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Die Geschichte des Derwisches Abundar

Ein durch sein Alter verehrungswürdiger Derwisch wurde bei einem seit langem verwitweten Weibe krank, das in großer Armut in der Vorstadt von Bassorah lebte. Er war so gerührt über die Sorge und den Eifer, mit dem sie ihn gepflegt hatte, daß er zu ihr im Augenblick seines Fortgehens sprach: ›Ich habe bemerkt, daß du die nötigen Mittel zum Alleinleben, aber nicht genug hast, um mit deinem einzigen Sohne, dem kleinen Abdallah, zu teilen; wenn du ihn mir anvertrauen willst, so will ich mein möglichstes tun, um an ihm die Schuld, in der ich durch deine Sorgfalt bin, wettzumachen.‹ Die gute Frau nahm seinen Vorschlag freudig an; und der Derwisch entfernte sich mit dem jungen Manne, nachdem er ihr gesagt hatte, daß sie eine Reise machen wollten, die nahezu zwei Jahre dauern würde. Indem sie die Welt durchzogen, ließ er ihn im Überfluß leben, gab ihm treffliche Unterweisungen, half ihm von einer tödlichen Krankheit, die ihn ergriffen hatte, und trug so viel Sorge um ihn, als wenn er sein eigener Sohn gewesen wäre. Abdallah wiederholte ihm hundertmal, wie dankbar er ihm für seine Wohltaten wäre, jedoch der Greis sagte stets zu ihm: ›O mein Sohn, durch Taten beweist man die Dankbarkeit; wir wollen Zeit und Gelegenheit abwarten!‹

Sie befanden sich eines Tages auf ihrer Wanderung in einer entlegenen Gegend, und der Derwisch sprach zu Abdallah: ›O lieber Sohn, wir sind hier am Ziele unserer Reise; ich will durch meine Gebete den Himmel veranlassen, daß sich die Erde erschließt und eine Öffnung macht, und ich werde dir auftragen, durch sie an einen Ort zu gehen, wo du einen der größten Schätze, den die Erde in ihrem Schoße birgt, finden sollst... Wirst du wohl den Mut haben, in diese Höhle hineinzugehen?‹ fuhr er fort. Abdallah schwur ihm, daß er auf seine Gehorsamkeit und seinen Eifer rechnen dürfe. Darauf entzündete der Derwisch ein kleines Feuer und streute Wohlgerüche hinein, und las und betete eine Weile, bis sich die Erde öffnete; der Derwisch aber sagte dann: ›Du kannst hineingehen, o mein lieber Abdallah, denke daran, daß es nur auf dich ankommt, mir einen großen Dienst zu leisten, und daß es vielleicht die einzige Gelegenheit ist, um mir zu beweisen, daß du nicht undankbar bist; lasse dich nicht durch all die Reichtümer verblenden, die du da sehen wirst; denke nur daran, dich eines zwölf armigen eisernen Leuchters zu bemächtigen, den du bei einer Türe vorfindest; ihn habe ich dringend nötig, bringe ihn mir alsogleich!‹ Abdallah versprach alles und stieg dann mutig in die Höhlung. Er vergaß jedoch, was ihm so ausdrücklich befohlen war; und in der Zeit, in der er sein Gewand mit Gold und Diamanten anfüllte, welche die Höhle in verschwenderischer Menge barg, hatte sich die Öffnung, durch die er eingetreten war, geschlossen. Er hatte indessen die Geistesgegenwart gehabt, den Eisenleuchter, den ihm der Derwisch so sehr anempfohlen hatte, an sich zu reißen; und obwohl die Lage, in der er sich befand, sehr schrecklich war, verzweifelte er doch nicht. Nur auf Mittel sinnend, einen Ort zu verlassen, der sein Grab werden konnte, sah er ein, daß sich die Höhle nur deswegen über ihm geschlossen hatte, weil er dem Befehle des Derwisches nicht genau nachgekommen war, und erinnerte sich der Guttaten und Fürsorge, mit denen er ihn überschüttet hatte, bereute seine Undankbarkeit und beschloß, sich vor Gott zu demütigen. Endlich nach vieler Besorgnis und Unruhe war er so glücklich, einen schmalen Weg zu finden, der ihn aus diesem dunklen Gefängnis entkommen ließ. Doch geschah es wirklich erst, nachdem er lange darin fortgetappt war, daß er eine kleine Öffnung entdeckte, die Brombeergesträuch und Dornen überwucherten, durch die er das Tageslicht wiedergewann. Er blickte nach allen Seiten, ob er nicht den Derwisch entdecken könnte, aber seine Bemühungen waren vergebens; er wollte ihm den Leuchter, den er sich so dringend wünschte, geben und dachte über eine Ausrede nach, wie er sich von dem Greise zu trennen vermöchte, denn er fühlte sich reich genug mit dem, was er von dem Schatze genommen hatte, um seiner Hilfe entraten zu können.

