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Die Geschichte des Korbes

Die alten Geschichten erzählen uns von einem jungen musterhaften Könige, der Kemsarai mit Namen hieß, durch alle Arten von guten Eigenschaften schätzbar war und sich nur um das Glück seiner Untertanen sorgte. Gerechtigkeit bildete die einzige Richtschnur seiner Handlungen, und die Armen standen ihm noch näher als die Reichen. Die Kenntnis des Vergangenen, die große Fürsten gewöhnlich bildet, machte den Hauptgegenstand seines Dichtens und Trachtens aus. So hatte er denn, von dem Wunsche beseelt, alle bedeutenden Ereignisse, die in den Königreichen Asiens vorfielen, genau zu erfahren, eine große Karawanenherberge bauen lassen, die man wahrlich mit einem stolzen Palaste vergleichen konnte. Dort nahm er die Fremden auf. Der gütige Fürst ließ sie von seiner eigenen Tafel speisen; sie hatten Sklaven beiderlei Geschlechts, die nur dazu bestimmt waren, ihren Wünschen und Bedürfnissen zuvorzukommen. Daher kamen die Fremden aus allen Teilen der Welt in seine Hauptstadt, ohne eine andere Verpflichtung zu haben, als den König mit ihren eigenen Abenteuern zu unterhalten oder mit denen, die sie erfahren hatten.

Also wickelte sich der Goldfaden seiner königlichen Tage ruhig ab, und er regierte glücklich in einer Welt, in der alles vergänglich ist. Endlich aber wurde es das Schicksal müde, ihm, der es wahrlich verdiente, günstig zu sein, und vernachlässigte ihn.

Sein Seelenfrieden, die Ruhe, die das Bewußtsein seiner guten Handlungen über sein ganzes Wesen verbreitete, sein liebenswürdiger Frohsinn, ohne den man ihn niemals gesehen hatte, verloren sich; ein Aufgeregtsein, das nichts dämpfen konnte, eine tiefe Rastlosigkeit und ständige Befangenheit folgten der liebenswürdigsten Gemütsart; seine Augen verloren ihren Glanz, Blässe lag auf seinen Zügen; bald glich er einer schönen Rose, die der Morgen zum Schmucke eines Gartens macht, die Rauheit der Luft aber im Augenblicke, da sie sich entfaltet hat, hinwelken und vergehen läßt; schließlich sahen alle seine Hofleute ein, daß sie trotz seiner großen Jugend bei der Störung seiner Gesundheit und seines Gemüts bald so unglücklich sein würden, auf seinem Grabmal zu weinen: als eine unvorhergesehene Flucht ihn ganz plötzlich den Blicken seiner Untertanen entzog. Die Großen seines Königreiches unterließen nichts, um sein Schicksal zu erfahren, und kamen überein, einen Rat zu erwählen, der während seiner Abwesenheit herrschen sollte; diese währte bereits zwölf Monde, als man ihn in einem Augenblicke wieder auftauchen sah, in dem man ihn am wenigsten erwartete. Er war schwarz gekleidet, seine Traurigkeit kannte keine Grenzen, kein Mensch konnte ihn aufrichten. Und seine Unempfindlichkeit hatte nicht ihresgleichen.

Die Großen seines Königreichs und die Wesire traten vor ihn, um seine Befehle entgegenzunehmen, aber er wollte ihnen keine geben. Seine Gleichgültigkeit war derart, daß ihn auch die ungewöhnliche Anhänglichkeit seiner Untertanen, von der sie ihm sehr viele Proben gaben, nicht zu rühren vermochte. Indessen war er doch so beliebt, daß der Rat keinen andern König erwählen wollte und beschloß, zehn Jahre zu warten, ob der Fürst seine Spannkraft, sein liebenswürdiges Gemüt, endlich, alle die Eigenschaften, die ihn anbetenswert gemacht hatten, wiederfände. Und wie sehr man ihn auch bat, um ihn zu bestimmen, in seiner Hauptstadt zu verweilen, man konnte ihn nicht von der Absicht, sich aus ihr zu entfernen, abbringen. Denn als er sah, daß es ihm unmöglich war, seine Abdankung durchzusetzen, zog er sich in ein kleines Haus zurück, das in einem einsamen Gebirge stand; hier nun wollte er sein Leben beendigen und war dort ohne jede andere Begleitung als die einer seiner Schwestern, die Zahide hieß. Die Prinzessin liebte ihn seit ihrer zartesten Kindheit in innigster Freundschaft; ihre Schönheit und Jugend und ihr Verstand waren noch unschätzbarer als ihre Frömmigkeit und ihre Vorliebe für den heiligen Koran, den sie vollständig auswendig wußte.

Man kannte die Ursache des königlichen Kummers nicht; beständig hatte sich der König geweigert, denen darüber Auskunft zu geben, die es gewagt hatten, ihn darum zu fragen. Nachdem er nun einige Zeit in seiner Zurückgezogenheit gelebt hatte, wurde er gefährlich krank, ohne anders bedient und gepflegt sein zu wollen, wie von der Sorgfalt seiner lieben Zahide, die ihre Gebete verdoppelte, um die Heilung eines Bruders zu erflehen, den sie einzig liebhatte. Ihre Zuneigung ließ sie sehr wohl die Nutzlosigkeit aller Heilmittel einsehen; und als sie den verhängnisvollen Augenblick nahen sah, in dem sich seine Augenlider schließen mußten, trat sie an sein Bett und beschwor ihn bei dem Gefühle, das er für sie hegte, ihr die Ursache seiner Traurigkeit anzuvertrauen. ›O Fürst, welches Unglück hat dich zu Boden geworfen,‹ sprach sie zu ihm, ›warum willst du mir nicht den Grund deines Kummers sagen? Die Schmerzen, die du empfindest, erleidet mein Herz hundertfältig; geruhe etwas Vertrauen zu mir zu haben, vielleicht finde ich Heilung für deine Übel. Wer weiß denn, ob nicht der große Prophet, meines Schmerzes wegen gerührt, mir das Mittel für deine Heilung eingibt?‹

Der König aber antwortete ihr, tiefe Seufzer ausstoßend: ›Meine Geschichte ist länger als die Feredbaads und trauriger als die Wamakweasras. Indessen will ich deiner Bitte gern genugtun, der Sorge wegen, so du meinetwegen hegst, und um der Freundschaft willen, die du mir immer bewiesen hast. Und ich will dich also um den Grund meiner Traurigkeit wissen lassen; du weißt wohl, wie ich in einem Augenblicke aus der Freude in Traurigkeit verfallen bin, und wie endlich mein Herz die schrecklichen Streiche des Schmerzensschwertes erlitten hat. Alles, was ich dir sagen kann, wird dir niemals auch nur einen kleinen Begriff meiner Abenteuer geben, denn es gibt der Worte nicht genug, um das auszudrücken, was ich gesehen habe; doch wenn du es willst, erzähle ich es dir.

Du weißt, daß ich in den glücklichen Zeiten meines Lebens einen Teil der Tage mit den Fremden verbrachte, die mir entweder ihre eignen Erlebnisse erzählten oder die, so sie von anderer Seite erfahren hatten. Unter der Zahl der Reisenden, die unaufhörlich meine Karawanenherberge füllten, fand ich eine Art Derwisch, der in Schwarz gekleidet war. Trotz seiner dunklen Gewandung war seine Person ebenso einnehmend, wie seine Unterhaltung angenehm war; sie schien mir gar, mit einem unserer Dichter zu reden, wie ein Meer von Zauber, in das ich mich voller Freude untertauchte. Und sie war ein Rosengarten, der einen Duft von Freundschaft aushauchte, von dem mein Herz entzückt wurde. Kurz, ich war von den Geschichten begeistert, die er mir erzählte, so sehr war ihm die Kunst des Erzählens verliehen; doch immer weigerte er sich, mich wissen zu lassen, aus welchem Grunde er stets in die tiefste Träumerei versunken war und weshalb er so schweren Kummer trug. Ich unterließ nichts, um ihn durch Geschenke dazu zu bewegen, gab ihm köstliche Gewänder, Gürtel aus Diamanten, Börsen voll Gold und Silber, mit einem Worte, ich brachte alles in Anwendung, das ihn meiner Meinung nach bestimmen konnte, mich zufriedenzustellen; meine Hartnäckigkeit und Zudringlichkeit rührten ihn mehr noch als meine Geschenke. ,Du willst also,' sprach er endlich in verdoppeltem Schmerze zu mir, ,du willst also wissen, was mir zugestoßen ist? Ich würde dir lieber die Geschichte des Vogels Anka erzählen, als dich um mein Unglück wissen lassen, und du wirst wohl bald wünschen, daß solche Abenteuer für immer vergessen wären, und hüte dich vor allen Dingen, dich selbst von ihnen überzeugen zu wollen. Ich setzte mein inständiges Bitten fort, verdoppelte mein Schmeicheln, und hier ist, was er mir erzählte:

›Die Stadt Medhuchan liegt im Königreiche China; beinahe alle, die sie bewohnen, sind berühmt wegen ihrer Traurigkeit und legen niemals die Trauerfarbe ab; alle Fremden aber, die ihr Unglück oder die größte Kühnheit nach dieser Stadt führt, finden schwer ein Mittel, eine Verbindung anzuknüpfen. Doch schließlich kann man sich nur in dieser Stadt über das Unglück, das mir begegnet ist, unterrichten, nur dort kann man die berechtigte Ursache meiner Schmerzen und der Leidenschaft finden, von welcher mein Herz zerrissen ist, und sich von der Wahrheit meines Zustandes überzeugen, den alle Erzählungen nicht zu schildern vermögen!‹ Solche Worte beendend, grüßte mich der Derwisch, nahm alle Geschenke, die ich ihm gemacht hatte, und ließ mich, von der lebhaftesten Neugier geplagt, zurück.

Das Geheimnisvolle dieser Geschichte und die wenigen Einzelheiten, mit denen sie begleitet war, dienten nur dazu, mein Verlangen zu verdoppeln, solch merkwürdige Dinge zu erfahren und kennenzulernen. Mich beschäftigte daher nur die Lust, einen so außerordentlichen Vorgang von mir selbst aus beurteilen zu können; und das Verlangen, das der Quell meiner Sinnesänderung wurde, wuchs so mächtig an, daß ich mich einer Reise nach Medhuchan nicht entschlagen konnte. Ich raffte mehrere Kostbarkeiten zusammen, reiste unter Verkleidung ab und nahm mit einer beispiellosen Genugtuung den Weg nach China und legte einen unglaublichen Eifer an den Tag. Die Mühe, die ich mir gegeben hatte, von niemandem erkannt zu werden, machte sich vollkommen bezahlt. Endlich kam ich im Königreiche China an, wohin mich die brennendste Neugier mit schier unbegreiflicher Gewalt trieb. Der Anblick dieses neuen Landes entzückte mich, da es meine Neugier befriedigen mußte; es währte nicht lange, bis ich eine stattliche Karawane fand, der ich mich anschloß; sie führte mich inmitten dieses großen Kaiserreichs, und ich verließ sie, um meinem Wege nach der Stadt Medhuchan nachzugehen, wo ich ankam, nachdem ich mit Freuden alle Ermüdungen einer langen und beschwerlichen Reise erduldet hatte.

