Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kurze Geschichten und Anekdoten

Abdallah Ibn Eselam, einer der ersten Rechtgläubigen, hatte einen Freund namens Zeid, den er mehr als einmal zur Annahme des wahren Glaubens aufgefordert hatte, doch immer ohne Erfolg. Eines Tages, als er in die Moschee ging, erblickte er ihn zu seinem nicht geringen Erstaunen unter den Moslems. Er fragte ihn, was ihn denn zur Annahme des Islams bewogen habe, da ihn des Freundes Zureden nicht hatte bewegen können; Zeid bekannte, daß die überaus große Sanftmut des Propheten ihn auf den wahren Weg gebracht habe, und erzählte ihm die Veranlassung seiner Bekehrung folgendermaßen:

»Ich las eines Tages im Buche der Weisheit, als ich eben den Ruf in die Moschee vernahm. Ich will doch hingehn, dacht ich bei mir, um zu sehen, ob Mohammed dem Bilde eines Weisen entspricht. Ich setzte meine Besuche mehrere Tage hindurch fort, und hingerissen von dem Strome seiner Beredsamkeit, bewunderte ich doch noch weit mehr seine außerordentliche Sanftmut. Einmal, inmitten der Predigt, kam ein Araber auf einem Dromedar angetrabt. Er sprang herab, und als ein wahrer Beduine, schrie er sogleich den Propheten, ohne die geringste Rücksicht auf ihn oder seine Zuhörer zu nehmen, an: ›Mein Stamm‹, schrie er, ›sendet mich zu dir; wir haben deinen Glauben angenommen, allein wir haben nichts zu essen, rette uns.‹ Der Prophet wandte sich in seiner gewöhnlichen Milde gegen Ali und sprach: ›Ist uns etwas geblieben von unserm Vorrate?‹ Als der mit ›Nein‹ antwortete, schritt ich hervor und sagte: ›Ich will dir Geld leihen, o Mohammed, bis auf die Dattelernte.‹ Der Prophet nahm das Geld und gab es dem Beduinen. Als die Zeit der Dattelernte herangekommen war, ging ich über Feld und fand den Propheten, der eben bei einem Grabe ein Totengebet verrichtete. Ich ging mit vieler Unverschämtheit auf ihn los und packte ihn hart an: ›O Sohn Abdallahs,‹ schrie ich, ›gib mir Geld oder Datteln, und bestiehl ehrliche Leute nicht um ihr Hab und Gut.‹

In diesem Augenblicke hörte ich ein Geschrei hinter mir. Ich sah mich um, und es war Omar, der schon das Schwert gezogen hatte, um mir den Kopf zu spalten. Der Prophet hielt ihn zurück; ›O Omar,‹ sagte er, ›hier bedarf es nicht des Schwertes, sondern der Datteln. Geh und befriedige den Mann, und gib ihm zwanzig Bündel mehr für den Schrecken, den du ihm eingejagt hast.‹ Omar steckte das Schwert in die Scheide; ich aber konnte solcher Milde und Sanftmut nicht länger widerstreben, sondern ging in mich und wurde Moslem.«

Omar machte eines Nachts selbst die Runde in Medina und kam an ein verfallenes Gebäude, wo er eine Stimme und seinen Namen hörte. Er ging hinzu, und siehe da, es war ein Weib mit zwei Kindern, die in einem übers Feuer gesetzten Kessel Wasser umrührte und dabei immer: »O Allah, verschaffe mir Recht bei Omar!« wiederholte. »Was machst du denn hier, und was hat dir Omar getan?« redete sie der Kalif an. »Er hat meinen Mann in den Krieg gesandt und mich zur Witwe und meine Kinder zu Waisen gemacht. Und ich habe nichts, sie zu ernähren, und rühre das Wasser um über dem Feuer, um sie wenigstens eine Zeitlang mit der Hoffnung auf Nahrung zu täuschen und ihr Geschrei zu stillen.« »Warte hier,« sprach Omar, »bis ich wiederkomme.« Und er ging in die Stadt und lud sich selbst zwei Säcke auf, in deren einem Reis, in dem andern aber Fleisch und Brot war. So beladen, kam er an den Ort, wo er das arme Weib gelassen hatte. Nach verzehrter Mahlzeit nahm er statt der leeren Säcke die beiden Kinder auf die Arme und ging mit ihnen der Stadt zu. »O Weib,« sagte er, »beklage dich nun nicht mehr über Omar, er hat sich selbst diese Last auferlegt, um die Last seiner Schuld abzutragen. Künftig sorgt er für dich und deine Kinder!«

Omar Ibn Al-Khattab, der Kalif, ersuchte eines Tages den Tapfersten seiner Tapferen, Amru, den Sohn Modikorbs, des Zobeiditen, ihm von der größten Feigheit und von der größten Tapferkeit, die ihm in seinem Leben vorgekommen sei, zu erzählen.

»Ich war eines Tages«, erzählte Amru, »auf die Jagd ausgegangen. Da fand ich auf der Heide ein Pferd an einen Pfahl gebunden, eine Lanze senkrecht in die Erde gesteckt und einen Menschen daneben ins Gras gelagert. Er spielte mit seinem Schwertgehenke. ›Habeacht‹ rief ich ihm zu, ›du bist ein Kind des Todes.‹ ›Und wer bist du?‹ fragte er mich mit halb erstickter Stimme. ›Ich bin Amru, der Sohn Modikorbs, des Zobeiditen, der Held; weitberühmt unter den arabischen Stämmen.‹ Kaum hatte ich diese Worte vollendet, als der Mann einen Schrei ausstieß und seine Seele von sich gab. Und solches ist das Beispiel der größten Feigheit, die mir je vorgekommen ist.

