollte er trotzdem ihrem Wunsche keinesfalls willfahren; und da er einsah, daß es seiner Ehre nicht anstünde, etwas Versprochenes unerfüllt zu lassen, gab er anderen Tages vor, von einer gewissen Krankheit ergriffen zu sein. Da nun die Königin, die weise und verständig war, ihn nicht belästigen wollte, verlangte sie von Stund an nicht von ihm, ihren Namen auf den Münzen zu sehen, sondern war ganz besorgt um seine Gesundheit. Nun ereignete es sich in jenen Tagen, daß aus einer Nachbarstadt des Reiches die Nachricht kam, eine große Anzahl Einhörner richte dort vielen Schaden an; da glaubte denn der König, der listig war, auf solche Weise könne er sich der Schuld, in der er bei seiner Gemahlin stand, entledigen. Und indem er sich ein wenig wohler zu fühlen vorgab, sagte er zur Königin, daß er, wenn er erst ganz gesundet sei, mit ihr dorthin reisen wollte, wo die Einhörner sich aufhielten, um zu sehen, auf welche Weise er die Gegend von ihnen befreien könnte. So ließ er denn nicht lange danach vernehmen, daß er seine frühere Gesundheit wiedererlangt habe, und folgenden Tages, als er nach seiner geheuchelten Krankheit aufgestanden war, ließ er seinen Großen verkünden, daß sich jeder in drei Tagen aus seinem Hause zu einem Befehle einzufinden habe, weil er nach der von den Einhörnern heimgesuchten Stadt verreisen wolle. Als nun zur angesagten Frist jedermann bereit war, machte er sich mit der Königin und seinem ganzen Gefolge auf den Weg, und die Beschwerden des Weges mit schönen und heitern Gesprächen vertreibend, kamen sie nach gar nicht langer Zeit in die Gegend, wo die Einhörner hausten. Nachdem man sich hier in einer der Städte zwei Tage lang niedergelassen hatte, um sich von den Mühen der Reise zu erholen, gab der König allen seinen Leuten, welche die benachbarten Gefilde bewohnten, Befehl, Zelte aufzuschlagen, da er nicht mehr in der Stadt, sondern außerhalb verweilen wollte, um die Einhörner dieser Gegend zu jagen. Diesem Gebote kam jedermann sogleich nach; alle lagerten sich im Felde und ritten gemäß dem königlichen Befehle nach verschiedenen Seiten und töteten eine große Anzahl Einhörner mit Pfeilen. Eines Tages nun, als er sich mit der Königin im Felde aufhielt, sah er ein Männchen und ein Weibchen dieser Tiergattung; und weil der junge König sehr listig war, glaubte er, sich zur Stunde von der Verpflichtung, die er seinem Weibe gegenüber hatte, ihren Namen auf die Münzen zu prägen, befreien zu können. Und sich zu ihr wendend, sagte er: »O Weib, ich weiß, daß ich die Wette verloren habe, als wir mit Pfeilen nach dem Becken schossen, und daß ich deinen Namen auf die Münzen prägen lassen muß, aber der Krankheit, die mich damals überkam, und unserer plötzlichen Abreise in diese Gegend wegen habe ich meine Schuld bis jetzt nicht bezahlen können. Ich verspreche dir aber, wenn du es mit deiner Kunst derart einzurichten verstehst, daß das Männchen dieser Tiere, die wir da sehen, weiblich, das Weibchen aber männlich wird, dann will ich, sobald wir in unsere Königsstadt zurückgekehrt sind, keine andere Sache eher tun als die, wegen der ich wahrlich dein Schuldner bin!« Auf diese Worte antwortete die Königin, wenn er zu tun vermöchte, was er ihr zumutete, würde auch sie das von den Einhörnern Verlangte ausführen; und wenn das nicht geschähe, so wollte sie ihn seines Versprechens ihr gegenüber entbinden. Nun war der König über die Maßen erfreut und fröhlich und antwortete, er sei mit den festgesetzten Bedingungen einverstanden, nahm den Bogen zur Hand und schoß mit einem Pfeile das Tier, das nicht männlich war, auf den Schwanz, und als es des schmerzenden Schusses wegen mit den Beinen in die Luft ausschlug, durchbohrte er ihm sogleich den Nabel mit einem zweiten Pfeile, der bis in die Mitte des Körpers eindrang, und das zurückbleibende Ende, das man von außen sehen konnte, glich dem männlichen Gliede eines solchen Tieres. Darauf schoß er unverzüglich mit einem Pfeile das Männchen an den Ort, an dem sich die weibliche Natur befinden würde, und der Öffnung der Wunde wegen ließ es sich mit einem Weibchen vergleichen. Und sich gegen die Königin wendend, sprach er: ›Nun ist es an dir, o Weib, den Beweis zu liefern, ob du bessere Schüsse als ich abgeben kannst!‹ Als er dies gesagt hatte, nahm sie den Bogen zur Hand und schoß mit dem ersten Pfeil dem Männchen das Horn hinweg, daß es zur Erde fiel, den zweiten Pfeil aber schoß sie in die Stirne des Weibchens, also daß aus dem Männchen ein Weibchen (welche von Natur des Hornes beraubt sind) und aus dem Weibchen ein Männchen wurde. Als nun der König solche Schüsse sah, merkte er, daß er seinem Weibe den Wunsch, ihren Namen mit auf die Münzen prägen zu lassen, nicht abschlagen konnte, was er aber aus Achtung vor seiner Ehre keineswegs tun wollte; und er geriet in grimmen Zorn, weil er sich durch ihre Gewandtheit und Klugheit überwunden sah, und beschloß, sie auf irgendeine Weise des Todes sterben zu lassen. Doch um sich zur Stunde nichts merken zu lassen, kehrte er in das Zelt zurück und befahl heimlich einem seiner Wesire, er solle in künftiger Nacht in das Zelt der Königin eindringen, sie in aller Stille fesseln, nach der Königsstadt bringen und ohne einen Verzug den hundert wilden und wütigen Hunden, die nachts in den Gräben seinen Harem zu bewachen pflegten, vorwerfen, auf daß die sie zerrissen. Sogleich wurde dies von dem Wesire ausgeführt; die arme Jungfrau wurde in aller Stille nach der Königsstadt gebracht und dem grausamen Befehle des Königs gemäß den Hunden zum Fraße vorgeworfen. Indessen, sein unmenschlicher Plan ging nicht in Erfüllung; da sie mit den Hunden vertraut war und ihnen, als sie seine Gattin geworden war, Fressen vorgesetzt und sich mit ihnen angefreundet hatte, wurde ihr von ihnen liebreich begegnet, und nachdem sie einen Stein gelockert hatte, der vor einer Öffnung des Grabens lag, floh sie durch diese heil und gesund aus der Stadt. Als sie bis zum Sonnenaufgang wanderte, kam sie in einem Dorfe, nicht gar weit von der Stadt, in das Haus eines armen Landmanns, der mit einem Affen Brot für seine Familie gewann; der fragte sie nach ihrer Herkunft, sie antwortete ihm, daß sie eine arme Fremde sei, die einen Herrn in dieser Gegend suche. Da hatte der Landmann großes Mitleid mit dem Mädchen, und als er sah, daß sie sehr schön von Angesicht war, nahm er sie gerne auf, und jeden Tag liebte er sie mehr der vielen Tugenden halber, die er an ihr sah, und nahm sie an Tochter Statt an; er ging aber mit seinem Affen in die Orte, um den Lebensunterhalt zu gewinnen, und mit den Seinen zusammen ernährte er sie gar liebreich. Nicht lange Zeit danach kam der König in seine Hauptstadt zurück und hörte von dem Wesir, daß er seinen Auftrag ausgeführt hatte; er fing an, seine grausame Tat tief zu bereuen, und führte ein trauriges und schmerzvolles Leben. Und nicht lange hernach überkam ihn deswegen eine schwere Krankheit, für die man kein Heilmittel zu finden vermochte, und es zeigten sich an ihm offenbare Zeichen des unvermeidlichen Todes. Dies vernahm man in den der Stadt benachbarten Orten; und es gelangte auch der Königin zu Ohren, die sich in des Landmanns Hause befand. Sie wußte, daß dem König, ihrem Gatten, den sie herzlich liebhatte, das alles um ihretwillen zustieß, und beschloß, irgendein Heilmittel für ihn zu ersinnen. Nachdem sie den Landmann in Kenntnis gesetzt hatte, daß sie den König heilen und ihm damit eine große Summe Geldes gewinnen lassen wollte, sagte sie zu ihm: »Geh in den Serail und lasse seine Vornehmsten hören, wenn man auch bis zu dieser Stunde kein Heilmittel für des Königs Leiden hätte finden können, so wolltest du ihm doch wahrlich seine frühere Gesundheit wieder verschaffen!« Und der Landmann fragte sie, welche Art Heilmittel er ihm reichen sollte. Sie aber sagte: »Ich glaube unzweifelhaft, wie man ja auch öffentlich redet, sein Übel rührt von nichts anderem her, als von tiefer Schwermut und traurigen Gedanken; deshalb hat er nichts weiter nötig, als sich zu zerstreuen. Wenn du nun vor seinem Antlitze stehst, sprich zu ihm: »O Gebieter, ich kenne die Art deiner Krankheit sehr gut und hoffe, daß ich dich baldigst mit Gottes Hilfe von ihr befreien kann. Du findest innerhalb der Vorstädte deiner Residenz eine große Zahl schöner und lustiger Gärten, wähle den geräumigsten davon aus und lasse dir hier ein Zimmer zu ebener Erde erbauen; in das soll man dich sogleich bringen, wenn du es mit allen für deine königliche Person notwendigen Sachen hast versorgen lassen; dahin will ich dir folgen und deinem Leiden ein schnelles Ziel setzen!« Die Königin fuhr dann in der Rede zum Bauern fort: »Wenn du ihm das gesagt hast, und er deinen Rat befolgt, so nimm deinen Affen mit dorthin, der, seine gewohnten Späße machend, ihn in Heiterkeit und Lachen erhalten soll, und er wird die frühere Gesundheit völlig wiedererlangen!« Der Landmann achtete gar wohl auf diese Worte, säumte nicht lange und ging nach der Stadt, und nachdem er dem Könige gesagt, was ihm die Jungfrau angegeben hatte, antwortete der in dem Verlangen, geheilt zu werden, daß alles, was er vorgeschlagen habe, sogleich ausgeführt werden sollte, falls er dadurch von so heftiger Krankheit befreit werden könnte; und er rief seinen Serailaufseher und trug ihm auf, in einem der schönsten Gärten, die sich bei der Stadt befänden, unverzüglich für seine Person ein Lusthaus herzustellen. Als dies der Aufseher sogleich ausgeführt hatte, ließ sich der König am folgenden Tag in einer Sänfte dorthin tragen. Als er da angekommen war, hörte er der Nachtigallen und anderer Vögel Gesang und befand sich in einem sehr lustigen Garten, daß er sich ein wenig erheiterte und in kurzer Zeit sehr viel wohler zu werden schien. Auch der Landmann hatte nun seinen Affen dorthin gebracht, führte ihn vor den König und merkte schon, daß sich dessen Herz bereits etwas erquickt hatte, weil er den Ort gewechselt hatte, und er hielt es für gewiß, daß er bald seine frühere Gesundheit wiedererlangen würde. Nachdem er vor des Königs Augen einige Spaße mit dem Affen vorgeführt hatte, die ihm oft ein Lachen entlockten, führte er das Tier in die Küche, die im Freien war, band es in der Fensterecke an. Darauf kehrte er allein zum König zurück und begann sich mit ihm über viele heitere Dinge zu unterhalten. Und als ihnen auf diese Weise die Zeit angenehm vergangen war, glaubte der König in der Küche ein Geräusch zu vernehmen, und an das Fenster tretend, sah er den Affen, der dort allein war, sich einem Topfe nähern, in dem auf dem Feuer zwei feiste Kapaune für des Königs Mund brutzelten, und sah dem zu; weil der Affe sich aber allein in dem Räume wußte, hob er den Topfdeckel hoch und zog einen der Kapaune hervor, setzte sich hin und schickte sich an, ihn zu verzehren, als eine große Gabelweih, die den Raub gesehen hatte, herabstieß, dem Affen den Kapaun aus den Pfoten riß und mit ihm in die Lüfte flog; der Affe aber blieb über die Maßen betrübt zurück. Und er beschloß, wenn ihm Gelegenheit geboten würde, sich bitter zu rächen, und setzte sich still in eine Küchenecke und wartete, ob sich die Gabelweih wohl wieder einfände. Als er nach einiger Zeit die Augen hob, sah er sie um die Küche fliegen, und da er klug und listig war, näherte er sich wieder dem Topfe und zog den andern Kapaun heraus und tat so, als wolle er sich setzen und ihn verzehren, da kam die Gabelweih hinzu und ließ sich auf den Affen herab; und während sie glaubte, ihm auch den zweiten noch rauben zu können, wurde sie von ihm, der nur darauf wartete, sogleich ergriffen und getötet. Und er begnügte sich nicht damit, ihr den Tod gegeben zu haben, sondern rupfte sie, so gut er es verstand, und setzte sie in dem Topfe mit dem zweiten Kapaun, den er herausgezogen hatte, auf das Feuer. Bei diesem Schauspiel geriet der König über die Schlauheit des Affen in die größte Verwunderung und hatte seine Freude daran und belustigte sich sehr. Nicht lange hernach kehrte der Koch in die Küche zurück und wollte nachsehen, wie es um das Essen des Königs stand; er trat an den Topf heran und fand ihn offen, worüber er sich sehr verwunderte, nahm den Löffel zur Hand, da er glaubte, die Kapaune herausnehmen zu müssen, und fand die unglückliche Gabelweihe darinnen. Ob dieses Vorfalls wurde er sehr bestürzt und wußte nicht, wie dies hatte geschehen können; er wurde sehr ärgerlich und wußte auch nicht, was für Fleisch er dem Könige, seinem Gebieter, vorsetzen sollte, der keine andere Speise als Kapaunen seiner Krankheit wegen zu essen pflegte, und wurde ganz traurig. Dies bereitete dem Könige, der dem ganzen Vorgange vom Fenster aus zugesehen hatte, so großes Vergnügen, daß er, von seiner heftigen Schwermut befreit, wahrlich seine frühere Gesundheit wiedergefunden zu haben glaubte. Und er wollte es nicht dulden, daß sich der Koch länger darüber aufregte, und erzählte ihm die Schlauheit des Affen und das Mißgeschick der Gabelweihe von Anfang an und ließ sich in kurzer Zeit eine andere Mahlzeit bereiten. als er nun so beim Gesang der Vögel und den Possen, die der Bauer fortwährend in seiner Gegenwart mit dem Affen treiben mußte, ein heiteres Leben geführt hatte, erholten sich seine schwachen Kräfte völlig wieder, und er beschloß, in die Stadt zurückzukehren. Und er rief den Landmann vor sich und fragte ihn, wer ihm das Geheimmittel, mit dem er seine Gesundheit wiederhergestellt habe, gelehrt habe. Der antwortete, er kenne es seit langer Zeit; der König wollte es jedoch nicht glauben, da er ihm ein einfältiger Mensch von schlichtem Gemüt zu sein schien, und zwang ihn, die Wahrheit zu bekennen. Da gestand er ein, daß ihn dies eine Jungfrau, die in seinem Orte einen Herrn gesucht und zufällig in sein Haus gekommen sei, gelehrt habe. Nun befahl der König, der eine so große Wohltat empfangen hatte, dem Landmann sogleich, er sollte sie andern Tages nach der Stadt, wohin er zurückkehren würde, vor sein Angesicht bringen, auf daß er sie alle beide zufrieden und froh von sich in ihre Heimat zurückschicken könnte. Der Landmann kam dem Befehle des Königs nach, kehrte in sein Haus zurück und erzählte der Königin alles und ließ sie die besten Gewänder, die er auftreiben konnte, anziehen und führte sie andern Tags in das Gemach vor den König, ihren Gatten. Der aber betrachtete sie genau; und es schien ihm, daß sie der Königin, seiner Gattin, gänzlich gleiche. Er sprach zu ihr: »Sage mir aufs Wort, o kluge Jungfrau, wer und wessen Tochter du bist!« Hierauf antwortete sie: »Ich, o Gebieter, bin dein unglückliches Weib, das du den grimmigen Hunden, die nachts deinen Palast bewachen, hast vorwerfen lassen; du hast stets geglaubt, daß ich von denen aufgefressen wäre; die aber haben mich nicht angegriffen, sondern mich gar sehr umschmeichelt, weil ich ihnen seit der Stunde, wo ich dein Gemahl geworden war, Fressen zu geben und freundlich mit ihnen umzugehen pflegte. Dann bin ich durch eine Öffnung in dem Graben des Palastes aus der Stadt geflohen und habe mich in das Haus zu diesem guten Landmann begeben, der mich – ihm sei Dank dafür – an Tochter Statt annahm. Als ich hier nun kurze Zeit verweilte, kam die Nachricht von deiner Krankheit; und wie ich ernstlich darüber nachdachte, ihre Ursache zu ergründen, begann ich zu glauben, du hättest vielleicht deinen grausamen Spruch bereut, den du über mich verhingst, und wärest deswegen einer so schweren und gefährlichen Krankheit verfallen. Da ich nun erkannte, daß es keine andere Rettung für dein Leben gab, als dich froh zu machen, beschloß ich, die du zu einem grausamen Tode verurteiltest, dich aus der sichern Lebensgefahr zu befreien; und ich habe das Mittel, durch das du das verlorene Heil wiedergewännest, durch diesen guten Mann in Anwendung gebracht!«

Bei diesen Worten der guten Königin konnte sich der König nicht der Tränen erwehren und umarmte die Jungfrau und bat sie um seines großen Fehlers willen um Verzeihung. Und da er von ihr sein Leben zurückerhalten hatte, nahm er sie als sein Weib an und ließ nicht nur ihres hohen und vornehmen Verstandes halber nach seinem Worte ihren Namen auf die Münzen prägen, sondern hörte auch in allen Geschäften des Reiches auf ihren Rat. Nachdem er ein herrliches Fest angeordnet hatte, weil er mit seinem Leben zugleich auch sein Weib wiedererlangt hatte, machte er dem Landmann den ganzen Ort, in dem er wohnte, zum Geschenk. Dieser aber sagte der Königin schönen Dank und kehrte, aus einem armen Landmann ein reicher Herr geworden, in großer Freude in sein Dorf zurück.«

Große Freude und zugleich Verwunderung über die seltsamen Zwischenfälle erregte die von dem Geschichtenerzähler vorgebrachte Erzählung in Behram-Gur, und als er die List des Affen und das Mißgeschick der Gabelweih erfuhr, konnte er sich eines Gelächters nicht erwehren; und darüber waren seine Großen über die Maßen froh; und als sie sahen, daß ihr Fürst mit jedem Tage an Gesundheit zunahm, befahlen sie in seinem Namen, daß jeder am folgenden Tag, nämlich am Mittwoch, in den dritten Palast, der mit mancherlei Farben ausgeschmückt war, kommen sollte. Als nun das ganze Gefolge dem Befehle nachgekommen war, ließ sich der Kaiser, sobald es Tag geworden war, mit Kleidern angetan, die der Farbe des Palastes entsprachen, dorthin bringen. Und hier unterhielt sich Behram-Gur in ergötzlichen Gesprächen mit der Jungfrau, die er da vorfand. Wie er nun gespeist und ein wenig der Ruhe gepflogen hatte, hieß er den dritten Geschichtenerzähler vor sein Angesicht kommen und befahl ihm, er sollte seine Geschichte erzählen; der aber begann solcherart:

»Es liegt in Indien eine Stadt am Meere, mit Namen Dahab, und sie ist einem reichen und großen Götzendiener Untertan, der den Löwen anbetet. Dieser Herrscher hatte aber an seinem Hofe verschiedene Künstler von großer Vortrefflichkeit, und unter andern einen Goldschmied, dem man um der großen Fertigkeit in seiner Kunst willen keinen andern in der ganzen Welt gleichstellen konnte. Und weil er stets ein neues und wunderbares Werk zu machen pflegte, kam sein Gebieter einst auf den Gedanken, einen großen goldenen Löwen von ihm herstellen zu lassen. Und er rief ihn vor sich und ließ ihm zehntausend Lasten Goldes des Landes reichen, aus denen er ihm einen sehr schönen Löwen zu machen auftrug. Als nun der Goldschmied eine so große Menge Goldes erhalten hatte, richtete er seine Gedanken auf nichts anderes, als einen Löwen von so großer Vortrefflichkeit herzustellen, daß niemand etwas an ihm aussetzen könnte. Nachdem er sich dies vorgenommen hatte, schuf er in einem Zeiträume von zehn Monaten einen Löwen, dem es, um lebendig zu sein, nur an Atem fehlte; und da er ein ungeheures Gewicht hatte, machte er ihm einige Räder unter die Pfoten, so daß er leicht von zehn Männern, wohin man wollte, gezogen werden konnte. Dieses Werk gefiel dem Könige seiner Vortrefflichkeit wegen gar sehr, und jeder, der es sah, konnte sich nicht genugsam darüber verwundern und kaum glauben, daß es von Menschenhand hergestellt war. Der Herr wollte nun die hohe Kunst des Goldschmieds nicht unbelohnt lassen, darum setzte er ihm ein Jahresgeld von tausend und mehr Goldstücken aus. Solche Freigebigkeit des Herrn aber erweckte den lebhaften Neid vieler Goldschmiede, die in der Stadt waren; die gingen nun oft nach dem Löwen, um ihn zu betrachten und, wenn sie irgendeinen Fehler des Künstlers entdecken könnten, Widerspruch zu erheben, um sich damit den Dank des Gebieters zu erwerben. Unter diesen war einer, der mit hohem und spitzfindigem Verstände begabt war, und da er nichts Tadelnswertes an dem Löwen finden konnte, dünkte es ihm, daß er bei seiner Größe und seinem Umfange keine zehntausend Lasten Goldes enthalten könnte; solches schien ihm eine gute Gelegenheit zu bieten, den Goldschmied seines Einkommens zu berauben und sich den Dank seines Herrn zu erwerben. Mit diesen Gedanken ging er stets um; aber weil er nicht glaubte, daß der Herr, um sich von dem Diebstahle des Goldschmieds zu überzeugen, das Tierbild, das so vollkommen war, in Stücke schlagen ließe, war er sehr betrübt; und soviel er auch nachdachte, wußte er doch nicht, auf welche Weise man soviel Gold wägen könnte. Eines Tages nun, als er sich mit seinem Weibe unterhielt, sagte er, daß niemand ein Mittel, den Löwen zu wägen, wüßte, wodurch man den Herrn von dem begangenen Diebstahl des Goldschmieds überzeugen und wahrlich das ihm ausgesetzte Jahresgeld und den Dank des Herrn erwerben könnte. Wie die Frau solche Worte hörte, antwortete sie ihrem Gatten: »Ich bin der festen Überzeugung, daß ich dir dieses Geheimnis bald offenbaren kann, wenn du mich handeln läßt!« Hierauf sagte er, wenn sie solches zuwege brächte, würden sie sicherlich ein frohes und glückliches Leben führen können. So richtete sie es denn ein, mit dem Weibe des Goldschmieds, mit dem sie oft zusammenzukommen pflegte, eine enge Freundschaft zu schließen, indem sie glaubte, auf diese Weise ihre Absicht leichter erreichen zu können. Und sie traf sie oft beim Gebete vor dem Löwen; und als sie sich mit ihr über verschiedene Dinge unterhielt, sagte sie ihr, wie glücklich sie sich schätzen müßte, das Weib eines Mannes zu sein, der dem Gebieter seines großen Wertes halber so teuer wäre; hierauf bewunderte sie die Schönheit des Löwen und sprach zu ihr: »Eine einzige Sache habe ich an dem ausgezeichneten Werke, das in jeder Beziehung von hoher Vollendung ist, auszusetzen; denn daß man dies Tier nicht wägen kann, scheint mir ein Mangel zu sein, und wenn es diesen nicht hätte, ließe sich wahrlich unter unserm Himmel kein Werk finden, das man ihm vergleichen könnte!« Diese Worte hatten des Goldschmieds Weib ein wenig verdrossen, da es nicht hören mochte, daß der von ihrem Mann geschaffene Löwe einen Fehler hätte, und es antwortete der Frau, wenn ihm auch die andern solchen Vorwurf machten, wäre sie nichtsdestoweniger überzeugt, daß ihr Gatte ihn auch zu wägen verstünde. »Und wenn wir uns ein andermal treffen,« sagte sie, »hoffe ich dir deinen Zweifel nehmen zu können!« In ihr Haus zurückgekehrt, erwartete sie voller Verlangen die Nacht, zumal sie glaubte, zu keiner besseren Zeit dies von ihrem Mann erfahren zu können, da dieser bisweilen launenhaft war. Als nun die Nacht und die Stunde des Schlafengehens nahte, legten sie sich beide zu Bette. Und hier begann das Weib ihren Mann zu umarmen; und mit ihm über die Vortrefflichkeit des Löwen, den er gemacht hatte, plaudernd, setzte sie ihm in einer langen Rede auseinander, daß sie keinen andern Fehler an ihm habe finden können, denn daß man ihn, da er aus Gold, und von hohem Werte wäre, seines großen Gewichtes wegen niemals habe wägen können. »Und da du ihn wahrlich«, sprach sie zu ihrem Manne, »mit so hoher Kunst gemacht hast, daß man ihn mit Rädern, die du unter seinen Pfoten angebracht hast, leicht überallhin fahren kann, so vermagst du sicherlich mit deiner Klugheit auch für diesen Fehler eine Abhilfe zu schaffen!« Diese Worte hörte der Goldschmied nicht gern, erstens, weil er fürchtete, wenn er seinem Weibe sein Geheimnis offenbarte, könnte eines Tages sein Diebstahl entdeckt werden, dann aber auch, weil es ihm schien, wenn er ihr das Mittel verheimlichte, könnte er an Ansehen bei ihr sehr viel verlieren. »Ich habe mir vorgenommen,« sprach er, »das Geheimnis keinem Menschen zu enthüllen; da du aber mein Weib bist und ich dich so lieb wie meine Seele habe, so will ich es dir nicht verborgen halten. Versprich mir jedoch, daß du es zu keiner Zeit einem andern Menschen entdecken willst, weil nämlich, wenn es anders geschieht und jemand um mein Geheimnis weiß, nicht nur mein Ruhm dadurch verringert wird, sondern auch du hinfort weniger unter allen Weibern geachtet und geehrt werden wirst!« Nachdem die Frau ihrem Manne zugesichert hatte, niemals zu irgendwem davon sprechen zu wollen, hub der Goldschmied also an: »Du weißt, wie leicht man den Löwen auf Rädern überallhin fahren kann; wenn nun jemand sein Gewicht feststellen will, braucht er ihn nur ans Meer zu fahren und in ein Schiff zu laden; und wenn er nun im Schiffe ist und man außen am Schiffe bezeichnet, wie tief es ins Meer hinabtaucht, und den Löwen dann wieder hinausschafft und es von neuem bis zu dem Zeichen mit Steinen oder andern Lasten beschwert, die man dann wägt, so kann jedermann leicht das Gewicht des Goldes, das er schwer ist, ausrechnen.« Als das die Frau vernommen hatte, versprach sie ihrem Mann, ein so wichtiges Geheimnis vor jedermann hüten zu wollen. Sobald es Tag geworden war, erhob sie sich nichtsdestoweniger, da Weiber gewöhnlich einen kurzen Verstand haben, von der Seite ihres Mannes und ging fort zum Gebet und begegnete hier ihrer Freundin, des andern Goldschmieds Weib, dem sie alles, was ihr der Mann anvertraut hatte, sagte; sie bat ernstlich, daß sie zu keinem andern davon sprechen möchte; nachdem die ihrer Freundin das versprochen hatte und sie noch ein wenig beieinander geblieben waren, kehrte jede in ihre Wohnung zurück. Hier erzählte des andern Goldschmieds Weib, die ihrer Freundin versprochen hatte, das Geheimnis, wie man den Löwen wägen könnte, zu wahren, ihrem Manne, froh und über die Maßen fröhlich, unverzüglich alles, was die gesagt hatte, und ermahnte ihn, sogleich aufzubrechen und den Gebieter um den begangenen Diebstahl wissen zu lassen. Auch ohne die Ermahnungen seiner Frau hatte der Goldschmied längst beschlossen, das zu tun, und ging folgenden Morgens beizeiten nach dem Palast des Gebieters und ließ ihn durch einen seiner Kämmerlinge wissen, daß er ihm eine wichtige Sache mitzuteilen habe. Und als er vorgelassen wurde, offenbarte er ihm den von dem Goldschmied begangenen Diebstahl und erklärte ihm, wie man solches nachweisen könnte; er erbat dann Urlaub von ihm und kehrte nach Hause zurück. Hierauf ließ der Herrscher den Goldschmied, der den Löwen hergestellt hatte, vor sich kommen und beschloß, ihn irgendwohin außerhalb der Stadt zu schicken, um sich ohne sein Wissen von dem überzeugen zu können, dessen er angeklagt war, und entsandte ihn in einigen Geschäften des Palastes nach einem Ort, der eine Tagereise von der Stadt entfernt lag; und in derselben Nacht, in der er aus der Stadt ging, ließ der Gebieter gemäß der Angabe den Löwen an das Meer bringen und wägen; es stellte sich aber heraus, daß mehr denn zweihundert Gewichte Goldes von dem Goldschmied geraubt waren. Da erzürnte nun der Herrscher heftig, und sobald der Goldschmied aus dem Orte zurückkehrte, ließ er ihn festnehmen und vor sein Angesicht führen und erinnerte ihn an die Wohltaten, die er ihm erwiesen, und die Ruchlosigkeit und den Raub, den er begangen hatte. Er gab dann Befehl, daß man ihn auf die Höhe eines Turmes, der nicht weit von der Stadt war, führen sollte, aus dem er, nachdem die Pforte vermauert wäre, nicht mehr hinausgehen könnte, auf daß er hier Hungers sterbe oder sich gar von der Höhe des Turmes hinabstürze und sich selbst töte. Dies wurde sogleich von den Dienern ausgeführt. Es brachte aber seinem Weibe, das die Ursache allen Übels war, weil es ihrer Freundin das Geheimnis, wie man den Löwen wägen könnte, anvertraut hatte, Qual und über die Maßen schweren Kummer. Als sie nun schmerzensreicher als irgendein anderes Weib war, ging sie am folgenden Morgen beizeiten heftig weinend nach dem Turme und stellte hier mit ihrem Manne ein großes Klagen an und gestand ihm, daß sie die Ursache seines Elends wäre, da sie der treulosen und verräterischen Freundin die Weise, wie man den Löwen zu wägen vermöchte, offenbart hätte. Doch der Gatte, der in dem Turme eingemauert war und in kurzer Zeit des Todes sterben zu müssen glaubte, sagte zu seinem Weibe: »Die Tränen sind jetzt überflüssig; da du ja wohl einsiehst, meinen Tod verursacht zu haben, und weil es billig ist, wenn du allein mich von ihm befreist, so lasse mich durch Taten wissen, daß du mich wahrhaft liebst und deine große Übeltat bereust. Du siehst, ich bin auf dieser Turmhöhe gezwungen, entweder Hungers zu sterben oder mich von ihr hinabzustürzen und mir damit selbst den Tod zu geben; nun bist du mit all deinem Können verpflichtet, mir zur Rettung meines Lebens zu verhelfen. Kehre sogleich nach der Stadt zurück, aus der du viele lange und sehr dünne Seidenfäden holen sollst; binde diese vielen Ameisen an die Beine; die sollst du dann an die Mauer setzen und ihren Kopf mit Butter beschmieren, weil sie die gar sehr lieben; und wenn sie ihren Geruch verspüren, werden sie immer höher kriechen, da sie vermuten, dann der Butter nahe zu kommen. So darf ich dann hoffen, daß wenigstens eine von ihrer großen Zahl heraufkommt. Wenn das, so es Allah gefällt, zutrifft, werde ich wahrlich in wenigen Stunden mein Leben retten können; zumal, wenn du mit den dünnen Seidenfäden auch starke geholt hast, die du an die dünnen binden sollst; und die will ich heraufziehen; und an sie sollst du dann ein dünnes Seil knüpfen, wodurch es möglich wird, daß ich ein starkes nach oben ziehen und mit einer Winde an der Höhe dieses Turmes anbinden kann; und alle Sachen sollst du heimlich mit dir aus der Stadt bringen, mit ihnen will ich mich aus der gewissen Todesgefahr befreien!< Als die schmerzensreiche Frau solche Worte vernommen hatte, tröstete sie sich ein wenig, ging unverzüglich nach der Stadt zurück und fand sich nach wenigen Stunden mit allen von dem Gatten geforderten Dingen wieder am Turme ein und brachte alles nach der gegebenen Anordnung zur Ausführung. Es traf ein, daß er den Strick und die Winde nach nicht langer Zeit hinaufziehen konnte, und nachdem er an einem dicken Balken, der dort war, die Winde befestigt hatte, ließ er um die erste Stunde der Nacht ein Seilende hinab und befahl seiner Frau, sie solle es sich um den Leib binden, sintemal sie nicht die Kraft habe, wenn er sich hinunterlassen wolle, das Seilende mit den Händen festzuhalten; so nun würde er sich ganz sacht durch das Gegengewicht ihres Körpers hinablassen, und wenn er auf dem Boden wäre, würde er sie mit dem Ende des Strickes, mit dem er sich umwunden habe, ganz sacht herablassen. Solches wurde sogleich von der Frau, die nichts weiter als die Rettung ihres Mannes im Sinne hatte, ausgeführt, und indem sie sich das Seilende um den Leib schlang, gab sie dem Manne Gelegenheit zu einer sicheren Lebensrettung. Wie er nun unten auf der Erde und die Frau auf der Höhe des Turmes angelangt war, sagte er, sie solle auf den Turm steigen und das Seilende, an das sie angebunden war, herabwerfen, weil er ein Holzbrett hineinspannen wolle, auf dem sie, wenn sie sich das Seil von neuem umschlänge, wie auf einem Holzpferde sitzend ganz sicher nach unten kommen könne. Wie die Frau aber, um den Worten ihres Mannes zu gehorchen, das Seilende nach unten warf, nahm er es in grimmem Zorne und zog es ganz von der Winde herunter; und nach der Höhe des Turmes schauend, sprach er, da sein Herz voll Bitterkeit gegen das Weib war, das ihn einer so großen Gefahr ausgesetzt hatte: »O du böses und verruchtes Weibsbild, da, wo du jetzt bist, sollst du wahrlich durch mich sterben, weil es gerecht ist, daß du des Todes sterben sollst, den mir der Herrscher dank deiner Zunge zugedacht hat!« Um hier von keinem angetroffen zu werden, hob er nach solchen Worten das Seil auf, das er aus der Winde gezogen hatte, und warf es zusammen mit den Seidenfäden und dem dünnen Stricke, der mit dazu geholfen hatte, ihn vom Turm herunterzulassen, in einen Bach in des Turmes Nachbarschaft. Hierauf wanderte er die ganze Nacht über, auf daß er nicht von irgendwem gefangengenommen und abermals mit Gewalt vor den Herrn geführt würde, und kam in einen ziemlich weit von der Stadt entfernt liegenden Ort, wo er niemand bekannt war; seine Frau hatte er auf der Höhe des Turmes schmerzensreich und sehr erschrocken zurückgelassen. Die aber glaubte, hier sicher sterben zu müssen, und brachte die ganze Nacht in bitterem Weinen zu; und wie der Tag erschien, schrie sie nach Hilfe und Rettung. Viele Reisende nun, die durch diese Gegend kamen, hörten ihr wildes Geschrei an. Bald gelangte aber die Botschaft an den Herrn, daß auf dem Turme, wo er den Goldschmied des Todes sterben zu lassen gedächte, sich dessen Weib befände, das gar bitterlich weinend die Vorübergehenden um Hilfe und Rettung anflehte. Da befahl der seinen Dienern sogleich, sie sollten nach dem Turme gehen und sie in seinen Palast bringen. Dies wurde unverzüglich von ihnen ausgeführt; und als die Frau vor dem Gebieter erschienen war, erzählte sie ihm des breiten das ihr zugestoßene Unglück. Als der Herrscher des Goldschmieds Klugheit und die List, mit der er sein Weib betrogen hatte, erfuhr, konnte er sich des Lachens nicht enthalten und ließ selbigen Tages in der Umgebung des Turmes verkündigen, wenn der Goldschmied vor sein Angesicht träte, sollte er für sein Vergehen Verzeihung erlangen. Die Nachricht aber kam dem Goldschmied zu Ohren; er ging nun ganz froh und heiter in die Stadt zurück und zeigte sich vor seinem Herrn, der sich von ihm die ganze Geschichte noch einmal ausführlich erzählen ließ und sich darob vor Lachen schüttelte. Und er ließ das Weib vor sich kommen, versöhnte es mit dem Gatten und verzieh diesem sein Vergehen. Hierauf vermachte er dem andern Goldschmied, der den Diebstahl offenbart hatte, ein Besitztum bei der Stadt, von dessen Erträgen er seine ganze Familie ernähren konnte, und nachdem er auch den Frieden zwischen den beiden Goldschmieden hergestellt hatte, schickte er sie zufrieden und fröhlich in ihre Häuser zurück.«

Es läßt sich nicht sagen, wieviel Vergnügen Behram-Gur und jedem, der die Erzählung angehört hatte, der seltsame Possen, den der gute Goldschmied seinem Weibe gespielt hatte, gemacht hat. Nachdem der Geschichtenerzähler geendigt hatte, begann man einen lieblichen Tanz aufzuführen, und da er Behram-Gurs Herz genugsam erfreute, wurde er für ihn die Ursache noch besseren Wohlbefindens. Weil es nun ziemlich spät war, wurden die Tische hergerichtet; und nach eingenommenem Mahle ging ein jeder in sein Gemach, um sich auszuruhen. Und als der folgende Morgen, nämlich der Donnerstag, angebrochen war, bekleidete sich das ganze Gefolge, da der vierte Palast mit gelben Verzierungen geschmückt war, mit Gewändern in derselben Farbe und begab sich alsbald dahin. Nach seiner Ankunft dort unterhielt sich Behram-Gur wie gewöhnlich eine gute Zeitlang mit der Jungfrau, die hier war; und nach dem Mahle ließ er den vierten Geschichtenerzähler vor sich kommen und befahl ihm, auch irgendein schönes Geschehnis zu erzählen. Als dieser aber dem Fürsten die schuldige Ehrfurcht erwiesen hatte, begann er seine Geschichte folgendermaßen:

»Es lebte einst in der alten Stadt Bagdad ein Sultan, der einen Sohn hatte mit Namen Rammo; als dessen Mutter, die Sultanin, gestorben war, nahm sein Vater eine andere Frau. Die aber achtete weder ihrer noch ihres Gatten Ehre; und der Jüngling merkte, daß sie gar sehr in den Wesir seines Vaters verliebt war. Hiervon sprach er jedoch zu niemanden; doch um die Ehre des Vaters über die Maßen besorgt, wachte er, so vorsichtig er es nur konnte, über ihr Tun und Lassen. Als er nun wahrnahm, daß sie eines Tages mit dem Wesir in den Garten ging, folgte er ihnen heimlich, und sich hinter einem Buschwerk versteckend, sah er, daß sie sich bei einem frischen Quell, der im Garten war, niederlegten und sich dann mehrere Male genossen. Da wurde er von heftigem Zorn ergriffen und wußte nicht, was er tun sollte; und wie er aus dem Gebüsche hervortreten und aus dem Garten gehen wollte, wurde er von ihnen gesehen. Darüber gerieten die beiden in großen Schrecken, und da sie nicht daran zweifelten, daß der Jüngling seinem Vater ihre Missetat entdecken würde, beschlossen sie, den Jüngling des Vergehens, welches sie begangen, bei dem Vater zu bezichtigen. Als Rammo nun den Garten verlassen hatte, kehrten auch sie schnell in den Palast und in ihre Gemächer zurück. Und zu ziemlich später Stunde desselbigen Tages ließ der Sultan etlicher Geschäfte halber den Wesir rufen, und da er ihn ganz nachdenklich sah, sprach er zu ihm: »Sag mir bei deiner Ehre, was dir jetzt durch den Kopf geht, da ich dich gegen deine Gewohnheit schwermütig und traurig dastehen sehe!« Da antwortete der Wesir: »O Gebieter, ich darf niemandes Ankläger sein, auch ziemt es sich bei dem Amte nicht, das ich bei dir verwalte; falls ich dir aber ein großes Verbrechen nicht offenbare, beleidige ich dich schwer und verdiene die Ehre wenig, dein Freund zu sein!« Als er solches von dem Wesir vernahm, drang der Sultan darauf, ihm alles sogleich zu offenbaren. Der Wesir erwiderte: »Da du es willst, muß ich freilich deinem Befehle gehorchen. Wisse denn, ich habe zu often Malen bemerkt, daß dein Sohn leidenschaftlich in die Sultanin verliebt ist, und habe es zu often Malen mit eigenen Augen gesehen, wie er, um sie zu genießen, ihr wild und heftig zugesetzt hat; und erst gestern habe ich einen heftigen Streit zwischen ihnen solcher Ursache wegen gesehen; auf daß du dich aber besser darüber unterrichtest, gehe zu der Sultanin, die, wenn du ihr erzählst, was ich gesehen habe, dir sicherlich alles sogleich offenbaren wird, auf daß sie nicht länger die Unverschämtheit des verworfenen Jünglings zu erleiden braucht.« Als der Wesir seine Rede beendigt hatte, war der Sultan ganz ergrimmt und hatte das Herz voller schwarzer Gedanken der Beleidigung halber, die ihm sein Sohn zugefügt hatte; er ging in das Gemach seines Weibes, traf sie bitterlich weinend an und fragte sie nach dem Grunde ihres Schmerzes. Da tat sie nun, als ob sie ihm nichts sagen wollte, und bat ihn, er möge von ihr gehen und sie ihrem traurigen Zustande überlassen. Er aber, der die Ursache ihres Kummers von dem Wesir gehört hatte, tröstete sie mit liebreichen Worten und bat sie gar innig, sie möchte ihm den Grund ihrer Not erzählen. »Da du mir solches befiehlst,« sprach das schlechte und elende Weib, »so wisse, o Gebieter, daß man bei niemanden auf der Welt Treue finden kann. Allah ist mein Zeuge, daß ich das große Ungemach, das ich dir jetzt erzählen will, um deiner und meiner Ehre willen ewiglich habe für mich behalten wollen; doch da du mir gebietest, ich soll dir mein großes Mißgeschick offenbaren, so wisse denn, ich werde seit vielen Tagen von deinem ruchlosen und verderbten Sohne gar heftig verfolgt, weil er will, daß ich ihm meine Ehre opfern soll, und deswegen hat er mich zu often Malen hart und grausam geschlagen. Und gestern nun, als ich, um mich etwas zu trösten, allein in den Garten trat, wurde ich von dem verbrecherischen Jüngling, der hier hinter einem Buschwerk versteckt lag, angegriffen; und Allah weiß es, mit wie großer Schwierigkeit ich seinen Händen entronnen bin. Daher darfst du dich nicht verwundem, wenn ich ein so trauriges und beschwerliches Leben führe und in beständigem Kummer und bitteren Tränen lebe!« Als nun der Sultan auch durch seines schlechten Weibes Worte der gerechten Anklage versichert wurde, die sein Wesir gegen den unglücklichen Jüngling erhob, tröstete er sie mit vielen Worten und versprach ihr, daß sie fürderhin weder aus dieser noch aus einer andern Ursache von seinem Sohne belästigt werden sollte. Er verließ sie und rief den Wesir zu sich und befahl ihm, er solle andern Tages mit dem frühesten seinem Sohne den Kopf von Rumpfe trennen.