Als er aber weder den Derwisch vorfand noch irgendeinen Ort wiedererkannte, an dem er verweilt hatte, ging er einige Zeit auf das Geratewohl zu und war sehr überrascht, als er vor dem Hause seiner Mutter stand, von der er sich weit entfernt glaubte. Die forschte ihn zuerst nach Nachrichten über den heiligen Derwisch aus. Abdallah erzählte ihr aufrichtig alle Ereignisse und von der Gefahr, in die er sich begeben hatte, um eine sehr unvernünftige Laune zu befriedigen, die der gehabt hatte; dann aber zeigte er ihr die Reichtümer, mit denen er beladen war. Seine Mutter meinte, als sie ihrer ansichtig wurde, daß der Derwisch nur seinen Mut und Gehorsam habe prüfen wollen und daß er das Vermögen, welches ihm das Glück gegeben, für sich benutzen solle, ja, sie fügte hinzu, daß solches zweifelsohne vom heiligen Derwisch beabsichtigt sei. Während sie nun diese Reichtümer gierig betrachteten, von ihnen ganz geblendet waren und tausend Pläne für die Zukunft schmiedeten, verschwand plötzlich alles aus ihren Augen. Da bereute Abdallah bitter seine Undankbarkeit und seinen Ungehorsam. Und als er sah, daß der eiserne Leuchter der Verzauberung widerstanden hatte, oder vielmehr der Strafe, die der verdient, der seinen Versprechungen nicht nachkommt, sagte er, indem er sich zu Boden warf: ›Was mir geschah, geschieht gerecht, ich habe verloren, was ich nicht zurückgeben wollte, und der Leuchter, den ich dem Derwisch ausliefern sollte, ist mir geblieben; das ist eine Prüfung, die er vornahm und die ich schlecht bestanden habe!‹ Die ersten Fehler ziehen gewöhnlich Reue nach sich, doch ist sie nicht von langer Dauer. Nachdem er solche Worte gesprochen hatte, stellte er den Leuchter inmitten ihres kleinen Hauses auf.