Ein andermal tummelte ich mein Pferd auf der Heide, bald rechts, bald links, ohne bestimmten Zweck. Ich begegnete einem blühenden Jüngling, der von Jemama herkam. Er grüßte mich und ich ihn, und ich fragte dann nach seinem Namen. ›Ich bin‹, sprach er, ›Hareß, Saads Sohn.‹ ›Habe acht,‹ rief ich ihm zu, ›du bist ein Kind des Todes.‹ ›Und wer bist du, o Elender, der du so zu prahlen wagest?‹ ›Ich bin Amru, der Sohn Modikorbs, berühmt unter den Arabern.‹ ›Dein Stammbaum soll dich nicht retten‹, rief er, und wir rannten mit vorgehaltenen Lanzen gegeneinander. Ich stieß ihn gerade auf die Brust, aber der Stoß prallte ab, und ich empfing einen mächtigen Hieb auf das Haupt. ›Laß ab,‹ rief er, ›o Amru, nimm dies als Lehrgeld, ich will mich nicht mit deinem Blute beflecken.‹ Ich war gedemütigt und hätte den Tod tausendmal der Schande vorgezogen. Dreimal brachen wir unsere Lanzen, dreimal wurde ich auf dieselbe Weise gedemütigt. Endlich bat ich ihn, mein Freund zu sein. ›Ich brauche deine Freundschaft nicht‹, erwiderte er, und dieses Wort demütigte mich mehr denn alles Vorhergehende. Doch ließ ich nicht von zudringlicher Vorstellung ab. ›Unglück über dich!‹ sprach er, ›du weißt nicht, daß mein Weg gerade in den blutigen Tod führt.‹ ›Es sei,‹ entgegnete ich, ›ich will ihn Hand in Hand mit dir wandeln.‹ Wir ritten einen ganzen Tag lang miteinander, des Abends kamen wir an ein Zelt. ›Siehst du,‹ sprach er, ›o Amru, dort ist das Zelt des blutigen Todes. Nun steige ab und halte mir mein Pferd, auf daß ich mich vorbereiten kann; oder willst du es lieber, so halte ich deines.‹

Ich ließ es mir gefallen, den Stallknecht zu machen, und hielt sein Pferd. Er ging gegen das Zelt und rief eine Jungfrau heraus, die schönste, die ich jemals gesehen habe, und setzte sie auf ein Kamel, und indem er mir den Zügel in die Hand gab, sprach er: ›Führe sie, ich werde sie geleiten, oder wenn du es lieber willst, so geleite du sie, und ich werde sie führen.‹ Ich nahm geduldig den Zügel des Kamels und führte es. So zogen wir die ganze Nacht. Gegen Tagesanbruch fragte mich der Jüngling: ›O Amru, siehst du etwas?‹ ›Ich sehe Reiter von weitem in grauender Dämmerung.‹ ›Sind es deren viele,‹ fuhr er fort, ›so hat es nichts zu sagen, sind es aber wenige, so ist der blutige Tod unter ihnen.‹ ›Nun sehe ich deutlicher, es sind deren nur vier.‹ ›Wohlan, halte die Rechte des Weges, ich halte die Linke.‹ Die vier Reiter aber kamen näher und näher. Es war der Vater der Jungfrau und ihre drei Brüder. Sie grüßten uns, wir sie. ›Leiste auf meine Tochter Verzicht‹, rief der Greis dem Jüngling zu. ›Wenn ich sie lassen wollte,‹ erwiderte dieser, ›so hätte ich sie nicht entführt!‹ Der erste der Brüder des Mädchens rannte nun auf ihren Entführer los und blieb tot auf den ersten Lanzenstoß. Dasselbe Los hatten die beiden andern Brüder. Der Vater beweinte den Tod seiner drei Söhne und bat den Jüngling noch einmal inständig, von seiner Tochter abzulassen. ›Wenn ich von ihr ablassen wollte, hätte ich sie nicht mitgenommen!‹ war seine Antwort. Nun stürzten sie beide aufeinander los. Der Greis riß mit seiner Lanze die Brust des Jünglings auf, der jedoch spaltete den Kopf des Greises. Sie fielen zu gleicher Zeit. Der Kampf hatte mir vier Lanzen und vier Pferde verschafft. Die Jungfrau, sei es, daß sie mehr den Tod ihres Vaters und ihrer Brüder als den ihres Geliebten rächen zu müssen glaubte, sei es, weil sie lebenssatt war, stürzte sich jetzt auf mich. Ich mußte mich wider meinen Willen gegen ihre Stöße verteidigen. Sie fiel unter den meinigen. Solches war der Vorgang der blutigen Vernichtung, das Beispiel der größten Tapferkeit, das mir auf meinen Zügen vorgekommen ist.«

Omar machte eines Abends in Medina als Kalif selbst die Runde. Aus einem Hause, dessen Tor gesperrt war, tönte ihm gedämpfter Lautenschall entgegen. Er stieg auf das Dach und sah einen Mann, der mit einer Buhlerin sang und trank und koste. »O Nichtswürdiger!« rief ihm Omar von der Terrasse aus zu, »dir ists nicht genug an einer einfachen Übertretung des Gesetzes, sondern Weib und Wein und Saitenspiel mußt du vereinen, auf daß du dreifache Schuld auf dich ladest!« »O Fürst der Rechtgläubigen, wenn du deinen heiligen Eifer ein wenig mildern möchtest, so hätte ich dir auch ein Wort zu sagen!« »Sprich!« »Wenn ich dreifache Schuld auf mich geladen, so hast dus nicht minder; denn der Koran spricht: Hütet euch, den Ausspäher zu machen – du aber kamst als solcher. Weiter: Geht durch die Türen ins Haus hinein – du bist durchs Dach hereingekommen; und endlich: Wenn ihr ein Haus betretet, so grüßt seine Bewohner – du aber bist ohne Gruß hereingekommen!« Omar, der Kalif, bestieg eines Tages den Gebetstuhl, in der einen Hand den Koran, in der andern das Schwert. Seine ganze Rede bestand aus zwei Worten: »Was brauch ich euch zu sagen? Denen, die auf dem geraden Wege wandeln, genügt Allahs Wort, der Koran, die andern aber soll das Schwert gerade machen. Inschallah!«

Muawijah Ibn Sufjan, der erste Kalif aus der Familie der Umaijaden, saß an einem der heißesten Sommertage auf dem umschatteten Balkon seines Palastes zu Damaskus, den die Luft von vier Seiten durchstrich. So genoß er einiger Kühle in der größten Hitze des Mittags.

Er sah hinaus ins Freie und hinunter in die Stadt. Dort sah er nichts als den Wasserschein, der von den Feldern aufstieg, hier den Sonnenglanz, der von den weißen Mauern und Terrassen der Häuser widerschien. Endlich erblickte er einen Mann, der allein in den leeren Straßen gegen den Palast heraufkam. Mit großen Schritten arbeitete er sich durch den Staub, den er mit seinem Schweiße begoß.