Tatsächlich waren beinahe alle Leute der Stadt schwarz gekleidet, wie es der Derwisch mir versichert hatte, und überall herrschte tiefste Traurigkeit, nirgends wurde man aufgenommen, man lenkte keine Aufmerksamkeit auf sich, und alle, die Kummer trugen, gingen, um ihren Geschäften obzuliegen, mit niedergeschlagenen Augen, das Haupt mit ihrer Mütze bedeckt und sozusagen in ihren Kleidern versunken einher. Ich war daher genötigt, mehrere Tage in der Karawanenherberge, in der ich abgestiegen war, zu verbringen, ohne jede andere Beschäftigung, als beständig in der Stadt umherzugehen und jemanden zu suchen, der mir auf meine Fragen Bescheid geben wollte. Ich hatte alle möglichen Mittel angewandt, um mit denen, die ich schwarz gekleidet sah, eine Unterhaltung anzuknüpfen, aber sie hörten nicht auf mich; man antwortete mir nur mit einem Seufzer. Mit Recht sagte ich mir nun selbst, daß ich einen Menschen, der keinen Kummer hätte, wohl eher veranlassen könnte, mir zu antworten. Also machte ich nach Verlauf einiger Tage Bekanntschaft mit einem jungen Kaufmann; er war freundlich und Fremden gegenüber sehr höflich, und sang erstaunlich schön und spielte ebensogut einige Musikgeräte; sein Gesicht aber war strahlender denn die Sonne. Er war so entzückt von meiner Unterhaltung, daß er mich, nachdem er mir sehr viele Artigkeiten erwiesen hatte, durchaus in sein Haus führen wollte. Ich nahm sein Anerbieten an, und als ich den ersten Tag bei ihm wohnte, gab er ein großes Mahl, bei dem mir mit ebensoviel Geschmack wie Üppigkeit aufgewartet wurde. In kurzer Zeit wurde ich sein Freund und Vertrauter. Und als ich sah, wie er immer den Fragen auswich, die ich an ihn in meiner Neugier über die Trauer und den Kummer, die ich auf der Stadt lasten sah, stellte, umfaßte ich eines Tages seine Knie und bat ihn bei der Gastfreundschaft, die er mir mit soviel Freigebigkeit gewährte, mich darum wissen zu lassen und nicht den Zweck einer so beschwerlichen Reise zu vereiteln, die ich nur in dieser Absicht unternommen hätte. Der junge Mann hörte mich voll Kummer an und antwortete mir im Tone der Freundschaft und Anteilnahme: ›O mein Bruder, bestehe nicht darauf, über etwas aufgeklärt zu werden, das dir nur unendliche Not bereiten kann; folge meinem Beispiel, ich habe solches niemals selbst kennenlernen wollen; der Zustand, in dem ich die gesehen habe, die dieses Abenteuer wagten, ihre verlorene Fröhlichkeit und Freude haben mich auf ihre Kosten klug gemacht. Sei es auch, und höre auf meinen Rat; bedenke, daß das, um das du mich bittest, dir nur gefährlich sein kann, ohne dir irgendeinen Nutzen zu bringen!‹ Solche Weigerung machte mich nur noch neugieriger; ich erzählte ihm meine Geschichte und verbarg ihm wahrlich meinen Zustand nicht. Dieses Geständnis ließ ihn mehr Rücksicht auf meine Bitten nehmen, er hatte Mitleid mit meiner Hartnäckigkeit und sagte zu mir mit einem bitteren Lächeln, doch voller Mitgefühl: ›O Freund meines Herzens, man kann dir dies Geheimnis nicht offenbaren; um es zu erfahren, muß man die Stadt verlassen; wenn du dann dem folgst, was man dir sagt, wird sich alles vor deinen Augen entschleiern!‹ ›Laß uns sogleich aufbrechen‹, drängte ich eifrig. Er hatte Mitleid mit meinem Zustande, ging voraus, und ich folgte ihm. Und wir kamen in eine einsame Gegend, ziemlich nahe bei der Stadt. Die Einsamkeit dieser Stätte flößte mir ein geheimnisvolles Grauen ein. Als wir eine Weile zugeschritten waren, fanden wir einen verfallenen Palast, in dessen Mitte man einen an einem Stricke hängenden Korb sah, der an dem höchsten Teile eines verfallenen Gewölbes angeknüpft zu sein schien. Der junge Kaufmann wies auf den Korb hin, und mich tränenden Auges anschauend, sagte er: ›Setze dich in diesen Korb; da du es durchaus willst, so löse den Knoten, der deinem Herzen Pein bereitet!‹ Kaum hatte ich Platz genommen, als ich mich mit der Schnelligkeit eines Blitzes emporgehoben sah; es war, als wenn ein Greif sich in die höchsten Lüfte schwingt. Ich wurde in einem Augenblick so erstaunlich hochgetragen, daß ich bald den Himmel berührte; und ich wollte die Erde betrachten, doch wie groß war mein Erstaunen, als mir das Weltall, das vorher so unermeßlich für mich gewesen war, gegenwärtig wie ein Punkt erschien. Da bereute ich meine Verwegenheit, aber es war zu spät. Von wem konnte ich Hilfe inmitten der Lüfte erhalten? Und ich gab mich der Verzweiflung hin, verhüllte mein Haupt und sagte zum Glück: ›Schlage mich, grausames, ich bin bereit, deine Schläge zu empfangen!‹

Und ich war in dieser schrecklichen Lage, als der Korb an einem Orte des Entzückens anhielt und sich mitten in einem Garten niederließ, der an Schönheit die Sonne selbst übertraf. Schnell verließ ich das Gefährt, das mir soviel Unruhe verursacht hatte; alsbald erhob es sich in die Lüfte, und ich verlor es aus den Augen. Du kannst dir denken, daß sich meine Unruhe bald in Freude verwandelte, als ich mich an einem Orte befand, dessen Erdboden mit tausend verschiedenen Blumen geschmückt war, deren Durcheinander den Augen ein angenehmes Bild bot, während den Geruchssinn die köstlichsten Wohlgerüche erfreuten. Ich schickte tausend Dankgebete zu Allah auf, der mich so glücklich in dieses herrliche Paradies gebracht hatte. Als ich dann diesen Garten durchschritten hatte, fand ich noch einen zweiten, der nur von Rosen bestanden war. Tausend Vögel bezeigten durch ihre Gesänge die Freude, die sie fühlten, hier zu wohnen. Man sah inmitten dieses zweiten Gartens ein Wasserbecken, dessen Gewässer klarer denn Kristall waren, sie ergossen sich mit einem sanften Murmeln in zahllose Wasserläufe, die nur Rosen und Veilchen umrandeten. Und liebliche und erfrischende Winde kosten die Blumen dieses Gartens des Entzückens; und prächtige Pappeln schienen stolz auf den Schatten zu sein, den sie ihm gewährten. Der Grund des Wasserbeckens aber leuchtete heller denn die Fackeln, welche man vor den Königen Indiens einherträgt, und seine Ufer waren mit den reichsten Teppichen belegt; man sah da goldgestickte und andere aus Brokat, andere wieder, deren Geschmack die Pracht überbot. Ich entdeckte in einer Gartenecke einen goldenen Thron, den ein Seidendach beschattete, umgeben von den kostbarsten Ruhebetten; eine große Zahl Gefäße voll des Scherbetts und der erlesensten Weine waren zu beiden Seiten des Thrones aufgestellt; die Köstlichkeit der Tische, die man im Schatten der schönen Bäume gedeckt sah, schien mit ihrer Pracht und Verschwendung zu wetteifern; sie waren mit einer Unzahl herrlicher Gerichte besetzt, die mehr dazu dienen konnten, die Begierde zu entfachen, als die Kräfte eines Wanderers wiederherzustellen. Ich verweilte nicht lange, ohne den Hunger und den wütenden Durst zu stillen, von dem ich gequält wurde. Nachdem ich meine erschöpften Kräfte wiederhergestellt hatte, dankte ich Allah noch einmal für all seine Guttaten und wählte eine Pappel aus, um mich in ihrem Schatten den Freuden der Ruhe zu überlassen, die ich nötig hatte, und um ohne Verwirrung über alles nachzudenken, das ich im Gegensatz zu dem Bilde sah, das mir der Derwisch und der Kaufmann entworfen hatten. Und ich konnte ihren Irrtum nicht begreifen, denn sie waren mir als zu ehrenwerte Menschen erschienen, als daß sie mich hätten betrügen wollen; kurz, wie man sich leicht schmeichelt, redete ich mir ein, daß mir Auszeichnungen widerführen, die noch kein anderer verdient hätte.

