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Die Geschichte des Sultans Akschid

Als Akschid, der Sultan von Ägypten, nachdem er hoch in die Jahre gekommen war, den letzten Tag seines Lebens nahen fühlte, versammelte er seine drei Söhne und sprach zu ihnen: »O meine Kinder, ich werde bald mit meinen Werken vor dem Gericht des Höchsten erscheinen; aber ehe der Engel des Todes das Haupt auf mein Kopfkissen legt, befehle ich euch, mein Begräbnis zu feiern. Ich will sehn, wie ihr es vollziehen werdet, wenn ich zu leben aufgehört haben werde. Befriedigt meine Neugier; befehlt auf der Stelle in meinem Namen all meinen Wesiren, daß sie eiligst all meine Nachbarn und Gefolgsleute unter den Khans und den Königen benachrichtigen, damit sie sich zu dieser Feier einfinden. Nichts möge fehlen, und sie möge mit demselben Prunk stattfinden, als wenn ich schon aus der Welt geschieden wäre.« Die drei Prinzen brachen ob dieser Worte in Tränen aus, doch sie schickten sich alsbald an, dem König, ihrem Vater, zu gehorchen.

Die Wesire erließen alle Befehle, die für ein so trauriges Fest geboten waren, und auch der Tag der Feier wurde festgesetzt. Die Beis trafen alle Zurüstungen, die von ihnen erwartet wurden, und als der Tag nahte, war demgemäß alles bereit. Der ganze Palast wurde mit Trauerfarben behangen; auf dem großen Platz stellte man all die Krieger der Leibwache in Schlachtordnung auf, und es waren ihrer fünfzigtausend Mann; und nachdem ihnen in goldenen Beuteln der Sold gereicht worden war, traten all die Beis in das Gemach des Sultans, der auf seinem Lager lag; sie nahmen ihn und trugen ihn auf einen Thron, vor dem vier Wesire unter einem prachtvollen Baldachin, der von vier Prinzen, den Söhnen von Königen, getragen wurde, einen Sarg niedersetzten.

Dann begannen sechs Beis überall Erde auszustreuen, die dem Palast entnommen und mit unendlich vielen kleinen Stücken Taft in allerlei Farben untermischt war. Und schließlich kamen die drei Söhne des Königs und schmückten den Sarg mit einer unermeßlichen Fülle von Edelsteinen, um ihn schließlich mit Akschids Krone zu krönen, die mit großen, blendenden Diamanten eingelegt war.

Als dann in dieser Weise alles gerüstet war, ergriffen vier große Khans, das heißt vier freie Fürsten der Tataren, den Sarg an seinen vier Füßen und hoben ihn auf ihre Arme. Vor dem Sarge schritten, Psalmen singend, die Scheichs oder Gelehrten einher. Denen folgten die Sahids oder Einsiedler, deren einer auf einer gesattelten Kamelstute ritt und mit großer Ehrfurcht den Koran trug. Die Fürsten und Königssöhne, die Khans und ihre Sprößlinge schritten neben dem Sarg einher, und unmittelbar hinter ihm folgten zweihundert Tamburinschläger, die eine Trauerweise schlugen und Verse zum Ruhme des Königs sangen; und plötzlich unterbrachen sie sämtlich ihre Gesänge und riefen mit lauter Stimme: »O grausames Schicksal! O Tag des Unglücks! Der König, der gerechteste aller Könige, der Eroberer der Reiche, der Vernichter der Feinde und der Ernährer der Freunde, ist tot!« Nach diesem Ausruf warfen sie mit vollen Händen schwarzgefärbte Mandeln auf den Sarg.

Hinter diesen Tamburinschlägern aber folgten fünfzig Wesire in langen schwarzen und blauen Trauergewändern; und hinter ihnen wieder kamen die Beis, die in den Händen zerbrochene Bogen trugen. Und denen wieder folgten zehntausend Kamele mit goldenen Sätteln und Zügeln; allen waren die Schwänze beschnitten, und zehntausend schwarze Sklaven in blauem Linnen führten sie am Halfter. Den Schluß des Zuges aber bildeten sämtliche Sklavinnen aus dem Harem, die sich die Gesichter schwarz und blau bestrichen hatten; ihr Haar war gelöst, und sie schrien und heulten furchtbar.

