Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Geschichte des Diebes von Seistan

Leich war ein einfacher Handlanger in dem Bezirke Seistan; als er nun einsah, daß er nicht genug erübrigen konnte, um sich so zu erhalten und so zu beköstigen, wie er es wünschte, schlug er sich zu einer Diebsbande, deren Vertrauen er bald durch seinen Mut und seine Gewandtheit erlangte. Diese Bande wurde furchtbar; und bald durch ihre Erfolge kühn geworden, faßte sie den Plan, den Schatz des Sultans von Seistan, der Dirhem mit Namen hieß und Nazirs Sohn war, zu stehlen. Sie brachen die Türen auf und packten alles, was sie an Gold, Silber oder Geschmeiden forttragen konnten, in Bündel ein. Und sie wollten sich ohne irgendeinen Widerstand mit ihrer Beute zurückziehen, als Leich etwas Funkelndes bemerkte, das an der Decke hing; er zweifelte keinen Augenblick, daß solches ein kostbarer Edelstein von unschätzbarem Werte sei, und kletterte mit vieler Mühe hinauf und merkte, als er ihn mit der Zunge berührte, daß es ein Salzstein war. Da nun rief er seine Kumpane und warf ihnen das Verbrechen vor, das sie begangen hatten. Sie waren ob seiner Gewissensbisse verwundert, doch er sagte zu ihnen: ›Ich habe von des Königs Salz gegessen; wißt ihr nicht, daß Brot und Salz, die beiden größten Geschenke, welche Allah uns gemacht hat, den Menschen zur Treue dem gegenüber verpflichten, von dem er sie erhalten hat? Also beschwöre ich euch, wenn ihr meine Freunde seid, laßt alles, was ihr gestohlen habt, liegen, was ich auch tun werde.‹ Seine Kumpane ließen sich überreden und schlossen die Tore des Schatzhauses, ohne etwas mitzunehmen. Als der Schatzmeister folgenden Morgens das Schatzhaus zu besichtigen kam und aus der Unordnung, die er dort vorfand, schloß, daß man dort eingebrochen war, benutzte er die Gelegenheit und ließ alle geschnürten Bündel in seine Wohnung bringen. Darauf lief er zum Könige und sagte, sich den Bart zerraufend, zu ihm: ›O Gebieter, man hat deinen Schatz gestohlen, die Diebe haben sich die Nacht zunutze gemacht.‹ Und man versprach denen große Belohnungen, welche die Diebe angeben könnten.

Der über den Vorfall unterrichtete Leich ahnte, wer die Verwirrung verursachte; doch als er sah, daß man nicht allein unschuldige Menschen verdächtigte, nein, ihrer auch jeden Tag festsetzte, bekam er Mitleid; und seine natürliche Billigkeit ließ ihn die Gefahr außer acht lassen, der er lief, wenn er die Wahrheit entdeckte. Er schickte sich an, vor den Wesir zu gehen, und sagte zu ihm: ›O Herr, ich kenne die Diebe des Schatzes; führe mich vor den Sultan, ich will sie ihm angeben!‹ Sogleich brachte ihn der Wesir vor den Sultan. Leich gestand ihm offen ein, was geschehen war, und schloß seine Rede, daß der Schatzmeister zweifelsohne eine Gelegenheit benutzt habe, die seinen Diebstahl verbergen konnte, und schwur, wenn der Sultan eine Hausuntersuchung bei jenem vornehmen ließe, er seinen Kopf dagegen wetten wolle, daß man dort alles am Schatze Fehlende finden würde.

Der Sultan war betroffen ob Leichs Rede und folgte seinem Rate; man fand, daß er richtig vermutet hatte. Der Schatzmeister wurde in den Palast gebracht. Dirhem warf ihm seine Untreue vor und sagte zu ihm: ›Seit deiner Kindheit habe ich dich ernährt und mit Wohltaten überhäuft, du bezahlst sie mir indessen mit Undankbarkeit und setzest mich der Gefahr aus, Unschuldige zu verurteilen, und bestiehlst mich, während ein Dieb, dem ich niemals eine Gnade erwiesen und der nur zufällig von meinem Salz gegessen hat, alles, so er mir nahm, gelassen hat, und was mehr ist, durch sein Beispiel und seine Bitten seine Kumpane dahin brachte, nichts wegzunehmen!‹ Der Schatzmeister wußte nichts zu seiner Rechtfertigung zu sagen und wurde vom Könige zum Tode verurteilt; der aber gab Leich sein Amt, der dem Vertrauen des Fürsten entsprach und ihm alle mögliche Treue bewies.