»Könnt ihr euch etwas Unangenehmeres denken«, sprach der Kalif zu den Hofleuten, die ihn umgaben, »als in dieser Stunde des Tages auszugehen?« Einer der Anwesenden nun bemerkte alsbald, daß dieser arme Mann sich in großer Not befinden und gekommen sein dürfte, um eine Gnade beim Kalifen zu suchen. »In diesem Falle soll er sogleich hereingelassen werden!« sprach Muawijah.

Er erschien und warf sich zu den Füßen des Kalifen nieder, der ihn fragte, woher er sei und was er wolle. Es war ein Araber aus dem Stamme Temim, und er war gekommen, Gerechtigkeit am Fuße des Thrones zu suchen wider die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückungen des Statthalters Merwan, des Sohnes Alhokms. »Ich hatte«, sprach er weinend, »ein Weib, das ich von ganzer Seele liebte. Sie war die Freude meiner Augen und mir mehr wert als alle meine Kamele. Die Hungersnot des letzten Jahres fraß mein Hab und Gut auf; mir blieb nichts übrig, um meine Freunde zu bewirten. Als mein Schwiegervater die schlimme Lage, in die ich geraten war, vernommen hatte, nahm er seine Tochter mit Gewalt zurück. Ich brachte meine Klage bei deinem Statthalter Merwan an, dem Sohne Alhokms. Statt mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, schickte er mich ins Gefängnis und begehrte, ich solle mich von meinem Weibe scheiden, auf daß er es nehmen könne. Ich weigerte mich standhaft; desungeachtet nahm er sie mit Gewalt zur Frau, und erst nach vollbrachter Hochzeit, und nachdem ich tausend Foltern ausgestanden hatte, ließ er mich wieder los. Der erste Gebrauch, den ich von meiner Freiheit mache, ist, daß ich, o Fürst der Rechtgläubigen, zu deinen Füßen um Gerechtigkeit flehe!« Muawijah konnte die Regungen eines gerechten Zornes gegen seinen Statthalter nicht unterdrücken. Er schrieb ihm eigenhändig einen strengen Verweis und sandte einen besonderen Abgeordneten aus, um das Weib des Arabers zu holen. Merwan, der Sohn Alhokms, vergoß Tränen bitterer Reue beim Empfange des Handschreibens und schied sich sogleich von der Beduinin und flehte um die Verzeihung des Kalifen. Dieser verzieh und befahl, die Beduinin vorzuführen.

Er sah ein Weib von außerordentlicher Schönheit; er sprach mit ihr und wurde bezaubert von ihrem Geiste und ihrer Beredsamkeit. Und er machte dem Araber den Vorschlag, sein Weib mit der schönsten Sklavin des Harems zu vertauschen und obendrein eine ansehnliche Summe Geldes zu nehmen. Der Araber stieß ein erbarmungswürdiges Geschrei aus: »Um die Schätze des Kalifats«, sprach er, »würde ich mein Weib nicht geben; ob der Ungerechtigkeit des Statthalters habe ich beim Kalifen geklagt, und der Fürst der Rechtgläubigen ist noch ungerechter! Ich suche wider ihn Zuflucht am Throne des Weltenrichters!«

»Ich will dir kein Unrecht tun«, sprach Muawijah; »und will die Wahl deinem Weibe Saad lassen, sie selbst soll entscheiden zwischen mir und dir. Sprich denn, o Saad, was du lieber willst, den Fürsten der Rechtgläubigen in all seiner Macht und Herrlichkeit, oder Merwan, den Statthalter, mit seiner himmelschreienden Ungerechtigkeit, oder den Beduinen mit seiner Armut und mit dem Elend der Wüste.« »O Fürst der Rechtgläubigen,« antwortete die Beduinin, »mich blendet nicht der Schimmer des Thrones, wo ich keinen Freund finden würde. Mein Gemahl ist mein alter und treuer Freund, mit dem ich die Tage des Unglücks verleben will, wie ich mit ihm die Tage des Glücks verlebt habe!«

Den Kalifen rührte die Treue dieses Beduinenpaares, er schenkte ihnen tausend Dirhems und sandte sie vergnügt und glücklieh in die Wüste zurück.

Abdorrahman Hatebi meldet von der Tochter Abu Selmas, des berühmten Geschichtenerzählers, folgendes Abenteuer:

»Ich befand mich eines Tages auf meinem Spaziergange vor einem herrlichen Palaste und befahl meinen Sklaven, den Teppich auszubreiten, und zwar auf der steinernen Estrade vor dem Tore des Palastes, um das, sagte ich, was ich den Tag über geschrieben habe, bei mir überlesen zu können. Durch den Torweg hindurch sah ich im Hofe fünfzig Sklavinnen in grüne Seide gekleidet mit goldenen Gürteln, eine schöner als die andere, und in ihrer Mitte eine Dame, deren Schönheit die ihrer Sklavinnen bei weitem übertraf.