Solcher Spruch dünkte dem treulosen Wesir zu grausam. Er sprach: ›Ach, o Gebieter, zu strenge und grausame Rache willst du an deinem Sohn nehmen, denn nicht mit Erfolg hat er seinen gottlosen und unehrenhaften Willen durchgesetzt. Mir nun scheint er grausam genug für seine Übeltat bestraft zu sein, wenn du ihn aus dem Lande vertreibst und ihn zu ewiger Verbannung verurteilst!‹ Diesen Rat konnte der Sultan, der vor Wut und Zorn außer sich war, nicht billigen, und erst nachdem ihm der treulose Wesir mit vielen Worten zugesetzt hatte, willigte er schließlich ein. Und folgenden Morgens ließ er seinem unschuldigen Sohne wissen, daß er binnen acht Tagen die Grenzen seines Landes zu verlassen habe, und ließ ihm sagen, er solle niemals wieder, bei Strafe seines Lebens, zurückkehren. Der Jüngling aber glaubte, er sei beim Verlassen des Gartens zufällig von dem schlechten Wesir und der ruchlosen Sultanin gesehen worden, und das sei die Ursache seines Unglücks; er nahm einige seiner Geschmeide und Ringe und zog unverzüglich aus dem väterlichen Lande; und ganz traurig einherziehend, kam er nach sieben Tagen in einen Ort, der einem andern Fürsten unterworfen war, wo er drei wandernde Jünglinge fand, denen er sich zugesellte. Und als sie nun folgenden Tages auf dem Wege waren, hörte der Königssohn bei einer langen Unterhaltung, die sie miteinander führten, wie einer der Wanderer sagte, daß er ein Geheimnis wüßte, das ihn alle andern Menschen sehen ließe, ihn selbst aber unsichtbar mache; und vom zweiten vernahm er, daß er eines wüßte, das bewirkte, daß die Geister jederzeit zu seinen Diensten herbeieilten; und vom dritten, er wisse einige Worte, sooft er die spräche, würde sein Gesicht dem eines jeden, den er nur wollte, ähnlich, und ein anderes Wort sprechend, könnte er jeden, den er nur wollte, einschläfern. Weil der Prinz aber ihre Worte schlechterdings nicht glauben konnte, sprach er zu ihnen: »Und wie kann ich mich von der Wahrheit eurer Aussagen überzeugen ; habt ihr nicht etwas Unmögliches erzählt?« Sogleich erwiderten die Wanderer: »Auf daß du glaubst, was wir gesagt haben, wollen wir dich einen Beweis dessen sehen lassen;!« Und unverzüglich legten alle drei in seiner Gegenwart von dem, dessen sie sich rühmten, eine Probe ab. Darüber verwunderte sich der Jüngling sehr und sprach zu ihnen, da solche Künste des Truges voll wären, täten sie gut daran, sie zu vergessen; und sie sollten sich ihrer nicht mehr bedienen. Hierauf antworteten sie, daß sie sich ihrer zu keiner Zeit bedienten, außer wenn sie erlittenes Unrecht rächen wollten. Da sprach er zu ihnen: »Weil ich nun weiß, daß Rache meistens Nutzen und Gewinst bringen soll, so will ich euch Geschenke machen, auf daß ihr in Zukunft gänzlich von eurer Kunst ablassen könnt und kein Geld mehr nötig habt!« Und er zog aus seinem Mantelsacke den größten Teil der Geschmeide, die er bei sich trug, und verteilte sie in gleichen Teilen unter sie und ließ sich versprechen, daß sie sich von nun an ihrer Künste nicht mehr bedienen wollten. Auf daß sie aber nicht glaubten, er habe die Juwelen vielleicht irgendwo gestohlen, erzählte er ihnen, wessen Sohn er sei, und offenbarte ihnen sein Mißgeschick und den Verrat des treulosen Wesirs und der schlechten Sultanin. Darüber waren sie gar sehr verwundert und erkannten an seinem Gesicht, daß er wahrlich eines großen Fürsten Sohn war, dankten ihm für die empfangenen Geschenke, so gut sie es vermochten, und brachten ihm alle drei ihre Künste bei, auf daß er sich ob des zugefügten Verrates rächen könnte, und versprachen ihm, sie wollten sich ihrer in Zukunft nirgendwo mehr bedienen. Als nun der Jüngling die drei Künste erlernt hatte und erkannte, daß er sich mit ihnen an dem verruchten Wesir und der elenden Stiefmutter rächen könnte, nahm er Abschied, nachdem er einige Tage bei den drei Wanderern zugebracht und oft die von ihnen gelernten Künste versucht hatte, und verließ sie. Er wollte seine Rache ins Werk setzen und dem Vater seine Unschuld offenbaren; und sich der Kunst bedienend, die bewirkte, daß die Geister ihm zur Hilfe kamen, behielt er einen von ihnen zurück und beurlaubte die andern alle; dem befahl er nun, er solle ihn am Abend desselbigen Tages in die Stadt seines Vaters bringen; der gehorchte aber unverzüglich; und nachdem er ihn in die Stadt des Sultans und vor seinen Palast gebracht hatte, ging der Jüngling für diese Nacht in das Haus eines alten Weibes. Folgenden Morgens nun stand er zeitig auf und bediente sich der zweiten Kunst und ging aus dem Hause und sah jedermann und wurde von niemandem gesehen. Er trat zur Stunde des Empfangs in den Palast des Sultans und sah seinen Vater und den schlechten Wesir, der mit ihm sprach. Da packte ihn ein grimmer Zorn, und er befahl dem Geiste, der sich zu seinem Dienste eingestellt hatte, er solle dem Wesir zwei kräftige Backenstreiche geben. Der aber, des Befehles gewärtig, schlug ihn so heftig ins Gesicht, daß er zu Boden fiel. Und als ihm die Seinigen wieder aufgeholfen hatten, wurde er von neuem von dem Geiste mit solcher Wucht geschlagen, daß er ein gut Stück Zeit betäubt blieb. Da sich der Vorfall in des Sultans Beisein ereignete, hatte der großes Mitleid mit dem Wesir, denn er liebte ihn gar sehr, und befahl seinen Dienern, sie sollten ihn sogleich in sein Haus bringen. Dann rief er die geschicktesten Ärzte der Stadt vor sich, und nachdem er sich des langen mit ihnen über den seinem Wesir zugestoßenen Unfall unterhalten hatte, vermeinten die, daß des Übels Ursache die überflüssigen Säfte oder eine andere Krankheit, die in seinem Leibe wohne, sei, und beschlossen, ihm einen Trank zu geben, mit dem sie ihn von seiner Krankheit befreien zu können glaubten. Bei solchem Beschlusse aber war der Jüngling immer zugegen gewesen, ohne von jemanden gesehen zu werden, und hieß dem Geiste, den tückischen Wesir abermals zu schlagen, sobald er den Trank eingenommen hätte. Als nun die Ärzte folgenden Tages in der Frühe ihm den Trank hergebracht und er ihn getrunken hatte, wurde er in ihrer Gegenwart so heftig von dem Geiste ins Gesicht geschlagen, daß alles wieder zur Nase herauslief; und es läßt sich nicht beschreiben, welchen Schmerz und Kummer das dem Sultan und auch seinem Weibe, das über die Maßen in Liebe zu dem Wesir entbrannt war, bereitete. Doch der Jüngling war damit nicht zufrieden, und da er sich noch bitterer für das empfangene Unrecht rächen wollte, zog er ein Weibergewand an und machte sein Gesicht dem eines alten Weibes ganz ähnlich, ging in das Haus des Wesirs, und nachdem er seine Frauen umarmt hatte, sagte er ihnen, da er von der Art seiner Krankheit gehört habe, sei er hierhergekommen und wolle ihn gewißlich in jeder Weise von ihr befreien. Als die nun durch solche Worte ein wenig getröstet waren, führten sie ihn vor den Wesir, und nachdem er eine gute Zeit mit ihm über die Art seiner Krankheit und einige andere Zufälle gesprochen hatte, versprach er ihm ganz zuversichtlich, daß er ihn an einem einzigen Tage durch ein Geheimmittel heilen wolle. Hierfür dankte der ihm gar herzlich und versprach ihm für den Fall der Heilung reiche Geschenke. Weil es aber schon zu später Stunde war, nahm der Prinz Urlaub und sagte, er würde sich kommenden Morgens zu guter Zeit hier wieder einstellen. Nachdem sich infolgedessen das ganze Haus des Wesirs ein wenig getröstet hatte, erwartete man voller Verlangen den nächsten Morgen. Nun kam des Sultans Sohn zu der angegebenen Stunde in der Gestalt jenes alten Weibes vor den Wesir und trug einen nicht zu großen Eisenstempel bei sich und sprach: »O Herr, dieser Stempel, den du hier siehst, soll dir ohne einen andern Trank deinen früheren Gesundheitszustand wiedergeben!« Er gab Anweisung, daß man im Gemach ein Feuer anfachte, und fuhr fort: »Es ist nötig, daß du dir den Stempel auf die Hinterbacken drücken läßt; und wenn dich das nicht gänzlich von deiner Krankheit befreit, bin ich es zufrieden, hart bestraft zu werden, als ein böses und verruchtes Weib!« Darauf sagte der Wesir, daß, wenn er sich auf den Hinterbacken stempeln ließe, solches ihm viel Unehre einbringen könne; nichtsdestoweniger sei er damit einverstanden, das und noch mehr zu erdulden, um seiner schweren Krankheit ledig zu werden. Da legte der Jüngling den Stempel ins Feuer und machte ihn ganz glühend und drückte dem Wesir einen Stempel auf die Hinterbacken, gab dann sogleich dem Geiste den Befehl, ihn nicht mehr zu schlagen, und nahm Urlaub; und indem er fortging, sagte er, er wollte erst in acht Tagen wiederkommen, in welcher Zeit er wohl merken könnte, daß ihm sein Mittel Heilung verschafft habe. Und er kam zu dieser Zeit abermals in gewohnter Weise in das Haus des Wesirs und traf ihn gesund und munter an und wurde von ihm mit reichen Geschenken bedacht. Und weil es dem Wesir klar war, es möchte ihm viel Verdruß einbringen, wenn es bekannt würde, daß er auf den Hinterbacken gestempelt war, bat er ihn dringend, er sollte mit niemanden über das an ihm angewandte Heilmittel reden. Und er nannte ihm dann seine Mutter und wünschte, er möchte sich immerdar mit seinen Frauen und Töchtern unterhalten, und zeigte ihm alles, was er an Kostbarkeiten besaß. Der Jüngling hatte aber beschlossen, sich in jeder Beziehung an dem treulosen Wesir zu rächen, und trat durch die Kunst, andere zu sehen, ohne ihnen sichtbar zu sein, nicht einmal, sondern zu often Malen in das Gemach der jungen Töchter des Wesirs und genoß alle drei nicht einmal, sondern oft, kehrte aber des Morgens in aller Frühe immer in seine Wohnung zurück. Als sich die Jungfrauen aber solches Geschehen untereinander mitgeteilt hatten, erzählten sie, wennschon ihnen das Vergnügen durchaus nicht mißfallen hatte, doch alles ihrer Mutter, die darüber über die Maßen betrübt war, und solches Unglück sogleich ihrem Gatten eröffnete. Der meinte nun, dies habe ein Geist angerichtet, und ließ das alte Weib, das der Liebhaber seiner Töchter war, zu sich rufen, und als er der Alten sein Mißgeschick erzählt hatte, bat er sie dringend, da sie ihn von einer so schweren Sucht befreit hätte, möchte sie ihm auch, wenn sie es könnte, ein Heilmittel hierfür angeben. Als ihm nun Rammo zur Antwort gegeben hatte, er wollte erst mit den Mädchen sprechen und es dann, wenn es möglich sei, erreichen, daß sie nicht mehr belästigt würden, ließ der Wesir diese mit der Alten in ein Gemach treten. Und nachdem sie sich von ihnen hatte erzählen lassen, wie es ihnen ergangen war, berichtete sie dem Wesir, daß der Geist, der seiner Meinung nach seine drei Töchter derart behandelt habe, ein Jüngling sei, der die Kunst verstünde, sich unsichtbar zu machen, und in solcher Weise in das Gemach der Jungfrauen nach seinem Belieben eingetreten sei und an diesen seine Lust gestillt habe. Und sie fuhr fort, daß sie auch hiergegen sogleich ein Mittel gefunden habe. Als sie der Wesir darum inständig gebeten hatte, rief sie die Jungfrauen zu sich und gab ihnen ein mit einigen Worten beschriebenes Blatt mit der Weisung, sobald sie sich in der Nacht von irgend jemandem belästigt fühlten, sollten sie ein großes Feuer in dem Gemach anfachen, und wenn sie das ihnen gegebene Blatt hineingeworfen hätten, würden sie hier den Jüngling, der ihnen so große Belästigung bereitet habe, deutlich sehen. Dann ging Rammo von ihnen; und als endlich die Nacht hereingebrochen war, kehrte er durch die Kunst, von niemandem gesehen zu werden, in das Gemach der Jungfrauen zurück; sobald die nun schlafen gingen, legte er sich seiner Gewohnheit gemäß zwischen sie. Sie aber wurden dessen gewahr und standen auf und fachten ein großes Feuer an und warfen das Schriftstück der Alten hinein, da sahen sie denn Rammo, den sie nicht als den Sultanssohn erkannten, und führten ihn in das Gemach des Vaters; als er dort eintrat, veränderte der mittels der Kunst, der er gebot, sein Gesicht und wurde auch von dem Wesir nicht erkannt. Der wollte ihn jetzt angreifen, Rammo befahl aber dem Geiste, er solle ihm einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzen; der nun schlug ihn auf den gegebenen Befehl hin derartig heftig, daß er zu Boden fiel. Wie er dann ganz voller Schmerzen wieder auf dem Lager lag, glaubte er, daß nicht der Geist, von dem ihn die Alte befreit hatte, sondern der Jüngling geschlagen habe, und gab seinen Dienern Auftrag, daß sie ihm andern Tages in der Frühe den Kopf vom Rumpfe herunterschlagen sollten. Die Diener nahmen ihn nun aus den Händen der Wesirstöchter und führten ihn in ein Nebengemach, um dem Befehle ihres Herrn nachzukommen. Als sie dort waren, bediente sich Rammo der Kunst, auf die er sich verstand, und ließ sie einschlafen und streifte die Fesseln ab und schnitt allen Bart und Haare ab und kehrte in sein Haus zurück. Mit Tagesanbruch aber ging der Wesir nach dem Orte, wo seine Diener waren, und fand sie dort alle betrübt und niedergeschlagen und ihres Bartes und ihrer Haare beraubt vor. Darob über die Maßen erstaunt, fragte er sie, ob sie den Übeltäter getötet hätten, und nachdem er alles Geschehene auf das genaueste erfahren hatte, ging er ganz verwirrt und traurig von ihnen. Und er ließ sogleich die Alte vor sich rufen und erzählte ihr sein Mißgeschick. Da sagte Rammo zu ihm: >Ich merke wahrlich zur Stunde, o Herr, daß solches die gemeinsame Handlung eines Menschen und eines Geistes ist; fürchte jedoch nichts, denn ich hoffe auch diesem Übel mit einigen Beschwörungen baldige Abhilfe verschaffen zu können!> Und er befahl dem Geiste, er sollte den Wesir nicht weiter schlagen; und auch er belästigte die Töchter mehrere Tage lang nicht. Da sich nun der Wesir in einem ziemlich ruhigen Zustande sah, vergaß er des vergangenen Übels ganz und begann von neuem, sich mit der Sultanin der Liebe zu erfreuen. Als er das sah, erzürnte sich Rammo heftig und gab dem Geiste Auftrag, kommende Nacht in des Wesirs Palast zu gehen und seiner Töchter schönste von dem Lager zu nehmen und zu ihm zu bringen. Der Geist nun gehorchte Rammo sogleich und trug die schönste der Wesirstöchter an seine Seite; als die Jungfrau darüber sehr betrübt war, sprach Rammo zu ihr: >Fürchte dich nicht, denn ich bin ein Mensch und liebe dich herzlich; und wisse, ich bin Rammo, des Sultans Sohn, deshalb mußt du nicht so betrübt sein, weil du mir zur Seite liegst!´< Hierauf antwortete sie, daß, wer er auch sei, sie sich ihm in keiner Weise fügen wollte. Da sprach Rammo zu ihr: >Auf daß du erkennst, in welch heißer Liebe ich zu dir entbrannt bin und wie ich deine Ehre achten will, bin ich willens, dich zum Weib zu nehmen, und verspreche dir bei meinem Worte, daß du mein Weib werden sollst; doch darfst du solches ohne meinen Willen niemandem offenbaren!‹

