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In indischen Büchern findet sich folgende Geschichte aufbewahrt:

Ein Dieb stahl sich in die Werkstatt eines Verfertigers von Goldstoff, wo er sich versteckt hielt, um bei einbrechender Nacht seinen Anschlag auszuführen. Der Meister, der mit einem angefangenen Gewebe fertig werden wollte, arbeitete die ganze Nacht hindurch und wiederholte von Zeit zu Zeit eine Art von Stoßgebetlein: »O mein Herr und Allah! bewahre mich vor Zungenfall.« Der Dieb, der sich nicht hervorzubrechen getraute, harrte die ganze Nacht geduldig aus, und während der Meister sein Morgengebet verrichtete, bei dem das: »O Herr, o mein Allah! bewahre mich vor Zungenfall« nicht vergessen wurde, ging der Dieb seiner Wege.

Der Meister begab sich mit dem vollendeten Goldstoff in das Serail, der Dieb ihm nach. Jener breitete seine Arbeit vor dem Könige aus, und nachdem er sie lange angepriesen hatte, beschloß er endlich seine Lobrede damit, daß er sagte: »Solch ein Stoff findet sich nicht wieder. Deine Erhabenheit wird wohl daran tun, ihn im Schatze aufbewahren zu lassen, auf daß er dereinst bei deinem Leichenbegängnis zum Bahrtuche diene.« Der König, der über Worte von solch unglücklicher Vorbedeutung aufgebracht war, befahl, den Stoff zu verbrennen und den Meister hinzurichten. Der anwesende Dieb konnte sich des Lachens nicht enthalten. Der König wollte die Ursache wissen, und der Dieb bat im voraus um Verzeihung, die ihm denn zugesagt wurde. Dann erzählte er, wie der Stoffwirker die ganze Nacht gebetet habe, Allah möge ihn vor Zungenfall bewahren, und sich dessen doch nicht habe erwehren können. Der König verzieh beiden.


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