Die nun vertrieb sich die Zeit mit Schießen nach dem Ziel. Der Bogen war aus Gold, die Pfeile mit kostbaren Steinen besetzt. Sie hatte mich kaum erblickt, so rief sie ihren Sklavinnen zu: ›Wer ist der Fremde? Schließet das Tor zu, ziehet den Vorhang vor.‹ Ich war halb verzweifelt und brannte vor Ungeduld, zu erfahren, wem der Palast gehöre, und gab einem meiner Sklaven den Auftrag, sich nach dem Namen des Eigentümers zu erkundigen, und ich vernahm, er gehöre Dunje, der Tochter Abu Selmas, des berühmten Geschichtenerzählers; sie habe hunderttausend Dinare von ihrer Mutter geerbt, und von vielen Emiren und Wesiren zum Weibe begehrt, habe sie bisher ihre Hand standhaft ausgeschlagen, denn sie ziehe dem Ehestande das freie Leben als Mädchen vor und vertreibe sich die Zeit mit Jagen und Fischen, Spaziergängen und Scheibenschießen. Nach dieser eingeholten Nachricht aber blieb ich sitzen, wo ich war, bis Abu Selma selbst nach Hause kam. ›Ich befinde mich hier,‹ redete ich ihn an,›um deine Tochter zum Weibe zu begehren; du kennst mein Herkommen und meinen Stand.‹ ›Ich weiß,‹ antwortete er, ›daß du, wie ich, in gerader Linie vom Blute des Propheten herstammest, denn sonst würde ich mir ein Gewissen daraus machen, deinen Antrag nur anzuhören. So habe ich zwar nichts dagegen, aber die Schwierigkeit kommt von meiner Tochter selbst, die sich nicht vermählen will. Um dich indessen zu befriedigen, will ich ihr den Vorschlag machen!‹ Er lüftete den Vorhang und ging in den Hof hinein. ›O meine Tochter,‹ hörte ich ihn sprechen, ›ich traf vor der Türe einen jungen, wohlgebildeten Menschen von guter Familie an.‹ ›Was will er, o mein Vater? Will er eine Sklavin kaufen? Gefällt ihm vielleicht eine der meinigen? Befindet er sich in Geldmangel?‹ ›Nichts von alledem, o meine Tochter, er begehrt dich zur Gemahlin!‹ ›Er ist närrisch, und du auch, o mein Vater. Denn wie oft habe ich dir nicht gesagt, daß ich von solchen Vorschlägen nichts hören will.‹ Abu Selma kam beschämt und zornig zurück. ›Du hast nun mit eigenen Ohren gehört,‹ sprach er, ›was für ein Wildfang sie ist.‹ ›Tut nichts zur Sache,‹ antwortete ich, ›gib sie mir immer zum Weibe, ich werde ihrer schon noch Meister werden.‹ Der Scheich, dessen Geduld durch die Weigerung seiner Tochter schon längst erschöpft war, gab meinem Vorschlag Gehör und versprach, noch selbigen Abends meinen Heiratsvertrag zu unterschreiben und seine Tochter außer der Erbschaft mit zwanzigtausend Dinaren auszustatten.

Wir sprachen noch zusammen, als eine Sklavin herauskam und zum Scheich sagte: ›Gruß zuvor von meiner Herrin, sie hat sich endlich entschlossen, in den Stand der Ehe zu treten; aber erst in einem Monate, von heute angefangen. Dann komme der Bräutigam; aber mit dem Mute Antars, mit der Herzhaftigkeit Modikorbs und mit Alis Tapferkeit bewaffnet.‹ Diese Botschaft hätte leicht einen andern als mich zurückgeschreckt, mich entflammte sie nur mit neuer Begier. Dreißig Tage nach dieser Unterredung ging ich ins Bad, ließ mich scheren und mir die Nägel abschneiden, wie sichs für einen Bräutigam geziemt, und setzte mich zu Pferde und begann den Zug gegen den Palast hin.

Zehn schwarze und ebensoviel weiße, in Goldstoff gekleidete Eunuchen kamen mir entgegen. Sie hielten goldgestickte Tücher in den Händen, womit sie die Stirn meines Pferdes abwischten; und küßten danach seinen Huf. Mein Gefolge blieb an dem ersten Tore zurück, ich aber setzte meinen Weg ins Innere des Palastes fort. Zu beiden Seiten standen zweihundert in reiche Stoffe gekleidete Sklavinnen mit silbernen und goldenen Gürteln. Die mit silbernen Gürteln hielten silberne Rauchfässer in der Hand, denen Moschus- und Ambraduft entströmte; die goldumgürteten sandten mir aus goldenen Rauchfässern Wolken von Aloedampf entgegen. Ich ging durch ihre Mitte in einen großen Saal, worinnen elf Ruhebetten mit den reichsten Stoffen aufgepolstert standen. Kaum hatte ich mich niedergelassen, so vernahm ich Pantoffelgeschlürfe. Ein von Edelsteinen schimmerndes Weib mit einem brillantenbesetzten Dolch in der Hand nahte sich mir, von zwei schönen, reichgekleideten Zofen begleitet. Ich dachte, es sei die Braut, und stand vom Ruhebett auf. ›Meine Herrin wird gleich kommen; erlaube mir unterdessen, mich niederzusetzen‹; und mit diesen Worten nahm sie ihren Platz auf einem der elf Ruhebetten ein. Acht andere von Edelsteinen schimmernde Frauen, jede einen brillantenbesetzten Dolch in der Hand, kamen und setzten sich wie die erste auf die anderen Ruhebetten. Endlich hörte ich Freudengeschrei und Segensrufe, wie wenn der Fürst der Rechtgläubigen im Prunke durch die Straßen von Bagdad einherzieht. Es war die Braut, wie der Kalif in einen fürstlichen schwarzen, goldgestickten Mantel gekleidet, mit einem brillantenbesetzten Degen umgürtet. Zweihundert Sklavinnen, die alle schwarz ausgestattet waren, folgten ihr auf dem Fuße nach. Wir standen alle auf und bewillkommten sie, wie man den Kalifen bewillkommt, mit dem Gruße: ›Heil dir, o Fürstin der Rechtgläubigen, Allahs Barmherzigkeit und Allahs Segen über dich.‹

Sie nahm ihren Platz auf dem elften Ruhebette ein und winkte uns niederzusitzen. Ich ließ zwei große, mit Silber und Gold gefüllte Vasen, die auf meinem Zuge vor mir hergetragen worden waren, herbeibringen. Sie teilte das Gold unter ihre vertrauten Zofen und das Silber unter ihre Sklavinnen aus. Diese brachten große Waschgefäße aus Gold und Silber herbei; wir wuschen uns die Hände und trockneten sie in musselinenen und gestickten und durchdufteten Tüchern ab. Hierauf wurde der Tisch gebracht, der, so wie die Schüsseln, aus einer einzigen Kristallplatte bestand.

Die Gerichte hatten alle möglichen Farben und Wohlgerüche. Orangen und Granatblüte, Ambra und Sandel, Safran und Moschus. Das Mahl wurde beendigt und der Scherbett herumgereicht. Nun gingen zur rechten und linken Seite des Saales zwei Türen auf, und man erblickte schwarze Vorhänge, die mit Gold und Perlen bestickt waren. Hinter diesen tönten zwei Silberstimmen, die im Wechselgesange das Glück der Liebe priesen. Ich setzte mich zu meiner Braut, deren Augen wie Sonnen funkelten und deren Busen durch den schwarzen Flor, wie der Stern der Liebe durch die schwarze Nacht, hindurchschimmerte.