Als die Nacht hereinbrach, steckte er, ohne sich etwas dabei zu denken, ein Licht auf den Leuchter, das ihnen leuchten sollte. Alsobald sahen sie einen Derwisch erscheinen, der sich eine Stunde lang drehte und dann verschwand, nachdem er ihnen ein Asperstück zugeworfen hatte. Der Leuchter aber war zwölfarmig. Abdallah gab sich den ganzen Tag mit dem ab, was er am Vorabend gesehen hatte, und war begierig darauf, was sich ereignen würde, wenn er zwölf Kerzen anzündete; also tat er denn, und sogleich erschienen zwölf Derwische, drehten sich ganz gleichmäßig eine Stunde lang, und jeder warf ihnen beim Verschwinden ein Asperstück zu. Er wiederholte alle Tage die gleiche Handlung, sie hatte stets denselben Erfolg; doch konnte er sie nur einmal im Verlauf von vierundzwanzig Stunden vornehmen. Die mäßige Summe, welche ihnen die Derwische schenkten, genügte, um ihn und seine Mutter ein Leben mit einem gewissen Überflusse führen zu lassen; lange Zeit hatten, sie sich nicht mehr zu ihrem Glücke gewünscht; doch war die Summe nicht beträchtlich genug, um ihr Schicksal günstiger zu gestalten; immer weidet sich die Einbildung mit Gefahr an ersehnten Reichtümern. Der Anblick dessen, was sie zu besitzen geglaubt hatten, die Pläne, die sie über die Anwendung dieser Habe geschmiedet hatten, alles dies hatte tiefe Merkmale in Abdallahs Seele hinterlassen, die nichts verwischen konnte. Als er so den kargen Vorteil bedachte, den er aus dem Leuchter zog, faßte er den Plan, ihn dem Derwisch zurückzubringen, und hoffte dabeit daß er der Schätze, die er zu Gesicht bekommen habe, teilhaftig werden oder doch zum mindesten die vor seinen Augen verschwundenen wiederfinden könne, wenn er ihm etwas brächte, wonach er so großes Verlangen geäußert hatte. Glücklicherweise hatte er seinen Namen und den seines Wohnortes behalten. Und er brach alsobald auf, um nach Maghrabi zu wandern, nahm von seiner Mutter Abschied und machte sich auf den Weg mit seinem Leuchter, den er alle Abende sich drehen ließ und welcher ihm dadurch die Mittel für die Reise gewährte, so daß er die Hilfe und das Mitleid der Gläubigen nicht in Anspruch zu nehmen brauchte. Als er nun in Maghrabi anlangte, war seine erste Sorge, nach dem Kloster oder dem Hause zu fragen, in welchem Abunadar wohnte; der aber war so bekannt, daß ihm jedermann seinen Wohnsitz bezeichnen konnte. Alsogleich begab er sich dorthin und fand fünfzig Türhüter, die sein Haustor bewachten; jeder von ihnen hatte einen Stab mit einem goldenen Apfel in der Hand, die Gänge des Palastes waren voller Sklaven und Diener, niemals prunkte der Wohnsitz eines Fürsten mit soviel Pracht. Abdallah war von Erstaunen und Verwunderung ganz benommen und konnte sich nicht entschließen, vorwärts zu gehen. ›Gewißlich‹, sprach er zu sich selber, ›habe ich mich ungenügend erkundigt, oder die, an die ich mich gewandt habe, wollten sich über mich lustig machen; dies hier ist nicht eines Derwisches, es ist eines Königs Wohnsitz.‹ Und er war in solcher Verwirrung, als ihm ein Mann entgegentrat und zu ihm sprach: ›O Abdallah, sei willkommen, mein Gebieter Abunadar erwartet dich seit langem!‹ Endlich führte er ihn in ein gefälliges und prächtiges Lusthaus, in dem der Derwisch saß. Abdallah war ganz verwirrt über all die Eeichtümer, die ihm aus allen Ecken entgegensahen, und wollte sich ihm zu Füßen stürzen, jedoch hinderte ihn Abunadar daran und unterbrach ihn, als er es sich zum Verdienste machen wollte, ihm den Leuchter zu schenken. ›Du bist undankbar,‹ sagte er zu ihm, ›glaubst du mich darüber zu täuschen? Ich kenne jeden deiner Gedanken, und wenn du den Wert des Leuchters erkannt hättest, so würdest du ihn mir niemals gebracht haben. Aber ich will dir seinen wahren Nutzen zeigen!‹ Alsogleich steckte er ein Licht auf jeden seiner Arme, und als sich die zwölf Derwische eine Weile gedreht hatten, gab Abunadar einem jeden von ihnen einen Stockhieb, und im selben Augenblicke verwandelten sie sich in ein Dutzend Golddinare, Diamanten und andere kostbare Steine. ›So‹, sprach er zu ihm, ›muß man dieses Wunder ausnutzen. Schließlich habe ich nur gewünscht, ihn in meinem Gemache aufzustellen als einen Talisman, den ein von mir verehrter Weiser gearbeitet hat und den ich gern allen Leuten zeigen wollte, die mich von Zeit zu Zeit besuchen. Und um dir zu beweisen,‹ fügte er hinzu, ›daß die Liebhaberei an solchen merkwürdigen Gegenständen der einzige Grund war, weshalb ich ihn zu bekommen suchte, so nimm hier die Schlüssel zu meinen Speichern, öffne sie, und du wirst sehen, welche Reichtümer ich besitze; und du sollst mir sagen, ob nicht der unersättlichste Geizhals damit zufrieden wäre!‹ Abdallah aber gehorchte ihm und schritt durch zwölf sehr weitläufige Kammern, die derartig mit allen Arten von Kostbarkeiten angefüllt waren, daß er ratlos war, welcher er seine höchste Bewunderung zollen sollte; doch verdienten und vermehrten alle sein Verlangen. Indessen zerfleischte der Verdruß, den Leuchter fortgegeben, und der, seine Anwendung nicht gekannt zu haben, Abdallahs Herz. Abunadar schien solches nicht zu bemerken, im Gegenteil, er überschüttete ihn mit Liebkosungen, behielt ihn einige Tage in seinem Hause und verlangte für ihn dieselbe Behandlung wie für sich. Wie nun der Vorabend des Tages herangekommen war, den Abdallah für seine Abreise angesetzt hatte, sprach er zu ihm: ›O mein Sohn Abdallah, ich glaube, daß du nach dem, was dir zugestoßen ist, jenes schändliche Laster der Undankbarkeit abgelegt hast; daher will ich dir meine Dankbarkeit bezeigen, weil du eine so große Reise in der Absicht unternähmest, mir einen gewünschten Gegenstand zubringen; du kannst aufbrechen, ich halte dich nicht mehr; morgen wirst du an meinem Palasttore eines meiner Pferde zu deiner Bequemlichkeit finden, ich mache es dir zum Geschenk, ebenso auch einen Sklaven, welcher bis zu deinem Hause zwei mit Gold und Edelsteinen beladene Kamele leiten wird; die Schätze aber darfst du dir selbst aus meinen Vorräten aussuchen.‹ Abdallah sagte ihm alles, was ein zur Habgier neigendes Herz aussprechen kann, wenn man seine Neigung befriedigt, und legte sich schlafen, indem er den Morgen des für seine Abreise bestimmten Tages erwartete.