Die Sonne war schon der dunkelsten Nacht gewichen, und der Vogel des Mondes hatte seine lieblichen Gesänge eingestellt, als ich erwachte. Und ich sah dann mitten durch die Finsternis der Bäume Fackeln erscheinen, deren Licht heller strahlte denn das der Sterne; ich hörte ein wirres Geräusch in den Lüften und erblickte eine große Zahl Jungfrauen, deren Schönheit mir bewundernswert erschien; ihre von tausend Vorzügen ausgezeichnete Sittsamkeit würde die gefühllosesten Herzen gerührt haben, und ihr Lachen war selbst melodischer als das der Engel; ihr Busen war weiß und duftete ebenso schön wie Jasmin; ihre Augenbrauen glichen gespannten Bogen, ihre Gesichter waren glänzender als der Mond, und ihre schönen Haare fluteten lässig über die Schultern, deren Weiße selbst das Elfenbein beschämte und die sich Engel gewünscht und ihnen mißgönnt haben würden. Himmel und Erde schienen mit ihrem tiefen Schweigen den Schönen zu huldigen. Jede dieser Jungfrauen trug eine Kerze, die weißer war denn der Schnee; und dieses Licht diente dazu, um so viele Wunder der Anmut zu unterscheiden. Inmitten dieses göttlichen Gefolges bemerkte ich eine kostbar gekleidete Prinzessin, deren Schönheit ihren Schmuck um vieles überragte, sie verbreitete weithin den strahlendsten Glanz. Die Himmelsgeister würden sich vor sich selbst geschämt haben, wenn sie sie gesehen hätten; ihre Augen ähnelten denen eines jungen Hirsches, sie hatte ebenso schwarze Haare wie eine Inderin und eine so weiße Hautfarbe wie eine Griechin. Sie schritt mit ebensoviel Anmut wie Hoheit einher und ließ sich auf dem goldenen Throne nieder. Alsbald band sie ihren Schleier los, der bis auf ihre Schultern wallte, und alle Jungfrauen, die ihr folgten, blieben, den Sternen vergleichbar, vor dem schimmernden Monde stehen und harrten einzig auf die Befehle, die ihnen die Rose der Schönheit geben konnte. Auf den ersten Wunsch, den sie äußerte, richteten sie Tische her, die sie mit Süßigkeiten bedeckten; goldene und silberne Schüsseln erschienen in diesem Augenblicke von allen Seiten, und ihr Glanz wurde durch das Kristall wettgemacht, das die Getränke barg und dessen Funkeln dem der Diamanten Mogolistans glich. Einige der schönen Jungfrauen bestrebten sich, der Prinzessin zu dienen, andere schienen sich um die Ehre zu streiten, ihre Ohren durch die sanfteste und wohllautendste Musik zu entzücken. Sie hatten verschiedene Geräte, die sie so vollkommen spielten, daß selbst die Engel im Himmel ihre Harfen aus Eifersucht zerbrochen hätten. Indessen sagte die Schöne der Schönen, die zarte Rose, kein Wort; erlesene Weine und der Klang der Musikgeräte waren während einiger Zeit ihre einzige Unterhaltung. Endlich hob sie ihre schönen Augen, und sich gegen eine ihrer Jungfrauen wendend, sagte sie zu ihr mit ihrer klingenden und herrlichen Stimme: ›Eile sogleich durch den Garten; wenn du dort einen Fremden siehst, führe ihn vor mich.‹ Nachdem die Jungfrau sich tief vor der Prinzessin verneigt hatte, verließ sie ihren Platz und eilte durch den Garten wie ein leichter Wind, der den Blumen und Früchten Leben gibt. Sie machte mehrere vergebliche Wege, aber endlich fand sie mich am Fuße der Pappel, die ich nicht verlassen hatte, und näherte sich mir, grüßte mich und sprach zu mir: ›Erhebe dich, o Fremdling, die Prinzessin verlangt nach dir!‹ Ich aber gehorchte auf der Stelle und folgte ihr und kam alsbald vor dem Throne der Prinzessin an. Ich versicherte ihr, ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich der Letzte ihrer Sklaven sein dürfte; dann legte ich meine Arme kreuzweis vor die Brust, blieb vor der göttlichen Schönheit stehen und wagte sie nicht zu betrachten; das Erstaunen, das mir ihre Reize verursachten, brachte mich außer mir. Die Prinzessin unterließ es nicht, mich bald mit unendlicher Lieblichkeit anzureden und mir alle Beweise der Höflichkeit und Freundschaft zu geben. ›Nimm Platz auf dem Ruhebette; sei versichert, daß wir die Fremden nicht gering achten, die so viel Liebenswürdigkeit und Geist wie du zu haben scheinen!‹ Ihre Worte schienen so aufrichtig gemeint zu sein, daß ich ihr gehorchte. Dann ließ sie mir einen Becher voll eines so köstlichen Getränkes reichen, daß ich mich wie neugeboren fühlte, als ich ihn geleert hatte. Mühelos vergaß ich alle düsteren Vorstellungen, die man mir gemacht hatte, um mich daran zu hindern, solch einen schönen Ort zu sehen. Die Prinzessin ließ die Musik von neuem beginnen; die Lautenschlägerinnen scharten sich um sie herum; ihre Flöten und ihre Lauten zwangen mich, sie alle Augenblicke mit meinem Beifall zu unterbrechen; ihre Rebals flößten Liebe ein, und ihre Harfen schienen zu einer stummen Freundschaft einzuladen; während dieser Zeit ließen zwei junge Sklavinnen goldene Kelche voll erlesenen Weines umhergehen. Und bald hernach erhoben sich die Schönen und tanzten mit so viel Anmut und Kunstfertigkeit, wie sie sie in ihrer Musik gezeigt hatten. Bald unterbrachen sie sich, indem eine auf das Wohl der anderen trank, bald, indem sie sich tausend süße und üppige Küsse gaben. Der Wein verlieh ihnen bald eine angenehme Röte, die sie noch schöner machte und die Weiße ihres Busens hob. Der Kopf dieser schönen Jungfrauen war mit sanft über ihre Ohren geneigten Mützen geziert, und unaufhörlich gaben oder empfingen sie tausend zärtliche Küsse. Freude und Vergnügen schienen ständig in ihren Herzen zu wohnen; sie füllten die Luft mit allen Tönen an, die süße Freude und Zufriedenheit des Genusses ausdrücken können, und in all ihrem Vergnügen bezeigten sie mir durch ihre Blicke unaufhörlich die Freude, mich zu sehen.