Ich wollte ihr einen Kuß rauben. Bei der Bewegung, die ich dazu machte, rief sie ihren Vertrauten zu: ›Auf, o ihr Mädchen!‹ Und sogleich stürzten diese mit ihren brillantenbesetzten Dolchen auf mich los.

›Ich will nicht,‹ rief sie, ›daß ihr ihn verwundet, aber wohl, daß ihr ihn züchtigt.‹ Sie schlugen und stießen nun mit den diamantenen Knöpfen der Dolche unbarmherzig auf mich los. Ich verlor all meine Besinnung, und als ich wieder zu mir kam, fand ich mich allein im Saale, wo ich die Nacht für einen Bräutigam sehr schlecht zubrachte. Am Morgen kamen die Sklavinnen, um mich zu fragen, ob ich nicht ins Bad gehen wollte, wie dies der Gebrauch ist nach der Hochzeitsnacht. ›Weswegen ins Bad,‹ fragte ich, ›vielleicht um mir die Schläge vom Rücken zu waschen?‹ Nun verrichtete ich das Morgengebet und kleidete mich in ein sehr reiches Gewand, das ich mir aus meinem Hause hatte kommen lassen.

Ich wurde in einen anderen Saal geführt, der gelb ausgeschlagen, sonst aber wie der gestrige eingerichtet war. Die neun Frauen nahmen ihren Platz auf den Ruhebetten ein, und endlich erschien mein Weib wie gestern im Staate des Kalifen.

Alles ging vor sich wie am Abend vorher. Zwar hatte ich mir bestens vorgenommen, dem Rausche der Begierden zu widerstehen, als aber hinter den Vorhängen die zwei Zauberkehlen den Wechselgesang der Liebe anstimmten, da zogs mich unwiderstehlich zu meiner Gebieterin hin. Sie rief ihre Mädchen zu Hilfe, und diese mißhandelten mich noch unbarmherziger als gestern. Ich mußte den Wundarzt holen lassen und war kaum nach sieben Tagen wieder imstande, dem Hochzeitsfeste beizuwohnen. Indes hatte mir dieser Zeitraum dazu genügt, ein Mittel zu ersinnen, wodurch dem Spiele ernstlich ein Ende gemacht wurde. Mein Arzt hatte mir ein Schlafmittel von aromatischen Kräutern gegeben. Als nun der Scherbett herumging, warf ich das Mittel geschickt in den Becher, und es brachte bald seine Wirkung hervor.

Als die Türen aufgingen und der Gesang ertönte, fühlte ich mich stärker denn jemals vom Taumel der Liebe ergriffen. Ich umarmte meine Geliebte, die kaum ihr schmachtendes Auge offen halten konnte. Mit halberstickter Stimme sprach sie die Worte: ›Zu Hilfe, o Mädchen!‹ Diese wollten herbeistürzen, konnten sich aber kaum aufrecht halten vor Schlaf und Taumel. Ich wurde leicht mit ihnen fertig, indem ich eine nach der andern zurück und zur Türe hinausschob, die ich hinter ihnen schloß. Nun hatte ich mit niemandem zu kämpfen als mit meiner Gebieterin. Der Kampf aber war süß und währte lang.

Ich brachte sie in ihr Gemach und legte mich in dem meinigen nieder, wo ich denn den Rest der Nacht über köstlich schlief. Am Morgen kamen die Sklavinnen, mich ins Bad einzuladen. ›Von Herzen gerne,‹ antwortete ich, ›heute weiß ich, warum ich ins Bad gehe.‹ Nach dem Bade begab ich mich ins Gemach meiner Gemahlin. Sie kam mir entgegen, küßte mir die Augen und sprach: ›O mein Herr und Gebieter, ich konnte bisher nicht glauben, daß ein Mann meiner Meister werden könne; da es nun aber einmal so gekommen ist, füge ich mich darein als deine gehorsame Magd.‹ Ich aber umarmte sie und erneuerte oft die Freuden der Brautnacht; denn in zehn Jahren hatten wir sieben Kinder.

Amru, der Sohn Rebias, der Fürst der Dichter, der Vetter des Kalifen Abd al-Malik, erzählte von sich selbst die folgende Geschichte:

»Ich las eines Tages ganz ruhig in meinem Hause, als sich ein altes Weib bei mir melden ließ. ›Ich will dir‹, sagte es, ›Gelegenheit verschaffen, die größte Schönheit unter der Sonne zu schauen, doch unter der Bedingung, daß du ihr nicht zu nahe trittst und daß deine Worte bescheiden und wohlabgemessen sind.‹ Ich beschwor es auf den Koran. Und dann mußte ich mir die Augen verbinden lassen, und sie führte mich eine geraume Zeit in mancherlei Richtungen, bis sie mir die Binde abnahm.

Ich befand mich aber in einem prächtigen Zelte aus rotem Sammet mit großen goldenen Blumen, voll der schönsten Sklavinnen. Ein Sitz von Ebenholz stand für mich bestimmt da. Und ich hatte mich noch nicht von meinem Erstaunen erholt, als ein Vorhang aufrauschte und eine Dame von überirdischer Schönheit sich an meiner Seite niedersetzte. Wir kosten und sangen die ganze Nacht hindurch. Gegen Morgen sang sie eins meiner Lieder, das mit dem Verse anfängt: Sie, deren schwellender Busen. ›Wer ist diese Schönheit mit schwellendem Busen?‹ fragte sie. ›Ich kenne sie nicht,‹ antwortete ich, ›es ist ein luftiges Dichtergebilde oder, wenn man lieber will, eine Gazelle.‹

›O Lügner,‹ rief sie, indem sie mir einen derben Backenstreich gab; ›so seid ihr alle, ihr andern Dichter. Dein Lied ist weitberühmt in Hidschas und Irak und Syrien, und du behauptest, es handle bloß von einem Luftgebilde. O Sklavinnen, schafft mir den Lügner vom Halse!‹ Man verband mir die Augen und führte mich nach meinem Hause.

Am folgenden Tage abermaliger Besuch des alten Weibes und wiederholter Vorschlag. Ich ging die Bedingungen ein und beschwor sie auf den Koran. Die Binde wurde mir in einem schwarzen, mit Gold durchstreiften Zelt abgenommen. Meine Dame erschien, von ihren Sklavinnen umgeben, setzte sich neben mir nieder und begann wie gestern die Unterredung.