Ob dieses Schauspiels stieß der alte Akschid einen tiefen Seufzer aus und rief: »Ich habe mein Leichenbegängnis schon vor dem Tode gesehen!« Dann befahl er, daß man ihm hülfe, vom Throne herabzusteigen, und als er herabgestiegen war, hob er eine Handvoll von jener Erde auf, die die Beis gestreut hatten, rieb sich Kopf und Bart damit und sprach: »Die Erde bedecke einen Mann wie mich, der während seiner langen Regierung nichts vollbracht hat, wessen die Nachwelt gedenken könnte.« Damit wandte er sich seinen Wesiren zu und sprach zu ihnen: »Ich will ein paar Stiftungen gründen. Schreibt.« Der Großwesir machte sich bereit, um zu schreiben, und der Sultan sagte ihm folgende Worte vor: »Zunächst hinterlasse ich eine Million zweihundertundzwanzigtausend Aktschas zum Bau eines Spitals für die Moslems, die vom Aussatz befallen sind. Die gleiche Summe hinterlasse ich für den Bau einer Schule, in der Bogenschießen und Ballspiel gelehrt werden sollen. Und für die dritte Stiftung befehle ich, daß man einen neuen Khan errichte; der soll gefüllt sein mit schwarzen Frauen zur Bedienung weißer Reisender; und zu seiner Erhaltung soll man meinem Schatz jeden Tag fünfhundert Dinare entnehmen. Viertens und letztens aber befehle ich, daß man Bäder errichte, die geschiedenen Frauen als Zuflucht dienen sollen, bis sie Hullas oder Zwischengatten gefunden haben; und zu diesem Zweck hinterlasse ich neunhunderttausend Aktschas.«

Als nun der König diese frommen und wohltätigen Stiftungen verkündet hatte, ließ er sich die Bücher des Koran bringen und vorlesen. Dem Vorleser gab er tausend Dinare, den Einsiedlern und Derwischen je fünfhundert und allen Blinden und Lahmen je hundert. Dann wurde das Totenmahl bereitet. Die Speisen wurden in goldenen Gefäßen aufgetragen, und einem jeden, dem sie angeboten wurden, wurde gesagt: »Auch das Gefäß gehört dir; es ist dir erlaubt, es mitzunehmen.« Und nach dem Gastmahl setzte Akschid alle Sklavinnen in Freiheit, die sich in seinem Pa last befanden.

Das war die Feier, die der Sultan abhalten ließ und die am folgenden Tage von neuem beginnen mußte, denn er erkrankte noch selbigen Tages. Er legte sich nieder, und da er den letzten Augenblick nahen fühlte, rief er die drei Prinzen, seine Söhne, und sprach zu ihnen: »O meine Kinder, ich habe im Winkel meiner Kammer zur linken Hand dessen, der eintritt, eine Schatulle verborgen, darin die herrlichsten Edelsteine der Welt enthalten sind; ich befehle euch, sie nach meinem Tode gleichmäßig unter euch zu verteilen, sowie ihr meinem Grabe die Ehren erwiesen habt, die ihr ihm schuldig seid.«