Diese Worte waren der Jungfrau wohlgefällig, sie umarmte ihn und verbrachte diese Nacht in Freuden mit ihm. Er nun erhob sich am Morgen beizeiten und befahl der Jungfrau, sie sollte bis zu seiner Rückkehr das Bett nicht verlassen; er nahm dann die gewohnte Gestalt der Alten an, und nach dem Palaste des Wesirs gehend, stieß er auf dem Wege auf seinen Boten mit einem Auftrage an ihn. Als er nun vor des Wesirs Angesicht stand, sagte der zu ihm: ›Du weißt, o meine Mutter, wieviel Unheil mir binnen weniger Tage widerfahren ist, von dem hast du mich aber stets dank deiner großen Güte befreit. Doch jetzt ist eines über mich gekommen, welches größer ist denn alle andern, sintemal mir in vergangener Nacht nicht etwa ein Gewand, nein, eine Tochter geraubt ist, weswegen ich und mein Weib, Allah weiß es, tief betrübt sind. Wenn du jetzt, wie du mich von allem andern Ungemach befreit hast, auch dieses von mir nimmst, will ich dir tausend Golddinare zum Geschenke machen!‹ Darauf sagte Rammo, daß er ihnen nicht um Goldes, sondern um der Liebe willen, die er zu ihnen hegte, die Tochter gar bald wiederverschaffen wollte; er nahm Urlaub und kehrte in sein Haus zurück, und mit der Kunst, die er wußte, schläferte er die Tochter ein und befahl dem Geiste, sie mit Anbruch der Nacht in den Wesirspalast zurückzubringen. Am folgenden Morgen hörte dann der Wesir von seinen andern Töchtern, daß sie ihre Schwester wiederbekommen hätten, und wurde unbeschreiblich getröstet und zufrieden. Und er ließ sogleich das alte Weib vor sich kommen und sprach zu ihm: »O meine Mutter, ich sehe wahrlich und muß es offen bekennen, daß ich dir das Leben und die Ehre und das Heil meines ganzen Hauses verdanke; und deshalb biete ich dir nach deinem Gefallen, frohen Herzens der großen Schuld wegen, in der ich bei dir stehe, alles an, was in meiner Gewalt ist.« Als ihm Rammo dafür vielmals gedankt hatte, sagte er: »Nichts anderes, o Herr, als deine Gunst und Liebe wünsche ich zu erlangen, denn ich glaube wahrlich, daß ich bei deiner Großmut jederzeit meine Notdurft sogleich von dir erhalten werde!« Nachdem er sich mit solchen Worten von ihm verabschiedet hatte, ging er fort. Der Wesir aber verbrachte einige Tage ohne eine Belästigung und widmete sich wieder von neuem, alles geschehenen Elends vergessend, der gewohnten Lust mit der schlechten Sultanin. Das merkte Rammo, der auf nichts anderes acht hatte, und geriet in gar heftigen Zorn und wurde von wildem Grimm ergriffen. Er sprach bei sich selbst: »Es tut not, daß ich mich an dem schlechten und treulosen Wesir bitter und nachdrücklich räche, weil er sich durch keinen Unfall, der ihm zugestoßen ist, von seiner Aufführung, die meinem Vater, dem Sultan, solch große Unehre einträgt, abbringen läßt!« Er ging unter der gewohnten Gestalt des alten Weibes aus seinem Hause und traf auf einen ziemlich bejahrten Mann; an den trat er heran und befreundete sich mit ihm und lud ihn bald zum Essen ein und führte ihn in sein Haus; und als er sich eines Tages mit ihm über die Armut unterhielt, sagte er zu ihm: »O mein Bruder, da ich dich große Armut leiden sehe, will ich dir etwas angeben, das dich wahrlich in einem einzigen Tage reich machen wird, wenn du danach handelst!« Hierfür dankte der gute Mann Rammo gar herzlich und drang in ihn, er möchte ihm solches Mittel sogleich offenbaren. Da sprach Rammo zu ihm: >Du weißt, daß der Sultan an jedem Donnerstage der Woche jeden Menschen öffentlich zu empfangen pflegt, und dieser Audienz muß sein Wesir immer beiwohnen. Zu diesem Gerichtstage des Gebieters gehe also und rede den Wesir, der bei dem Sultan in so hohem und ehrenvollem Ansehen steht, mit lauter Stimme an: Er sei dein Sklave und du seiest des Glückes ledig; er möge dich, der du sein Herr wärest, nicht vergessen, und er solle dir, wie es billig sei, zu deiner Notdurft einige Hilfe gewähren. Und wenn er dich nun verspottet und dich wegen solcher Worte wie einen Narren aus dem Gerichtstage vertreiben will, wende dich an den Sultan; und sollst also zu ihm sprechen: >O Gebieter, ich verlange mein Recht von dir und bitte dich, du wollest nicht dulden, daß mich dein Wesir, dessen Herr ich wahrlich bin, mit so bezeichnender Ungerechtigkeit behandelt und als Dank für die vielen Tugenden, die ich ihm zur Zeit, als ich ihn auf dem Marktplatze eingehandelt hatte, in seiner Jugend gelehrt habe und durch die er bei dir zu so hohem Ansehen gelangt ist, mich nunmehr, wo ich arm bin und ihn um eine Unterstützung angehe, so schmählich aus deiner Gegenwart verjagt. Und wenn du mir vielleicht nicht glauben willst, daß ich die Wahrheit erzähle, und daß er mein Sklave ist, so gebe ich dir dies als Zeichen an: als ich ihn kaufte und einen Muselmann aus ihm machte, habe ich ihn mit meinem Stempel auf den Hinterbacken gestempelt, und wenn es sich anders verhält, bin ich es zufrieden, jedes harten Todes, den du über mich verhängen magst, zu sterben. >Wenn der Wesir<, sagte Rammo zu dem guten Manne, >die Worte hört, die ich gesagt habe, wird er glauben, daß du die Wahrheit sprichst, denn ich habe mit eignen Händen seine Hinterbacken, als er und ich allein in seinem Gemache waren, vor etlichen Tagen gestempelt. Um der Schmach nun zu entgehen, dem Richter seine Hinterbacken zeigen zu müssen, wird er dich beiseite rufen und, auf daß du nicht weitergehst und ihm noch mehr Schmach antust, dich reichlich beschenkt fortschicken, dessen versichere ich dich!‹ Da wurde der gute Alte über die Maßen zufrieden und froh, zeigte sich am Tage des Empfanges vor dem Richterstuhle des Sultans und setzte alles, was ihm von dem alten Weibe beigebracht war, genau ins Werk. Der Wesir wurde aber vor Scham rot und rief den Alten beiseite, und auf daß er nicht weiter redete, schickte er ihn mit einer großen Summe Geldes von sich. Doch auch diese Schmach hatte er nicht lange hernach wieder vergessen, und er setzte seine verliebten Unternehmungen mit der Sultanin, in die er über die Maßen hitzig verliebt war, fort. Als Rammo dies von neuem merkte, konnte er des Wesirs Unverschämtheit nicht länger dulden und beschloß, dem Sultan alles zu offenbaren. Und die Gestalt eines alten Weibes annehmend, ließ er am folgenden Morgen zeitig den Sultan um einen geheimen Empfang bitten und zeigte sich vor ihm und sprach: ›O Gebieter, da ich als deine gute Untertanin glaube, um deine Ehre nicht weniger Sorge als um meine tragen zu müssen, habe ich beschlossen, da ich einen großen Verrat entdeckt habe, den ich zu often Malen deinen Wesir an dir verüben sah, dir alles sogleich zu offenbaren, auf daß du dich von deinem schlechten und ruchlosen Diener befreien kannst. Wisse denn, daß zur Stunde die Sultanin, deine Gemahlin, zu Seiten deines treulosen Wesirs auf dem Lager liegt und mit ihm verliebte Spiele treibt. Und wiewohl ich solches zu often Malen gesehen habe, habe ich doch niemals glauben können, daß das schlechte Weib, das ich mit dem Wesir sah, die Sultanin war, bis ich mich zu dieser Stunde davon überzeugte. Nun wagte ich es nicht, dir solche Missetat länger zu verbergen. Auf daß du nun nicht glaubst, ich erzähle dir eine Lüge, so komm mit mir, und du sollst alles, was ich dir erzählte, mit deinen eignen Augen sehen!' Da ging der Sultan mit Rammo und wurde von ihm in ein Gemach des Palastes geführt, wo in einem Kämmerchen auf einem schönen Lager der ruchlose Wesir mit dem schlechten Weibe in enger Umarmung aufgefunden wurde. Als dies der Sultan sah, wurde er heftig von Zorn und Wut ergriffen und beschloß, diese Missetat streng zu ahnden. Doch da er gar sehr fürchtete, die Alte möchte es jemand anderem erzählen, bat er sie herzlich, so lange bei ihm zu bleiben, bis er den Wesir und sein Weib eines grausamen Todes habe sterben lassen; und er gab Auftrag, daß die Alte in einem seinem Gemach benachbarten Raum bewacht würde. Aber Rammo, dem es nun an der Zeit zu sein schien, seinem Vater seinen Irrtum zu entdecken, sintemal er ihn so ungerechterweise aus seinem Reiche vertrieben hatte, ließ ihn durch die, welche ihn bewachten, um eine Unterredung bitten; und während er sich vor ihm in der Gestalt des alten Weibes zeigte, ließ er alle andern hinausgehen, so daß sie beide allein blieben. Und er offenbarte ihm, daß er sein Sohn Rammo war, und legte die Gestalt ab, in der er vor ihm stand, kehrte in seine frühere Gestalt zurück und wurde von seinem Vater erkannt; und er erzählte ihm die Geschichte von Anfang an und erwähnte die Künste, die er von den drei Wanderern gelernt hatte, und erinnerte ihn an die falsche Anklage des treulosen Wesirs und der ruchlosen Sultanin. Dann verkündete er ihm die Strafen, die er oft dank der erlernten Künste über den schlechten Menschen verhängt hatte, und bat ihn gar herzlich, er möchte ihn und die ruchlose Sultanin aus dem Lande jagen und ihnen das Leben schenken, besonders, weil er die Wesirstochter zum Weibe genommen habe, die ihn inständigst gebeten habe, sie doch nicht durch den Tod ihres Vaters in ewige Betrübnis zu bringen. Nachdem Rammo also gesprochen hatte, konnte sich der Sultan der Freudentränen nicht erwehren und herzte ihn innig; und allem Rachegefühl zum Trotze, das er gegen den Wesir und die Sultanin auf dem Herzen hatte, überließ er alle Rache seinem Sohne. Der verjagte nun sogleich den treulosen Wesir und die schlechte Sultanin aus dem väterlichen Reiche und beraubte sie jeder Notdurft; und er feierte mit aller Pracht seine Hochzeit; und als nicht lange hernach der Tod zu seinem Vater trat, machte er ihn zum Herrn seines Staates; und er lebte ein langes und ruhiges und glückliches Leben!«

Überaus gut gefiel Behram-Gur die von Rammo verfolgte Weise, sich an dem: treulosen Wesir und der schlechten Sultanin zu rächen, die ihn ihres eignen Vergehens beim Vater bezichtigt hatten und dafür so hart bestraft wurden. Und nachdem er sich über diese Freveltat ein wenig mit seinen Vornehmen unterhalten hatte, befahl er, daß folgenden Tages das ganze Gefolge nach dem fünften Palaste, der ganz in grünen Farben gehalten war, in gleichfarbener Kleidung kommen sollte. Als dem jeder nachgekommen war, gelangten sie hier alle zur dritten Stunde des Tages an.

Und der Kaiser unterhielt sich eine gute Zeit gar lieblich mit der Jungfrau, die hier war, und labte sich an den köstlichsten Speisen; danach hieß er den fünften Geschichtenerzähler vor sich kommen, der um die Ursache, wegen der er gerufen wurde, wußte; und er begrüßte den Sultan ehrerbietigst und begann also:

»Es lebte im Lande Choten ein berühmter und ausgezeichneter Weiser, der sich gar sehr auf mechanische Künste verstand, vor allem aber ein hervorragender Goldschmied war und jeden seiner Zeit überragte. Und außer vielen andern schönen Werken, die er beständig anfertigte, bildete er eines Tages eine silberne Bildsäule mit solcher Kunst, daß sie jedesmal, wenn vor ihr eine Lüge gesagt wurde, sogleich zu lachen anfing. Das kam nun dem Fürsten der Stadt zu Ohren, der ein Muselmann war, und er wollte sie sehen; und nachdem er die große Kunst, die sie bewirkte, gar sehr bewundert hatte, ließ er den Weisen um die Bildsäule bitten, indem er ihm eine große Summe Goldes dafür anbot. Der Weise aber, der des Geldes nicht achtete, schenkte sie ihm, um sich, was er sehr wünschte, bei seinem Fürsten beliebt zu machen. Dieses Bildes halber ließ der Fürst bei seinem Palaste ein großes und sehr schönes Serail bauen, das vier Flügel hatte; die Ecke des einen aber lag über einem Flusse, die des andern über dem Stalle, die des dritten über der Küche, und die des vierten über dem Keller des Fürsten; und er ließ dort vier sehr reiche Wohnungen herstellen. In diesem Serail nun ließ er das Bildnis auf einem Sockel aufrichten, und wenn er seiner Geschäfte ledig war, pflegte er hier oft zu lustwandeln. Während er sich mit seinen Vornehmen über verschiedene Dinge unterhielt, ließ er im Gespräch eine Lüge fallen und reizte die Säule zum Lachen; hierüber pflegte der Fürst große Freude zu haben. Dieser Fürst war nun ein Mann von seltener Weisheit und in mannigfaltigen Wissenschaften geübt. Und er hatte bei vielen Schriftstellern gelesen, welch boshaftes und treuloses Tier das Weib ist; so hatte er sich denn schon in frühen Jahren vorgenommen, niemals ein Weib nehmen zu wollen. Solches schmerzte alle ihm unterworfenen Völker sehr, da sie einen Erben von ihm zu haben wünschten, der ihm in seinem Reiche nachfolgte, weil er ein tugendhafter Fürst und jedem sehr teuer war. Es traten aber eines Tages vier von den ersten seiner Vornehmen vor sein Antlitz und versuchten ihn mit vielen Reden zu überzeugen, daß, wenn auch der größere Teil der Weiber voll des Betruges sei und sie auch sehr unvollkommene Tiere wären, man doch auch weise und gute unter ihnen finden könnte; und schlössen damit, daß er schon darum ein Weib nehmen müßte, um einen Erben zu haben. Nach solchen und vielen andern Reden, die ihn dazu bestimmen sollten, sagten sie auch, daß, wenn er das Weib auch nur für ein treuloses Tier hielte, er von acht oder zehn die Auswahl treffen sollte, auf die Weise könnte es leicht geschehen, daß er ein gutes fände, das er als Gattin heimführen könnte, auf daß er einen Erben für sein Reich zeugte. Obwohl solche Worte den Absichten des Fürsten ganz entgegengesetzt waren, erweckten sie doch einen Widerhall in seinen Ohren; und er beschloß, einen Versuch zu machen, um nicht billigerweise seines großen Starrsinns wegen von seinen Völkern getadelt zu werden. Nun hatte er von der Schönheit und den guten Eigenschaften von vier Jungfrauen, Töchter von vier großen, ihm befreundeten Herren gehört und schickte vier Abgesandte zu ihnen, um sie zu bitten; die nun, von ihnen mit reichen Geschenken beladen, führten ihrem Fürsten in kurzer Zeit die Jungfrauen zu, die von ihm herzlich und mit großer Ehrerbietung aufgenommen wurden, und er gab Auftrag, daß jede von ihnen eine von den vier bezeichneten Wohnungen innehaben sollte, die in den Flügeln des Serails, wo sich das Bildnis befand, hergestellt waren.

Und als es zu später Stunde war, ließ er sich eine von ihnen ins Gemach führen und begann sie zu liebkosen; und während er sich mit ihr über verschiedene Dinge unterhielt, legte er die Hand auf einen Korb mit Rosenblättern, den er bei sich hatte, und nahm einige Blätter heraus; und wie er sie der Jungfrau auf den Busen streuen wollte, geschah es, daß ihr ein ganz kleines Rosenblättchen ins Gesicht fiel; darauf gab sie vor, wegen des Stoßes vor die Stirne gar gewaltigen Schmerz zu spüren, und heuchelte sogleich eine Ohnmacht. Hierüber war der Fürst ziemlich bestürzt, rief einige seiner Diener und ließ Essig herbeischaffen; und ihn mit Rosenwasser mischend, hielt er ihn der Jungfrau unter die Nase und feuchtete ihre Stirn damit an und rieb sie, bis ihr die Besinnung wiederkehrte. Und nachdem sie ein wenig ausgeruht hatte, erhob sie sich schließlich; und der Fürst nahm sie bei der Hand und führte sie ganz sachte an das Fenster des Gemaches, wo sie mit den Augen gegen das Bildnis stand, das er lachen sah; und sogleich wurde ihm der Betrug klar und die Verstellung, welche die Jungfrau ins Werk gesetzt hatte, indem sie vorgab, von dem Stoße vor die Stirn ohnmächtig geworden zu sein. Nichtsdestoweniger ließ er sich nichts merken. Und mit ihm über dieses Mißgeschick redend, lehnte sie sich an das Fenster, plötzlich aber hob sie die Hände vors Gesicht und bedeckte es; solches tat sie, weil sie vorgeblich das Bild für einen Mann hielt; womit sie dem Fürsten zeigen wollte, es ziemte sich nicht, daß sie von jemand anderem als ihm gesehen würde. Doch da er sich ihres ersten Betruges schon vergewissert hatte, wollte er auch den zweiten erfahren und drehte sich nach dem Bilde um und sah es lachen. Nun wurde ihm klar, daß sie eine schlimme Jungfrau voll des Betruges war; damit sie aber nicht merkte, daß er hinter ihre Täuschung gekommen war, schlief er die Nacht bei ihr. Und er erhob sich folgenden Morgens beizeiten und umarmte sie und schickte sie in ihre Behausung, die über dem Stalle lag, zurück. Dann ging er nach muselmännischer Sitte ins Bad, wusch sich und gab Auftrag, man solle eine andere der Jungfrauen vor sein Angesicht führen. Er ging ihr fröhlichen Antlitzes bis in seinen Hofraum entgegen und nahm sie bei der Hand und führte sie in sein Gemach. Er trug aber ein mit Hermelin besetztes Gewand; so geschah es denn, daß er sie beim Umarmen um den Hals faßte und ihre Brüste mit dem Hermelinfelle berührte. Da sagte sie, daß ihr solches ein groß Unbehagen bereite. »O weh,« sprach sie, »o Herr, entferne dich bitte ein wenig, weil ich fühle, wie das Fell deines Gewandes heftig in die Haut sticht und mir schweres Unbehagen verschafft!« An solchen Worten erkannte der Fürst die Bosheit und den Trug der Jungfrau; er wandte sich gegen das Bild und sah es lachen und wurde ihrer Täuschung ihne. Doch verbarg er das und sagte darauf; »Du hast wahrlich einen sehr zarten Körper, und da dir solches Mißbehagen aus dem Felle meines Gewandes zu erwachsen scheint, kann ich mir wohl denken, daß, wenn dein Körper so beschaffen ist, dein Antlitz noch viel zarter sein muß!« Also zu ihr redend, näherte er sich ihr mit einem Spiegel, der in dem Gemache hing, und stellte sich; vor ihn, so daß sie ihn sehen mußte, und als sie ihn nun doppelt sah, hielt sie sogleich die Hände vors Gesicht. Wie sie aber der Fürst fragte, aus welchem Grunde sie das täte, antwortete sie: »Weil es sich nicht ziemt, daß ich von einem andern Manne als dir gesehen werde!« Diesen Betrug merkte der Fürst, drehte sich nach dem Bilde und sah es lachen. Trotzdem verstellte er sich, da er die Nacht mit der Jungfrau schlafen wollte. Am Morgen stand er beizeiten auf und schickte sie in ihre Wohnung, die über der Küche lag, zurück; dann trat er in das Bad, und nachdem er sich hier ein wenig aufgehalten hatte, gab er Befehl, daß ihm die dritte Jungfrau zugeführt würde. Als die vor seinen Augen erschien, umarmte er sie fröhlichen Antlitzes und trat mit ihr in den Palastgarten, wo sie sich in das frische Gras setzten und sich über allerlei Dinge unterhielten. Hier war nun ein sehr schöner See, welcher der verschiedenen Fischarten wegen, die in ihm schwammen, gar lieblich zu betrachten war. Wie die Jungfrau jedoch an ihn herantrat, zog sie plötzlich einen Schleier vor das Antlitz; als der Fürst sie fragte, weshalb sie das täte, antwortete sie: ›Weil es in diesem See männliche Fische gibt; es ziemt sich nicht für mich als Frau, von ihnen gesehen zu werden!‹ An solchen Worten merkte der Fürst, daß sie nicht besser war als die beiden ersten; er wollte sich dessen aber vergewissern, und sich gegen das Bild wendend, sah er es lachen. Nicht weit davon auf diesem See lag auch ein kleines und sehr schönes Schiffchen mit gehißten Segeln und vielen geschnitzten Holzfiguren, das zur Zierde des Sees hergestellt war und hier festlag; es war einem großen Schiffe ähnlich, das auf hohem Meere segelt. Nun kam es, daß der Wind es bald nach dieser, bald nach jener Seite trieb, bis es unterging. Die Jungfrau sah es, gab vor, ohnmächtig zu werden, und fiel zu Boden; und als sie wieder zu sich gekommen war und vom Fürsten um die Ursache ihrer Angst gefragt wurde, antwortete sie: ›Als ich das Schiffchen mit den Seeleuten, die sich in ihm befanden, untergehen sah, überkam mich der größte Kummer.‹ Da nun der Fürst die Schlechtigkeit und den Betrug der Jungfrau bedachte, die vorgab, der Holzfiguren wegen, die mit dem Schiffe untergegangen waren, ohnmächtig geworden zu sein, richtete er die Augen auf das Bild und sah es lachen, und es wurde ihm gewiß, daß er sich nicht getäuscht hatte. Aber dennoch ließ er der Jungfrau nichts merken, umarmte sie und schlief die Nacht bei ihr. Er schickte sie am Morgen zeitig in ihre Behausung zurück, die über dem Flusse hergestellt war, und ließ, nachdem er das Bad verlassen, die vierte vor sich führen. Als die vor seinem Angesichte stand, wollte sie sich ihm aus Ehrfurcht nicht nähern, da nahm er sie bei der Hand und begann sie gar sehr zu liebkosen. Er sah sie jedoch ganz ehrbar und mit guten Sitten begabt; glaubte aber dennoch, daß sie den andern ähnlich und schlecht sei, und wandte die Augen gegen das Bild und sah es nicht lachen, weil sie wahrhaft gut und ehrbar war. Als er die Nacht auch bei ihr geschlafen hatte, schickte er sie morgens in ihre Wohnung, die über dem Keller lag, zurück. Da er nun aber diese Jungfrau um ihrer Bescheidenheit und tiefen Ehrfurcht willen, nach der Begebenheit mit den drei andern zu schließen, für eines armen und gemeinen Mannes und nicht für eines Fürsten Kind hielt, wollte er nicht mehr bei ihr schlafen. Es geschah aber, daß er eines Abends in das Gemach derer ging, die vorgegeben hatte, durch das in ihr Gesicht geflogene Rosenblatt ohnmächtig geworden zu sein; er legte sich nach dem Mahle zu ihr, und nachdem sie verschiedene Gespräche gepflogen hatten, schlief er ein; als er nach einer Weile aufwachte und die Jungfrau neben sich zu finden glaubte, merkte er, daß sie nicht auf dem Lager war. Darüber verwunderte er sich gar sehr, stand sogleich auf, nahm das Licht und suchte sie sorgsam in allen Ecken des Gemaches, fand aber alle Türen geschlossen außer der, welche in den Stall führte; die sah er offen stehen. Da packte ihn ein wilder Zorn; er nahm den Säbel und ging durch die Türe, die er offen fand, nach dem Stalle, wo er die Jungfrau heftig schreien hörte. Er verbarg sich in einem Winkel und sah, wie sie der Stallsklave mit Fäusten und Füßen tüchtig bearbeitete, weil sie ihn hatte warten lassen. Sie weinte bitterlich und entschuldigte sich, daß sie des Herrn wegen, der diese Nacht bei ihr geschlafen hätte, nicht eher habe kommen können, und sagte, sobald er eingeschlafen sei, wäre sie aufgestanden und in aller Eile hierhergekommen, und bat ihn gar flehentlich, er möchte mit Schlagen aufhören. Als er dies hörte, wurde der Fürst von unsäglichem Zorn ergriffen und konnte sich kaum bezwingen, daß er nicht beide tötete; doch er gedachte seiner Würde und wollte seine Rache an dem schlechten Weibe für eine andere Zeit aufsparen und sprach bei sich selbst: »O verruchtes Weibsstück, wie kannst du so harte Schläge aushalten, wenn dein Gesicht so zart ist, daß du vor meinen Augen, von einem Rosenblatt getroffen, ohnmächtig wirst?« Und er sagte sich, daß die große Kunst des Bildes nicht täuschte. Dann ging er von da fort und legte sich wieder aufs Lager; und um auch der anderen Schlechtigkeit sehen zu können, sprach er hierüber mit niemandem. Am folgenden Tage zur gewöhnlichen Stunde ging er zu der Jungfrau, der das Gemach über der Küche angewiesen war, unterhielt sich mit ihr bis in die späte Nacht mit mancherlei Gesprächen, und als das Mahl zubereitet war, setzten sie sich allein zu Tisch und vertrieben sich hier ein gut Stück Zeit mit ergötzlichen Gesprächen. Als er die Tafel aufhob, gab der Fürst vor, einzuschlafen; als er so einen Zeitraum von zwei Stunden verharrte, glaubte die Jungfrau, daß er wahrhaftig eingeschlafen wäre. Sie stand auf, öffnete die Tür des Gemaches und ging in die Küche; der Fürst jedoch, der durchaus nicht schlief, sondern auf alles achtete, folgte ihr ganz sachte und sah, wie die Jungfrau, sobald sie die Küche betreten hatte, innig von dem Koche geküßt wurde, der sie bei der Hand nahm und auf einen Haufen Dornbüsche legte und verliebte Spiele mit ihr trieb. Hierüber war er sehr verwundert, daß diese, der das Hermelingewand, das ihre Brüste leicht berührt hatte, so große Belästigung bereitete, daß sie beinahe eine Ohnmacht bekam, nichts spürte, als sie auf einem Dornenhaufen lag. Da sprach er: ›Die da ist wahrlich ebenso schlecht und verrucht wie die andere; und nun sehe ich, welch wahres Urteil das Bild auch über sie gefällt hat!‹