Während der Nacht war er in beständiger Aufregung und konnte an nichts anderes als nur an den Leuchter und seinen Zauber denken. ›Ich habe ihn so lange in meinen Händen gehabt‹, sprach er zu sich selbst; ›niemals hätte ihn Abunadar ohne mich in Besitz bekommen. Welcher Gefahr war ich nicht in der Höhle ausgesetzt? Warum gehört ihm heute dieser Schatz der Schätze? Weil ich so gut oder vielmehr so töricht war, ihm den zu bringen, er hat den Nutzen von meinen Mühen und den Gefahren, in die ich auf einer so weiten Reise geraten konnte. Ach, was gibt er mir zum Lohne? Zwei elende Kamele, die mit Gold und Juwelen beladen sind; auf einen Hieb könnte mir der Leuchter zehnmal mehr einbringen. Abunadar ist undankbar,‹ sprach er, ›welches Unrecht tue ich ihm, wenn ich den Leuchter an mich nehme? Wahrlich keins. Denn er ist reich, und was besitze ich?‹ Solche Gedanken bestimmten ihn schließlich, alles daranzugeben, um sich in den Besitz des Leuchters zu setzen; das war freilich nicht schwierig, denn Abunadar hatte ihm die Schlüssel seiner Speicher anvertraut. Er wußte, wo der Leuchter stand, und begab sich dorthin, verbarg ihn auf dem Boden eines Sacks, den er mit Geschmeiden, Gold und andern Kostbarkeiten füllte, die mitzunehmen man ihm erlaubt hatte, und ließ ihn wie alles andere auf seine Kamele laden. Er hatte keinen andern Gedanken, als fortzukommen; nachdem er sich schnell von dem edelmütigen Abunadar verabschiedet hatte, gab er ihm seine Schlüssel zurück und ritt auf seinem Pferde, begleitet von seinem Sklaven und den beiden Kamelen, fort.

Als er nach einigen Tagen in Bassorah eintraf, verkaufte er seinen Sklaven, da er keinen Zeugen seiner früheren Armut und der Quelle seines Reichtums haben wollte, und handelte dafür einen andern ein und begab sich ohne Aufsehn zu seiner Mutter, die er kaum beachten wollte, so sehr war er mit seinen Schätzen beschäftigt. Seine erste Sorge war, seine Kamele von ihrer Last befreien zu lassen und den Leuchter in dem verstecktesten Räume des Hauses aufzustellen; und in der Ungeduld, die ihn beherrschte, vor seinen Augen einen gediegenen Reichtum aufgespeichert zu sehen, steckte er Kerzen auf den Leuchter; die zwölf Derwische erschienen; er gab jedem mit aller Kraft einen Stockhieb, um ja den Bedingungen des Talismans aufs genaueste nachzukommen; aber er hatte nicht darauf geachtet, daß Abunadar beim Schlagen den Stock in der linken Hand gehalten hatte. Abdallah bediente sich infolge natürlicher Angewohnheit seiner rechten; und die Derwische, anstatt sich in Reichtümer aufzulösen, zogen alsbald aus ihren Gewändern jeder einen furchtbaren Stock, mit dem sie so lange und so heftig auf ihn einhieben, bis sie ihn beinahe totgeschlagen hatten, dann verschwanden sie, indem sie die Lasten der Kamele, die Kamele, den Sklaven und den Leuchter mit sich nahmen.