Der König starb; aber der jüngste seiner Söhne ging in seiner Ungeduld, die Schatulle zu sehen, von der er ihn hatte reden hören, allein in die Kammer, fand sie und war von der Schönheit der Edelsteine so geblendet, daß er beschloß, sie zu behalten und zu behaupten, daß er sie nicht genommen hätte. Kaum nun war die Leichenfeier Akschids vorüber, so eilten auch die beiden andern Brüder, getrieben von der gleichen Neugier wie ihr Bruder, in die Kammer. Sie begnügten sich nicht damit, den Winkel zur linken Hand dessen, der eintritt, zu untersuchen, sondern sie forschten überall, und sie erstaunten in höchstem Staunen, als sie fanden, daß all ihr Suchen vergeblieh war. Da traf der dritte Prinz ein und sprach zu ihnen: »O meine Brüder, sind die Edelsteine wirklich so schön?« »Das weißt du besser als wir,« erwiderte der älteste, »ich müßte mich sehr täuschen, wenn du sie nicht entwendet hast.« »Ei, wahrlich,« rief der jüngste Prinz, »ihr tischt mir da ein heiteres Märchen auf; ihr selber habt sie entwendet, und jetzt wollt ihr mich des Diebstahls bezichtigen.« »Hört mich an, o meine Brüder,« unterbrach der zweite Prinz sie, »einer von uns dreien muß sie notwendig gestohlen haben, weil kein andrer als wir diese Kammer betreten darf. Wenn ihr meinem Rate folgen wollt, so laßt uns zum Kadi schicken, der als der klügste und scharfsinnigste Mann in ganz Kairo gilt; er wird uns verhören und vielleicht den Dieb entdecken.« Die beiden andren Prinzen willigten ein, und sie ließen also den Kadi kommen, der zu ihnen sprach, als er vernommen hatte, worum es sich handelte: »O meine Herren und Prinzen, bevor ich sage, welcher von euch dreien die Edelsteine genommen hat, flehe ich euch an, aufmerksam der Geschichte zu lauschen, die ich euch erzählen möchte.

Es lebte einmal ein Jüngling, der ein Mädchen leidenschaftlich liebte und auch bei ihr Liebe fand. Sie beide wünschten, daß eine glückliche Heirat sie vereinigte; aber die Eltern des Mädchens hatten anders über sie bestimmt; sie sagten sie einem andern Manne zu und standen schon im Begriff, sie ihm zu überliefern, als sie jenem begegnete, den sie liebte. Weinend sprach sie zu ihm: »Du weißt nicht, was vorgeht; die Meinen wollen mich einem Manne geben, den ich noch niemals gesehen habe; ich muß auf die süße Hoffnung, dir zu geboren, verzichten; welche harte Not!« »O meine Königin,« rief der Liebhaber in Verzweiflung, »O meine Sultanin, was sagst du mir da ? Ist es möglich, daß man dich meinem Verlangen entreiße? O Himmel, was soll aus mir werden?« Und während er also sprach, traten ihm die Tränen in die Augen. Sie begannen sich ob ihres Unglücks zu beklagen und rührten einander bis zu Tränen; aber während der Liebhaber nur daran dachte, zu jammern, dachte die Geliebte in ihrer Güte auch daran, seinen Kummer zu lindern. »Mäßige deinen Schmerz,« sprach sie zu ihm, »ich verspreche dir, daß ich in der Hochzeitsnacht, bevor ich mich zu meinem Gatten lege, zu dir kommen werde.« Dieses Versprechen tröstete den Liebhaber ein wenig, und er harrte dieser Nacht in großer Ungeduld.

Inzwischen trafen die Eltern des Mädchens alle Zurüstungen zu der Hochzeit, und schließlich vermählten sie sie dem Manne, dem sie sie bestimmt hatten. Es war Nacht, und schon hatten sich die Neuvermählten in das eheliche Gemach zurückgezogen und rüsteten sich zur Kühe, als der Gatte merkte, daß sein Weib bitterlich weinte. »Was hast du, o meine Herrin?« fragte er, »welches ist die Ursache deiner Tränen? Wenn es dir widerstrebt, dich mir hinzugeben, weshalb hast du es mir da nicht eher gesagt? Ich hätte mich dir nicht mit Gewalt vermählt.« Die Dame erwiderte, daß sie ihm keinerlei Abneigung entgegenbrächte. »Wenn dem so ist,« sprach er, »weshalb bekümmerst du dich denn? Ich beschwöre dich, sage es mir.« Und er drang so sehr in sie, daß sie ihm schließlich gestand, sie hätte einen Liebhaber, aber die Liebe, die sie ihm entgegenbrächte, sei dennoch minder der Anlaß ihres Kummers und ihrer Tränen als die Unmöglichkeit, ihm ihr Wort zu halten.