Nachdem er dies Amt mehrere Jahre verwaltet hatte, machte ihn der König zum Oberbefehlshaber seiner Heere; er erwarb sich einen guten Ruf in dieser neuen Würde; und seine drei Kinder, die er hinterließ, zeichneten sich durch ihren Mut aus und kamen zur Herrschaft, die ihre Nachkommen lange Zeit über behauptet haben.

»Ich glaube,« fuhr Moradbak fort, »wenn deine Erhabenheit jetzt von Leichs Betragen überzeugt ist, daß du dann Dscherberi die hundert Dinare nicht absprechen wirst; und wenn du Lust verspürst, die Fortsetzung seiner Geschichte zu hören, so erzähle ich sie morgen!« Hudschadsch stimmte dem bei, und folgenden Tages fuhr Moradbak mit solchen Worten fort:

»Dscherberi hatte große Kräfte, und die Arbeit hatte sie so erstaunlich vermehrt, daß alle Lastträger der Stadt ärgerlich waren, als sie sahen, wie er beinahe alle ihre Arbeit allein verrichtete und alle Einwohner lieber warteten, als sich seiner nicht zu bedienen, und faßten daher den Entschluß, ihn aufzusuchen, und sprachen zu ihm: ›O Dscherberi, wenn du nicht mehr arbeiten und dich ruhig verhalten willst, ohne etwas zu tun, verpflichten wir uns, dir jeden Tag zehn Aspern zu geben.‹ Dscherberi willigte darein, und die Lastträger zahlten ihm pünktlich diese Summe; von ihr lebte er nun ruhig und hielt ihnen seinerseits sein Wort; aber das Nichtstun schwächte seine Kräfte, welche die Arbeit erhalten hatte. Seine Natur veränderte sich, und er wurde krank; da er jedoch niemals des kommenden Tages gedacht hatte, wurde er bald von der Not heimgesucht; als ihn nun die Lastträger so schwach sahen, wollten sie ihm die ausgemachte Summe nicht mehr geben; in seinem Unglücke wandte er sich an Allah. Während er schlief, erschien ihm der heilige Prophet im Strahlenglanze seiner Herrlichkeit und sprach also zu ihm: ›O Dscherberi, du bist nur krank geworden, weil du davon abstandest, deine Kräfte zu benutzen, die dir Allah verliehen hat; demütige dich, arbeite, und du wirst sie wiedererlangen!‹ Von Stund an aber wurde sein Herz gerührt und seine Gesundheit wiederhergestellt; doch er war noch zu schwach, um seinen Beruf mit demselben Erfolge wieder aufzunehmen, mit dem er ihn ausgeübt hatte. Und er saß eines Tages vor der Tür des Großwesirs, als eine Frau kam, die ganz in Tränen aufgelöst war und sich neben ihn setzte, um die Empfangsstunde des Ministers abzuwarten. Dscherberi fragte sie nach der Ursache ihrer Tränen. Sagte sie: ›Ach, gestern hat man meinen Sohn ermordet, und er ist, von mehreren Stößen durchbohrt, vor meiner Türe tot niedergesunken, ohne Zeit gehabt zu haben, mir seinen Mörder zu nennen. ›Man hat mich gemeuchelt‹, sprach er, seine Seele aushauchend. Er war meine einzige Stütze. Ich will jetzt den Wesir bitten, seinen Mörder ausfindig zu machen, um wenigstens seinen Tod nicht ungerächt zu lassen!‹ ›Kannst du ihm denn einen Fingerzeig geben?‹ fragte Dscherberi sie. ›Ach nein,‹ sagte sie darauf, ›und das verdoppelt meinen Kummer; ich bin die Witwe eines Kaufmanns, mein Sohn war jung, und ich hoffte, daß er meine Stütze würde. Der Wesir wird mir zweifelsohne sagen, daß es in einer so großen Stadt wie Bagdad unmöglich ist, den Mörder eines Menschen wiederzufinden, der unbekannt ist!‹ ›Höre ihn ehrfurchtsvoll, wie es seinem Stande zukommt, an; wenn er aber keinen Ausweg findet, um dir aus der Not zu helfen, sprich zu ihm, daß Dscherberi, der Lastträger, dir gesagt hat, wenn er Wesir wäre, würde er den Mörder deines Sohnes herausfinden!‹ Die trostlose Mutter aber rechnete nicht sehr mit einer so schwachen Hilfe; doch dankte sie ihm. Ganz so, wie sie es vorhergesehen hatten, ging es zu; der von den Klagen der Frau müde gewordene Wesir befahl, daß man sie hinausbrächte; nun fiel sie ihm zu Füßen und sprach: ›O Herr, geruhe Dscherberi, den Lastträger, zu befragen, und ich werde den Mörder meines Sohnes kennenlernen!‹ ›Das ist wenigstens ein Fingerzeig, den du mir gibst,‹ versetzte der Wesir, ›du klagst ihn also an, deinen Sohn umgebracht zu haben?‹ ›Nein, o Herr,‹ antwortete ihm die Frau, ›jedoch hat er mir gesagt, wenn er Wesir wäre, würde er die Mittel finden, den Mörder zu entdecken!‹