Indessen richtete die Königin der Schönen, die mich mit Güte betrachtete, mehrere Fragen an mich, auf die ich in einer Weise antwortete, die sie zu befriedigen schien. Sie wollte meinen Namen und meine Heimat wissen, ich verheimlichte ihr nichts. Und sie fragte mich, aus welchem Grunde ich dieses Abenteuer unternommen hätte. Ich gestand ihr denn, daß der Derwisch durch seine Erzählung meine Neugier gereizt habe und wie mir seitdem die Welt öde geworden wäre; da hätte ich dann der Lust nicht widerstehen können, mich selbst von einer Sache zu überzeugen, welche so starke Eindrücke in denen hinterlassen hätte, die Zeugen davon gewesen wären. ›Was mich jedoch in Erstaunen setzt,‹ fügte ich hinzu, ›ist ihr Schweigen über ein so bewunderungswürdiges und überraschendes Wesen wie dich, o schöne Prinzessin!‹ ›Ich bin wahrlich nicht erstaunt darob,‹ entgegnete sie mir, ›beinahe alle, die hierherkommen, sind bloß entzückt über die Freuden der Tafel, oder der Musik, oder des Tanzes, oder schließlich auch über die Schönheit meiner Sklavinnen. Glaubst du überdies, daß ich sie zu unterhalten wünsche?‹ Ich dankte ihr für einen so schmeichelhaften Vorzug und versicherte ihr, daß ich mein ganzes Leben daran wenden wollte, um ihr zu dienen und sie anzubeten; und ich bemerkte, daß sie diese Schwüre in ein tiefes Nachdenken versinken ließen. ›Nimm teil an den Vergnügen, wie man sie hier auskostet,‹ sagte sie dann, ›und erinnere dich meiner, wenn wir dereinst getrennt werden!‹ ›Wie, o Königin der Schönheit, warum sollte ich dich vergessen, während so viele deiner unwürdige Menschen seufzen und klagen, weil sie fern von dir sind?‹ ›Nicht meinetwegen tragen sie Kummer, sondern der Freuden wegen‹, sagte sie dawider; ›ich wiederhole es dir noch einmal und bin ihnen deswegen durchaus nicht böse!‹ ›Wie kann man sich von dir trennen?‹ erwiderte ich voll Feuer, ›vereinigst du nicht alle Freuden in dir?‹ ›Du wiederholst es zu oft, um mich zu überzeugen,‹ entgegnete die Prinzessin, ›wir werden uns morgen wiedersehen; dieser Garten ist für meine Lustwandelungen und Mahlzeiten bestimmt. Alle Jungfrauen, die du siehst, sind mir zu Diensten, und du darfst frei über die bestimmen, die dir am besten gefällt.‹ Ich wollte den Vorschlag, der meinem Herzen mißfiel und den Gefühlen, die sie mir eingeflößt hatte, so entgegenstand, zurückweisen, und bezeigte ihr durch die feurigsten Blicke, wie sehr sie mich entflammt hatte. ›Sei mit dem zufrieden, was ich für dich getan habe,‹ sagte sie zu mir, ›und habe keine Ungeduld; und laß dir sagen, wenn du dich jemals zu unmäßigen Wünschen verleiten läßt, mußt du solches bitter büßen!‹ Ich versprach ihr alles, was sie wünschte, in der Furcht, das zu verlieren, was sie mir gewährte. ›Ich wiederhole dir noch einmal, daß ich dir alle Jungfrauen überlasse, die mir zu Diensten sind; wähle dreist aus; mäßige mit ihnen das Feuer, das dich verzehrt; es ist dir sogar geboten, dich ihrer zu bedienen; solches ist ein Gesetz, das du notwendig zu befolgen hast, da du nun einmal hier bist.‹ Dann füllte sich meine Einbildung mit all den Wonnen, deren Wirklichkeit ich bald zu kosten hoffte; mein Herz tauchte nun in ein Meer von Lust und Freude unter. Die Prinzessin zog sich zurück, und alle Jungfrauen ihres Gefolges, die den Plejaden glichen, taten desgleichen; die aber, die sie mir hatte auswählen lassen, blieb bei mir. Ich gab ihr die Hand; wir legten uns auf das Ruhebett nieder und verbrachten dort die Nacht in der Freuden Fülle, indem wir mit vollen Zügen das Wasser des Glücks und des Lebens schlürften; doch all diese Wonnen berauschten meine Seele nicht, der Gedanke an die Prinzessin beherrschte mich vollkommen. Als die Sonne am Horizonte erschien und die Gebirge zu vergolden begann, sprach die Schöne, die meine Seele mit dem angenehmen Dufte der Begierde durchduftet hatte, zu mir, indem sie mich verließ: ›Wir werden uns heute abend wiedersehen, wenn du mich abermals erwählst!‹ Ich hatte keine Zeit zur Antwort, sie enteilte und verschwand. Der Gedanke, die Prinzessin wiederzusehen, verließ mich den ganzen Tag nicht; ich verbrachte ihn, einsam am Ufer eines Wasserlaufes sitzend, ohne einen anderen Trost, als den des köstlichen Weines und des gemächlichen Umhergehens. Und ich überließ mich allen Hoffnungen, welche mir die Erinnerungen des Vorabends für diesen Abend gewähren konnten; solche Gedanken flogen an meinem Geiste wechselvoll und schnell vorüber, wie die Gewässer des Baches, dessen Murmeln mich unterhielt, ohne mich zu beschäftigen. Bald wähnte mein Herz schier den Gipfel des Glückes zu erreichen, bald entfernte es sich von ihm und sah mit Furcht unüberwindliche Hindernisse voraus. ›O großer Allah,‹ sprach ich bei mir selbst, ›ich bin im Hafen der Glückseligkeit gelandet; mühelos habe ich einen großen Schatz gefunden. Aber ach, ich kann ihn nicht benutzen und habe vielleicht diesen Quell, der überreich des Weines ist, nur wie gemeines Wasser und ohne Geschmack gekostet‹; tausend Gedanken regten meinen Geist unaufhörlich auf. Nachdem ich die Augenblicke gezählt und mir eine Geduld auferlegt hatte, die sich durchaus nicht einstellte, sank endlich die Nacht herab, und ich sah die Fackeln erseheinen, deren strahlendes Licht die ganze Welt hell machen mußte. Ich war wie außer mir; als ich die Königin der Schönen, der ihr reizender Hofstaat vorausging, erscheinen sah, und beeilte mich, ihr sofort zu Füßen zu stürzen. Die göttliche Schöne erwies mir noch mehr Güte und Liebe als am Vorabend und wollte durchaus, daß ich mich auf ihrem Throne ihr zur Seite niedersetzen sollte, und ich sah mich genötigt, ihr zu gehorchen; Man richtete die Tafel her, man reichte die Becher dar, und die Königin der Schönen trank selbst auf meine Gesundheit. Diese neue Gunst ließ mich alsbald zu ihren Füßen niedersinken; ich konnte die Liebe, die mich verzehrte, nicht mehr zurückdrängen und beschwor sie, mir eine ihrer Hände zu reichen, um durch dieses Labsal die Glut zu löschen, die in meinem Herzen entbrannt war. Darauf aber warf mir die liebenswerte Prinzessin einen feurigen Blick zu, den ein reizendes Lächeln begleitete, und gab durch dieses beredte Schweigen zu erkennen, daß ich ihr nicht gleichgültig war. In derselben Zeit bot sie mir ihre Wange zum Kusse dar. Ich fand sie mit Rosen und Lilien besät, und meiner Gefühle nicht mehr Herr, riß ich sie an mich und küßte ihr nicht nur die Wangen, nein auch die Lippen, die röter waren denn Korallen. Ein so großes Glück brachte mich von Sinnen, ich sagte ihr ohne Scham und Rückhalt alles, was mir grenzenlose Liebe und Verlangen eingeben konnten. ›O Königin der Verliebten,‹ sprach ich zu ihr, ›wie wohltätig bist du zu einem Fremden, der deiner Güte nicht würdiger ist als ich! Aber was rede ich? Ich nenne dich wohltätig, während du doch die Wohltat selber bist. Vielleicht drücke ich mich noch zu schwach aus. Wer bist du denn, o Schöne der Schönen? Bist du ein Engel oder ein göttliches Wesen? Bist du die Sonne oder ein glitzernder Stern des Himmelszeltes? Befriedige eine so berechtigte Neugier, ich beschwöre dich!‹ Die Prinzessin erhob dann das Haupt mit allen Reizen und aller mögliehen Anmut und sprach zu mir: ›Mißbrauche meine Güte nicht, ich rate dir gut!‹ ›Nein, o schöne Königin; heißt es sie mißbrauchen, wenn man sie fühlt und ihrer wert sein will?‹ Dann gab sie mir ihre rechte Hand, und mich mit einem Gesichte voller Sanftmut und Huld anschauend, legte sie die Linke um meinen Hals und sagte zu mir: ›Du gefällst mir, mäßige dich aber immer mir gegenüber.‹ Dann brachte man köstliche Weine herzu und die ausgesuchtesten Speisen; die Kristallgläser glichen Narzissen; man ließ sie kreisen, und sie erregten Frohsinn in den Herzen aller dieser Sonnen der Schönheit. Sie bedeckten sich mit kostbaren Gewändern und führten Tänze und Sangeschöre auf, und die Spielerinnen ließen ebenso reizende wie mannigfaltige Weisen ertönen. Alle diese schönen Jungfrauen aber tranken beständig, erhitzten sich bald und verloren endlich Kraft und Vernunft und gingen beiseite, um sich etwas auszuruhen. Als die Königin der Schönen nun allein mit mir war, gab sie mir tausend Küsse. ›Nun ist eine schöne Gelegenheit da,‹ sagte ich zu mir selbst, ›ich wußte mich gestern zu beherrschen und habe gehorcht; jetzt will man meine Geduld belohnen.‹ Diese Hoffnung, die meinem Herzen schmeichelte, ließ mich meine Bitten wieder aufnehmen. Ich warf mich ihr noch einmal zu Füßen, umarmte sie innig und begleitete diese stummen Liebesbeteuerungen mit tausend heißen Seufzern; bald kannte ich mich selbst nicht mehr; doch brach ich endlich das grausame Schweigen. ›Ach, wenn es möglich wäre,‹ sprach ich zu ihr in wilder Liebesraserei, ›wenn es möglich wäre, o schöne Königin, daß wir Herz an Herzen lägen, Seele an Seele; wenn ich mich endlich deiner unbeschränkt erfreuen dürfte, wenn ich ...‹ Ich würde noch mehr hinterdrein gesagt haben, doch sie schnitt mir das Wort ab. ›Verhält es sich so,‹ sprach sie dawider, ›o du Undankbarer, wie erfüllst du deine Versprechen und wie antwortest du auf die Auszeichnung, die ich dir gewährte! Welches Vertrauen kann ich noch zu dir haben? Wie darf ich der Versicherung deiner Zurückhaltung und deines Gehorsams noch glauben? Ich habe dich zu meinem Freunde erwählt und habe dich mit Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten überhäuft; indessen bist du grausam genug, meine Ehre anzutasten. Genügen dir meine Küsse und Zärtlichkeiten nicht?‹ Ich antwortete ihr alsobald: ›O Schönheit ohnegleichen, o Göttin der Welt, sieh den traurigen Zustand an, in den mich das Feuer gebracht hat, das mich verzehrt; ich lechze nur nach dem glücklichen Augenblicke, wo ich das köstliche Wasser trinken soll, dessen Quell du bist. Das Schwert des Schmerzes oder vielmehr der vergiftete Pfeil der Liebe hat meinem Herzen eine unheilbare Wunde zugefügt. Du bist wie das Wasser des Zulal (welcher ein Fluß des Paradieses ist); welcher Kranke würde nicht im Augenblicke geheilt, wo er von seinem Wasser tränke? Welcher von wütendem Durste gequälte Mensch, der einen Schluck Weines in der Hand hält, würde auf ihn Verzicht leisten, statt ihn mit Vergnügen trinken?‹ Die Prinzessin ließ mir keine Zeit fortzufahren, sondern sprach mit zorniger Miene zu mir: ›Du bist unbesonnen, bist ein Wahnsinniger, der den Preis meiner Wohltaten nicht kennt; du weist den Trost zurück, den ich dir zu geben suche, um deine Ungeduld zu mäßigen, in der Hoffnung, dich so lange wie möglich hier zu behalten. Ich liefere dir meine Jungfrauen aus, um das verzehrende Feuer, das in deinem Herzen brennt und dein Gemüt in Wallung bringt, zu dämpfen; sie alle haben eine Haut, die weißer ist denn der Schnee, hochrot ist ihr Mund, ihre Lippen gleichen der Koralle; der Glanz ihrer Zähne, die wie schöne Perlenschnüre sind, wird noch unterstützt durch den ihrer Augen, die strahlender sind als Sternblumen; bist du solchen Schönheiten gegenüber unempfindlich? Und du hast keine Achtung vor dem, was ich von dir verlange!‹ ›O hinreißende Schönheit, o einzige Herrin der Herzen,‹ antwortete ich ihr sanft, ›sei überzeugt, daß man für die Wohltaten, mit denen du mich überschüttet hast, nicht dankbarer sein kann, als ich es bin, aber ich kann es nicht unterlassen, dich zu lieben und anzubeten. Du geruhst mich an die schönen Jungfrauen zu erinnern, die du mir angeboten hast, aber lassen sich Sterne mit der Sonne vergleichen? Können Heilige mit den göttlichen und ewigen Geistern irgendwie verglichen werden? Nein, o süße Bezauberin der Herzen, nein, ich gestehe es, ich mache mir mehr aus dem Zucken eines deiner Augenlider als aus allen deinen Schönen. Wer den Garten deiner Schönheit gesehen, kann nur noch wünschen, von dem Wasser des süßen Keuser (welcher ein anderer Fluß im Paradiese Mohammeds ist) trinken zu dürfen! Arm und traurig, wie ich war, bin ich als Flüchtling zu meiner Prinzessin und meiner Königin gekommen; obschon ein Fremdling, habe ich das Glück, das Herz meiner reizenden Königin zu besitzen. O Schönheit ohnegleichen, o holdselige Geliebte, alles, was ich besitze, verdanke ich deiner Güte; du bist die Herrin meines Herzens; ich bin ein armer Fremdling, entscheide mein Schicksal; alles, was du gebietest . . . Aber ach, ist es denn unmöglich, deine letzte Gunst zu erlangen?‹ Die Prinzessin nahm darauf das Wort und sprach seufzend zu mir: ›Welch unseliges Verlangen! Du bist der unglücklichste aller Menschen. Zu welchem Fehler läßt sich dein Herz fortreißen? Du liebst mich, sagst du; warum widersetzest du dich denn meinen Absichten? Warum willst du auf ein unfruchtbares und undankbares Land säen? Ganz stehe ich dir zur Verfügung; nur eins bewahre ich auf, das du billigerweise nicht fordern darfst, und ich dir ohne Schande nicht gewähren kann: fliehe lieber, meide mich oder sei der gefühlloseste aller Menschen, lasse ab, von mir zu erbitten, was ich dir nicht gewähren kann, fürchte das Vergnügen eines einzigen Augenblicks zu kosten; der Rest deines Lebens würde nur eine beständige Kette von Unglück und Kummer sein!‹ Solche Worte redend, legte sie ihre schönen Arme um meinen Hals und beschwor mich, das zu vergessen, welches das Unglück meines Lebens ausmachen würde. Ich wollte ihr noch mein feuriges Verlangen schildern und sie inständigst bitten, aber sie antwortete immer so entschlossen, daß ich nicht imstande war, ihr zu widersprechen; sie gab mir Hoffnungen für die Zukunft und verschönte sie durch die Verheißung der Erfüllung meines Verlangens. Nachdem sie mich endlich zum verliebtesten aller Männer gemacht hatte, nahm sie die Hand ihrer Jungfrauen einer, die sie rief, legte sie in meine und zog sich zurück, um sich der Süße des Schlafes hinzugeben, indem sie mir befahl, mich in ihrer Abwesenheit mit diesem reizenden Wesen zu erfreuen. Ich verbrachte den Rest der Nacht mit der schönen Sklavin und genoß aus reinem Gehorsam die faden Freuden, deren ein für ein anderes Wesen wahrhaft entzündetes Herz fähig ist. Und ich wollte meine Zärtlichkeiten gar verdoppeln, um anderen Tages besser imstande zu sein, der Prinzessin zu gehorchen.