Der Gatte nun war ein Mann von trefflichem Verstände und sehr angenehmem Wesen. Er bewunderte die Einfalt seines Weibes und sprach zu ihr: »O meine Herrin, ich weiß dir Dank für deine Offenheit; und statt dir aus diesem unvorsichtigen Versprechen einen Vorwurf zu machen, will ich dir vielmehr erlauben, es zu halten.« Wie, o mein Herr? unterbrach sie ihn in höchster Überraschung; »du könntest dareinwilligen, daß ich meinen Geliebten aufsuche?« Ja, ich willige ein,« versetzte der Gatte, »doch unter der Bedingung, daß du noch vor Tagesanbruch wieder hier bist; auch mußt du mir versprechen, daß du nie wieder jemandem ein solches Versprechen geben wirst. Da du dein Wort zu halten pflegst, so werde ich billig davonkommen.« Sie schwor ihm, daß sie ihm ewig treu sein würde, wenn er ihr in seiner Nachgiebigkeit diesen einen Ausgang erlauben wollte; ja, es solle dies das letztenmal sein, daß sie mit ihrem Liebhaber spräche. Auf diesen Schwur hin ging der Gatte selbst hinunter, um die Tür zur Straße geräuschlos zu öffnen, denn er wollte nicht, daß irgendein Diener von diesem Abenteuer erführe; und die Dame verließ das Haus in ihren Hochzeitskleidern, bedeckt mit einer großen Menge von Perlen und Diamanten.

Kaum aber hatte sie zwanzig Schritte getan, so begegnete sie einem Räuber; und als der im Mondschein die Edelsteine blitzen sah, mit denen sie geschmückt war, rief er im Übermaß seiner Freude aus: »Ach, welch ein Glück! O Schicksal, wieviel Dank schulde ich dir, weil du mir in einem Augenblick genug gibst, um mich reich zu machen!« Mit diesen Worten ging er auf das Weib zu, ergriff es und schickte sich an, es auszuplündern. Aber als er ihr plötzlich ins Gesicht sah, erschien sie ihm so schön, daß er fast erstarrte.

»Was sehe ich?« rief er. »Es ist keine Vision, die mich in Versuchung führt! O Himmel, kann ich so viel Reichtum und Schönheit auf einmal finden ? Welche Schätze und welche Reize! Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll. Doch, o meine Herrin,« fuhr er fort, »soll ich dem Zeugnis meiner entzückten Augen trauen? Welche Laune des Schicksals treibt eine so reizende und so reichgekleidete Herrin allein um diese Stunde auf die Straße?« Das Weib erzählte ihm in kindlicher Offenheit ihre ganze Geschichte, und der Räuber vernahm sie mit Staunen. »Wie, o meine Herrin?« sagte er; »dein Gatte ist so nachgiebig gewesen, und um deine Tränen zu trocknen, hat er einem andern die herrlichste seiner Nächte abgetreten?« »Ja, o mein Herr«, erwiderte sie. »Wahrlich, o meine Herrin,« versetzte der Räuber, »das ist ein sonderbarer Zug! Er bereitet mir große Freude, und da auch ich es liebe, sonderbare Dinge zu tun, so will ich weder deine Edelsteine noch deine Ehre antasten; du darfst deinen Weg fortsetzen; ich will als Dieb so eigenartig sein, wie dein Gatte als Gatte eigenartig ist. Suche deinen glücklichen Liebhaber auf; doch ich will dich führen und geleiten, denn sonst möchtest du wohl gar einem minder eigenartigen Räuber begegnen, als ich es bin.« Mit diesen Worten nahm er sie bei der Hand und gab ihr das Geleit bis zum Hause ihres Liebhabers, wo er von ihr Abschied nahm und sie verließ.