Der Wesir wandte sich alsobald zu seinen Hauptleuten und sagte zu ihnen: ›Sucht mir gleich diesen findigen Mann, führt ihn vor mich; und wenn er den nicht findet, den man sucht, soll er in der Weise bestraft werden, daß er sich kein zweites Mal einredet, mehr als die Wesire des Sultans zu wissen.‹ Es währte nicht lange, und die Hauptleute des Wesirs brachten Dscherberi vor ihn. ›Kennst du diese Frau?‹ fragte der Wesir, als er ihn auftauchen sah. ›Nein, o Herr,‹ entgegnete Dscherberi. ›Du kennst also ihren Sohn?‹ ›Noch weniger‹, erwiderte er. ›Bist du mit seinem Mörder bekannt?‹ ›Ich weiß nicht mehr von ihm als du‹, sagte der Lastträger darauf. ›Wie willst du ihn denn ausfindig machen?‹ fragte der Wesir voll Ungeduld. ›Wenn ich deine Macht hätte,‹ fuhr Dscherberi sicheren Tones fort, ›würde ich morgen mittag wissen, wer den Sohn dieses armen Weibes getötet hat!‹ ›Ich gebe sie dir bis dahin,‹ entgegnete der Wesir; ›und um sie auszuüben, kannst du alles befehlen, was du willst; hast du aber keinen Erfolg, so verspreche ich dir eine Tracht von fünfhundert Sohlenstreichen!‹ ›Dem stimme ich zu‹, antwortete ihm der Lastträger.

Dscherberi befahl alsbald einem Hauptmann der Polizei, nach der Moschee zu gehen, die dem Hause der trostlosen Mutter am nächsten läge; dort solle er eintreffen, wenn der Tag zur Rüste ginge, und an der Türe den Muezzin erwarten, der von dem Minarett riefe, und ihm beim Herauskommen einige Backenstreiche geben, die Hände binden und vor ihn führen. Der Hauptmann nun führte Dscherberis Befehl genau aus.

Als der Muezzin vor ihm stand, entschuldigte sich Dscherberi vielmals, daß man ihn mißhandelt habe, und verlangte, man solle ihm zehn Dinare als Trostgeld geben. Dann ließ er jedermann hinausgehen und befahl ihm, allen, die ihn fragten, warum man ihn gefangengenommen hätte, zu sagen, man habe ihn mit einem andern verwechselt. Vor allen Dingen aber befahl er ihn, während der Nacht zum Gebete zu rufen und sogleich von dem Minarett herabzusteigen, um allen Rede zu stehen, die wissen wollten, warum er zu einer so ungehörigen Stunde zum Gebet rufe; besonders aber solle er sich den merken, der diese Frage zuerst an ihn stelle. Sehr zufrieden entfernte sich der Muezzin und tat alles, was ihm befohlen worden war, und hatte kaum zum Gebet gerufen, als ein junger Mensch auf ihn zustürzte und ihn fragte, warum man ihn verhaftet hätte. Als man Dscherberi von diesem Vorfalle Nachricht gegeben hatte, ließ er sich den jungen Mann, der eine so große Neugier gezeigt hatte, vorführen und ihm eine so heftige Tracht Prügel geben, bis er auf das ausführlichste eingestand, auf welche Weise er den ermordet Aufgefundenen getötet hatte; der fügte hinzu, daß ihn die Furcht, entdeckt zu werden, auf alle außergewöhnlichen Geschehnisse aufmerksam gemacht und ihn bestimmt hätte, sich über die Ursache, weshalb das Gebet zu einer so ungehörigen Stunde ausgerufen wurde, zu erkundigen, sintemal ihm alles nach dem Verbrechen, das er begangen hätte, verdächtig vorgekommen sei. Dscherberi überantwortete, dem Gesetze folgend, den Mörder der Mutter, und die bat um seinen Tod, welches ihr zugestanden wurde.