›Die Stunden verflossen wie die der vorigen Nacht unter Sang und Scherz. Endlich fragte sie mich: ›Wer ist der Verfasser des bekannten Liedes:

Hast du mich jüngst gesehn – In der Mitte dreier Schönen. ›Ich bins‹, antwortete ich. ›Nun, wer sind die drei Schönen?‹ ›Auf meine Ehre!‹ erwiderte ich, ›ich kenne sie nicht, und sie leben nur im Liede.‹ ›So also,‹ fiel sie mir in die Rede, ›wenn kein wahres Wort daran ist, was unterstehst du dich, mit Gunstbezeigungen dich zu brüsten, die du nicht erhalten hast! Da, o Lästerer!‹ Und sie gab mir einen derben Backenstreich. ›O Sklavinnen, entfernt ihn aus meinem Angesichte!‹

Ich kam in mein Haus mit verbundenen Augen und brennenden Wangen. ›Verzweifle nicht‹, sprach das alte Weib im Weggehen. Ich warf mich aufs Bett nieder, aber kein Schlaf kam in meine Augen.

Am andern Tage erschien das alte Weib früher als gewöhnlich und fragte nach meinem Wohlbefinden und ob ich nicht Lust hätte, zu meiner Dame zurückzukehren. Ich beschwor dieselben Bedingungen auf den Koran, sann zugleich aber auf ein Mittel, die Wohnung meiner Schönen ausfindig zu machen. Und färbte meine linke Hand mit Safran, und als wir uns an der Türe befanden, fuhr ich mit der Hand auf dem Türflügel herum, als ob ich nach der Tür tappte.

Die Binde wurde mir abgenommen, und ich befand mich in einem Zelte von grünem Atlas mit großen silbernen Blumen. Die Dame kam, setzte sich neben mich und lachte nicht wenig, als sie sah, daß meine Wange noch von dem gestrigen Backenstreiche brannte. Wir unterhielten uns von tausenderlei Gegenständen und von Abenteuern aus Jemen und Hidschas, von den merkwürdigen Begebenheiten der arabischen Geschichte und von der Liebe und ihren Süßigkeiten. Ich glaubte mich wahrhaftig ins Paradies versetzt. Endlich fragte sie mich: ›Wem gehören die bekannten Verse zu:

Die Sänfte ging vorüber, – Ich sah sie nicht, ich hört ihr Kosen,
Da lüftete der Wind den Schleier – Und wehte Wohlduft von der Wangen Rosen.

Ich bekannte mich zum Verfasser. ›Und wer ist denn die Schöne in der Sänfte, die du nicht sahst, sondern nur hörtest, und mit der du, wie das Lied ausgeht, in der Sänfte glücklich warst?‹ ›Habe Mitleiden mit mir,‹ sprach ich, ,o schönste der Herrinnen! Ich habe nichts hierauf zu antworten, als was ich schon gestern und vorgestern gesagt habe!‹ ›Also, so lästerst und verleumdest du die Frauen. Du bist ein Nichtswürdiger, der ihrer Gesellschaft nicht wert ist; o Sklavinnen, züchtigt ihn, wie er es verdient!‹ Sie fielen über mich her mit Fäusten und Nägeln, zerschlugen und zerkratzten mich auf eine erbarmungswürdige Weise, und das alte Weib übernahm mich mit verbundenen Augen. Aber statt mich diesmal in mein Haus zu begleiten, hörte ich, daß sie auf der Straße einen Menschen anredete, ihm Geld und den Auftrag gab: ›Geh und führe diesen Mann mit verbundenen Augen in das Haus Amrus, des Sohnes Rebias, des Dichters, der ein großer Taugenichts ist und dessen Schwelle ich nicht mehr betreten will.‹

Ich konnte den Augenblick nicht erwarten, in mein Haus zu kommen, und warf mich aufs Bett, ohne ein Auge zu schließen. Was mir begegnet war, und der Schmerz der empfangenen Schläge hielten den Schlaf von meinen Wimpern fern.

Mit Tagesanbruch versammelte ich alle meine Sklaven, gab ihnen den Auftrag, das Haus oder das Zelt ausfindig zu machen, dessen rechter Türflügel mit Safran gefärbt war, und versprach dem Entdecker tausend Dinare. Noch vor Mittag kam einer derselben mit freudigem Gesichte gelaufen. ›Gute Nachricht, o Gebieter, ich habe die Türe gefunden, deren rechter Flügel mit einer in Safran getauchten Hand bezeichnet ist.‹ ›Richtig‹, rief ich voll Freuden, zahlte ihm die tausend Dinare aus und ließ mich an Ort und Stelle führen.

Wie groß war nicht mein Erstaunen, als ich sah, daß das bezeichnete Zelt eines der Zelte der Prinzessin Merwe war, der Tochter des regierenden Kalifen Abd al-Malik. Sogleich ließ ich meine Zelte in der Nähe aufschlagen und schlenderte lang genug herum, um von der Prinzessin bemerkt zu werden. Sobald sie sah, daß sie entdeckt war, kam sie heraus und lüftete den Schleier und sagte: ›Sieh da, o Amru, hast du keine Lust, dein Abenteuer zu besingen, wenigstens läufst du nicht Gefahr zu lügen, und hast nicht not, die Schläge aus der Luft zu greifen, wie deine erdichteten Schönen.‹

Ich sagte sogleich aus dem Stegreife mehrere Verse her, die mir die zärtlichste Liebe eingab und die bald in jegliches Munde waren. Das Gerede, das sie verursachten, und das Gerücht von der Verlegung meiner Zelte drang gar bald bis in das Serail des Kalifen, der damals in Damaskus residierte. Er aber berief seine Tochter zu sich, und ich machte diese Reise in ihrem Gefolge. Doch die Glut der Leidenschaft verzehrte mich, und ich war sehr krank, ohne es zu wissen.

Zwei Tagereisen von Damaskus kamen Abgesandte, um der Prinzessin zu melden, der Kalif mit allen Prinzen seines Hauses komme ihr entgegengezogen. Der Zug kam bald nachher an.