Beim Sonnenaufgang nahm die schöne Jungfrau, die es verdient hätte, um ihrer selbst willen geliebt zu werden, Abschied von mir und verschwand wie die vom Vorabend, um sich mit ihren Gefährtinnen zu vereinigen, und lief davon mit der Geschwindigkeit eines heftigen Windes, der eilends dahinbraust. Ich fand mich nun also allein in dem Garten, dessen Einsamkeit mir unerträglich erschien. Verschiedene Gedanken beschäftigten mich, aber alle hatten sie die Prinzessin zum Gegenstande. ›Ich habe sie zu sehr mit meinen Bitten und Drängen gequält,‹ sagte ich mir, ›die schöne Zypresse wird nicht wieder in den Garten kommen!‹ Solchen Gedanken folgten andere; indessen redete ich mir ein, daß sie mich nur in einen so traurigen Zustand versetzt hätte, um die Zärtlichkeit und Aufrichtigkeit meiner Liebe zu prüfen. ›O großer Allah, kann sie daran zweifeln?‹ rief ich alsobald aus. ›Aber was sage ich,‹ fing ich im Augenblick wieder an, ›ich suche mir eitle Vorstellungen zu machen und bin vielleicht zu empfänglich für die köstlichen Weine gewesen, die sie mir hat anbieten lassen; mußte ich nicht die Sklavinnen zurückweisen, die sie mir gegeben hat? Sie wird mich für einen Mann halten, der sich durch Sinnenlust hinreißen läßt. Zweifelsohne wird sie sich allem widersetzen, um was ich sie bitten kann, ja wird mehr tun, sie wird von mir gehen, und ich werde sie niemals wiedersehen. Ich habe mich getäuscht; was Gold war, habe ich für Silber ausgegeben und habe mich durch falsche Liebkosungen einer Grausamen täuschen lassen. Ich glaubte ihr zu gefallen; warum habe ich nicht an ihre Unbeständigkeit gedacht? Aber wehe, das Gift ihres Anblicks wird mich sterben lassen!‹ Dann schlug ich mich an den Kopf, indem ich den Tag verwünschte, an dem ich mich einer so unheilvollen Liebe hingegeben, und machte mir die bittersten Vorwürfe. Also verbrachte ich den zweiten Tag. Und als am Himmel die glitzernden Sterne funkelten, bemerkte ich die schönen Dienerinnen der Prinzessin, die gemäß ihrer Gewohnheit mit ihren Kerzen In den Garten kamen. Die Königin der Schönheit aber war mitten unter ihnen wie eine schlanke Zypresse, die ihr stolzes Haupt bis in die Wolken hebend über alle andern herrscht, die sie umgeben. Als nun jetzt die Liebesglut mich noch mit mehr Macht denn je zu ergreifen begann, warf ich mich ihr jählings zu Füßen, wie ein wilder Sturzbach, der von der Höhe des Felsens herabstürzt. Sie schien von meiner Heftigkeit gerührt, und mir mit wohlgefälliger und freundschaftlicher Miene beim Aufstehen helfend, reichte sie mir die Hand, ließ mich noch auf ihrem Throne ihr zur Seite Platz nehmen und befahl der Gewohnheit gemäß, daß man das Fest vorbereite. Die Tafeln wurden alsbald hergerichtet und bedient, die Tänze und die Gesänge und die Harmonien der Musikgeräte fanden noch einmal statt; der Wein begann bereits, alle Jungfrauen zu beleben und dem Spiegel ihrer Herzen, den Kummer hatte blind machen können, wieder Glanz zu geben, als ihnen die Königin der Schönheit befahl, sich auszuruhen. So fand ich mich denn allein mit ihr, und es währte nicht lange, als ich wieder mit meinen Liebkosungen und Bitten begann, indem ich Tränen vergoß, welche die Liebe allein zu entlocken fähig war. Und ich erinnere mich gar, daß ich mit aller möglichen Zärtlichkeit und Hingebung zu ihr sprach: ›O glänzende Sonne, o Meer der Schönheit, welches Unheil kann eine Ameise in einer großen Menge Zuckers anstiften ? Welchen Schaden kann eine Biene in einem Blumenbeete verursachen ? Ohne dich war ich tot, du hast mich mit dem Wasser des Lebens wieder erweckt. Willst du mir jetzt das Schwert der Verzweiflung ins Herzblut tauchen? Du hast mich mit der Güte, mit der du mich aufgenommen hast, bis zum Himmel erhoben und widersetzest dich nun mit aller nur erdenklichen Sprödigkeit dem lebhaftesten aller Wünsche; eine Weigerung, die mich bis zum Mittelpunkt der Erde sinken läßt. Ich beschwöre dich bei der Gastfreundschaft, die du mir so großmütig gewährt hast, lasse mich zum Ziele meines Glücks gelangen!‹ ›Warum‹, sagte sie dawider, ›läßt dich deine Ungeduld in dein Verderben geraten? Könnte jemand, der mit dir umgeht, wie ich es tue, die dir noch nichts abgeschlagen hat, ein solches Unrecht gegen dich begehen, könnte ich dir gar die geringste Not bereiten, wenn ich mich nicht dazu genötigt sähe? Eines Tages wirst du das von mir erlangen, so du heute zu Unrecht von mir begehrst; darauf gebe ich dir mein Wort; jetzt aber kann ich deine Liebe noch nicht befriedigen!‹ ›O Schönheit ohnegleichen,‹ schrie ich seufzend auf, ›die Zeit ist unbeständig; die Tage und Nächte sind nicht immer die gleichen, und das Glück ist sehr launisch. Wenn man soviel Geist hat wie du, muß man fühlen, daß es die größte Torheit ist, sich eine günstige Gelegenheit entschlüpfen zu lassen! Kannst du das Wort zurücknehmen, das du mir gegeben hast ? Nein, du bist unfähig, mich zu täuschen. Warum es also hinausschieben? Warum, o reizende Königin, den Schritt nicht heute nacht tun? Warum dich länger entschuldigen und mir Verzögerungen vorschlagen, deren Gründe ich nicht verstehen kann? Die Zeit ist wie ein Sturmwind, der in einem Augenblick die Ernte der Liebe vernichten kann. Was wird aus mir, wenn mein Glück, wenn meine Hoffnungen zunichte werden? Ich kann den Anblick deiner Sklavinnen nicht ertragen, du allein hast mich gefesselt, habe Mitleid mit dem Zustand, in den du mich brachtest; gewähre mir ein Vergnügen, das zu kosten ich mich so sehr sehne. Ich kann mich nicht mehr mäßigen, meine Langmut ist zu Ende; zu oft habe ich eine schöne Gelegenheit verpaßt und will heute nicht denselben Fehler begehen, will meine Leidenschaft befriedigen, mag kommen, was da will!‹ Ihre Bitten und ihr Widerstand waren unnütz; und hätte ich dafür sterben müssen, ich wollte den reizenden Schatz besitzen. Als die Schöne sogleich den Zustand, in den mich meine Leidenschaft versetzte, sah und wohl merkte, daß sie mir nicht leicht entschlüpfen könnte, willigte sie einen Augenblick aus Furcht ein, um sich mir einen Augenblick später aus Scham zu verweigern. Doch nichts brachte mich von meinem Vorhaben ab; und ich wollte die Glut, die mich verzehrte, durchaus löschen. Eine solch große Hartnäckigkeit erregte indessen die Prinzessin; eine Röte, halb aus Zorn, halb aus Scham bestehend, stieg ihr ins Gesicht, und sie sprach zu mir: ›Nun, wohlan, du sollst zufrieden sein. Tue mir wenigstens keine Gewalt an; ich widersetze mich dem, was du von mir verlangst, nicht mehr. Um eine Gunst aber bitte ich dich: schließe die Augen, während ich dir das Tor des Schatzhauses öffne, in dem du alle Reichtümer der Liebe ernten sollst. Niemand ist Herr darüber gewesen, und niemals soll es ein anderer sein als du!‹ Solch schmeichelhafte und süße Worte zwangen mich, meinen Kopf mit dem Zipfel des Mantels zu bedecken; und ich schloß die Augen, wie ich es versprochen hatte; indem ich der Wonnen gedachte, die ich genießen sollte, hielt ich mich für den glücklichsten aller Menschen. Traurigen Tones, den ich sie bald vergessen zu machen hoffte, sagte die Prinzessin zu mir: ›Öffne die Augen!‹; eifrig gehorchte ich ihr und fand mich in dem schrecklichen Korbe, der mich hergebracht hatte. Schmerz und Wut bemächtigten sich meiner Sinne, ich verlor das Bewußtsein und wurde ohnmächtig; doch kam ich wieder zu mir. Indessen hob sich der Korb in die Lüfte und trug mich zu dem Gemäuer zurück, wo ich ihn gefunden hatte. Ich wollte diesen schrecklichen Korb verlassen, indem ich alle nur möglichen Verwünschungen gegen den Himmel und mein Schicksal ausstieß. Doch war ich sehr betroffen, den jungen Kaufmann wieder vorzufinden, der gekommen war, um mich alle Tage zu erwarten, da er sich mein Unglück wohl denken konnte; mein Inneres bewegte sich bei seinem Anblick; und meine Augen wurden dem Meere ähnlich, das durch die heftigsten Winde aufgepeitscht wird. Der wahre Freund aber sagte zu mir, indem er sich gegen die Brust schlug: ›O unglücklicher Fürst, welch schwarze Schwermut quält dich jetzt; und wenn ich dich tausend Jahre lang von dem unterhalten hätte, was du eben gesehen hast, siehst du nun ein, daß ich dich dann nicht genügend unterrichtet und ich nichts weiter erreicht haben würde, als deine Neugierde nur noch mehr anzustacheln? Du hast die verhängnisvolle Kühnheit gehabt, solches selbst beurteilen zu wollen; du hast es gesehen, und dein Herz ist jetzt von dem lebhaftesten Schmerze durchbohrt. Doch erinnere dich, daß du so gewollt und selbst darauf gedrungen hast!‹ Ich konnte ihm nur mit meinen Seufzern antworten und mit meinen Tränen; seinen Anblick aber nicht ertragen könnend, schlug ich den Weg nach der Stadt ein; er wollte mich jedoch um keinen Preis der Welt verlassen. Und ich legte alsbald die dunkelsten Gewänder an und wollte mich jeden Tag nach dem Korbe begeben, doch der teure Freund gab mir die Versicherung, daß er immer unbeweglich für mich sein würde, da er niemals die wieder aufnähme, die er einmal getragen hätte. Und er fuhr fort: ›Ahme nicht die Narrheit derer nach, die du in der Stadt siehst und die sich nicht fernhalten können; suche dich vielmehr zu trösten, oder wenigstens Zerstreuungen nachzugehen, sei es auf Reisen, sei es, indem du in den Schoß deiner Familie zurückkehrst und dich der Herrschaft deiner Staaten widmest.‹

Da mich der Korb, wie der Kaufmann es mir vorhergesagt hatte, immer zurückwies, verließ ich ihn, durch seine Vorstellungen bewogen, nachdem ich ihn tausendmal umarmt hatte, und bin hierher zurückgekommen, wo du Zeuge des Schmerzes gewesen bist, den ich in meinem Herzen zurückbehielt und der nur mit meinem Leben aufhören wird.

Als der König Kemsarai seine Geschichte beendigt hatte, sprach die schöne Zahide, die darob tief gerührt war, zu ihm: ›Tröste dich, o Fürst; wie außerordentlich dein Unglück auch ist, ich glaube zuversichtlich, daß es sich heilen läßt. Höre auf mich und hab ein wenig Geduld, wie zum Beispiel der listige Vogel, der zu sich sagt, wenn er einmal gefangen ist: es ist unnütz, niedergeschlagen zu sein, denn mit ein wenig Geduld kann man sich vielleicht befreien!‹ ›Du willst mich trösten,‹ sagte der König seufzend dawider, ›aber ich werde den schönen Mond der Welt niemals wiedersehen!‹ Dann drang ein Tränenstrom aus seinen Augen, stärker denn jemals. Nachdem Zahide ihm in seinem Schmerz eine Weile freien Lauf gelassen hatte, fuhr sie fort: ›Versprich mir wenigstens, dein Leben nicht antasten zu wollen während der Zeit meiner Abwesenheit, derer ich bedarf, um einen Plan auszuführen, den ich betreffs deiner Lage für notwendig erachte; meine Freundschaft zu dir kennt nicht Unmögliches; alles, was du mir erzählt hast, ist nicht natürlich, ich werde den Schleier zu zerreißen wissen, der uns die Wahrheit verbirgt, und will zum wenigsten mein möglichstes tun; und wenn ich dich nicht aufklären, noch deine Traurigkeit vermindern kann, soll es mir fernliegen, deine Verzweiflung zu verurteilen, und ich will die erste sein, solches schwöre ich dir bei dem großen Propheten, welche die Mittel, ein so trauriges Leben zu beendigen, genehmigt, ja, dir gibt!‹ ›Weh,‹ entgegnete ihr der König mit Tränen in der Stimme, ›ich soll den Trost einer süßen Schwester verlieren und werde den einen: in ihren Armen zu sterben, nicht haben; das ist alles, so ihr Eifer und ihre Freundschaft erreichen werden!‹ ›Was weißt du,‹ entgegnete sie ihm, ›ob deine Augen nicht getäuscht worden sind? Ob irgendein auf dein Glück eifersüchtiger Geist dich nicht betrogen hat? Wer weiß denn, ob du keinen Eindruck auf das Herz der schönen Prinzessin gemacht hast?‹ ›Ach,‹ rief der König darauf, ›solches Glück kann für keinen Sterblichen aufgespart sein, nach ihm darf ich nicht trachten; und zweifelsohne habe ich eine Huri des heiligen Propheten gesehen; das Feuer der Trennung, das mir beständig zusetzt, ist ein sicherer Beweis dafür!‹ Der Vogel der Hoffnung nistet immer im Herzen eines Liebenden. Zahide redete so gut auf den König ein, daß er ihr das Wort gab, sein Leben nicht antasten und sich selbst bis zum Wiedersehen erhalten zu wollen, ehe er einem so grausamen und schlaffen Leben ein Ziel setzte. Dann bereitete sie alles für ihre Reise vor, und Kemsarai sprach zu ihr, indem er sie umarmte: ›Möge der Stern des Glückes dir auf allen Wegen folgen!‹ Das Herz der Prinzessin jedoch war so in Kummer versunken, daß sie nicht die Kraft hatte zu sprechen.

