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Dscha'Afar Al-Mansur, der Kalif, hatte ein so glückliches Gedächtnis, daß er jedes Gedicht, das er einmal gehört hatte, auswendig wußte. Er besaß eine Sklavin, die alles Vorgesagte von Wort zu Wort wiederholen konnte, nachdem sie es zweimal gehört hatte, und einen Sklaven, der jedes Gedicht nach dreimaligem Anhören zu wiederholen wußte.

Er war ein großer Liebhaber der Wissenschaften, für deren Gönner er gern gelten mochte; zugleich aber war er so außerordentlich geizig, daß ihm der Name Dewaniki oder Pfennigknicker geblieben ist. Sooft ihm ein Dichter ein Werk darbrachte, befahl er, sein Gewicht in Gold abzuwägen, vorausgesetzt, daß es neu und nicht aus gestohlenen Gedanken zusammengesetzt war. Las nun der arme Dichter sein Lob- und Preisgedicht vor, so wiederholte es der Kalif sogleich vom Anfang bis zum Ende und sagte: »Das ist ja was Uraltes, du siehst, daß ich es schon längst auswendig gewußt habe!«

Der erstaunte Dichter erkühnte sich, manchmal untertänigst zu erinnern, daß dies wohl eine glückliche und außerordentliche Naturgabe seiner Erhabenheit sein möchte, einmal gehörte Gedichte von Wort zu Wort wiederholen zu können. Hierauf sagte Al-Mansur: »Nicht im geringsten; diese Verse kennt ja jedes Kind. Siehst du dort die Sklavin und den Sklaven, sie haben es mir schon mehr als einmal wiederholt!« Hiermit forderte der Kalif diese auf, das Gehörte zu wiederholen, was sie kraft ihrer guten Gedächtnisse leicht tun konnten, indem es die Sklavin zweimal: aus dem Munde des Dichters nämlich und dem des Kalifen; der Sklave dreimal: aus dem Munde des Dichters, des Kalifen und der Sklavin, gehört hatte. So kam es denn, daß der arme Dichter, ganz erstaunt ob dieses ohne sein Wissen begangenen Diebstahles, mit leeren Händen abzog und nicht einmal den geringen Preis des Gewichtes in Gold davontrug.

Asmai, dem diese unwürdige Behandlung seiner Zunftgenossen zu Herzen ging, beschloß, diese und sich selbst am Kalifen zu rächen. Er verfertigte ein kurzes Gedicht, das sich aus den schwersten Worten und härtesten Silben, welche die arabische Sprache hat, zusammensetzte, verkleidete sich als Beduine und kam auf einem Kamele in das Serail des Kalifen gezogen. Der Kalif setzte ihm die bekannten Bedingungen: »O Bruder Araber! Wenn dein Gedicht dein eigen ist, so wäge ichs mit Gold auf, wenn nicht, so erhältst du keinen Dirhem.« Nun sagte Asmai die folgenden Verse auf:

Das Bülbülbül der Nachtigall – Schlug hoch und tief im Herz.
Die Blumenflur! der Wasserfall – Ein Schelmenaug voll Scherz!
Ich sagte, du gebietest mir, – Mein Schatz, mein Schätzelein!
Wie mancher sehnet sich nach dir, – O mein Gazellelein!
Ich pflückte Rosen durch den Kuß – Von ihrem Angesicht.
Ich sagte: Gib mir Kuß auf Kuß, – Sie aber wollte nicht.
Sie sagte: Nein! mitnichten! nein! – Da schritt ich für und für;
Da neigte sich das Mägdelein – Erzürnt auf die Manier.
Sie schrie und weinte, o! und ach! – Und weh! und ach! und ei!
Ich sagte: Weine nicht, gib nach, – Man sieht die Perlenreih.
Als sie ein wenig stiller ward, – Verlangt ich mehr als Kuß.
Verlangte, weil sich alles paart, – Der Liebe Vollgenuß.
Sie sagte: Ists um diese Zeit? – Wohlan, so trink und iß!
Sie machte mir den Wein bereit, – Den Wein, wie Honig süß.
Ich nößelte den Balsamsaft – Der Blumenfluren ein,
Es schien, als duftete die Luft – Von Würzenägelein.
Die Laute schlug: trallalala, – Die Trommel: dum, dum, dum,
Die Tänzer sprangen hopsassa, – Das Dach ging um und um.
In Quittenblättern aufgetischt – Erschien das frohe Mahl;
Zu Turteltauben Girren mischt – Den Klingklang der Pokal.
Allein am Morgen, o der Scham! – Kam es zum Eselsritt,
Auf einem Esel, der halb lahm – Gleich einer Schildkröt schlich.
Das Volk lief mir in Haufen nach, – Klif klaf, klif klaf, klif klaf,
Rundum ward das Getümmel wach – Pif paf, pif paf, pif paf.
Ich aber ritt im vollen Trab – So gut ich könnt, davon.
Und stieg zuletzt am Hofe ab, – Am großen Königsthron.
Man gab mir einen roten Rock – Zum Lohn und Ehrenstrauß,
Dann sprengt ich über Stein und Stock – Zu Bagdads Tor hinaus.
Ich selbst Asmai (habt Respekt) – Geborn in Mosuls Wall,
Hab dieses Liedlein ausgeheckt – Gleich einer Nachtigall.

Der Kalif hatte das Lied der vielen Onomatopöien und harten Silbenversetzungen wegen viel zu schwer gefunden, um es einmal anhörend aufsagen zu können; er sah den Sklaven und die Sklavin an, die kein Wort davon behalten hatten.

Schließlich sprach er verdrießlich: »Nun, so gib dein Gedicht her, auf daß ich es mit Gold aufwiege.« »Sogleich, erlaube mir, daß ich es ablade.« »Wie? ein Gedicht abladen? Was ist das?« »Ja, du sollst es gleich sehen, o Fürst der Rechtgläubigen.« Das Kamel wurde vorgeführt; seine Last aber war eine Säule, auf der das Gedicht eingegraben war. Der Kalif konnte nicht anders, als Wort halten, und er mußte den Stein mit Gold aufwiegen.

Endlich breitete Asmai den Mantel, mit dem er das Gesicht eingehüllt hatte, auseinander und sprach: »Du siehst, ich bin kein Asmai aus der Wüste, sondern der Asmai deines Hofes, o Fürst der Rechtgläubigen, der sich unterstanden hat, deine Erhabenheit hierdurch zu erinnern, daß man den armen Poeten ihr Brot nicht abstehlen muß!«


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