Nichtsdestoweniger überging er alles mit Schweigen und legte sich wieder nieder und erwartete mit brennender Neugier die folgende Nacht, um auch die dritte prüfen zu können. Nun stand er des Morgens beizeiten auf und hatte bis zur Stunde der Vesper keinen andern Gedanken, als wie er die ruchlosen Weiber bestrafen könnte. Er ließ jetzt die dritte, die in dem Gemäche über dem Flusse wohnte, vor sein Antlitz kommen, und wiewohl er von ihr nichts Besseres, als er bei den anderen gesehen hatte, erwartete, so begann er sie doch zu liebkosen und unterhielt sich bis zur Nacht mit ihr in ergötzlichen Gesprächen; nachdem die Tafel hergerichtet war, setzten sie sich zum Mahle. Sie hörten einige sehr schöne Musikstücke an und gingen dann schlafen; der Fürst lag nicht gar lange bei ihr, weil er sich sehnlichst auch über ihre Schlechtigkeit zu überzeugen wünschte; und sagte zu der Jungfrau, er wäre müde, und heuchelte, ruhen zu wollen. Als er sie leicht davon überzeugt hatte und sie nun glaubte, er wäre in Wahrheit eingeschlafen, erhob sie sich nach der Weise der anderen leise von seiner Seite, öffnete ganz sacht den Ausgang, trat aus dem Gemache und ging eine Treppe, die nach dem Flusse führte, hinunter. Dort angekommen, entkleidete sie sich und legte die Gewänder auf ihren Kopf, nahm ein großes Tongefäß, das leer dastand, legte es unter die Arme, um nicht zu ertrinken, und schwamm nach der andern Flußseite. Dort wurde sie von einem Landmann in Empfang genommen, der sie gar innig umfaßte, und sie lagen auf dem Flußdamme beieinander und ergötzten sich ein gut Stück Zeit in verliebter Weise. Diese Handlung hatte der Fürst ganz deutlich gesehen, da auch er das Bett verlassen hatte und ihr heimlich an den Fluß gefolgt war; und er fand, daß sie ebenso schlecht wie die andern war, hatte sie doch geheuchelt, eines kleinen Schiffchens halber, das sie auf dem See infolge des Windes hatte untergehen sehen, ohnmächtig zu werden, und sich auch das Gesicht verhüllt, damit es die männlichen Fische nicht sehen könnten; das Bild hatte es mit seinem Lachen wahrlich bewiesen, daß sie voll des Betruges und der Bosheit war. Trotzdem verlor er kein Wort darüber und kehrte in sein Gemach zurück. Dort legte er sich aufs Lager und erwartete mit großem Verlangen den folgenden Tag, um die vierte derselben Probe zu unterwerfen, die er mit den drei andern angestellt hatte. Er erhob sich morgens sehr früh und gab sich bis zur Vesperstunde mit seinen Geschäften ab; dann befahl er, daß die Jungfrau vor ihm erscheinen sollte; als er sich mit ihr im Garten bis gen Abend in mancherlei Gesprächen ergangen hatte, setzten sie sich an das Mahl, das gar köstlich aufgetragen war, ergötzten sich nach ihm an der herrlichsten Musik und an Gesängen und legten sich nieder. Und hier nach mancherlei Gesprächen, die sie geführt hatten, heuchelte der Fürst, eingeschlafen zu sein; leise stand die Jungfrau von seiner Seite auf und kleidete sich an und nahm ein Büchlein zur Hand und ging in ein Nebengemach, um zu beten. Der Fürst aber, der alles sah, bildete sich ein, daß auch sie ihn betrügen wollte, legte geräuschlos seine Gewänder an und folgte ihr; und als er sie beten sah, wollte er dennoch nicht glauben, daß sie gut war. Doch als er da ein wenig verweilt hatte, kam sie mit ihrem Gebete zu Ende und ging auf den Ausgang des Gemaches zu, um hinauszugehen; da kehrte denn der Fürst, um nicht von ihr gesehen zu werden, auf sein Lager zurück, sie aber begann sich auszuziehen und legte sich ihm ganz leise wieder zur Seite. Dennoch konnte er noch nicht glauben, daß sie brav war, denn er meinte, sie wollte ihm mit dem Schein der Frömmigkeit täuschen; und er beschloß im stillen, die drei folgenden Nächte bei ihr zu schlafen, und behielt sie diese ganze Zeit über bei sich und überzeugte sich, daß sie in Wahrheit eine ehr- und tugendsame Jungfrau war, denn er hatte sie beständig im Gebete verharren sehen. Und er erwählte diese bei sich zu seinem Weibe; die Beleidigungen der anderen aber wollte er auf das strengste ahnden. Er besaß unter vielen wilden Tieren, an denen er einen großen Überfluß hatte und die er zu Schauspielen zu verwenden pflegte, indem er sie miteinander kämpfen ließ, einen schrecklichen und grausam wilden Maulesel. Eines Abends berief er spät seine Diener und ging mit ihnen in dessen Stall; dort gab er Auftrag, sie sollten ihn aus dem gewöhnlichen Stalle dorthin bringen, wo seines Wissens das schlechte Weib hindurchzugehen pflegte. Dies wurde von ihnen ausgeführt; damit ihn nun nicht der Stallsklave von dem Platze, an den er ihn hatte bringen lassen, hinwegführte, befahl er den Dienern, diese Nacht zusammen mit dem Stallsklaven in dem Stalle zubleiben. Der Fürst kehrte jetzt in sein Gemach zurück und gab Auftrag, daß die Jungfrau, die in ihrer Behausung über dem Stalle weilte, zu ihm kommen sollte. Sie kam dem Befehle nach und erschien sogleich vor des Fürsten Angesicht; er empfing sie mit heiterer Miene und setzte sich, mit ihr zu Tische, nachdem er ein köstliches Gastmahl hatte zubereiten lassen; und sie unterhielten sich hier eine gute Zeit mit Gesängen und Musik; als es nach beendigtem Mahle schon zu ziemlich später, Stunde war, faßte sie der Fürst bei der Hand und führte sie mit sich zum Schlafen. Und sowie er sich niedergelegt hatte, schien er müde zu sein und heuchelte Schlaf. Wie das elende Weib dies sah, nahm sie ihre Gewänder, denn ihr lag der Stallsklave im Sinne, und erhob sich leise von dem Lager, wie sie es das vorige Mal getan hatte, und ging die Treppe hinab, die in den Stall führte, und im Glauben, der Stallsklave erwartete sie an der untersten Stufe, wie er es das vorige Mal getan hatte, schickte sie sich an, sich dem wilden Maulesel zur Seite zu legen; als der das aber merkte, bearbeitete er sie mit Füßen und Zähnen so heftig, daß er ihr in einer kurzen Spanne Zeit einen bitteren und grausamen Tod bereitete. Als dies nun andern Tages die Diener, die bei dem Stallsklaven geblieben waren, dem Fürsten mitteilten, war er über die Maßen froh darüber, wennschon er sich tief zu betrüben schien. Und weil er die beiden andern auch sterben zu lassen gedachte, ließ er die Jungfrau vor sich kommen, die ihr Gemach über der Küche hatte, und speiste mit ihr wie mit der andern, die das Maultier getötet hatte, und er unterhielt sich freundlich mit ihr, und als es zu später Stunde war, legte er sich mit ihr aufs Lager. Nun hatte er aber einen seiner vertrauten Diener beauftragt, augenblicklich die vier obersten Stufen der Treppe, die in die Küche führte, hinwegzunehmen, was vollkommen ausgeführt wurde. Als er nun lange verliebte Gespräche mit der Jungfrau geführt hatte, heuchelte er Schlaf. Sie aber, die schlecht war und nicht den Fürsten, sondern den Koch liebte, erhob sich ganz sachte von seiner Seite, nahm ihre Gewänder unter den Arm und ging nach der Küche, und bei der Treppe angelangt, setzte sie den Fuß auf, um hinabzusteigen, fand aber keine Stufen und fiel hinab; da die Treppe aber hoch war, brach sie alle Knochen und verschied sogleich aus diesem Leben. Darüber war der Fürst gar froh und heiter, doch zeigte er dem, der ihm die Kunde brächte, großen Kummer deswegen. Und weil nur noch die dritte zu seiner Rache übrig war, ließ er sie folgenden Tages spät abends zu sich rufen; wie sie vor ihm stand, umfing er sie herzlich und speiste mit ihr, wie er es mit den beiden andern getan hatte, und unterhielt sich mit ihr bis zur Stunde des Schlafengehens in mancherlei Gesprächen; doch dann legten sie sich aufs Lager. Nun hatte er aber einem vertrauten Großen aufgetragen, die Tonvase zu rauben, die sie unter die Arme zu nehmen pflegte, um mit heiler Haut über den Fluß zu kommen, und auf denselben Platz, wo sie lag, eine andere ihr ganz gleiche zu legen, die ungebrannt war. Das hatte der sorgfältig ausgeführt. Als nun der Fürst bei dem falschen Weibe lag und sich mit ihm lange über verliebte Dinge unterhalten hatte, wie er es das erstemal getan, stellte er sich eingeschlafen. Sowie die Jungfrau das merkte, nahm sie ihre Gewänder, ging aus dem Gemache hinaus und eilte an den Fluß, legte ihre Kleider auf den Kopf und nahm das Gefäß, welches ungebrannt war, und legte es im Glauben, es sei das gewohnte, unter die Arme und stieg in den Fluß, wo das ungebrannte Gefäß untertauchte; und sie ertrank alsbald. Dies wurde dem Fürsten andern Tages gemeldet; da war er hocherfreut, weil er sich an den drei schlechten und ruchlosen Weibern so streng gerächt hatte. Nun wollte er seinen Willen erfüllen und nahm die vierte Jungfrau, die dem Gebete ergeben war, um der Güte und seltenen Tugend willen, die in ihr wohnten, zum Weibe, und feierte höchst feierlich die Hochzeit; und da er mit ihr in kurzer Zeit drei männliche Kinder zeugte, waren seine Untertanen, die Nachkommen von ihm zu sehen wünschten, gar sehr getröstet. Und er verrichtete den ganzen Tag über mit seinem Weibe tugendsame Werke, und sie lebten viele Jahre ein ruhiges und glückliches Leben!«

Wiewohl der Kaiser großes Mitleid mit den drei schlechten Weibern der harten und grausamen Todesart wegen hatte, die von den muselmännischen Fürsten über sie verhängt worden war, so tadelte er doch ihre Missetat und schalt auch heftig auf die Untreue der Frauen. Und nachdem er hiervon zu reden aufgehört hatte, gab er Auftrag, daß sich sein Gefolge folgenden Morgens, am Samstage, in brauner Gewandung, denn mit dieser Farbe war auch der sechste Palast ganz verziert, dort einfinden sollte. Dann machte er sich Samstags früh beizeiten mit allen seinen Großen auf den Weg, und sie kamen nach einer Frist von drei Stunden in dem Palaste an. Dort fand er die Jungfrau, faßte sie bei der Hand, unterhielt sich ein wenig mit ihr über mancherlei Dinge und setzte sich dann an den Tisch, der mit den köstlichsten Gerichten überreich besetzt war. Als er nun nach dem Essen ein wenig in seinem Gemache der Ruhe gepflogen hatte, ließ er den sechsten Geschichtenerzähler vor sich entbieten. Der erschien nun vor seinem Angesicht, machte ihm eine demütige Verbeugung und begann seine Geschichte in solcher Art zu erzählen:

»In Kergan, meinem weit von hier liegenden Vaterlande, das um der Schönheit seiner Gärten und klaren Quellen willen über die Maßen lieblich ist, liegt eine Stadt am Meere, mit Namen Lissar, in der ehemals ein großer muselmännischer König lebte. Der behandelte nun die Bürger und die Fremden gar freundlich und wurde in einer kurzen Zeitspanne sehr berühmt, weswegen seine Stadt immer voll der christlichen und sarazenischen Handelsleute war. Diesem Könige nun folgte, als er zu Tode kam, sein Sohn in der Herrschaft; der aber besaß nichts von der Tugend seines Vaters und war jedem der Bosheit seiner Sinnesart wegen lästig und wurde bitterlich von seinen Untertanen und den Fremden gehaßt. Aus solchem Anlaß nun hatte ein großer Teil der Kaufleute die Stadt verlassen, und nur wenige blieben in ihr; und unter diesen befanden sich zwei Greise, die treue Freunde waren, Leute von großer Ehre und Besitzer großer Schätze. Sie waren Christen und ehrten die Gebote Gottes; und wenn sie Kinder gehabt hätten, würden sie ein gar frohes und beschauliches Leben gelebt haben. Als sie sich nun eines Tages darüber beklagten, machten sie am Schlusse ihres Gespräches ab, wenn ihnen zu irgendwelcher Zeit Kinder geboren würden und das eine ein Knabe, das andere aber ein Mädchen wäre, wollten sie sie miteinander vermählen. Und nicht lange hernach wurden ihre Wünsche erfüllt, denn fast am gleichen Tage gebaren zu ihrer größten Zufriedenheit ihre Gattinnen, die eine einen Sohn, den man Firischte rief, die andere eine Tochter, die Gul genannt wurde, Kinder von wahrhaft wunderbarer Schönheit. Sie erzogen aber diese bis zu der Zeit, wo sie in die Schule gehen konnten, tugendhaft und vertrauten sie dann einem weisen und frommen Manne an, auf daß sie lesen und gute Sitten lernten. Und es mangelte ihnen nicht an Verstand; weil sie Kinder waren, die mit den schönsten Eigenschaften begabt waren, lernten sie alles, was sie der weise Lehrer lehrte; und wiewohl sie noch in einem zarten Alter standen, liebten sie sich doch so zärtlich, daß nicht einer von dem andern lange getrennt sein konnte. Ihr Lehrer verstand sich aber außer seiner Gelehrsamkeit noch auf die Kunst, aus Rosen oder auch andern Blumen so geschickt Sträuße zusammenzustellen, daß er dadurch leicht das Gesicht jeden Mannes oder jeder Frau nachbildete. An dieser Kunst erfreuten sich die Kinder gar sehr und zeichneten sich auch in ihr wie in jeder andern Kunst so aus, daß sie in ihr binnen kurzem ihren Lehrmeister bei weitem überragten. Als nun das Mädchen ein Alter von zwölf Jahren erreicht und jetzt alles, was diesem Alter an Gelehrsamkeit gebührt, gelernt hatte, nahm sie der Vater aus der Schule und überließ sie in seinem Hause der mütterlichen Fürsorge. Hierüber wurde Firischte schmerzerfüllter, als es jemals ein andrer gewesen war; wie er sich von der, die er so heiß liebte, getrennt sah, glaubte er vor Kummer sterben zu müssen. Der verließ ihn ein ganzes Jahr über nicht; und wie ihn eines Tages die Liebe zu ihr ganz besonders heftig quälte, beschloß er, ihr dies auf irgendeine Weise kundzutun. Und er stellte aus Rosen und andern Blumen mit solcher Kunst einen Strauß zusammen, daß man ihr Gesicht in ihm, wie wenn es lebte, erblickte; und ließ ihr den heimlich durch seinen Diener überreichen. Als nun Gul von ihrem Firischte, den sie mehr denn jeden andern liebhatte, etwas so Seltenes und eine so edle Gabe erhalten hatte, küßte sie sie oft und lief sogleich in den Garten, wo sie viele Blumen pflückte, stellte in einem Strauße Firischtes lebendes Bild her und ließ ihm den durch denselben Diener überbringen. Wiewohl Firischte diesen Strauß mit großer Freude sah, wurde er doch nicht lange hernach der großen Liebe wegen, die er fühlte, von einer schweren Krankheit befallen. Der Vater merkte aber, daß das Übermaß der Liebe, die der Sohn zu Gul gefaßt hatte, solches verursacht hätte, und ging unverzüglich zu ihrem Vater und fand sie aus dem gleichen Grunde in dem gleichen Zustande. Da sprach er zu ihm: ›Wir wollen, o lieber Freund, die Abmachungen innehalten. Deine Tochter ist jetzt mannbar geworden, und Firischte ist bereit, sie zum Weibe zu nehmen. Daher bitte ich dich herzlich, daß wir ihre Hochzeit baldmöglichst feiern, auf daß wir sie, die sich so hitzig liehen, vom gewissen Tode befreien!‹ Dies zu tun, war Guls Vater sehr bereit und veranstaltete ein großes Fest, und die Hochzeit wurde feierlich gefeiert. Und weil das Mädchen von bewunderungswürdiger Schönheit war, kam das Gerücht davon dem Könige alsbald zu Ohren; wiewohl er sie nicht gesehen hatte, hatte er doch soviel Rühmens von ihrer Schönheit machen hören, daß er sie zu sehen beschloß. Er ließ sogleich Firischtes und Guls greise Väter vor sich entbieten und trug ihnen auf, am selben; Tage ohne Verzug die Kinder, deren Hochzeit sie feierten, vor sein Antlitz zu führen. Zu diesem Befehle waren die guten Väter bereit und kamen mit den jungen Leuten, die reich, wie es ihren Verhältnissen entsprach, gekleidet waren, in den königlichen Palast. Sie wurden vor den König geleitet; und sobald sich dieser von der Schönheit der Braut überzeugt hatte, die ihm noch größer zu sein schien, als es der Ruf verkündete, wurde er in hitziger Liebe zu ihr ergriffen und wandte sich gegen Firischte und sprach: ›Ich befehle dir wahrlich, dir eine andre Jungfrau zu suchen, denn dieses Mädchen hier hast du mir abzutreten, weil ich beschlossen habe, es für meine Vergnügen dazubehalten; solltest du aber in einem Zeiträume von drei Tagen nicht danach gehandelt haben, so lasse ich dir, das wisse, sogleich den Kopf vom Rumpfe herunterhauen!« Solche Worte bereiteten Firischte gar bösen Kummer; er antwortete dem Könige: »O Gebieter, seltsam und hart fürwahr dünkt mich dein Ansinnen zu sein; auf daß du aber schnell deinen grausamen Vorsatz ausführen kannst, obwohl ich weder Mord noch Totschlag begangen habe, und weil ich einen solchen Tod, den du über mich verhängst, nicht verdiene, so höre, daß ich lebend meine Braut weder dir noch einem ändern Menschen zu überlassen willens bin!« Wegen dieser Antwort hielt sich der Fürst für schwer beleidigt, weil er nämlich seinen Bruder getötet hatte, dessen Sohn er, ehe sein Vater aus diesem Leben verschieden war, nach dessen Befehle seiner einzigen Tochter hatte verheiraten sollen. Solche Missetat hatte er nun begangen, um nicht seines Vaters Befehle nachkommen zu müssen; und er hatte seinen Neffen und seine eigene Tochter, die dessen Weib werden sollte, zu ewigem Gefängnis verurteilt. Und da er sich als Mörder und durch Firischtes Antwort des Todes würdig fühlte, sprach er bei sieh selbst: »Da ich meinen Bruder getötet habe, will der hier mit seinen Worten sagen, daß nicht er, sondern ich, der ich ein Mörder bin, die Todesstrafe verdiene!« Da er nun ein Herz voll der bösen Anschläge hatte, befahl er seinen Dienern, man sollte Firischte binden und einkerkern und am folgenden Morgen ganz früh ins Meer werfen. Dann wandte er sich gegen den Vater des Mädchens und sagte: »Du sollst, bis daß ich dich nichts andres hören lasse, deine Tochter, die ich in wenigen Tagen nach meinem Glauben zur Frau nehmen will, bei dir bewachen!« Nach diesen Worten beurlaubte er die unglücklichen und schmerzensreichen Väter, die wegen des Ereignisses in großer Verwirrung waren. Als er nun allein war, wollte er doch, obwohl er heiß in Liebe zu Gul entbrannt war, da noch ein Fünkchen Billigkeit in ihm wohnte, mit seinen Weisen über der ihm von Firischte gegebenen Antwort des Rates pflegen. Er gebot ihnen, vor ihm zu erscheinen, und erzählte ihnen der Ordnung gemäß den ganzen Handel und hieß sie, ihre Meinung darüber zu äußern. Wie die Weisen also des Königs Wunsch gehört und genugsam merkten, daß er wider Firischte keine Ursache hatte, antwortete ihm der älteste von ihnen: »O Gebieter, ich halte es für das beste, wenn der Christenjüngling seiner Fesseln entledigt wird; da er keinen Mord begangen hat, würde es ungerecht sein, ihn des Todes sterben zu lassen. In unserm Gesetze steht geschrieben, daß Mohammed am Tage des Gerichtes alle Muselmänner, die einem zinszahlenden Christen ein Unrecht zufügen, feindlich und mit seinem schwersten Zorne verfolgen will!« Obwohl solche Worte den König in große Furcht versetzten, wollte er dennoch nicht von seinem grausamen Vorhaben lassen und rief seine Diener aufs neue vor sich und trug ihnen auf, den unglücklichen Firischte am folgenden Morgen ins Meer zu versenken. Aber der gerechte Gott wachte über dem unschuldigen Jüngling, und er wollte den ungerechten Richtspruch des Königs zunichte machen und den unglücklichen und schmerzensreichen Vater trösten und fand ein Mittel zu seiner Errettung: es hatte nämlich Firischtes Lehrer einen Sohn mit Namen Dschasimin, der außer vielen andern Tugenden sich auch gar trefflich auf die Kunst verstand, dank der Kraft einer Rute unterirdische Gänge zu machen, die sich binnen kurzer Frist drei oder vier Meilen Wegs erstreckten; und sobald er jede dicke Mauer mit ihr durchbrochen hatte, konnte er sie wieder derart herstellen, daß kein Mensch, er mochte noch so gescheit sein, jemals etwas davon merkte: Als dieser Jüngling in der Späte desselben Tages, an dem Firischte solches Mißgeschick zugestoßen war, von einer langen Reise zurückgekommen war und das grausame und ungerechte Urteil des Königs vernahm, beschloß er, ihn, den er herzlich liebhatte, mit seiner Kunst aus dem Elend zu befreien. Und er ging in das Haus von Firischtes Vater, und tröstete ihn durch diese Nachricht ganz. Wie nun die Nacht hereingebrochen war, ging Dschasimin an den Ort, wo Firischte eingekerkert lag, nahm die Rute zur Hand und machte unter der Erde einen Weg nach dem Gefängnisse und fand hier, nachdem er dessen Mauer durchbrochen hatte, den Jüngling, der in frommen Gebeten die Zeit verbrachte. Er rief ihn und nahm ihn bei der Hand und bat ihn nach einer langen Unterhaltung, er möchte guten Mutes sein, und versprach ihm, er würde sich noch mit den größten Freuden seiner lieben Gul erfreuen. Er zog ihn in solcher Weise aus dem Gefängnis, versetzte die Mauer wieder in ihren früheren Zustand und führte Firischte zu seinem alten und schmerzensreichen Vater, der seinen Sohn, als er ihn erblickt hatte, vor übergroßer Freude weinend, umarmte. Weil nun der Tag nahte, und es nicht Zeit war, sich in langen Gesprächen zu ergehen, wandte er sich gegen Dschasimin und beschenkte ihn mit Gaben, die der großen, von ihm empfangenen Wohltat entsprachen, und bat ihn gar sehr, nachdem er Firischte vom Tode befreit habe, nun auch darum Sorge tragen zu wollen, ihn an einem Orte der Stadt bis zu der Zeit zu verbergen, wo man andere Mittel habe, ihn zu befreien. Hiermit war Dschasimin sofort einverstanden; und nachdem er von dem Greise eine gute Summe Geldes erhalten und einige Vorräte eingepackt hatte, die sie zu ihrem Unterhalte bedurften, mietete er ein Haus, das nächst der Stadtmauer lag, und führte Firischte dorthin. Als nun der Morgen gekommen war, wollten die Diener des Königs nach seinem Befehle handeln, gingen leise dem Gefängnisse zu und traten ein, fanden aber Firischte nicht. Sie zündeten auch viele Lichter an, um zu sehen, ob es irgendwo beschädigt wäre, sahen es aber ganz und unversehrt. Über dieses Ereignis ganz erstaunt, eilten sie sogleich zu den Wesiren des Königs und erzählten es ihnen; die waren höchlichst verwundert und legten dieses verschieden aus. Die einen meinten, wenn das Gefängnis an keiner Stelle erbrochen wäre, hätte sich um der Unschuld des Jünglings willen ein Wunder ereignet; dem stimmten nun andere nicht bei und sagten, daß die Christenleute voll der Listen wären und dem Könige Firischtes Rettung zuschieben würden, weil er wider das muselmännische Gesetz in seinem gefällten Urteile verharrt hätte. Da sie jedoch das grausame Gemüt des Königs kannten, der, wenn es ihm beifallen konnte, daß die Diener Firischte um Geldes willen hätten fliehen lassen, diese mit einem grausamen Tode bestrafen würde, so beschlossen sie, ihm dieses nicht zu offenbaren. Sie befahlen den Dienern, sie sollten einen andern des Todes würdigen Übeltäter aus dem Gefängnisse ziehen und in das Meer werfen und sogleich dem Könige berichten, daß sie des Morgens in aller Frühe Firischte den Tod gegeben hätten. Als sie dies unverzüglich ausgeführt und dem Könige über Firischtes Tod Bericht abgelegt hatten, wurde der darüber unsagbar fröhlich und heiter. Dann ließ er Guls Vater mitteilen, er sollte seine Tochter vor ihn bringen; da ja ihr einstiger Gatte Firischte von ihm des Lebens beraubt wäre, so wollte er sie jetzt nach seinem Gesetze heiraten. Der furchtsame Alte fürchtete nun, was seiner Meinung nach Firischte zugestoßen wäre, könnte auch über seine Tochter und ihn kommen, wenn er sich nicht sogleich dem Könige fügte; er ließ ihn daher wissen, daß seinem Wunsche gemäß ihm nicht nur seine Tochter, sondern auch alles, was in seiner Macht wäre, zur Verfügung stände. Als sich aber die unglückliche und schmerzensreiche Jungfrau in einen so unseligen Zustand versetzt sah und erfuhr, daß der, welcher ihren geliebten Firischte eines so grausamen Todes hatte sterben lassen, sich ihrer erfreuen wolle, fing sie bitterlich zu weinen an und wurde so verzweifelt, daß sie beschloß, sich selbst das Leben zu nehmen. Sie nahm ein Messer und wollte sich mit ihm entleiben, doch wurde sie von einer Tochter ihrer Amme, die Akil mit Namen hieß und immer um sie war, daran gehindert. Die nun schmähte sie deswegen gar sehr und bewies ihr, welch großer Fehler die Verzweiflung wäre, und daß ihre Seele, wenn sie sich selbst getötet hätte, zur Strafe ewiglich in dem höllischen Feuer verweilen müßte. Und Akil brachte sie mit diesen und andern Reden von ihrem schwarzen Vorhaben ab und sagte auch noch, sie könnte den Worten nicht leicht Glauben schenken, die der Tyrann in der Stadt hätte verbreiten lassen, daß er Firischte umgebracht habe, was sie auf keinen Fall glauben wollte. Da antwortete ihr die weinende Gul: ›Ich erkenne wahrlich, o liebe Akil, da du solche Sorgfalt darauf verwendest, mich zu trösten, daß du mich bei der übergroßen Liebe, die du zu mir hegst, auf alle Fälle von meinen Todesgedanken abziehen willst. Aber sage mir doch um Himmels willen, wenn ich mir nun nicht selbst den Tod gebe und ein so trauriges Leben ohne meinen vielgeliebten Gatten weiterlebe, scheint es dir da recht zu sein, daß ich meine Jungfrauenschaft einem so grausamen und gottlosen Tyrannen, der noch dazu unserm Glauben feind ist, zum Geschenk machen soll?« Akil erwiderte: »Nein, o niemals will ich dich dazu ermutigen, denn dann würde ich weder dir noch dem Christenglauben, mit dessen Hilfe wir hoffentlich ein Mittel gegen solches Unglück finden werden, vom Herzen zugetan sein. Du weißt doch, daß unser Beichtvater von jedermann um seines guten und heiligen Lebens willen geachtet wird, ihn wollen wir, falls es dir recht ist, sogleich zu uns kommen lassen. Er wird uns, dessen bin ich sicher, wenn wir ihm unsere Not und unser Anliegen mitgeteilt haben, mit Gottes Hilfe einen nützlichen und guten Rat geben!« Diesen Vorschlag ließ sich die schmerzensreiche Gul gefallen; und sie gaben Auftrag, daß der Beichtvater sogleich gerufen würde. Wie sie ihm alles erzählt und ihn gebeten hatten, ihnen in solch großem Elend einen Rat geben zu wollen, wandte er sich gegen die weinende Jungfrau und sagte zu ihr: »O meine liebe Tochter, wenn uns ein großes Übel widerfährt, dürfen wir niemals verzweifeln, sondern sollen uns an Christum wenden und ihn flehentlich bitten, daß er uns eine Hilfe senden möge, da er niemanden, der auf ihn baut, im Stich läßt. Fürs erste nun wollen wir, ihr und ich, gemeinsam mit Gebeten und Fasten Gottes, des Herrn, Zorn zu besänftigen suchen und ihn bitten, wenn er uns unsere Sünden verzeiht, uns eine Hilfe in solch großer Not gewähren zu wollen. Wenn es nun zutrifft, daß du, o Gul, vor den König geführt wirst, so sollst du, nachdem du ihm die schuldige Ehrfurcht erwiesen hast, also zu ihm sagen: »O Gebieter, weil ich nun in Wahrheit einsehe, daß ich dir nach deinem Beschlusse vermählt werden soll, bitte ich dich bei der großen und vollkommenen Liebe, die du zu mir hegst, gar herzlich, mir die erste Gunst, die ich von dir fordere, nicht verweigern zu wollen; die aber besteht darin, daß du, ehe du Hochzeit mit mir feierst, mir vierzig Tage gewähren mögest, in welchem Zeitraume ich, in irgendeinem Gemache deines Palastes bewacht, einige meiner Geschäfte verrichten kann!‹ Dies wird er dir wahrlich, wenn Gott, der Herr, es zugibt, nicht abschlagen, da er dich inbrünstig liebt. Wenn du das nun von ihm erlangt hast, sollst du in das Gemach gehen, das er dir anweisen läßt, und tausend Vaterunser den Tag über beten und die vierzig Tage fasten. Hast du das getan, wirst du, des bin ich sicher, des großen Unglücks, in dem du dich zu dieser Stunde befindest, ledig werden!« Als der Beichtvater solche Worte gesprochen hatte, waren Gul und Akil unbeschreiblich zufrieden mit seinem Rate, und nachdem er ihnen seinen Segen gegeben hatte, nahm der heilige Mann Urlaub von ihnen und ging fort. Nicht lange Zeit hernach kam eine große Schar reichgekleideter Frauen im Auftrage des Königs in das Vaterhaus der Jungfrau, um sie feierlich nach dem Palaste des Königs zu geleiten; die aber wurden frohen Antlitzes von Gul empfangen und verweilten einige Zeit bei ihr. Dann machte sie sich zusammen mit ihrer treuen Akil, von ihrer schmerzensreichen Mutter und den alten Frauen des Königs geleitet, auf nach dem königlichen Palaste. Als der König davon in Kenntnis gesetzt war, stieg er sogleich die Treppe des Palastes hinunter und erwartete sie auf dem Hofe mit einem ehrenvollen Geleite seiner Großen. Sie stand nun vor seinem Antlitze und führte aus, was ihr von dem Beichtvater angegeben war, und bat ihn um die Frist von vierzig Tagen. Der König gewährte ihr solches fröhlicher Miene und rief seinen Schatzmeister, ließ ihr ein prächtiges Geschenk an gar kostbarem Edelgestein machen und gab den Auftrag, daß sie heimlich mit ihrer Akil in ein Gemach, das in dem Garten des königlichen Palastes an einem Orte war, den man Gulistan nannte, geführt und dort die ausbedungene Frist über bewacht würde. Nicht weit von diesem Orte, in einer andern Behausung, hielt er auch seine eigene Tochter gefangen; und es hatte zu ihr kein anderer Mensch außer einer alten Frau Zutritt, der er die Sorge um den Garten übertragen hatte, weil sie eine große Meisterin in der Gartenpflege war. Hier nun brachte die schmerzensreiche Gul alle Tage in Bitten und Gebeten nach dem Rate des Beichtvaters zu; und es geschah, daß sich die Königstochter, welcher die Alte Guls Ankunft offenbart hatte, vornahm, sie sprechen zu wollen, und ließ ihren Vater inständig darum bitten; der aber gab ihrem Wunsche willig nach. Und sie ließ es Gul durch eine ihrer Sklavinnen wissen und wurde von der fröhlichen Antlitzes empfangen und aufgenommen. Wie sie sich nun eine gute Zeit mit ihr über mancherlei Dinge unterhalten hatte, erzählte Gul ihr auch in einem langen Gespräche ihr Mißgeschick von Anfang an. Da die Königstochter, die großes Mitleid mit ihr hatte, einsah, mit welch großer Offenheit ihr Gul ihr eigenes Unglück erzählt, ließ sie sie auch um den Tod ihres Oheims und die Gefangenschaft ihres Verlobten wissen und welch lange Zeit sie ihr Vater hier in Verwahrsam hielt. Und sie schlossen innige Freundschaft miteinander und verbrachten einen großen Teil des Tages zusammen; und weil sich Gul durch das Mittel, das ihr der Beichtvater angegeben hatte, bald aus den Händen des Tyrannen zu befreien hoffte, so wollte sie es auch seiner Tochter kundgeben, auf daß sie sich ebenso befreien könnte. Als sie sich daher eines Tages länger über mancherlei Dinge miteinander unterhalten hatten, sprach Gul zu ihr: ›Weil ich in Wahrheit weiß, daß ich mit Gottes Hilfe durch ein Mittel, das mir mein Beichtvater, ein Mann von gutem und frommem Lebenswandel, anvertraut hat, bald aus den Händen des ruchlosen Königs entkommen und in meinen früheren Zustand zurückversetzt werden werde, schmerzt es mich gar sehr, daß du in deiner Gefangenschaft verbleiben sollst; wenn du mir nun versprichst, es niemals jemandem weiterzusagen, will ich es dir auch offenbaren und bin überzeugt, wenn du es in Anwendung bringst, wirst du bald für deine Leiden eine Heilung gewinnen.‹ Die Königstochter sagte ihr nun gar herzlich Dank und versprach, niemandem etwas davon mitteilen zu wollen, und bat sie inständigst, es ihr zu enthüllen, auf daß auch sie sich aus ihrem jetzigen elenden Zustande befreien könnte. So teilte ihr es Gul denn unverzüglich mit; da gelobte sie, wenn sie sich und ihren Verlobten mit solchem Mittel aus der Gefangenschaft befreien würde, sich zu Gott bekennen zu wollen; und wenn sie in ihren früheren Zustand zurückversetzt würde, wolle sie sich sogleich taufen lassen. Und sie dankte Gul für die große Herzlichkeit, mit der sie an ihr gehandelt habe, kehrte in ihr Gemach zurück und fing alsobald zu fasten an und tausend Vaterunser aufzusagen. Als sich Gul schon mehrere Tage mit solchen Dingen beschäftigt hatte, glaubte sie eines Nachts den unglücklichen Firischte im Traume zu sehen, der mit ihr ihr gemeinsames Unglück beklagte und sie gar innig bat, da sie ja die Ursache seines so großen Mißgeschicks wäre, möchte sie ihn wenigstens mit einem ihrer Rosensträuße, aus dem man ihr Gesicht erkennte, trösten. Sie aber konnte in solchem Traume nicht lange liegen; und um des Kummers willen, den sie ob Firischtes Worte empfand, sogleich aufwachend, rief sie Akil, ihre Gefährtin, zu sich und erzählte ihr alles der Ordnung gemäß. Wie diese aber Gul ganz schmerzlich darüber weinen sah, versuchte sie sie mit vielen Reden bis zur Morgenröte zu trösten. Zu dieser Zeit nun pflückte das alte Weib, das die Obhut über den Garten hatte, ein Körbchen voller frischer Rosen und wand einen gar schönen Strauß daraus und brachte ihn Gul, um ihn ihr in des Königs Namen zu schenken. Die aber nahm ihn fröhlichen Antlitzes an und trug ihr auf, dem Gebieter herzlich deswegen zu danken. Da sie solches nun für ein gutes Zeichen ansah, sprach sie zu der Alten: ›O meine Mutter, ich kann wahrlich nicht leugnen, daß dieser Rosenstrauß, den du mir gebracht hast, schön und kunstreich gebunden ist; doch wenn ich ein Körbchen voll der Rosen bekommen könnte, wollte ich dich einen schönen Strauß sehen lassen, welcher den, den du mir gebracht hast, an Schönheit bei weitem übertreffen sollte.‹ Da nun die Alte, die eine große Meisterin in dieser Kunst zu sein glaubte, begierig war zu sehen, was die Jungfrau darin zuwege brachte, ging sie sogleich fort, um Rosen zu pflücken, und brachte sie alsobald Gul, die, um sich selbst zu trösten und um Firischtens Traumwunsch zu erfüllen, sich vor einen Spiegel stellte und sich selbst betrachtend, ihr eigenes Gesicht mit solcher Meisterschaft mit dem Strauße bildete, daß es hier jeder erkennen konnte. Darauf ließ sie das alte Weib vor sich kommen und gab ihm den Strauß und sprach: ›Schenke ihn dem, der dir am meisten gefällt.‹ Sobald der von der Alten gesehen wurde, fand sie, daß er schön und herrlich war und ihren bei weitem übertraf; und sie argwöhnte, wenn sie den in Guls Namen dem Könige brächte, würde sie vielleicht ihres Jahrgeldes, das ihr die Sorge um den Garten einbrachte, verlustig gehen, und es würde der Jungfrau, die in dieser Kunst wohlbewandert war, zugesprochen werden. Daher wollte sie ihn nicht nur dem Könige nicht geben, sondern beschloß auch – da sie fürchtete, daß er eines Tages von selbst die Kunstfertigkeit der Jungfrau bemerken würde –, um nicht von ihr des Jahresgeldes beraubt zu werden, in den Gärten der Stadt nachzusehen, ob sie einen Meister finden könnte, welcher Gul überträfe. Und sie tat solches mit großem Eifer, da sie sich notwendig ihren Ruhm und ihr Jahresgeld erhalten wollte. Weil sie aber niemanden zu finden vermochte, der sich erkühnte, bessere Sträuße als die Guls zu binden, war sie recht traurig; und als sie nun nach dem Gulistan ging, begegnete ihr von ungefähr Dschasimin, und sobald er den Strauß in der Hand der Alten erblickte, merkte er, daß ihn Firischtes Weib gewunden hatte. Und er sprach: ›Ach, o meine Mutter, verkaufst du mir etwa diesen Rosenstrauß?‹ Sie antwortete ihm: ›Ja, aber unter zehn Dinaren will ich es nicht tun!‹ Und der Jüngling heuchelte, darüber sehr verwundert zu sein, und sagte darauf, wenn sie ihm zwei Dinare zahlen wollte, würde er sie einen schöneren Rosenstrauß als diesen sehen lassen. Hierauf war die Alte über die Maßen begierig und antwortete: ›Ich bin es wahrlich zufrieden, nicht zwei, nein fünf Dinare zu zahlen, wenn du mir keinen schöneren, sondern einen ebenso gewundenen Rosenstrauß verkaufst!‹ Damit war Dschasimin einverstanden und nahm unsäglich fröhlich die Alte bei der Hand und führte sie in das Gemach, wo Firischte war. Als sie vor dessen Antlitz gekommen waren, näherte sich Dschasimin seinen Ohren und sprach: ›Sei nun aber fröhlich, denn ich bringe dir gute Zeitung!‹ Um solcher Worte willen stand der Jüngling sogleich auf und wandte sich gegen das Weib und sah seiner Gul Strauß in ihrer Hand, und wie er vernommen hatte, was zwischen Dschasimin und ihr abgemacht worden war, sagte er zu ihr: ›O meine Mutter, sowie du mir ein Körbchen mit Rosen bringst, will ich dir einen bei weitem schöneren Strauß als den deinigen zeigen!‹ Sie wünschte nun nichts sehnlicher als das, um nicht mehr Guls Fertigkeit fürchten zu müssen; sie ließ ihren Strauß da und eilte fort, die Rosen sogleich zu beschaffen. Nachdem Firischte den Strauß mehr denn tausendmal geküßt hatte, schrieb er ein paar Zeilen an Gul und offenbarte ihr sein Gefängnis und alle ihm bis zu diesem Tage zugestoßenen Ereignisse und bat sie flehentlich, auch ihm ihr Ergehen und den Ort, wo sie weilte, mitteilen zu wollen, da er leicht dank Dschasimins Kraft, die ihn vom Tode errettet hätte, zu ihr kommen könnte. Er barg dann das Schreiben in ein Schilfrohr und erwartete die Rosen holende Alte; und sobald die mit ihnen zu Firischte zurückgekommen war, nahm er das Schilfrohr in die Hand und wand um es einen so wohlgeordneten Rosenstrauß, daß man sein und seiner Gul lebendiges Abbild zu sehen glaubte, und stellte die Rosen mit einer solchen Kunst zusammen, daß dieser Strauß den von Gul bei weitem an Schönheit übertraf. Und ihn der Alten darbietend, sagte er: ›Ich schenke dir, o meine Mutter, den ganzen zwischen dir und meinem Gefährten übereingekommenen Preis und will keine andere Bezahlung von dir, als daß du den Strauß, den ich dir jetzt schenke, dem Meister, der den gebunden, für welchen du zehn Dinare fordertest, zeigen sollst, auf daß er erfährt, daß sich in dieser Stadt auch andere Leute finden lassen, die noch schönere Sträuße als er winden können!‹ Solches versprach die Alte Firischte und sagte ihm um der empfangenen Güte willen vielen Dank und ging ganz heiter und froh von ihm. Sie kam vor die Jungfrau und sprach: ›Nun sieh ein wenig her, o Jungfrau, ob ich wohl einen schöneren Strauß als du gewunden habe!‹ Gul erkannte sogleich das Werk ihres Gatten und wurde ganz getröstet, weil sie dadurch erfuhr, daß er nicht gestorben war, und antwortete ihr: ›Ich kann es nicht leugnen, daß dieser Strauß schöner ist als der, den ich dir gegeben habe. Aber wenn du ihn mir lassen und Rosen holen willst, so sollst du am kommenden Morgen einen noch viel schöneren sehen.‹ Da nun die Alte um jeden Preis entschlossen war, zu sehen, was die Jungfrau zu binden verstand, ließ sie ihr den Strauß und ging, weil es schon zu später Stunde war, von ihr. Wie nun Gul allein war, fing sie um der lebhaften Freude willen, die sie über den noch lebenden Gatten empfand, bitterlich zu weinen an und rief ihre Gespielin Akil sogleich herbei und umarmte sie gar herzlich und sprach zu ihr: ›Freue dich mit mir, Gott hat begonnen, unsere Gebete zu erhören!‹ Und sie erzählte ihr, wie sie erfahren hatte, daß Firischte noch lebte, und zeigte ihr den Rosenstrauß, den er ihr durch die Alte geschickt hatte. Und sie wies unsäglich zufrieden Akil den Strauß, und die nahm ihn in die Hand und sah, daß er um ein durchbohrtes Schilfrohr gewunden war, und es nun beschauend, erblickte sie sofort die von Firischte geschriebenen Zeilen. Und zeigte sie Gul, die aber zog sie aus dem Rohre heraus und las alles, was Firischte zugestoßen war, und wurde seines Lebens wegen vollauf beruhigt. Wie Gul die Gelegenheit sah, ihrem Gatten auf der von ihm gewiesenen Art ihr Ergehen mitteilen zu können, berichtete sie ihm sogleich in einem Schreiben alle ihre Erlebnisse und ließ ihn den Ort, wo sie war, wissen und legte das Schreiben in ein kleines Rohr, wie es Firischte getan hatte, und erwartete dann mit großer Sehnsucht den kommenden Tag. Sobald es hell wurde, kam die Alte mit den Rosen zu ihr. Aus ihnen stellte Gul, die sie fröhlichen Antlitzes empfing, um das Rohr, in das sie das Schreiben gesteckt hatte, einen Strauß zusammen, der an Schönheit den Firischtes bei weitem übertraf, und gab ihn der Alten, die ihn unbeschreiblich verwundert über ihre Kunstfertigkeit forttrug. Als nun derselbe Argwohn, dem sie früher verfallen war, wieder über sie kam: der König möchte sie ihres Jahrgeldes berauben, wenn ihm Guls Geschicklichkeit in dieser Kunst offenbar würde, ging sie zu Firischte zurück und nahm gleichzeitig mit dem Strauße auch ein Körbchen voller Rosen mit, auf daß er einen schöneren Strauß machte. Sie kam vor sein Angesicht und reichte ihm den Strauß und die Rosen dar und sprach: »O mein Sohn, da ich weiß, daß der dir eben gebrachte Strauß deinen an Kunst und Schönheit übertrifft, bringe ich dir zugleich Rosen mit, auf daß du einen noch schöneren herstellen kannst und der Meister dieses erkennt, daß dein Wert größer ist als seiner!‹ Und Firischte vernahm der Alten Worte und war ihr sehr dankbar; und er nahm den Strauß der Jungfrau, den er sogleich erkannte, und sagte zu der Alten, sie sollte des Abends spät zu ihm zurückkommen, um den Strauß, den er machen wollte, abzuholen. Da nahm sie Urlaub von ihm und ging fort und ließ ihn hier allein mit Dschasimin. Und sobald sie den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, zog Firischte Guls Schreiben aus dem Schilfrohr und unterrichtete sich völlig über ihr Ergehen und den Ort, wo sie verweilte. Darauf stellte er aus den Rosen, die ihm die Alte gebracht hatte, einen Strauß zusammen, der alle andern an Schönheit übertraf, und gab ihn ihr des Abends. Sie aber erkannte, daß man keinen schöneren binden konnte; und deshalb kehrte sie frei von der Furcht, die sie anfänglich schwer bedrückt hatte, ganz zufrieden in ihr Haus zurück. Wie nun Firischte über die Maßen froh und heiter war, da er Nachrichten von seiner Gul erhalten und auch erfahren hatte, wie innig er von ihr geliebt wurde, beschloß er, sie auf alle Fälle wiederzuerlangen, und bat seinen Dschasimin inständigst, ihm dabei behilflich sein zu wollen. Der aber antwortete ihm: ›Du mußt wissen, o Herr, daß nahe bei dem Orte, wo die Jungfrau verweilt, ein großer und sehr schöner Palast steht, der einem gewissen Kaufmann gehört, der dem Könige viel Geld schuldet und dessen Besitztum jetzt öffentlich vom Staate verkauft werden soll. Wenn du dich nun entschließen kannst, ihn zu erwerben, könnten wir da leicht unsere Absicht ausführen!‹ Diesen Plan lobte Firischte gar sehr und sagte zu Dschasimin, er solle ihn um jeden Preis erwerben. Der aber gab sich sogleich für einen fremden Kaufmann aus und ging zu den Wesiren des Königs und ließ sie wissen, er sei mit einem Gefährten aus fernem Lande hergekommen, um sich hier länger aufzuhalten, und kaufte den Palast mit dem Gelde, das er von Firischtes Vater empfangen hatte. Er stattete ihn reich mit allem aus und ging unverzüglich mit Firischte hinein, um ihn zu bewohnen. Und durch die Kraft der Rute machte er einen unterirdischen Weg bis zu dem Gemache, in dem sich Gul befand, und kam ganz leise mit seinem Herrn dorthin. Als jetzt Firischte seine Gattin wiedergefunden hatte, die des langen Fastens und der vielen Gebete wegen matt auf dem Bette lag und ein wenig ausruhte, legte er sich zu ihr und fing vor Freude bitterlich zu weinen an und umfing sie inniglich. Die Jungfrau aber wachte auf, und wie sie ihren herzlieben Gatten sah, glaubte sie zu träumen und sagte kein Wort. Doch wie er sie gar süß umarmte und mit ihr zu sprechen begann, geschah es, daß Gul einsah, ihr Gatte stände nicht im Traume vor ihr. Und sie vernahm von ihm, auf welche Weise er mit Dschasimin dorthin gekommen war, und wurde unbeschreiblich froh. Sie unterhielten sich dann in süßen Gesprächen mit Akil, die über die Maßen fröhlich darüber war, und sie gingen auf dem von Dschasimin bereiteten Gange in den erworbenen Palast; und als sie sich hier eine gute Zeit aufgehalten hatten, sagte Firischte, sich gegen Dschasimin wendend: ›O lieber Dschasimin, weil es Gott also gefallen hat, daß ich durch deine Kunst mit der zusammen bin, nach der ich herzlich Verlangen trug, und daß wir unser Vorhaben gänzlich erfüllt haben, scheint es mir gut zu sein, um der Grausamkeit des gottlosen Tyrannen zu entfliehen, mit Gul und Akil von hier aufzubrechen und in irgendein sichereres Land zu gehen, wo wir ein ruhiges Leben leben können!‹ Darauf erwiderte dieser: ›O mein Herr, ich bitte dich gar herzlich, mir die Sorge darum überlassen zu wollen, da ich schon seit langem beschlossen habe, was wir in diesem Falle tun müssen; und ich weiß, daß ihr mit meinem Entschlüsse völlig zufrieden sein werdet!‹ Zu solchen Worten schwieg Firischte und überließ Dschasimin alle Sorge in dieser Angelegenheit. Der ging, als der folgende Morgen angebrochen war, um die Missetat des Königs streng zu ahnden, in dessen Palast und wurde von ihm empfangen; und nachdem er mit ihm als ein neuer Kaufmann viele schöne Gespräche geführt hatte, lud er ihn für den kommenden Tag in den Palast ein, den er kürzlich vom Staate gekauft hatte. Der König aber gab seine Zusage; Dschasimin beurlaubte sich von ihm und kehrte mit der größten Freude der Welt zu Firischte und Gul zurück und unterwies sie alsobald in allem, was sie kommenden Tages zu tun hatten. Der König kam nun zur festgesetzten Stunde mit einem einzigen Sklaven in den Hof, und als er die Treppe des Palastes hinansteigen wollte, kam ihm Dschasimin entgegen und empfing ihn mit der gebührenden Ehrerbietung. Dann traten sie in den Saal, wo sich Firischte und Gul aufhielten; der König sah aber plötzlich die jungen Leute, die auf ihn zuschritten, wie es ihnen Dschasimin angegeben hatte, um ihn ehrerbietigst zu begrüßen und ihm die Hände zu küssen. Der nun, da er darüber ganz verwirrt wurde, weil er sie zu erkennen glaubte, sprach bei sich selbst: »Die hier scheint wahrlich mein Weib zu sein, und der da kann nur ihr erster Gatte Firischte sein, den ich ins Meer werfen ließ, und wenn es sich nicht so verhält, so träume ich sicher.« Indem er tat, als ob er nicht darauf geachtet hätte, sagte Dschasimin: »O Gebieter, sage doch bitte, warum du so gedankenvoll dastehst?« Darauf erwiderte der König, der sich über das, was er hier sah, vergewissern wollte: »Mir ist eben, ich weiß nicht was, in den Sinn gekonmen, weswegen ich sogleich in mein Haus zurückkehren muß; ihr aber sollt inzwischen nicht fortgehen, weil ich mich in kurzer Zeit wieder bei euch einfinden werde!« Solches sagend, ging er unverzüglich fort. Da nun Dschasimin meinte, er wolle in den Gulistan gehen, um zu sehen, ob sich Gul dort befände, ließ er sie sogleich ihre alten Gewänder anlegen und führte sie auf dem unterirdischen Gange in ihr Gemach. Nicht lange hernach traf hier der König ein; und als er die Jungfrau fand, geriet er in unsägliches Erstaunen. Er unterhielt sich ein weniges mit ihr; und ganz voll des Staunens und der Verwunderung hatte er ein großes Verlangen, die Jungfrau, die er vorher erblickt hatte, von neuem zu sehen, und er kehrte nach Dschasimins Palast zurück. Dorthin war auch Gul vor ihm zurückgekehrt; und mit den früheren Gewändern bekleidet und mit Edelsteinen, die er ihr geschenkt, reich geschmückt, ging sie ihm in dem Gemache mit Firischte entgegen. Wie sie der König erblickte, verwunderte er sich noch mehr als das erstemal, weil er die Geschmeide bei Gul gesehen hatte; und sich gegen Dschasimin wendend, fragte er, wer die jungen Leute wären. Da antwortete ihm Dschasimin: ›O Gebieter, der ist mein Gefährte, ein Kaufmann, wie ich es bin, und sie ist sein Weib!‹ Weil der König mit dieser Antwort durchaus nicht zufrieden war, bat er die Jungfrau sehr herzlich, ihm die Geschmeide, die sie am Halse trüge, leihen zu wollen, er würde sie ihr in kürzester Zeit wieder zurückgeben, da er sie mit einigen seiner Geschmeide, die er im Gulistan hätte, vergleichen wollte, mit denen nämlich, wollte er sagen, die er früher der Jungfrau geschenkt hatte. Gul aber fand sich bereit, dies zu tun, und sagte darauf: ›Da es mich deucht, o Herr, daß ich große Schande davontrage, wenn ich die Geschmeide in deiner Gegenwart vom Halse nehme, will ich hier in die Kammer treten und sie mir vom Halse nehmen und sie dir dann bringen, und du kannst nach deinem Wohlgefallen über sie und alles, was noch in unsrer Macht bleibt und was wir dir von ganzem Herzen anbieten, verfügen!‹ Über die vernommenen Worte wurde der König über die Maßen bestürzt, denn er hatte kurz vorher Guls Stimme in dem Gemache, wo er sich mit ihr unterhalten hatte, aufmerksam zugehört, und er sprach bei sich selbst: ›Welch größere Sicherheit kann ich durch die Geschmeide dieser haben? Habe ich sie nicht gesehen und reden gehört? Aber besser ist es, daß ich von neuem dorthin zurückgehe, wo sie weilt, denn auf solche Weise werde ich die größte Sicherheit haben!‹ Deshalb zog er Dschasimin beiseite und sagte zu ihm, er wolle von neuem Geschäfte halber in sein Haus zurückkehren; und die Jungfrau, die in die Kammer gegangen war, um die Geschmeide abzulegen, ließ er wissen, sie solle sie ihm jetzt nicht bringen; und sie sollten ihn hier erwarten, da er unverzüglich zu ihnen zurückkehren würde. Und ohne ein Wort weiter zu verlieren, stürzte er wie ein Rasender fort und eilte in den Gulistan, was Dschasimin Gul ebenfalls auf dem gewohnten Wege zu tun hieß. Die aber legte die alten Gewänder an und befand sich, ehe der König noch eintraf, in ihrem Gemache. Als er vor ihr stand und sie in dem Gewande sah, in dem er sie verlassen hatte, fragte er sie, weil er ihre Geschmeide nicht am Halse sah, weshalb sie nicht mit ihnen geschmückt wäre. Auf diese Worte antwortete sie: »O Gebieter, die Geschmeide, die du mir, dir sei Dank dafür, geschenkt hast, habe ich mir nicht eher zu tragen vorgenommen, als die Frist der vierzig Tage, die ich von dir erbat, verstrichen ist; ich halte sie inzwischen in diesem Kästchen verwahrt!« Und das Kästchen öffnend, zeigte sie sie ihm. »Aber sage mir doch bitte, o Gebieter,« fuhr sie fort, »warum du mich jetzt danach fragst?« Worauf der König, dem beinahe aller Verdacht vergangen war und der die Jungfrau heiß liebte, ihr alles, was sich ereignet hatte, der Reihe nach erzählte und ihr endlich versicherte, daß sie in jeder Beziehung, je mehr er sie ansähe, um so mehr dem Weibe des jungen Kaufmanns, der in Dschasimins Palast wohnte, gliche. Er beendigte sein Gespräch und sich vornehmend, sich durch ein Zeichen über alles zu vergewissern, nahm er sie bei der Hand und tat, als wollte er sie liebkosen, und drückte ihren rechten Arm so fest, daß er blau und schwarz wurde. Dann ging er von ihr und machte sich sogleich nach Dschasimins Palast auf. Gul aber wurde ganz bestürzt über dieses Zeichen; und lange vor dem König auf dem dunklen Wege in den Palast zurückgekehrt, wies sie ihrem Gatten und Dschasimin ihren Arm und erzählte ihnen ganz bestürzt der Reihe nach alles, was der König gesagt hatte. Doch Dschasimin, der in mehr als einer Kunst groß war, sagte zu ihr: ›Zweifle nicht daran, o Herrin, daß ich den braunen Arm sogleich wieder in seinen früheren Zustand bringen werde!‹ Und er ging sofort in den Garten und suchte ein gewisses Kraut; sowie er den dunklen Fleck, den der König listigerweise der Jungfrau beigebracht hatte, mit diesem berührte, wurde das Fleisch wieder schön und weich. Hierüber war Gul über die Maßen froh, zog die andern Gewänder wieder an und schmückte sich mit den Geschmeiden und ging mit ihrem Gatten und Dschasimin in den Hof, um den König zu empfangen. Als der heiteren Antlitzes die Begrüßungen entgegengenommen hatte, wandte er sich an die Jungfrau und sprach: ›Ach bitte, o schönste Jungfrau, ehe wir uns hier zu Tische setzen, möchte ich mit Erlaubnis deines Gatten eine Gunst von dir empfangen, die darin besteht, mir den rechten Arm weisen zu wollen, um mich öffentlich von einem großen Argwohn zu befreien!‹ Dies wurde ihm unverzüglich von Gul zugestanden; und als er keinen Flecken sah, wurde er gar froh und heiter und glaubte, daß sie seine Gul nicht wäre, und sagte ihr um dieser Güte willen vielen Dank. Bei Tische setzte er sich ihr gegenüber und dachte in seinem Herzen nach, wie er sie wohl zu rauben vermöchte. Als dann das Mahl zu Ende war, vergnügten sie sich eine gute Zeit über mit den schönsten Gesängen und mit Musik; und über mancherlei Dinge sich unterhaltend, sagte endlich der König, auf daß alles, was er zu tun vorhatte, nicht fehlginge, er habe zeit seines Lebens keinen glücklicheren Tag als diesen verlebt. Dann gab er ihnen zu verstehen, wie teuer und angenehm ihm ihre Freundschaft wäre; und wenn es ihnen recht wäre, würde er eine so schöne Gesellschaft oft besuchen. Wie nun Dschasimin diese Worte gehört hatte und argwöhnte, warum er solches gesprochen hatte, antwortete er ihm: »Sehr angenehm wird uns das sein, o Gebieter, und wir werden es für eine große Ehre erachten, wenn du uns oft mit deiner königlichen Anwesenheit zu ehren würdigst, und wir bitten dich darum gar demütiglich.«