Sie unterrichtete sich mit solcher Genauigkeit über die Lage der Stadt Medhuchan, daß sie sie ohne Widrigkeiten erreichte, um so mehr, als sie ihr Geschlecht verborgen, ihre Hautfarbe gebräunt, ihre schönen Haare unter einem Turban verborgen hatte, mit einem Worte, in keiner Weise die Schönheit, mit der sie der Himmel begabt hatte, sehen ließ.

Und sie fand die Dinge gemäß der Erzählung des Königs, ihres Bruders; fragte den ersten schwarzgekleideten Menschen, der ihr begegnete, nach dem Wege zum Korbe. Doch der antwortete ihr nur mit einem Seufzer; und sie bemerkte, daß er aus der Stadt hinausging, und folgte ihm und kam bald zu dem verfallenen Gemäuer, das sie von etwa zwanzig schwarzgekleideten Menschen belagert fand, die alle vergebliche Versuche machten, sich in den Korb zu setzen; der aber hielt still, sobald sie sich näherte. Sie stieg eilends hinein und wurde wie ein Blitz hochgeführt inmitten der Schreie und Klagen derer, die sich vergebens bemüht hatten. Sie kam in den Garten der Prinzessin. Die Beschreibung, die ihr Bruder von ihm gegeben hatte, war so genau, daß sie ihn leicht wieder erkannte. Als die Nacht gekommen war und die Jungfrauen ihre Plätze eingenommen hatten, ließ man sie suchen und vor die Prinzessin führen. Sie war von ihrer Schönheit überrascht, die den traurigen Zustand des Königs, ihres Bruders, entschuldbar machte. Indessen bemerkte sie Niedergeschlagenheit auf ihren Zügen und Traurigkeit in ihren Augen und eine Schwermut in ihrem ganzen Wesen, die sie vergebens zu verbergen suchte. Sie bereitete ihr einen ehrenvollen, aber frostigen und verwirrten Empfang. Zahide sah sich, in der Absicht, ihre Neugierde zu befriedigen, gezwungen, ihr eben die Freundlichkeiten zu bezeigen, als wenn sie wäre, was sie zu sein schien. Die Aufmerksamkeit, die sie für die Prinzessin zu fühlen begann, das Mitleid mit dem argen Zustande des geliebten Bruders, ihr sehnliches Verlangen, ihm zu dienen, alle diese Gefühle, die mit Neugier vermischt waren, gaben ihr eine Lebhaftigkeit, die ein so gleichgültiges Wesen, wie es die Prinzessin zu sein schien, leicht täuschte. Zahide wollte sich darauf einige Freiheiten herausnehmen und zärtlich zu ihr sein, sie wurde aber streng in die Schranken zurückgewiesen. Die Tänze und die Musik wurden aufgeführt; man reichte die Weine in den Goldschalen in verschwenderischer Fülle dar; und die Prinzessin, die das Mahl zu beendigen bestrebt war, bot Zahide einer ihrer Sklavinnen an.›Gestatte mir, daß ich sie ablehne‹, sagte das schöne Mädchen; ›das Bild deiner Schönheit steht meinem Herzen zu nahe, als daß es mich nicht bis zum Augenblicke beschäftigte, wo wir uns wiedersehen!‹ Abgesehen davon, daß ihr ja die Sklavin nichts nütze sein konnte, äußerte sie auch ein solches Zartgefühl, um zu erfahren, ob sich ihr Bruder durch die ihm angebotenen Sklavinnen einen Vorwurf zugezogen habe. Die Prinzessin antwortete ihr jedoch mit einer Ungeduld und Angst, die sie nicht verbergen konnte: ›Wie, du schlägst eine dieser schönen Jungfrauen aus?‹ ›Es ist das einzige, o Herrin der Schönheit,‹ sagte Zahide darauf, ›was ich von allen Dingen, die du deinem Sklaven anzubieten geruhst, zurückweise.‹ ›Solche Weigerung ist hier nicht erlaubt,‹ unterbrach sie die Prinzessin, ›das Gesetz, das dir hierher zu kommen erlaubt,‹ fuhr sie fort, ›verpflichtet dich, eine Sklavin auszuwählen und die Nacht mit ihr zu verbringen; trotzest du dem, so bereite dich vor, uns zu verlassen!‹ Zahide gab bei dieser Drohung nach. ›Geruhe wenigstens, o Seele meiner Gedanken, die Wahl selber vorzunehmen‹ fügte sie hinzu. ›Sie sind mir alle ganz gleich,‹ unterbrach die Prinzessin mit Unmut, ›nimm die Schönste nach deinen Augen!‹ ›Weil ich denn durchaus eine wählen oder deinen Anblick meiden soll,‹ fuhr Zahide fort, ›so wünschte ich wohl die kennenzulernen, die dir am wenigsten gefällt; ihr würde ich den Vorzug geben, um dir den Eindruck zu beweisen, den du auf mein Herz gemacht hast.‹ Die Prinzessin nahm nun eine ungeduldige Miene an: ›Niemals‹, sprach sie, ›ist ein Fremder mit so kaltem Gefühle und solcher Zudringlichkeit, wie du, hier gewesen; nimm, sage ich dir, die, welche dir zusagt; aber wähle eine!‹ Als Zahide sah, daß diese Wendung nichts fruchtete, sie weiter aufzuklären, gab sie der den Vorzug, welche die lebhafteste zu sein und infolgedessen den schärfsten Verstand zu haben schien. ›Schöne Muna, bleibe bei dem Fremden!‹ sagte die Prinzessin sofort zu ihr und zog sich zurück. Muna und Zahide aber setzten sich auf ein Ruhebett und bewahrten einige Zeit über tiefes Schweigen. Die eine erwartete mit Ungeduld, daß man ihren Reizen den Zins zahlte, den sie verdienten, und brannte indessen vor Eifer, zum Ziel zu kommen; die andere jedoch sann auf Mittel, wie sie ihre Neugierde befriedigen könnte. Endlich näherte sich ihr Muna und wollte ihre Unterhaltung und Bekanntschaft mit Liebkosungen und Küssen einleiten. Zahide erwiderte solches mit einer Kälte, welche die lebhafte und ungeduldige Muna überraschte und betrübte. ›Spare deine Güte für mich auf,‹ fing die liebenswürdige Zahide zu reden an, ›gib mir Zeit, sie zu verdienen, und laß mich vorher wissen, was du von der Prinzessin und dem geheimnisvollen Korbe in Erfahrung gebracht hast!‹ ›Teurer Fremdling,‹ sagte sie dawider, ›eine Kette von Glücksfällen möge alle Tage deines Lebens umschlingen! Ich möchte deiner Neugier wohl genugtun können. Höre auf mich, laß uns lieber das Verlangen unserer Seele erfüllen, halte das deinige nicht mehr zurück, lasse meines sich ergießen und nutze einen so glücklichen Umstand aus.‹ Zahide erklärte ihr jedoch, daß sie vorher auf ihre Fragen antworten müsse. Und Muna nahm das Wort wieder und sagte ungeduldig zu ihr; ›Wir werden hier bewacht, meine Genossinnen und ich, und sind nicht imstande, zu erfahren, um was du mich fragst. Es sind sechs Jahre her, daß ich durch Sklavenhändler fortgeschafft wurde. Die verkauften mich in dieses Land; man vereinigte mich mit denen, die du eben sähest; wir wohnen in einem Serail, der von dem der Prinzessin abgesondert ist, und sehen sie nur zur Stunde des Mahles und des Morgens, wenn wir, nachdem wir den Fremdling verlassen haben, vor ihr und dem Könige in Gegenwart des Diwans von allem, was er uns gesagt hat, Rechenschaft ablegen. Mit den äußersten Vorsichtsmaßregeln führen uns die Eunuchen dann aus dem Palaste, und wir ziehen uns in unsere gewohnte Behausung zurück; es ist uns bei Lebensstrafe verboten, zu wem es auch sei, von uns zu sprechen und über uns Auskunft zu geben. Du siehst nun deutlich,‹ fuhr sie fort, ›daß es diese Erzählung nicht verdient, die Vergnügungen, die zu genießen uns freisteht, zu unterbrechen; komm also, o Sonne meiner Gedanken,‹ sprach sie und erneuerte ihre Zärtlichkeiten mit Augen, die das Verlangen beseelte, ›komm, und erfülle mich mit Freude, komm, und berausche meine Seele!‹ Zahide aber, die sich niemals in einer ähnlichen Lage befunden hatte, sprach zu ihr: ›O liebe Muna, deine Schönheit und deine Liebe werden mein Herz leicht unterjochen, ich lasse der einen wie der anderen Gerechtigkeit widerfahren, doch ich bin außerstande, sie zu benutzen!‹ ›Was hindert dich daran?‹ fragte Muna mit ebensoviel Lebhaftigkeit wie Unruhe. ›Die Schönheit der Prinzessin hat meine Seele so fest gekettet‹, fuhr die schöne Zahide fort, ›und beherrscht mein Herz so vollständig, daß ich unfähig bin, mich einem andern Gedanken hinzugeben!‹ ›Wie unglücklich bin ich!‹ rief die süße Muna aus und vergoß bittere Tränen. ›Was soll ich tun, um dir zu gefallen, o du grausamster aller Männer?‹ ›Verzweifle nicht, o schöne Muna; ich werde deinen Reizen vielleicht noch huldigen, lasse die deines Verstandes glänzen, sie vermögen ebensoviel Eindruck auf mein Herz zu machen wie die deiner Schönheit. Die Prinzessin – so schön wie sie ist – hat vielleicht nicht ebensolche Lebendigkeit und Anmut!‹ ›Sie ist unvergleichlich‹, antwortete Muna und verdoppelte ihre Tränen, ›und ist eine Sonne der Vollkommenheit; es ist wahr, seit einiger Zeit scheint uns ihre Fröhlichkeit nicht mehr die frühere zu sein, und sie läßt sehr viel Ungleichheit in ihren Stimmungen blicken. Und Seufzer entfahren ihr, die sie vergebens zurückzuhalten sucht; ihre Mahlzeiten wurden abgekürzt, sie kommt später in den Garten und scheint nur auf Mittel, sich entfernen zu können, bedacht zu sein; mit einem Worte, ihre Milde und Fröhlichkeit, die ihr angeboren waren, beleben uns nicht mehr bei unsern Vergnügungen!