So, o Gebieter, wurde Abdallah mit Armut, ja beinahe mit dem Tode für seine unersättliche Habsucht bestraft, die vielleicht entschuldbar wäre, wenn er sie nicht mit einer Undankbarkeit gepaart hätte, die ebenso verdammenswert wie verwegen war, zumal er ja nicht imstande gewesen war, seine Treulosigkeit vor den allzu klarsehenden Augen seines Wohltäters zu verbergen!‹

Naur schien von dieser Geschichte befriedigt zu sein und sagte zu Abukazir, daß sie ihm um so mehr Vergnügen gemacht hätte, als sie ein Beispiel der gerechten Bestrafung des schwärzesten aller Laster aufstellte, das den Menschen nur allzu gemeinsam wäre und für welches es niemals eine Entschuldigung gäbe.

Fatme war zu sehr von dieser Geschichte gefesselt, als daß sie ihre Meinung verschwiegen hätte. Sie hatte sich unter dem Sinnbilde des Schatzes wiedererkannt, dessen Besitz nur zu erwünscht sein kann; sie zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie in Abukazirs Augen begehrenswert sei; aber daran, wie er die Undankbarkeit Abdallahs ausmalte, hatte sie nur zu sehr gemerkt, wie sehr ihr Liebhaber um sein Glück in Sorge war; seine Treue für seinen Gebieter war es nicht, um was er am meisten fürchtete, und seine letzten Worte bewiesen ihr, daß es ihm weniger beschwerlich wäre, ihn zu verraten, als sie zu täuschen.

›Ich räume ein, o Herr,‹ sagte sie, ›daß die eben erzählte Geschichte ebenso liebenswürdig wie ihre Moral gerecht ist, doch kann mich das nicht hindern, dabei zu fühlen, daß Abukazir die meinige hat bekritteln wollen. Ich habe an Naerdan die Zaghaftigkeit getadelt, die ihn zu einer schlecht angebrachten Dankbarkeit veranlaßte, die ihm sein und seiner Geliebten Glück kosten konnte; Abukazir tut aber unrecht, wenn er annimmt, ich hätte aus Undankbarkeit eine Tugend machen wollen, und meine vielmehr, daß die Abdallahs nicht genügend bestraft zu sein scheint, ist ein Fehler in seiner Erzählung; der Eigennutz, der für ihn selbst keine Tugend sein konnte, kann ihn noch weniger des Lasters wegen entschuldigen. Was hingegen die Liebe des öftern zu tun pflegt, muß weniger streng beurteilt werden. Es macht die Schuldigen nur allzu bedauernswert, und der ganze Erdkreis ist in solchem Falle nur zur Nachsicht verpflichtet. Abdallah hätte, wenn er sich mit dem Derwisch vereinigte,‹ fuhr sie fort, ›alle seine Reichtümer teilen und glücklich sein können, und war so töricht, an einen Betrug zu denken: diese Kunst und Feinheit muß man den Liebesleuten überlassen, denen sie allein gestattet ist; die wissen sie so wohl anzuwenden, daß es keinen Aufpasser gibt, den sie nicht hinter das Licht führen.‹

Abukazir schlug die Augen nieder, um einem Blicke zu entgehn, den der König auffing, ohne ihn genügsam aufzuklären; indessen sagte er aufgeregt und mit Gedanken beschäftigt, die ihm ganz neu waren, er wolle sich zurückziehen; doch ließ er sich von Fatme versprechen, ihm anderen Abends eine Geschichte zu erzählen, die bewiese, was sie eben behauptet hätte. Und am folgenden Tage nach vollendeter Mahlzeit erinnerte sich der König leicht des flüchtigen Eindrucks wieder, den er gehabt hatte. Solcherart aber erzählte sie ihm:


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