Als ihnen der König wegen dieser Worte, so herzlich er es vermochte, gedankt hatte, nahm er sehr fröhlich von ihnen Abschied und kehrte in seinen Palast zurück. Sobald nur die Helle des folgenden Tages hereinzubrechen begann, ging er, um die Jungfrau anzusehen, in seinen Garten, der vor dem Palaste der Jünglinge lag; und wenn er sie sah, begann er mit ihr zu liebäugeln. Als er dies sieben Tag lang getrieben hatte, kam er auch mehrere Male, um mit den Jünglingen zu Mittag zu speisen, und versuchte auf jede Weise, die Jungfrau allein anzutreffen. Weil aber Dschasimin den König über die Maßen zu verspotten gedachte, hatte er mit Firischte abgemacht, am folgenden Tage in einem bestimmten Teile des Palastes Gul allein vom Könige antreffen zu lassen, die ihn in jeder Weise mit süßen Gesprächen unterhalten sollte. Dies wurde von der Jungfrau auf das beste ausgeführt; als am folgenden Tag der König kam, um mit den Jünglingen zu speisen, fand er Gul allein in einem Teile des Palastes und ließ sie mit vielen Worten erkennen, wie hitzig er sie liebte, und bat sie gar innig, sie möge ihm ihre Liebe zum Geschenke machen. Auf seine Bitten aber antwortete ihm Gul: »O Gebieter, durch dein Betragen habe ich mich so heiß in dich verliebt, daß ich dir nichts mehr versagen kann. Aber solange ich meinen Gatten und Dschasimin, die hier sind, sehe, kann ich weder dein noch mein Verlangen erfüllen. Da sie nun in wenigen Tagen mit ihrem Kaufmannsschatz aus dieser Stadt gehen werden, wollen wir warten, bis sie auf dem Wege sind; und dann können wir uns mit größerer Sicherheit für mein Leben und zu deiner Zufriedenheit hier erfreuen.‹ Diese Antwort war dem König gar wohlgefällig, und er küßte ihr die Hand und ging sehr froh und heiter von ihr. Als Gul ihrem Gatten und Dschasimin die ganze Geschichte erzählt hatte, machte ihnen die List, welche die Jungfrau dem Könige gegenüber angewandt hatte, unbeschreibliche Freude. Weil sie aber den König so hitzig in sie verliebt wußten und auch einsahen, daß sie ihn bis zur Stunde genug gefoppt hatten, beschlossen sie, um einem Hinterhalte zu entgehen, den ihnen der Tyrann legen konnte, schleunigst aufzubrechen. Dschasimin ging denselben Abend spät an den Hafen und fand da ein Christenschiff, das in folgender Nacht absegeln sollte, und schloß mit dem Schiffsherrn ab, und sie bereiteten alles vor, was sie für die Abreise benötigten. Folgenden Tages dann gingen sie zeitig vor den König und gaben vor, mit einem Teil ihres Kaufmannsschatzes eine Reise nach Indien machen zu wollen, und empfahlen ihm die Jungfrau gar herzlich an, der sie ihrer Aussage gemäß die Sorgfalt um ihren Palast allein überließen. Dies gefiel dem Könige außerordentlich gut; ausführlich versprach er ihnen, daß er um der großen Liebenswürdigkeit willen, die sie ihm erzeigt hatten, die Jungfrau und den Palast genau so wie seine eignen Sachen bewachen lassen wollte. Deswegen sagten ihm die Jünglinge vielen Dank, nahmen Urlaub von ihm und gingen fort. Folgenden Tages nun spät abends, als sie alles vorbereitet hatten, segelte das Schiff mit ihnen und Gul und Akil ab, und da sie ziemlich günstigen Wind hatten, waren sie in wenigen Stunden viele Meilen fern von dem Tyrannen. Der stand aber morgens ganz früh auf, und als er vernommen hatte, daß das Schiff abgesegelt war, vermeinte er, sich der Jungfrau zu seiner Lust erfreuen zu können, schritt nach ihrem Palaste und trat in den Hof ein; da er dort auf niemand stieß, stieg er die Treppe hinan und kam in den Saal, den er, wie alle andern Gemächer, geplündert fand, und sah niemand erscheinen; und wie er jetzt die Öffnung entdeckte, die Dschasimin gemacht hatte, und sie wie ein Verzweifelter betrat, gelangte er in das Gemach, das er Gul angewiesen hatte. Er merkte nun auch den argen Spott, den die Jünglinge mit ihm getrieben hatten, und wurde von einem so plötzlichen Kummer und von so übermäßiger Wut ergriffen, daß er nach zwei Tagen, ohne daß man eine Ursache wußte, elendiglich starb. Da er keinen andern Erben als die eingekerkerte Tochter hinterließ, beredeten sich die Wesire lange über den Nachfolger im Reiche und beschlossen endlich, die Tochter des toten Tyrannen aus dem Gefängnis zu holen und sie mit ihrem Vetter, des getöteten Bruders Sohn, zu vermählen und ihn zum Nachfolger im Reiche zu machen. Diesen Beschluß führten sie sogleich aus und feierten feierlich die Hochzeit. Als dann nicht lange Zeit hernach der neue König von seiner Gemahlin vernahm, wie er um ihrer Gebete und um ihres abgelegten Gelübdes willen der Nachfolger in einem so großen Reiche geworden war, und daß dies dank dem von Gul gegebenen Rat eingetreten sei, ließ er verkünden, die Jünglinge sollten sogleich mit Gul und Akil zurückkehren, da er ihnen gerne eine der Größe der empfangenen Wohltat würdige Belohnung geben wolle. Doch wie er vernahm, daß sie, obwohl sie Gewißheit über den Tod des Tyrannen und über jegliches Ereignis hatten, aus Furcht dennoch nicht hierher zurückzukommen wagten, schickte er einige Abgesandte an sie, mit denen sie sich, nun ihres Lebens versichert, vor dem neuen Könige einstellten. Und Gul erzählte ihm die Geschichte von Anfang an, und er sagte dem höchsten Gott unendlichen Dank. Er war auch bereit, das Gelübde seiner Frau zu erfüllen, und bekannte sich mit ihr zusammen zu Christus. Dasselbe taten auch seine Wesire wegen des Wunders, das sie gesehen hatten; und es geschah, daß sich auch binnen kurzem alle Völker seiner Stadt und seines Landes taufen ließen. Und als der König aufs neue seine Hochzeit nach dem Brauche der christlichen Kirche gefeiert hatte, wünschte er auch, daß Dschasimin, der Urheber seiner so hohen Würde, Akil, Guls getreue Gefährtin, heiratete und sagte ein feierliches und großes Fest an, zu dem aus fernen Ländern mancher herkam. Am Ende des Festes aber machte er Firischte und Dschasimin zu Besitzern eines großen Schatzes; und sie führten zusammen mit ihren Weibern ein christliches Leben, indem sie ohne Unterlaß zu Gott, dem Allmächtigen, wegen der empfangenen Wohltat Gebete sandten.«