Sie pochte an der Tür; und als ihr auf getan wurde, stieg sie in die Kammer ihres Liebhabers hinauf, der ob ihres Anblicks aufs höchste erstaunte. »O mein teurer Herr,« sprach sie zu ihm, »ich komme, um mein Versprechen zu halten, denn ich bin heute vermählt worden.« »Und wie«, rief der Jüngling aus, »hast du dich der ungeduldigen

Leidenschaft deines Gatten entziehen können ? Du solltest, so scheint es mir, in diesem Augenblick in seinen Armen liegen.« Da legte die Dame ihm ein aufrichtiges Geständnis über das ab, was zwischen ihr und ihrem Gatten vorgefallen war. Nun erstaunte der Liebhaber darob nicht minder, als der Räuber erstaunt war. »Ist es möglich, o meine Herrin,« sprach er zu ihr, »daß dein Gatte dir erlaubt hat, ein Versprechen zu halten, das ihn entehrt und ihm ein Gut raubt, von dem sich seine Phantasie die herrlichste Vorstellung gemacht haben muß ?« »Ja, o mein teurer Liebhaber,« erwiderte das Weib, »er willigt ein, daß ich deine Wünsche erfülle, um mein Wort einzulösen. Aber nicht nur meinem Gatten hast du zu danken, was er dir überläßt; du verdankst es ferner noch dem Edelmut eines Räubers, dem ich begegnet bin, als ich hierherkam.« Und sie erstattete ihm Bericht über die Unterhaltung, die sie mit dem Räuber geführt hatte, also daß das Staunen des Liebhabers noch mehr wuchs, und er sprach: »Soll ich glauben, was ich vernehme? Ein Gatte ist gütig genug, einen solchen Schritt gutzuheißen; und ein Räuber ist großmütig genug, die schönste Gelegenheit, die der Zufall ihm jemals bieten kann, nicht zu benutzen ? Ein solches Abenteuer ist sicherlich neu und verdient, daß man es verzeichne. Alle kommenden Jahrhunderte werden darob staunen; um aber die Bewunderung der Nachwelt noch zu steigern, will ich dem Gatten und dem Räuber nachahmen und ihrem Beispiel folgen. O meine Herrin, ich gebe dir dein Wort zurück, und also lasse es dir gefallen, daß ich dich in dein Haus zurückgeleite.« Mit diesen Worten reichte er ihr die Hand und führte sie bis vor die Tür ihres Gatten, wo sie sich trennten. Die Dame trat ein, und der Liebhaber kehrte nach Hause zurück.

Jetzt sagt mir, o meine Prinzen,« fuhr der Kadi von Kairo fort, »welchen unter diesen dreien findet ihr am edelmütigsten, den Gatten, den Räuber oder den Liebhaber?« Der älteste Prinz erwiderte, daß er den Gatten am meisten bewundere. Der zweite Prinz behauptete, der Liebhaber sei der höchsten Bewunderung wert. »Und du, o mein Herr,« fragte der Kadi den dritten Bruder, der Schweigen bewahrte, »welches ist deine Ansicht?« »Mir scheint,« erwiderte der junge Prinz, »daß der Dieb der großherzigste ist; ich begreife nicht, wie er den Reizen der Dame hat widerstehen und vor allem, wie er sich hat bezwingen können, also daß er sie nicht beraubte. Die Diamanten, mit denen sie geschmückt war, mußten seine Habgier gewaltig in Versuchung führen, und es ist erstaunlich, daß er die Kraft besaß, einen so großen Sieg über sich selber davonzutragen.« »O mein Prinz,« versetzte der Kadi, indem er ihm fest ins Auge blickte, »du bewunderst die Selbstbeherrschung des Räubers zu sehr, als daß ich dich nicht in Verdacht haben müßte, die Edelsteine des verstorbenen Königs, deines Vaters, genommen zu haben. Du hast dich selber verraten. Gestehe es, o mein Herr, und laß dich durch keine falsche Scham abhalten; wenn du schwach genug warst, einer Regung der Habgier nachzugeben, so kannst du deine Schwäche sühnen, indem du sie eingestehst.« Der Prinz nun errötete ob dieser Rede und gestand die Wahrheit ein.


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