‹ ›Aber seit welcher Zeit‹, fragte sie Zahide, ›hast du einen solch lebhaften Wechsel bemerkt?‹ ›Seit sechs Monden ungefähr,‹ antwortete die ihr, ›als ein Fremdling drei Tage bei uns verbrachte, was ungewöhnlich ist, denn oft werden uns die Fremden noch in der ersten Nacht entführt!‹ Zahide aber bat Muna, ihr den Fremden zu beschreiben, und als sie ihr das Bild des Königs, ihres Bruders, entworfen hatte, verdoppelte sie ihre Fragen; und obwohl sie sehr ungeduldig war, fuhr die Sklavin also fort: ›Er unterhielt scheinbar die Prinzessin besser als die andern; denn der Guttaten, die sie für ihn hatte, waren gar viele. Er hatte sogar bei meinen Genossinnen geschlafen; folglich hätte er uns am ersten Tage verlassen müssen; die Prinzessin jedoch, die zweifelsohne eine große Freude daran hatte, ihn zu sehen, verbot den Sklavinnen, die zwei Nächte mit ihm zugebracht hatten, vor dem Könige, ihrem Bruder, und vor dem Diwan davon zu reden. Und er wäre glücklich geworden, wenn er am dritten Tage das Feuer, das ihn der Prinzessin wegen verzehrte, hätte dämpfen können. Doch er vergaß sich, und seine Keckheit wurde bestraft. Seit der Zeit sind unsere Herzen mit Sürmeh (welches eine schwarze Farbe und das Sinnbild der Trauer ist) bedeckt, und all unsere Freuden haben sich mit ihm verflogen; wir dürfen nicht hoffen, ihn wiederzusehen, und alles, was wir wünschen können, ist, daß die Erinnerung an ihn für immer erlöscht!‹ ›Wie darf ich glauben,‹ sagte Zahide darauf, ›daß die Prinzessin diesem glücklichen Fremdling solch lebhaftes Andenken bewahrt hat? Denn die Vergnügungen dieses Gartens der Wonne, die Guttaten, die sie für alle hat, die der Korb unaufhörlich vor ihre Knie legt, stehen im Widerspruch mit deiner Erzählung!‹ ›Leicht kann ich darauf antworten‹, versetzte Muna; ›es kommen nicht alle Tage Fremdlinge hierher; auch sind sie seit einiger Zeit seltener denn je geworden; und die Prinzessin hatte niemandem den Garten in ihrer Güte ebensolange geöffnet, wie dem Fremden, mit dem du dich lebhaft zu beschäftigen scheinst. Wahrlich, er verdiente alles, was man ihm nur gewähren konnte; meinen Gefährtinnen, welche die beiden Nächte mit ihm verbracht haben, steht er noch vor Augen, unaufhörlich sprechen sie von ihm; und du allein kannst meine Seele mit einem gleichen Dufte durchduften, wenn du meinem Verlangen entsprichst!‹ ›Fahre mit deiner Erzählung fort‹, unterbrach sie Zahide; ›die Prinzessin hatte also vorher keinem andern Fremdlinge so viel Guttaten erwiesen?‹ ›Nein, gewißlich,‹ entgegnete Muna, ›sie begnügte sich vorher damit, ihre Schönheit zu zeigen, deren Wirkung wie ein wohltätiges Gestirn bewundern, einige Blicke aus ihren schmachtenden schönen Augen fallenzulassen oder zu werfen und dann einige Male zu erlauben, daß man auf ihre Gesundheit trinke; doch gewährte sie diese Gunst selten; endlich sagte sie manchmal ein schmeichelhaftes oder verbindliches Wort. Seit der Zeit aber hat sie hauptsächlich diese Gunstbezeigungen eingeschränkt, und du kannst dich selbst davon überzeugen; schließlich berauschen ihre einzige Schönheit, ihre Reize, ihr Lachen, die auserlesenen Weine, die Wohlgerüche, der Tanz, die Musik und der Anblick der Jungfrauen, über die ein Fremder verfügen kann, vor allem die Liebe und das Verlangen derer, die sich hier einstellen. Die Unterwürfigkeit hat sie immer vor der Prinzessin zurückgehalten; doch alle sind sie noch den Sklavinnen verfallen, die mit sich zu nehmen sie ihnen gebot, oder haben sich im Übermaße den herrlichen Weinen ergeben, die man ihnen in Fülle einschenkte; von dem Augenblicke an haben wir sie nicht wiedergesehen; man versichert uns freilich, daß sie untröstlich wären und die Erinnerung an diesen Garten ihnen alle Vergnügen der Welt unerträglich mache. Bislang hatte ich Mühe, mir solch einen Verdruß vorstellen zu können; nun fühle ich aber, daß mir deine Abwesenheit das Dasein bald unerträglich machen würde. Das ist alles, was ich weiß,‹ fuhr sie fort, ›solches schwöre ich dir bei dem Könige der Geister.‹ ›Du willst dich also von mir trennen und mich für immer verlassen,‹ erwiderte dann Zahide, ›und willst mich nicht länger hier sehen, weil du verlangst, daß ich mich deinen Wünschen füge!‹ ›Deine Kälte bringt mich zur Verzweiflung‹, antwortete ihr die schöne Muna; ›ich fühle wohl, was du damit sagen willst, aber wie kann man bei Verstande bleiben, wenn man mit einem Wesen, das man liebt, allein ist?‹ ›Ich habe nur noch eine Frage an dich zu stellen‹, unterbrach sie Zahide. ›Wie, du stellst mir immer nur Fragen,‹ rief Muna schmerzbewegt aus, ›willst du denn niemals zärtlich zu mir sein?‹ ›Du sollst eines Tages mit meinen Gefühlen zufrieden sein‹, antwortete ihr Zahide; ›ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht!‹ Als die süße Muna solches vernahm, beruhigten sich ihre Geister ein wenig; und jene fuhr also fort: ›Du scheinst mir zu jung zu sein, als daß du schon sieben Jahre hier wärest!‹ ›Ich zählte zwölf Jahre, o Herr, als ich hier ankam; was mich aber selbst in Erstaunen setzt, ist, daß sich keine Veränderung in meiner ganzen Gestalt gezeigt hat!‹ ›Das geht nicht natürlich zu,‹ unterbrach sie Zahide, ›du scheinst mir in der Tat erst zwölf Jahre alt zu sein. Während die erstaunliche Menge der Fremdlinge, die hierhergekommen sind und denen man dich ausgeliefert hat, dich hätten müssen ...‹ ›Ach! wenn es ein wünschenswertes Los für uns wäre, von den Männern erwählt zu werden, wäre ich sehr unglücklich gewesen; du bist der erste, der mir einen Vorzug gegeben hat und den ich nicht so grausam zu finden wähnte; ja, o teurer Sultan meines Herzens, du wirst das Unglück meines Lebens sein. Eine geheime Ahnung hatte mich zweifelsohne bislang gehindert, danach zu verlangen; indessen, seit ich dich gesehen habe, kamen mir bisher unbekannte Wünsche. Und ich habe gewünscht, deine schönen Augen zu küssen, habe Lust, dich zu umarmen und mich niemals von dir zu trennen. Die Rosen meines Lebensfrühlings sind noch nicht verwelkt, du hast es selbst zugegeben; warum also, o Grausamer, behandelst du mich mit Härte? Was sollen meine Genossinnen sagen? Wie kann ich vor ihnen erscheinen, wenn sie von der Verachtung hören, mit der du mich behandelst? Ich wäre glücklich, wenn ich nicht erwählt worden wäre‹, fügte sie unter Tränen hinzu. ›Tröste dich, o meine liebe Muna,‹ fing Zahide mit unendlicher Freundlichkeit wieder an, ›ich kann mich noch nicht entschließen, dich zu verlassen; bekenne deinen Gefährtinnen offen, daß ich hitzig in die Prinzessin verliebt bin; deine Eitelkeit hat dann weniger zu leiden. Indessen verspreche ich dir, daß ich dir Zärtlichkeit mit Zärtlichkeit vergelte, wenn du mir einen Dienst leisten willst, der mir wichtig ist!‹ ›Was täte ich nicht, um deine Gunst zu gewinnen?‹ antwortete ihr Muna mit einer Zärtlichkeit, in die sich Tränen mischten. Da fuhr Zahide fort: ›Du mußt die Gründe, die den geheimnisvollen Korb angehen, und die des Empfanges, den die Prinzessin scheinbar allen zu bereiten hat, die er hierherführt, zu erforschen suchen. Was ich sah, das wenige, das du mir eben erzähltest, die Heimlichkeit, die man bei der Erzählung beobachtet, die ihr vor dem Könige in Anwesenheit des Diwans abzulegen habt, hinter allem scheinen mir merkwürdige Dinge zu stecken. Morgen erzählst du mir, was du entdeckt hast, und ich verspreche dir, keine andere Sklavin zu erwählen; also werden wir Zeit haben, wieder beisammen zu sein!‹ ›Wenn das ein Mittel ist, dich für mich einzunehmen,‹ sprach darauf die schöne Muna zu ihr, ›so sei überzeugt, daß ich alles daransetzen werde, um dir genügende Kunde zu bringen!‹ Darauf zog sich Zahide zurück, um in einer Ecke des Ruhebetts zu schlafen, und sagte zu Muna, sie solle die andere äußerste Ecke einnehmen. ›Wie, ich soll selbst nicht einmal an deiner Seite schlafen?‹ rief Muna mit schmerzbewegtem Herzen aus. ›Nein,‹ antwortete Zahide, ›es kann nicht anders sein, und du mußt tun, was ich verlange!‹ Muna wurde also gezwungen, ihr zu gehorchen; doch brachte sie die ganze Nacht weinend und seufzend hin. Als der goldgeflügelte Vogel bereit war, sein Nest mit allen Vorzügen seiner Schönheit zu verlassen, riß sie sich von diesem Orte los, nicht ohne ihr Herz durch einen Kuß gestärkt zu haben, welchen sie der schönen Zahide gab, die sich mit vieler Mühe ihrer zärtlichen Umarmung entzog. Indessen beschwor Zahide die Scheidende, sich sorgfältig nach den Dingen, die sie wissen wollte, zu erkundigen, und vertröstete sie auf das Wiedersehen am Abend.