Der Wesir, der über Dscherberis Verstand und Urteilskraft erstaunt war, wünschte seine Lebensgeschichte zu hören, der erzählte sie ihm denn; der Minister aber warf ihm vor, warum er einen so elenden Beruf wie den eines Lastträgers ergriffen habe, und bestimmte ihn, in die Truppen einzutreten, die der Kalif gegen die Gebern, die persischen Feueranbeter, entsandte. Und er freute sich, auf diese Weise das Ansehen zu haben, als wolle er ihn ob seines Verdienstes auszeichnen, während er doch einen Menschen aus der Stadt entfernen wollte, den der Kalif für sich und seine Ämter verpflichten konnte, wenn er jemals davon sprechen hörte.

Dscherberi leistete Erstaunliches an Tapferkeit und Stärke auf den Zügen, die man gegen die Gebern unternahm. Doch da er sich zu sehr auf seinen Mut verließ, wurde er gefangengenommen; und während seine Feinde über die Todesart berieten, der sie ihn preisgeben wollten, um alle Unbill zu rächen, die er ihnen angetan hatte, betete er das einhundertundfünfzehnte Kapitel des Korans, zerbrach seine Ketten, erwürgte den Kerkermeister, der seine Flucht verhindern wollte, und schlug sich aus Furcht, wieder in die Hände seiner Feinde zu fallen, in die Einöde, wo er sich lange Zeit von Früchten und Wurzeln nährte. Endlich kam er in einen Wald am Meeresufer und stieg auf einen Baum, um in Sicherheit zu schlafen und sich gegen wilde Tiere, die ihn angreifen könnten, zu schützen.

Als die Nacht hereingebrochen war, sah er einen schwarzen Stier aus dem Meere kommen, der ein furchtbares Gebrüll von sich gab und sich dem Baume, auf den er gestiegen war, näherte. Es wurde ihm wohl ums Herz, als er bemerkte, daß das schreckliche Tier einen Stein aus seinem Munde fallen ließ, der den ganzen Wald erleuchtete und ihm dazu diente, die Kräuter, wie Safran und Hyazinthen, die ihm am meisten zusagten, zu finden. Dscherberi war inmitten von Edelsteinen aufgewachsen, mit denen sein Vater einen lebhaften Handel getrieben hatte, und zweifelte keinen Augenblick, daß der, den er sah, ein wirklicher Karfunkel war, ein seltener und köstlicher Edelstein, von dem er oft hatte reden hören, ohne ihn jemals gesehen zu haben; und er war auf das lebhafteste ob des Glanzes und der Größe dieses Steines erstaunt; als er sich nun von dem Schrecken, den ihm der schwarze Stier verursacht hatte, erholt hatte, sann er nur darauf, wie er sich eines so großen Wunders bemächtigen könnte.

Als der Tag erschien, nahm der schwarze Stier den Stein auf und kehrte ins Meer zurück. Dscherberi aber stieg von dem Baume herab und tat sein Gebet und begab sich an den Meeresstrand, wo er Erde aufweichte, die er sorgfältig auf den Baum trug, wo er die letzte Nacht geschlafen hatte. Der schwarze Stier erschien wie am Vortage. Und er legte seinen Stein auf die Erde; und als er sich ein wenig entfernt hatte, um die Kräuter zu suchen, die seinem Geschmack am besten zusagten, warf Dscherberi die aufgeweichte Erde, die er gesammelt hatte, auf ihn. Nun hatte der Stier kein Licht mehr und stürzte sich, nachdem er ein schauerliches Gebrüll ausgestoßen hatte, in das Meer; Dscherberi bemächtigte sich nun des Karfunkels, der seinesgleichen nicht auf der Welt hatte.