Behram-Gur hatte schon seine frühere Gesundheit wiedergefunden und befahl, als der sechste Geschichtenerzähler mit seiner Geschichte zu Ende gekommen war, seinem Palastaufseher, daß am folgenden Morgen, am Sonntage, sein ganzes Gefolge, mit goldenen Gewändern angetan, beizeiten nach dem siebenten Palaste, der ebenfalls ganz mit goldenen Verzierungen geschmückt war, gehen sollte. Und es hörten die Vornehmen den Willen des Gebieters, und jeder war bereit, ihm sogleich nachzukommen. Der Kaiser hatte an diesem Tage große Verwunderung über all die Ereignisse gezeigt, die infolge des grausamen und gottlosen Richterspruchs, den der wilde Tyrann über Firischte verhängt hatte, eingetroffen waren. Wie dann die Helle des kommenden Morgens hereinzubrechen begann, stieg er zu Pferde, da er sich heute so gesund fühlte, daß er der Sänfte nicht mehr bedurfte, und kam zur dritten Stunde nach dem siebenten Palaste. Er stieg ab und ging der Jungfrau, die hier war, entgegen. Er nahm sie bei der Hand, unterhielt sich mit ihr eine gute Zeit über in lieblichen Gesprächen und erlabte sich an sehr köstlichen Speisen. Dann befahl er, daß der letzte Geschichtenerzähler seine Geschichte beginnen sollte. Der stand nicht gar weit von dem kaiserlichen Herrn und hörte den Befehl und seinen Wunsch und gab seiner Geschichte, nachdem er ihm zuerst die schuldige Ehrerbietung erwiesen, solchen Anfang:

»Die andern Geschichtenerzähler, o Herr, haben, glaube ich, alle in ihrer Geschichte Ereignisse erzählt, die andern begegnet sind, ich hingegen will dir nicht anderer Leute Begebenheiten, sondern mir selbst zugestoßene erzählen. In meinem Vaterlande, das sich Kumis nennt, sind, ganz abgesehen von der Wissenschaft, in der die Menschen dort ihre Kinder zu unterweisen pflegen, die gar selten, die nicht gleichzeitig auch Musik treiben; deshalb gibt es daselbst gar viele, die sich in dieser Kunst auszeichnen. Und ich bin eines Mannes Sohn, der, wennschon er in ärmlichen Verhältnissen lebte, gern sein sauer Verdientes daranwandte, um mich andern Jünglingen meines Alters an Kenntnissen gleichzustellen, und mich in der Jugendzeit so unausgesetzt an das Studium der Musik trieb, daß ich bei weitem alle meine Gefährten in ihr überragte. Und wie ich bemerkte, daß in meiner Vaterstadt das Lautenschlagen sehr geschätzt wurde, verlegte ich mich ganz darauf; so kam es denn in kurzer Zeit, daß ich mit jedem Tage einen größeren Verdienst erlangte und kurz über lang alle andern an Fertigkeit überragte. In dieser Kunst unterwies ich nun aus meiner Vaterstadt viele und auch andere, die aus der Nachbarstadt zu mir kamen, um sie zu erlernen, und ich pflegte mit ihr eine große Summe Geldes zu erwerben.

Es geschah aber zu derselben Zeit, daß ein alter Kaufmann in unsere Stadt kam, der eine Jungfrau mit sich brachte, die so ausgezeichnet die Laute schlug, daß niemand auf der ganzen Welt gefunden werden konnte, der es ihr in dieser Kunst gleichtat. Als sich dieses Gerücht in der Stadt verbreitete, kam es auch dem Gebieter zu Ohren, der die Musik gar sehr liebte; und er ließ den alten Kaufmann vor sich kommen, durch dessen Worte er von den Eigenschaften der Jungfrau wohl unterrichtet wurde. Er bat ihn herzlich, er solle sie vor sein Angesicht führen. Hierauf antwortete ihm der Kaufmann, er habe die Jungfrau ihrer seltenen Geschicklichkeiten wegen, die sie besäße, an Tochter Statt angenommen, und da sie willens wäre, stets keusch zu leben, lasse er sie in einem Gemache von vier Dienerinnen bedienen, aus dem sie nicht herausgehen wolle, da sie hier in Gebeten und Tugenden den ganzen Tag zu verbringen beabsichtige. Er bat ihn inständigst, wenn er ihre Kunst zu hören wünsche, möge es ihm gefallen, mit ihm in ihr Gemach zu kommen, auf daß er dort die seltene Kunst der Jungfrau zu seiner großen Zufriedenheit und zu seinem Wohlgefallen hören könne. Wie nun der Herr die Ursache vernommen hatte, beschloß er, da man die Jungfrau schwerlich aus dem Hause führen konnte, mit Anbruch der Nacht, nur von einem einzigen Großen begleitet, in das Haus des Kaufmanns zu gehen. Wie er dann dort war, trat er in das Gemach der Jungfrau ein und sah ihre Schönheit und Sittsamkeit und begann sie gar heftig zu lieben; er bat sie auch, sie möchte ihm den Gefallen erweisen, ihn ihre Kunst vernehmen zu lassen. Den Wunsch des Herrn erfüllend, nahm sie die Laute zur Hand und begann sie so süß zu schlagen, daß er, sich gegen den Kaufmann wendend, erklärte, er habe niemals einen in dieser Kunst vernommen, welcher der Vortrefflichkeit der Jungfrau im entferntesten gleichkäme. Dann bat er sie von neuem, sie möchte sich noch ein zweites Mal hören lassen; sie aber war ganz gehorsam und bereit, nahm die Laute zur Hand und schlug sie eine Zeitlang so süß, daß sich der Herr, ehe er von ihr ging, sehr heftig um ihrer Kunst willen in sie verliebte und ihr ein gar kostbares Geschmeide schenkte; und nachdem er ihr und dem Kaufmann für die empfangene Gunst herzlich gedankt hatte, ging er in seinen Palast zurück. Als jetzt der Ruf von der großen Auszeichnung der Jungfrau in dieser Kunst durch die ganze Stadt ging, geschah es in kurzer Zeit, daß ich mit dem Verluste des Ansehens und des Rufes, in denen ich vorher gestanden hatte, auch die Schüler noch verlor. Ich war nun über die Maßen betrübt, den großen Nutzen verloren zu haben, den ich mit dieser Fertigkeit erworben hatte, und ging eines Tages in das Haus des Kaufmanns; nachdem ich ihn umarmt hatte, ließ ich ihn um den großen Schaden wissen, den ich durch sein Kommen, zumal er die Jungfrau mit sich gebracht hatte, erlitten hatte, und bat ihn, da ich um seinetwillen in einen so schmerzensreichen Zustand versetze sei, möge er es mir wenigstens erlauben, ihre Kunst zu hören. Er ging zu der Jungfrau und offenbarte ihr meinen Wunsch; und da ich schon in einem hohen Alter stand, ließ sie mich gern eintreten, um sie anzuhören. Und sobald ich mich in ihrer Gegenwart befand, sah ich ihre einzige Schönheit und begann zu glauben, wenn es um ihre Kunst auch so stünde, würde sie mich und jeden andern in ihr übertreffen. Um mich dessen zu vergewissern, bat ich sie herzlich, sie möchte die Laute zur Hand nehmen und damit einverstanden sein, mich ihre große Kunst hören zu lassen. Sie aber erhörte mich sogleich und ließ mich eine so süße Weise vernehmen, daß mir gewiß wurde, man könnte niemanden auf der ganzen Welt finden, der es ihr in dieser Kunst gleichtäte. Da flößte sie mir nun mit ihrer Geschicklichkeit Zuneigung ein, und ich bat sie und auch den Kaufmann gar herzlich, sie möchten darein willigen, da ich ja schon alt wäre, mich als Diener anzunehmen, weil ich der seltenen Kunst der Jungfrau wegen nicht verfehlen würde, ihnen treue und fleißige Dienste zu leisten. Man erhörte die Bitte, und ich wurde von dem Kaufmann zur Besorgung des jungfräulichen Gemaches bestimmt. Und ich gab mir Mühe, mir beständig durch Pünktlichkeit im Dienste ihre Huld zu erwerben; und nach wenigen Tagen merkte ich, daß sie mich wie den eignen Vater liebte und verehrte. Wie ich nun durch die Süße eines solchen Dienstes für den empfangenen Schaden vollauf entschädigt wurde und ein ruhiges und glückliches Leben in dem Gemache der Jungfrau lebte, merkte ich, daß sie, sooft sie die Laute zu schlagen pflegte, gar schwere Seufzer ausstieß, und da ich glaubte, daß die Liebe dies verursachte, nahm ich mir eines Tages vor, sie danach zu fragen. Und nach Verlauf dreier Monate bot sich mir die Gelegenheit; als sie sich mit mir über mancherlei Naturereignisse und den unglücklichen Zustand der Sterblichen unterhielt, sprach ich zu ihr: ›Ach, o meine Herrin, laß es dich nicht verdrießen, mir die Ursache der vielen Seufzer zu offenbaren, die ich dich fortwährend ausstoßen höre, da ich als alter und erfahrener Mann doch vielleicht irgendein Heilmittel für deinen Kummer finden könnte. Und wenn dir meine Frage, welche die tiefe Verehrung, die ich deiner Tugend zolle, allein verursacht, zu keck zu sein scheint, bitte ich dich demütig um Verzeihung!« Als ich diese Worte ausgesprochen hatte, fing die Jungfrau ihretwegen zu weinen an und sprach zu mir: »Weil du mir, o teuerster Vater, bei deinem Dienste durch sehr viel Zeichen zu erkennen gäbest, daß du mich stets wie eine eigene Tochter innig lieb hattest, und du mir in allen Dingen treue und fleißige Dienste leistetest, will ich dir augenblicklich die Ursache meiner Seufzer erzählen; da ich nun aber nicht will, daß sie irgendeinem andern offenbar wird, bitte ich dich gar herzlich, du wollest sie geheimhalten und nach deinem Können für mein großes Leiden ein Heilmittel suchen. Wisse also, daß ich im Alter von zehn Jahren unter der Gewalt eines schlechten und elenden Oheims stand – ehe ich noch aus den Windeln kam, waren mir Vater und Mutter gestorben – und von ihm an einen reichen Kaufmann verkauft wurde, weil ich mich viel mit Musik abgab und es keinen meines Alters gab, der mich in dieser Kunst überragte. Der führte mich nun fünf Jahre lang mit sich durch die verschiedenen Teile der Welt und ließ mich vor vielen Herren spielen und pflegte mit meiner Kunst ziemlich viel Geld zu verdienen. Nun ereignete es sich, als er mit seinem Kaufmannsgute in ein fernes Land in das Serail eines großmächtigen Fürsten kam und mich hier vor vielen seiner Großen spielen ließ, die ihn deswegen reich beschenkten, daß der Fürst von meiner Kunst vernahm, und da er die Musik über alles liebte, sogleich meinen Herrn bitten ließ, mich vor sich zu führen. Wie ich nun vor ihm stand, nahm ich die Laute in die Hand und merkte wohl, als ich sie schlug, daß der Fürst viel Gefallen an meiner Kunst fand. Darauf nahm ich Urlaub von ihm und kehrte, mit einem schönen Geschmeide beschenkt, mit meinem Herrn in unser Haus zurück.

Der Fürst ließ ihn aber am selben Tage wissen, daß er ihm für meine Person jeden auch noch so hohen Preis zahlen wollte, wenn er mich ihm überließe. Da verkaufte er mich ihm; und nachdem er eine große Summe Geldes von ihm empfangen hatte, kehrte er reich in sein Vaterland zurück. Nun ließ mich der Fürst sogleich mit reichen und kostbaren Gewändern bekleiden und verliebte sich in einer kurzen Spanne Zeit so heftig in mich, daß ich, obwohl ich seine Sklavin war, alles von ihm erlangen konnte. Da jedoch das Glück dem Sterblichen nicht allzulange hold und wohlgesinnt zu sein pflegt, so geschah es, als er mich eines Tages mit sich auf die Jagd nahm und einem Hirsche mit einem einzigen Pfeilschusse, den ich ihm zu tun vorgeschlagen hatte, einen Fuß mit dem Ohre zusammenheftete, daß er eines Wortes wegen, das ich unbesonnenerweise im Augenblicke über den Schuß äußerte, in einen plötzlichen und heftigen Zorn geriet. Er glaubte nämlich, durch meine allzu offenherzigen Worte wäre seine Ehre beleidigt, und befahl seinen Dienern, sie sollten mich sogleich entkleiden, mir die Hände auf den Rücken binden und mich in einen nahen Wald führen, wo mich nachts die wilden Tiere auffressen könnten. Als dies von den Dienern ausgeführt worden war, und sie mich entblößt und gebunden dem Belieben des Glückes überlassen hatten, beschloß ich, tief unglücklich und schmerzerfüllt aus Furcht vor dem Tode, der meiner auf jedem Wege wartete, zu wandern, wobei ich auf der Karawanenstraße anlangte. Hier kam nun bei Sonnenuntergang eine große Schar Kaufleute vorüber, die der Herberge zuzogen und mein klägliches Wimmern hörten. Unser Herr, der sich unter ihnen befand, ging meiner traurigen Stimme nach und stieß auf mich, und da er großes Mitleid mit mir hatte, nahm er mir die Bande ab, bekleidete mich mit seinen Gewändern und nahm mich mit sich in die Herberge, wo er mich nach meinem Namen, nach meinem Berufe und meinem großen Mißgeschick fragte; er konnte aber nichts weiter von mir hören, als daß mein Beruf die Musik wäre. Da ließ er sich nun vom Wirt eine Laute geben und legte sie mir in die Hand, und als ich sie schlug und das Spiel mit Gesang begleitete, verschaffte es ihm so große Freude, daß er mich an Tochter Statt annahm und mich überall mit hinführte und mir jeden Dienst, wie du siehst, leistete. Weil ich aber die glücklichen Umstände, in denen ich bei meinem Herrn lebte, nicht zu vergessen vermag, und ich auch die Liebe zu ihm noch heiß in mir fühle, so kann ich mich nicht enthalten, jedesmal, wenn ich die Laute zur Hand nehme, die mich zu so hohen Ehren gebracht hat und meinem Gebieter soviel Freude zu machen pflegte, viele inbrünstige und schmerzvolle Seufzer auszustoßen. Und ich bitte dich jetzt gar sehr, da ich dir ihren Grund erzählt habe, du wollest mir, wenn du es vermagst, ein Heilmittel dafür suchen!‹ Als die Jungfrau ihre Erzählung beendet hatte, konnte ich mich aus Mitgefühl mit dem großen Unglück, das ihr zugestoßen war, der Tränen nicht enthalten und versprach ihr, mit all meiner Macht ein Heilmittel für ihren großen Schmerz suchen zu wollen. Ich nahm mir vor, mittels der von ihr mir gegebenen Zeichen ihren Herrn zu suchen, um ihn wissen zu lassen: wiewohl er die Jungfrau zu einem so harten Tode verurteilt habe, brenne sie doch noch in heißer Liebe zu ihm. Ich beurlaubte mich von ihr und machte mich auf den Weg und kam nach Verlauf von acht Tagen in eine große und schöne Stadt, wo verkündet wurde, daß ein jeder, der in deiner Gegenwart eine schöne Geschichte erzählte, von dir mit vielen und reichen Geschenken bedacht werden sollte; da beschloß ich denn, vor dich hinzutreten und dir ein keinem andern, sondern mir zugestoßenes Ereignis zu offenbaren.«

Und Behram-Gur vernahm diese Worte und sagte gleich bei sich selbst: »Ach, das ist wahrlich meine Dilirama!« Und als er von dem Geschichtenerzähler erfahren hatte, wo und in wessen Macht sie sich befand, schickte er verschiedene Boten an ihren Herrn aus und ließ ihm in seinem Namen einen großen Schatz anbieten, falls er die Jungfrau vor sein Antlitz brächte, weil er sie gar gerne hören möchte, da er sich an der Musik erfreue und der Ruf von ihrer großen Kunst bis zu seinen Ohren gekommen sei. Wie nun Behram-Gurs Boten zu dem Kaufmann gelangt waren, beschloß der – da es ihm viel mehr um die Huld eines so großen Herrn zu tun war, als um die großen Versprechungen, die man ihm in seinem Namen gemacht hatte –, in sein Land zu ziehen, und begab sich sogleich mit der Jungfrau auf den Weg. Und als er ihr die Ursache ihrer Reise verkündigte, merkte sie, daß sich ihr alter Diener auf das beste seines gegebenen Versprechens entledigt hatte, indem er ihrem Herrn Nachrichten von ihr gegeben hatte. Wie sie nun nicht lange Zeit hernach in der Hauptstadt angekommen waren, ließen sie sogleich Behram-Gur um ihre Ankunft wissen. Der kam aber, nur von einem einzigen Vornehmen begleitet, in das Haus, wo der Kaufmann mit Dilirama wohnte, sah sie und umarmte sie und konnte sich der Freudentränen nicht erwehren und wurde von einer unsäglichen Fröhlichkeit ergriffen. Nachdem er dem Kaufmann die Grausamkeit erzählt, die er an Dilirama begangen hatte, und ihn dann mit vielen Lasten Goldes beschenkt hatte, behielt er Dilirama bei sich; die wußte sich aber bei ihrem alten Diener in großer Schuld und bat ihren Herrn gar herzlich, weil sie durch dessen Veranlassung in ihren früheren Zustand zurückversetzt wäre, möchte er es bei seiner Liebe wollen, ihn mit einer ehrenvollen Belohnung zu bedenken, was ihr von Behram-Gur gerne zugesagt wurde. Wie der König nun über das Wiederfinden von Dilirama hoch erfreut seine frühere Gesundheit wiedererlangt hatte, rief er des Königs von Sarandib drei Söhne vor sich und sprach zu ihnen: »Weil ich wahrlich weiß, o ihr mit hohem und edlem Verstande begabten Jünglinge, daß keiner von den vielen Ärzten meines Reiches mir ein Heilmittel für meine schwere Krankheit zu geben vermochte, sondern ihr allein dank eurer scharfsinnigen Einsicht und dank eurem klugen Rate meine frühere Gesundheit wiederhergestellt habt, möchte ich gern wissen: wie habt ihr solches Mittel zur Rettung meines Lebens erfahren können?« Da antwortete ihm der älteste: »O Herr, da ich einsah, daß du infolge der Schlaflosigkeit einer so schweren Krankheit verfallen warst, wegen der jeder an deinem Leben verzagte, und ich auch wußte, daß die meisten Krankheiten durch die entgegengesetzten Heilmittel verscheucht werden, sagte ich mir, daß deine Augen, solange du in dem Palaste wärest, keinen Schlaf finden würden und daß du, wenn du sieben Tage wenigstens die Gemächer wechseltest, deine frühere Gesundheit wiedererlangen könntest; daher riet ich dir, sieben Paläste erbauen zu lassen, in deren jedem du einen Tag verweilen solltest, und bildete mir ein, daß deine Augen vielleicht auf solche Weise besser Schlaf finden könnten!«

Da sprach der zweite: »Und ich glaubte, da ich einsah, daß die Wurzel deines Übels Dilirama, die du so sehr liebtest, und ihr Tod durch die wilden Tiere war: du würdest ihrer vergessen und so von deiner Krankheit befreit werden, wenn du dich einige Male mit andern Frauen unterhalten habest; so riet ich dir denn, in die sieben Paläste sieben schöne Jungfrauen hineinbringen zu lassen!« Als er geendet hatte, fuhr der dritte fort: »Weil ich nicht glauben konnte, daß Dilirama von den wilden Tieren verschlungen war, da man im Walde kein Anzeichen ihres Todes gefunden hatte, so urteilte ich: wenn du in den verschiedenen Landesteilen verkündigen ließest, sieben Geschichtenerzähler würden von dir gesucht, die eine schöne Geschichte erzählen und dann reich in ihre Vaterstadt zurückgeschickt werden sollten, könntest du durch irgendeinen von ihnen Diliramas Aufenthalt und etwas über ihr Ergehen erfahren, und deshalb kam es mir in den Sinn, dich an sieben Geschichtenerzähler zu erinnern!«

Als nun Behram-Gur den drei Jünglingen für alles gedankt und ihnen bekannt hatte, daß er ihrem hohen und edlen Verdienste sein Leben verdankte, bedachte er sie mit reichen Geschenken und schickte sie in ihr Land zurück. Sie machten sich nun auf den Weg; und wie sie im Reiche ihres Vaters, der schon hoch in den Jahren war, ankamen, fanden sie ihn krank vor. Er empfing sie aber mit großer Freude und sah, daß sie wahrhaft vollkommen waren, da sie mit Klugheit mancherlei Sitten und Gebräuche fremder Völker erlernt hatten, und gab ihnen seinen Segen und verschied aus dieser Welt. Der älteste Sohn folgte ihm in der Herrschaft und herrschte lange in großer Klugheit und zu großer Zufriedenheit seiner Untertanen. Der zweite jedoch reiste in das Land der Königin, die Behram-Gur den Spiegel zurückgegeben hatte, auf daß er ihr gegenüber keine Versäumnis beginge; und er nahm sie dem gegebenen Wort gemäß zum Weibe und wurde Herr ihres Landes. Nicht lange Zeit hernach erinnerte sich Behram-Gur, der eine junge Tochter hatte, der empfangenen Wohltat und ließ sein Kind dem dritten Bruder zum Weibe anbieten; der willigte ein und machte sich mit einer großen Schar auf den Weg an das Hoflager Behram-Gurs, wo die Hochzeit prunkvoll gefeiert wurde; und nach dem Tode seines Schwiegervaters, der bald darauf eintrat, wurde er Herr seines ganzen Reiches.


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