Muna entfernte sich nur widerwillig von dem Gegenstände ihrer Liebe; und als sich Zahide allein befand, gab sie sich all den Gedanken hin, die das, was sie sah, und die Teilnahme an dem Schicksale ihres Bruders erregte. Sie schritt durch beide Gärten, prüfte das Lusthaus mit dem Throne, in der Hoffnung, einiges zu bemerken, was ihr von Nutzen sein könnte. Alle ihre Sorgfalt aber war vergeblich; das Tor, das der Prinzessin und ihrem Gefolge als Eingang in den Garten diente, war groß und mit weißem Marmor bekleidet, der mit goldener Bronze verziert war, und ließ nicht zu, daß man hinüberblickte. Mit dem Betrachten aller dieser Gegenstände und unter mancherlei Gedanken verbrachte Zahide den zweiten Tag.

Als die Nacht gekommen war, erschien wie gewöhnlich die Prinzessin, jedoch noch weniger fröhlich als am vergangenen Abend. Zahide lief auf sie zu und bezeigte ihr um so viel mehr Aufmerksamkeit und Hitze, als sie um die Ursache ihres Kummers wußte. Die Prinzessin aber sagte zu ihr, indem sie auf die schmeichelhaften Reden antwortete, die sie zu ihr gesprochen hatte: ›Warum, o Fremdling, dankest du für alle meine Guttaten? Du scheinst sehr liebenswürdig und höflich zu sein und suchst mich zu bestechen;

indessen passen deine Handlungen nicht zu deinen Worten!‹ ›Was kann mir die hohe Sultanin vorwerfen? Worin kann ihr Sklave ihr mißfallen haben?‹ rief die schöne Zahide aus und stürzte ihr zu Füßen. ›Du hast meine Sklavin verächtlich behandelt‹, sagte die Prinzessin zornig darauf, ›welches kann der Grund einer solchen Kälte sein?‹ ›Die Liebe, die du mir eingeflößt hast,‹ entgegnete ihr zärtlich Zahide, ›ja, o schöner Mond der Welt, diese Liebe macht mein Herz gegen alles gefühllos; die schönste der Huris würde mir jetzt gleichgültig sein. Gib mir deine schönen Hände; erlaube mir, indem ich sie küsse, das Feuer, das mich verzehrt, zu lindern; geruhe Mitleid mit einem Unglücklichen zu haben, dem deine Härte das Grab öffnet!‹

Immer verwirrter wurde die Prinzessin, immer mehr gab sie vor, zufrieden zu sein; immer gefallsüchtiger wollte sie sich zeigen, und immer mehr verdoppelte Zahide die lebhaften Ausbrüche, süßen Beteuerungen und ihren Eifer: ist es möglich, gefallsüchtig zu sein, wenn die Liebe im Herzen thront? Die Prinzessin gab also Zahide die Hand, sagte ihr ein zärtliches Wort oder sah sie innig an; doch ihr Herz machte ihr über eine Handlung Vorwürfe, die sie nicht einmal begangen hatte. Sie suchte Zahide von ihrer Liebe abzubringen, indem sie sie auf eine Sklavin hinwies, bald, um ihr Beifall zu spenden, bald, um ihren Tanz, ihre Gestalt und ihre Vorzüge zu bewundern; dann wieder lobte sie ein Musikstück oder ein gesprochenes Gedicht. Einige Male ließ sich Zahide aus Mitleid diese Ausflüchte und von der Liebe eingegebenen Schlupfwege gefallen. Stand ihr doch der Beweggrund zu nahe, um nicht solche Gefälligkeit zu üben. Um sich indessen von dem Glücke ihres Bruders zu überzeugen, dankte sie ihr bald für ihre Güte, bald hielt sie zu ihrem Lobe eine Rede oder machte die gleichgültigste Gebärde; und dieses Vorgehen brachte die Prinzessin zur Verzweiflung, um so mehr, als sich Zahide fortwährend weigerte, sich der Verführung zu überlassen, welche die erlesenen Weine, die man ihr unaufhörlich darbot, verursachen konnte; solches war eine Zuflucht, die, nicht zu vernachlässigen, die Prinzessin ihren Sklavinnen geboten hatte. Als die Stunde der Trennung herangekommen war, schlug die Prinzessin wie gewöhnlich dem Fremden eine neue Sklavin vor, der aber wies sie als eine Beleidigung zurück. Die Prinzessin erregte sich darüber und bestand voll Bitterkeit auf dem Gesetz; Zahide jedoch sagte zu ihr: ›O Sultanin meines Herzens, da du mich zwingst, abermals deiner Sklavinnen eine zu erwählen, werde ich gehorchen, obwohl sie mir völlig nutzlos ist, und will keine andere als die schöne Muna nehmen!‹ Darauf zog sich die Prinzessin zurück; doch rief sie vorher Muna zu sich und sprach zu ihr, ohne daß man es hören konnte: ›Wenn du mich liebhast, o schöne Muna, wende alle Sorgfalt an, um diesem Fremden zu gefallen, niemals haben wir einen lästigeren gehabt, du allein vermagst, mich vor einem traurigen Leben zu retten; es steht in deinen Händen.‹ Muna fehlte es wahrlich nicht an Lust, ihrer Herrin gefällig zu sein, zumal sie ja selbst wünschte, dem jungen Fremden zu gefallen. Und aufrichtig versprach sie ihrer Herrin, nichts zur Ausführung ihrer Befehle zu versäumen.

Als Zahide sich allein mit Muna sah, sprach sie: ›Weißt du heute besser Bescheid als gestern?‹ ›Ach nein,‹ sagte die süße Sklavin darauf, ›aber ich liebe dich und habe nichts unterlassen, um dich zu befriedigen; unter der Zahl derer, die uns bedienen, gibt es eine Sklavin, deren Alter so hoch und deren Treue so bewährt ist, daß sie die Erlaubnis hat, manchmal auszugehen und in die Stadt zu reisen; an die habe ich mich gewandt, um dich zufriedenzustellen; und ich habe sie gebeten, mich von dem in Kenntnis zu setzen, was du so gern wissen willst. Da ich sah, daß sie nur sehr unvollkommen darüber unterrichtet ist, hat mich trotz der Gefahr, der wir beide laufen, indem wir solche Nachforschungen anstellen, die Liebe zu dir so beredt gemacht, und ich wußte sie durch kleine Geschenke so wohl zu gewinnen, daß sie heute nachmittag eine Händlerin aufgesucht hat, die mit ihr befreundet ist und eine Art Vertraute der verstorbenen Königin war; die hat sie mir zu fragen versprochen nach allem, so sie über die Vorgänge hier wissen kann. Solches, o lieber Fremdling, tat ich, um dich zufriedenzustellen!

Zahide bezeigte ihr ihre Dankbarkeit und zwang sie, einen Diamantschmuck zu nehmen, um, wie sie sagte, damit die alte Sklavin und die Händlerin zu belohnen. ›Behalte deine Diamanten,‹ wiederholte die schöne Muna tausendmal, ›wozu können sie mir nützen; wiegen sie einen Kuß auf, den dich nichts hindert, mir zu geben, eine Liebkosung, die du mir spenden, eine Zärtlichkeit, die du mir beweisen könntest? Warum willst du die Verbindlichkeit verringern, welche du gegen mich haben mußt? Doch du bist nur undankbar. Sprich, kann ich dir mehr Liebe beweisen? Kann ich mich größeren Gefahren aussetzen, um die Kälte und Undankbarkeit deines Herzens zu mildern?‹ ›Nichts kann meiner Erkenntlichkeit gleichen,‹ antwortete ihr Zahide, ›aber du siehst doch ein, daß ich mich, da ich unterrichtet sein will, einer jähen Abreise nicht aussetzen möchte; daher kann ich deiner Liebe nicht eher antworten, als bis ich über das Geheimnis des Korbes, der Prinzessin und des Gartens aufgeklärt bin; solches ist mein fester Plan, traue mir doch,‹ fuhr sie fort, ›laß uns diese Nacht wie die vorige verbringen.‹ Wie betrübend auch dieser Vorschlag für die schöne Sklavin sein konnte, Zahides bestimmter Ton ließ sie einsehen, daß sie sich bequemen mußte; und die für die Freuden bestimmte, von völligster Freiheit begünstigte Zeit verbrachte sie noch einmal in Tränen und Seufzern und Klagen. Aber als die Nacht abließ, die Erde zu verdunkeln, rief Zahide sie, um sie zu verpflichten, nichts an den versprochenen Aufklärungen zu versäumen, zu sich und gab ihr einen Freundschaftskuß, den die nicht erwartet hatte und welcher sie dem Gipfel ihrer Wünsche nahe brachte.

Zahide verbrachte den Tag in tieferer Unruhe als den vorigen und fühlte, wie sie es trotz aller Vorsicht nicht verhindern konnte, daß sie der Korb folgenden Tages nach Medhuchan zurückbrächte oder daß man ihre Täuschung ergründete. Eins wie das andere betrübte sie in gleicher Weise, da es sie in die Notwendigkeit versetzte, sich zu entfernen, ohne einen Trost für ihren Bruder gefunden zu haben. Alles, was sie tun konnte, war, sich mit einer unbestimmten Hoffnung zu trösten und sich vorzunehmen, gemäß der Gelegenheit alles auszunützen, was sie in kommender Nacht in Erfahrung zu bringen vermochte.

Endlich erlaubte die Sonne den Sternen zu erscheinen, und die Prinzessin kam betrübter und unruhiger an, als sie es je gewesen war. Zahide ihrerseits war mit ihren Gedanken beschäftigt, und das Mahl verlief noch ernster als die früheren. Die schönen Jungfrauen sahen sich unaufhörlich im höchsten Erstaunen an; die Augenblicke des Schweigens, die sehr häufig eintraten, waren gegen die Regeln des Gartens. Als die Prinzessin solches bemerkte, unterbrach sie es plötzlich durch irgendein Gespräch, das aber nicht immer ihres treffenden Geistes würdig war. Zahide indessen, die ihre begonnene Rolle weiterspielen wollte, sprach also: ›Wie, o schöne Königin meiner Wünsche, es scheint, daß du noch unzufriedener bist, als du es die beiden anderen Tage warst. Warum trübst du durch deine Unruhe mein Glück: die Königin meiner Gedanken zu sehen?‹ Die Prinzessin erwiderte: ›Was soll ich zu einem Manne sagen, der sich mein Geliebter und Sklave nennt, mir indessen doch zu mißfallen sucht!‹ ›Ich, ich suche dir zu mißfallen!‹ entgegnete feurig Zahide. ›Ich, der ich mein Leben hingeben würde, um dir einen Augenblick angenehm zu sein!‹ ›Diese Redensart ist abgebraucht‹, unterbrach sie die Prinzessin; ›du fühlst wohl, daß sich das Unrecht, das du meiner Sklavin antatest, bei mir nicht wieder gutmachen läßt. Mit einem Worte,‹ fuhr sie fort, ›wenn mein Geliebter nicht unterwürfig ist, was habe ich von ihm zu erwarten, wenn ich so unglücklich wäre, in ihm meinen Gatten zu sehen? Glaube mir nur, ich will eher das Leben lassen, als mich einem Menschen fügen, über den ich so wenig Macht habe und der meine Geschenke mißachtet.‹ ›Oh, wie ungerecht bist du‹, rief Zahide aus . . .›Glaube mir, deine Klagen sind vergeblich, sie überzeugen mich nicht,‹ sagte die Prinzessin zornig darauf, ›erwähle eine meiner Sklavinnen und trennen wir uns, das ist das beste, was wir tun können!‹ Zahide bat sie, die Güte haben zu wollen, ihr die treue Muna zu lassen, und solches wurde ihr zugestanden trotz des Erstaunens, das diese Beständigkeit bei der Schar der Jungfrauen verursachte, und trotz der geringen Hoffnung, welche die Prinzessin daraus schöpfte.

Als nun die Tore des Gartens geschlossen waren, bemächtigte sich beider ein gleicher Eifer: der einen, weil sie Fragen stellen, der andern, weil sie darauf antworten wollte. ›O schöner Fremdling,‹ sprach Muna zu ihr mit der Wärme des Gefühls, das zuversichtlich weiß, daß es Erfolg hat, ›alles ließ mich die Liebe entdecken!‹ ›Ach, o meine liebe Muna, wie bin ich dir dankbar‹, unterbrach Zahide sie. Solch süße Worte bezahlten die Sklavin für alle ihre Bemühungen. ›Dies nun‹, sagte sie, ›hat die Alte mir berichtet und ist, glaube ich, alles, was wir darüber erfahren können:


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