Der mit solchem Glück zufriedene Dscherberi dachte nur noch daran, in sein Vaterland zurückzukommen. Glücklicherweise bekam er ein Schiff zu Gesicht, das ihn nach Ormus führte; und er durchquerte ganz Persien; und da er wußte, daß der Perserkönig eine Vorliebe für kostbare Steine hatte, die er sich aus allen Teilen des Erdkreises herbeischaffen ließ, ließ er sich ihm ankündigen als einer, der ihm das schönste Stück, das man jemals gesehen hatte, zeigen wollte. Der Fürst aber war gerade mit einem Kaufmann aus Bassorah zusammen, der ihn durch die Pracht und Schönheit und Fülle der Edelsteine, die er ihm zeigte, in Erstaunen setzte. Der Sultan war es wohl zufrieden, die Prahlsucht eines Kaufmanns zu beschämen, der sich auf eine so pomphafte Weise wie Dscherberi ankündigen ließ; und er befahl, daß man Dscherberi in der Zeit eintreten lassen solle, wo er das seiner Meinung nach Schönste auf der ganzen Welt besichtigte. Er erschien gerade, als der Handelsmann aus Bassorah zu ihm sprach: ›Deine Erhabenheit darf nicht verwundert sein, wenn ich dir solche Meisterwerke der Natur zeige. Wenn du vernimmst, auf welche Weise ich sie erlangt habe, wirst du es ganz natürlich finden!‹ Nachdem nun der König erklärt hatte, daß er gern hören würde, auf welche Weise er solche Reichtümer gesammelt hatte, nahm der Kaufmann also das Wort: ›Mein Vater war arm und Fischer von Beruf; wir, meine drei Brüder und ich, waren bei ihm in seinem Boote und warfen unsere Netze aus, nachdem wir den heiligen Propheten um einen reichen Fischfang angefleht hatten; nur mit unendlicher Mühe konnten wir sie zurückziehen, so groß war ihr Gewicht. Endlich gelang es uns, sie ans Land zu ziehen, doch wir staunten im höchsten Staunen, als wir einen Fisch erblickten, der eine menschliche Gestalt hatte. Mein Vater schlug uns vor, ihn in die Stadt zu tragen und dem Volke um Geld zu zeigen; aber der Meermann setzte uns noch mehr in Verwunderung, als er, nachdem er uns zugehört hatte, als ob er uns verstünde, zu reden begann: ›Ich bin‹, sprach er zu uns, ›ein Meerbewohner und ganz wie ihr ein Geschöpf Allahs; gebt mir meine Freiheit wieder, zieht keinen Nutzen aus dem Schlaf, der mich in eure Netze geraten ließ; wenn ihr mir solche Gnade gewährt, so verspreche ich, euch in sehr kurzer Zeit etwas zu bringen, das ein beträchtliches Vermögen ausmacht.‹ Der Meermann rührte uns durch sein Flehen, er schwur beim hohen Allah, daß ihrer zwölftausend Muselmänner im Meere wären und daß er eine große Anzahl von ihnen verpflichten wolle, um die Geschenke zu suchen, die er uns als Zeichen der Dankbarkeit für die wiedererlangte Freiheit zu schenken gedächte. Schließlich gewährten wir ihm die Bitte. Er sagte uns Lebewohl, doch bat er uns vorher noch, uns in zwei Tagen am gleichen Orte einzufinden; und alsobald sahen wir ihn im Meere untertauchen. Wir kehrten am bezeichneten Tage zurück und waren pünktlich zur Stelle. Der Meermann erschien im Gefolge mehrerer anderer Männer seiner Gattung, die sehr ehrerbietig ihm gegenüber waren. Sie waren beladen mit einer verschwenderischen Menge von Edelsteinen, die uns der Mann, dem wir das Leben geschenkt hatten, darbot. Die Steine, die du hier siehst, gehören zu ihnen; wir gaben unsern Fischerberuf auf; nachdem wir unsern Vater versorgt hatten, daß es ihm an nichts fehlen kann, haben meine drei Brüder und ich uns die Geschenke des Meermannes in vier Teile geteilt und den Edelsteinhandel in den verschiedenen Städten, die wir für unser Unternehmen erwählten, aufgenommen!‹ ›Die Schönheit der Steine bestätigt die Wahrheit der Geschichte‹, versetzte der König mit Verwunderung; und sich gegen Dscherberi wendend, sprach er solcherart zu ihm: ›Was sagst du zu dem, was du eben siehst und hörst; sonder Zweifel wird dich der Anblick solcher Schätze hindern, mir den Stein zu zeigen, den du mir mit so viel Lobreden ankündigen ließest!‹ Dscherberi sagte darauf: ›O Gebieter, wenn ich nicht versprochen hätte, deiner Erhabenheit eines der Weltwunder zu zeigen, so würden mich alle diese Steine und die Geschichte dazu veranlassen. Die Abenteuer dieses Handelsmannes und meine beweisen, daß der Zufall für das Auffinden der schönsten Dinge günstiger ist als die peinlichsten Nachsuchungen!‹ Dann zeigte er seinen Karfunkel. Der Sultan wurde von ihm geblendet; der Kaufmann aus Bassorah jedoch packte schnell all seine Steine ein und entfernte sich. Dscherberi sprach zum Könige: ›O Fürst, solches Stück, das vorher zweifelsohne dem größten Sultan der Welt gehörte, darf nicht von deinem Hofe kommen; ich bitte deine Erhabenheit inständigst, es anzunehmen, und bin zu glücklich, daß das Schicksal mich ausersehen hat, um es dir zum Geschenk zu machen!‹ Dem Sultan aber schmeichelte seine Rede; er war ob seiner Freigebigkeit gerührt und sagte zu seinem Wesir, man solle ihm fürs erste fünfmalhunderttausend Golddinare, tausend Stücke Brokat, zwei Pferde und zehn Ehrenkleider reichen. ›Das ist nicht alles,‹ sprach der König, ›ich wünsche zu erfahren, auf welche Weise dieser köstliche Karfunkel in deine Hände gekommen ist!‹ ›Nicht allein solches soll deine Erhabenheit erfahren,‹ sagte Dscherberi darauf, ›sondern auch alles, was einem deiner treuesten Sklaven zugestoßen ist, wenn du mir die Gnade des Zuhörens erweisen willst!‹ Und er erzählte ihm ausführlich, was ich dir, o Herr, soeben erzählt habe; der König war nun ob aller guter Eigenschaften, die er an ihm entdeckte, so entzückt, daß er sich nicht mehr von ihm trennen wollte, und machte ihn zu seinem Wesir; der frühere gefiel ihm aus einem besonderen Grunde nicht mehr. Dscherberi hatte diese Würde lange Jahre hindurch inne, füllte sie ehrenvoll aus und behielt sie bis zu seinem Tode. – –«