Der Kalif stieg ab und ging ins Zelt, beglückwünschte die Prinzessin zu ihrer glücklichen Ankunft und sagte: ›O meine Tochter Merwe, du mußt nach der Sitte deinen Einzug bei Nacht halten, auf daß dich niemand sieht.‹ ›Sehr wohl, o mein Vater, mir ists übrigens einerlei, ob mich die Leute sehen oder nicht sehen.‹

Beim Herausgehen erblickte er meine Zelte und fragte, wessen sie wären? ›Amrus, des Sohnes Rebias‹, war die Antwort. Ich nahte mich und grüßte den Kalifen nach hergebrachter Sitte mit den Worten:

›Heil und Allahs Erbarmen über dich, o Fürst der Rechtgläubigen!‹ ›Weder Heil noch Erbarmen über dich‹, antwortete der Kalif. ›Und warum, o mein Vetter, behandelt mich deine Erhabenheit so unfreundlich?‹ ›O Unglücklicher, du hast doch meine Tochter mit deinen Versen in üblen Ruf gebracht!‹ und er sagte die Verse auf, die ich aus dem Stegreife gedichtet hatte, als die Prinzessin aus dem Zelte kam. ›Vergebung, o Fürst der Rechtgläubigen, die Verse gehen die Prinzessin nichts an, sie sind an eine erdichtete Schönheit gerichtet, die, wie deiner Erhabenheit bekannt ist, nur in dem Hirne der Dichter lebt.‹ ›Du lügst‹, sprach der Kalif lachend, aber dann auf einmal mit veränderter Gesichtsfarbe und in sehr ernstem Tone: ›Hast du ein Weib?‹ ›Ich kenne nur eine, und das ist deine Tochter, o Fürst der Rechtgläubigen‹, antwortete ich mit großem Mute. ›Nun, so nimm sie denn,‹ fuhr der Kalif fort, ›ich vermähle sie dir.‹

Trunken vor Freude rief ich aus: ›Wie verdiene ich so großes Glück, ich Sklave des Fürsten der Rechtgläubigen, ich, der ich nur eine Klinge aus dem Waffenschatze seiner Macht bin! Wie bin ich wert befunden worden dieser Verbindung mit dem größten Herrscher unserer Zeit!‹

›Das Sprichwort sagt,‹ antwortete der Kalif darauf, ›wer um den Schleier fragt, der kauft ihn‹; und er ließ auf der Stelle Kasis und Zeugen rufen, um den Heiratsvertrag der Prinzessin abzufassen. Er gab ihr fünfzigtausend Dinare zur Aussteuer. Die Hochzeit wurde auf der Stelle gefeiert. Ich lebte drei Jahre mit ihr, die glücklichsten meines Lebens, dann starb sie und hinterließ mir drei Perlenangebinde zum Angedenken, die mich ins Grab begleiten werden.«

Der Kalif Waßik Billab war einer der sanftmütigsten Menschen seiner Zeit. Ein Dichter, der eine Satire wider ihn verfertigt hatte, kam, um von ihm eine Gnade zu begehren. Aber durch einen Mißgriff zog er statt der Bitt- die Stachelschrift aus der Tasche und reichte sie hin. Der Kalif aber, der den Irrtum bemerkte, gab ihm die Satire zurück und begnügte sich, ihm zu sagen: »Sei behutsamer, auf daß dir solches mit keinem anderen begegnet, der weniger bereit ist, zu verzeihen und Gnaden zu erteilen, als der Kalif.«

Der Kalif Abd al-Malik ibn Marwan gab seinem Statthalter Hadschdschadsch, dem Sohne Jusufs, den Auftrag, ihm die drei schönsten Sklavinnen, die er finden könnte, zu senden. Hadschdschadsch nun wandte sich an die drei berühmtesten Sklavenhändler des Reichs, die ihm alsbald die drei größten Schönheiten, die sie ausfindig gemacht hatten, zuführten. Hier folgt die Beschreibung ihrer Vorzüge, die Hadschdschadsch dem Kalifen einsandte und die sich aus den geheimen Archiven des Kalifats bis auf unsere Zeit erhalten hat:

Die erste hat funkelnde Augen und schön gerundete Arme. Ihr Busen sproßt und treibt wie die Rosenknospen in den ersten Tagen des Frühlings; ihre Schenkel leuchten wie polierter Alabaster im Mondenschein; sie ist weiß wie ein geglättetes Silber.

Die zweite ist ein Beispiel des schönsten Ebenmaßes aller Glieder. Der süße Ton ihrer Stimme würde Kranke heilen und Tote zum Leben erwecken. Sie ist eine anziehende Braunhaarige.

Die dritte hat die Augen der Gazelle, die Gesichtsfarbe der Rose, den Wuchs der Zypresse, den Wohlgeruch des Moschus, das Haar schwärzer als Ebenholz, die Zähne weißer als Elfenbein. Ihre Wimpernhaare sind so viel Pfeile, welche die Herzen durchbohren, und das Mal auf ihrer Wange ist dunkel wie das Korn des Lebens auf der glänzenden Flur des Paradieses.

Hadschdschadsch übergab die drei Sklavinnen, nachdem er sie besichtigt und beschrieben hatte, den drei Sklavenhändlern mit dem Befehle, sie wohlverwahrt dem Kalifen zuzuführen. Einer der drei Kaufleute aber, alt und gebrechlich, wie er war, bat, der Reise enthoben zu werden und statt seiner seinen Sohn stellen zu dürfen, was Hadschdschadsch gerne gewährte. Auf dem Wege lüftete der Wind auf einen Augenblick den Vorhang der Sänfte, und der junge Mensch wurde auf der Stelle sterblich verliebt in die ihm von seinem Vater anvertraute Schöne. Er aber sang aus dem Stegreife:

Selbst durch den Schleier dringt der Pfeil ins Herz – Und es zerbricht aus übergroßem Schmerz.
Es birst die Erde vor dem Sonnenfeuer – Wiewohl es sich verbirgt im Wolkenschleier.

Eine überaus wohltönende Stimme antwortete aus der Sänfte:

Verräter ist der Tag, die Scheelsucht wacht – Vertraue dein Geheimnis nur der Nacht.

Der junge Mann verstand den Wink und wollte ihn benutzen, sobald es dunkel geworden war. Und er machte den Versuch, seine Schöne zu entführen, aber von seinen Gefährten entdeckt und eingeholt, wurde er auf ein Kamel gebunden und als ein Verbrecher bis in den Palast des Kalifen mitgeführt.

