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Die Geschichte von der eigenartigen List einer Frau

Es gab einst in Kairo einen Kaufmann, der ein Frauenjäger war; obwohl die in Ägypten viel seltener sind als in Ländern, wo Frauen weniger zurückgezogen leben, so kommen sie mit ihrer Liederlichkeit doch überall auf ihre Kosten. Eine Schöne nun sah weniger streng darauf, ihr Gesicht vor allen andern Männern außer ihrem Gatten zu verhüllen, ja, sie suchte sich obendrein noch für diesen Zwang zu entschädigen; sie begegnete unserm Händler, und es entspann sich bald ein Handel zwischen einem Manne, der das Vergnügen liebte, und einer Frau, die sein Gegenteil nur haßte; sobald der Liebhaber seine Eroberung im Hause hatte, schloß er sie dort ein und ging in die Stadt, um ein Mahl für sie vorzubereiten.

Aber es kommt einem im Leben oft etwas in die Quere. Siehe da, ein elender Gläubiger sprang unserm armen Liebhaber an den Kragen; und da er ihn nicht bezahlen konnte, mußte er ins Gefängnis; und der unglückliche Schuldner, noch betrübter, eine Gelegenheit verpaßt zu haben, als über das Mißgeschick, das ihm begegnet war, bat seiner Freunde einen, der ihm zufällig in den Weg kam, der Einsperrung des Gegenstandes seiner Seufzer ein Ende zu machen, dem Weibe aber vor allem sein unheilvolles Abenteuer zu verheimlichen. Er gab ihm seinen Hausschlüssel und beschwor ihn, ihn um die Ausführung seines Auftrags wissen zu lassen.

Der beauftragte Freund eilte nach dem Hause des Gefangenen; doch wie groß war seine Überraschung, als er beim Öffnen der Türe seine treue oder vielmehr untreue Gattin erkannte, die ihm hastig entgegentrat; man kann sich ihr gegenseitiges Erstaunen vorstellen, denn der Ärmste hatte nicht im entferntesten daran gedacht, daß er seinem eignen Weibe diesen Liebesdienst erweisen sollte, und die Schöne hatte niemals geglaubt, daß ihr Gatte sie im Hause ihres Geliebten überrumpeln könnte.

Auf die hitzigen Vorwürfe sagte die Schöne, die darauf bedacht war, größeres Unheil zu vermeiden, zu dem armen und betrogenen Ehemanne: »All dies zeugt wider mich, und mein Fehl ist zu groß, als daß ich Verzeihung erhoffen dürfte; doch bedenke, wenn du dich rächen willst, daß ich deine Gattin bin und daß die Schande des Auftritts auf dich zurückfällt; es wird dir jedoch leicht, deine und meine Ehre zu retten. Laß uns beide in unsere Scheidung einstimmen und sie vor dem Kadi vollziehen. Ich gebe zu, daß ich meiner Mitgift verlustig zu gehen verdiene, und verspreche dir, sie nicht zurückzufordern, behalte auch die Geschmeide und Armbänder zurück, die du mir geschenkt hast, ich bin reich genug, wenn ich nur meine Ehre rette!«

Der Gatte, rasend wie er war, fand den Vorschlag annehmbar, nahm die Kostbarkeiten an sich und stimmte in die Scheidung ein. Wie ein Herz und eine Seele begaben sie sich zum Kadi. Vor dem Richter aber setzte der Gatte auseinander, daß seine Frau, ihrer Ehe überdrüssig, damit einverstanden wäre, ihre Mitgift zu verlieren, unter der Bedingung, daß ihre Ehe geschieden würde. Der Kadi fragte das Weib, ob es mit solchen Bedingungen zufrieden sei. »O Herr,« entgegnete sie, »eine Unglückliche muß wohl der Gewalt weichen; dieser Grausame da, der mein Mann ist, schlägt mich jeden Tag, um mich gefügig zu machen, auf meine Mitgift zu verzichten; heute gar hat er mir mit Gewalt die Kostbarkeiten abgenommen, die ich von meinen Eltern empfangen habe; ich will ihm lieber alles opfern, als mein Leben noch länger aufs Spiel zu setzen; aber ich bitte dich, über ihn ein Strafgericht ob der Bedrängnis und Gewalt zu verhängen; sieh zum Beweise meiner Behauptung nach, er hat noch alle Geschmeide bei sich, die er mir eben abgerissen hat; da er mich in deiner Gegenwart verstoßen hat, so schätze ich mich glücklich, seiner ledig zu sein; doch berufe ich mich auf die Kraft der Gesetze und fordere meine Mitgift heraus!«

Das listige Weibchen begleitete ihre Rede mit einem Tränenstrome, der den Kadi von der Wahrheit dessen, was sie angab, überzeugte: er ließ den Gatten durchsuchen; man fand die Geschmeide bei ihm; und ohne ihn zu Worte kommen zu lassen, wurde er ins Gefängnis geschleppt, um dort zu bleiben, bis er sich zur Herausgabe der Mitgift bereit erklärte.

Der verliebte Kaufmann, der voller Ungeduld Nachrichten von seiner eingeschlossenen Liebsten erwartete, war sehr überrascht, ihren angeblichen Befreier mit Eisen an den Beinen ankommen zu sehen. »Was hast du der angetan, die ich dir anvertraut habe?« fragte er ihn. »Möge dich der Himmel mit ihr vereinigen!« erwiderte der unglückliche Ehemann, »du hattest mein Weib verführt, und es läßt mich für seine und deine Missetaten bestrafen!«

Nach solchem Zornanfalle erzählte er dem Liebhaber, indem er vor Wut heulte, was sein Weib mit ihm angestellt habe; und nachdem sie sich alle beide gehörig ausgesprochen hatten, ergriffen sie die Gelegenheit, einer dem andern zu verzeihen, um ihre gemeinsame Gefangenschaft besser ertragen zu können.


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