»Ich billige die Wahl des alten Perserkönigs sehr«, sagte Hudschadsch, »und glaube, daß ein durch Unglück erprobter Mensch, der seine Seele stets in vollkommener Gleichheit bewahrt hat, würdig ist, den Weltkreis zu beherrschen. Ich würde glücklich sein, wenn ich einen derartigen Diener fände!«

Moradbak war entzückt ob solcher königlichen Rede und erfaßte diese Gelegenheit, sich gegen den Weisen Abumelek dankbar zu erzeigen und ihn aus seinen Ketten zu erlösen. »O Gebieter,« sprach sie zum König, »deine Erhabenheit besitzt einen ähnlichen Schatz. Wenn deine Sklavin Gnade vor deinen Augen gefunden hat,« fuhr sie fort und warf sich ihm zu Füßen, »geruhe Abumelek, der seit zehn Jahren in Ketten schmachtet, die Freiheit zu geben. Er ist es, o Herr, dem du die glückliche Ruhe, die in deinen Sinnen zu herrschen anfängt, verdankst. Seit ich die Ehre hatte, vor dir zu erscheinen, hat er mich jeden Tag wissen lassen, was ich deiner Erhabenheit erzählen mußte!« Hudschadsch erinnerte sich dann Abumeleks und machte sich Vorwürfe, seine Tugenden unterdrückt zu haben, auch bereute er alle Grausamkeiten, welchen er ihn ausgesetzt hatte; mehr aber noch wurde er von Moradbaks Dankbarkeit gerührt. »Deine Schönheit«, sprach er zu ihr, »hatte schon auf mein Herz gewirkt, deine Tugend hat es jetzt ganz unterjocht!«

Die Urkunden der alten Perser fügen noch hinzu, daß sich der Sultan Hudschadsch nur noch der Ratschläge Abumeleks und der Moradbaks bediente, die er auf den Thron erhob und in aller Form heiratete, und daß er wieder schlafen konnte.


 << zurück weiter >>