Abd al-Malik ließ sich die Sklavinnen vorführen und überlas zugleich die Beschreibung ihrer Vorzüge, die ihm Hadschdschadsch eingesandt hatte. Bei den ersten beiden traf alles auf ein Haar ein; die dritte aber hatte nicht, wie es in der Beschreibung hieß, die Farbe der Rose, sondern sie war blaßgelb.

»Was ist das?« fragte der Kalif erzürnt die Sklavenhändler. Sie warfen sich ihm zu Füßen, baten im voraus um Gnade und erzählten ihm dann die Liebesgeschichte des jungen Mannes. Des Kalifen Zorn ging in Mitleid und Rührung über. Statt den Liebhaber als Majestätsverbrecher zu bestrafen, machte er ihm die Sklavin mit all ihrem Staate zum Geschenk.

Die Verliebten waren außer sich vor Freude und Entzücken. Sie durchschwärmten die Nacht in inbrünstigen Umarmungen. Des Morgens fand man beide tot einander in den Armen; das Übermaß der Leidenschaft hatte sie getötet. Man erstattete hiervon Bericht dem Kalifen, der sich nicht wenig ob dieses außerordentlichen Abenteuers verwunderte und gar nicht begreifen konnte, wie es möglich war, aus Liebe zu sterben.

Hadschdschadsch, der Sohn Jusufs, hatte eines Abends große Gesellschaft. Dessenungeachtet wurde ihm die Zeit lang, und er sprach zu Khalid, dem Sohn Gersafas: »Geh in die Moschee und suche uns jemanden, der durch Erzählungen die Zeit kürze. Es ist eben Gebetstunde, und es kann dir nicht fehlen, deinen Mann zu finden.« Khalid ging in die Moschee, grüßte den ersten jungen Menschen, der ihm aufstieß, und lud ihn ein, sich mit ihm in den Palast zu begeben. Der Jüngling nahm die Einladung an, und sie traten beide in den Gesellschaftssaal. »Liest du den Koran?« fragte Hadschdschadsch den Fremden. »Ja, und ich weiß ihn auswendig.« »Bist du mit den arabischen Dichtern bekannt?« »Ja, vom Anfang bis zum Ende«, war die Antwort; und er sagte einige der schönsten Stellen. »Nun, da es dir, wie ich sehe, an Wohlredenheit und Sachkenntnis nicht fehlt, so erzähle uns etwas, indessen soll man dir zum Lohn eine Sklavin und viertausend Dirhems bereiten. »Des Himmels Segen über den Kalifen und seinen Statthalter,« antwortete der Jüngling, »ich wüßte nichts Außerordentlicheres zu erzählen als meine eigene Geschichte.« »Nun, so erzähle sie denn der versammelten Gesellschaft!«

»Ich verlor sehr jung meinen Vater und wurde erzogen in dem Hause meines Oheims. Der hatte ein überaus schönes Mädchen zur Tochter, mit der ich die ersten Jahre der Jugend verlebte und die ich, ohne es zu wissen, liebte. Als sie heranwuchs, bewarben sich viele Freier um ihre Hand, und mir wurde damit alle Hoffnung genommen, sie jemals zu bekommen. Der Kummer brachte mich aufs Krankenlager; mitten unter den Ausbrüchen von Fieberphantasien ersann ich folgenden Ausweg, um zu meinem Ziele zu gelangen: Ich füllte einen Sack mit Sand und Erde an, und in einem Augenblicke, wo ich wußte, daß ich beobachtet wurde, vergrub ich ihn mit vieler Sorgfalt und Herumspähen, als sollte es nicht gesehen werden, unter meinem Kopfkissen, um glauben zu machen, es sei ein heimlicher Schatz. Dann ließ ich meinen Oheim rufen und sagte ihm: ›Ich besitze einen heimlichen und sehr ansehnlichen Schatz, den ich in der Wüste gefunden habe, und fürchte, der Tod übereilt mich, ehe ich ihn jemand entdeckt habe, oder man bestiehlt mich. Gib mir daher, ich bitte dich, eine Wache von zwölf Personen, und leihe mir unterdessen tausend Dinare, um die Kosten meiner Krankheit zu berichtigen, auf daß ich nicht nötig habe, meinen Schatz ans Licht zu bringen und ihn anzuzeigen.‹ Mein Oheim glaubte fest, was ich ihm gesagt hatte, und erzählte es seinem Weibe wieder. Diese, die mich für steinreich hielt, hatte nun nicht die geringste Einwendung wider meine Verbindung mit ihrer Tochter und ließ mir durch ihren Gemahl einen Vorschlag machen. ›Ich habe es nie gewagt,‹ antwortete ich, ›meine Augen bis zu deiner Tochter zu erheben, um so weniger, als ihr Betragen gegen mich meine Wünsche nicht im mindesten begünstigte.‹ ›O das hat nichts auf sich, das Mädchen fürchtete sich nur vor ihrer Mutter; nun wird es sich schon geben.‹ Sogleich versammelte man den Stamm, und die Hochzeit wurde noch selbigen Abends gefeiert.

Die folgenden Tage überhäufte mich mein Schwiegervater mit Geschenken. Er hatte für mehr als zehntausend Dirhems Kleider und Schmuck gekauft, alles in der Hoffnung auf einen reichlicheren Ersatz aus dem Schatze. Endlich begehrte er, ihn zu sehen. Sogleich ließ ich Träger kommen, um den Sack auszugraben und zu meinem Schwiegervater zu bringen, der, wie ihr euch denken könnt, nicht wenig toll gewesen sein muß, als er Sand statt Gold fand. Ich war unterdessen so klug gewesen, mit meinem Weibe die Flucht zu ergreifen; und ich irre nun seitdem in Moscheen herum, ohne daß ich weiß, wie das Ende sein wird.«

Hadschdschadsch befahl, dem Erzähler die Sklavin zu übergeben und zehntausend Dirhems zu verabreichen, die am nächsten Morgen ausgezahlt werden sollten. Der junge Mann war voll der Freude und eilte zu seiner Gattin, die zu ihrer Mutter nach Hause zurückgekehrt war. Er stürzte zur Tür hinein und rief, daß er zehntausend Dirhems in der Schatzkammer guthabe. Als Mutter und Tochter dies hörten, erhoben sie ein großes Geschrei, weil sie glaubten, er sei von Sinnen gekommen. Der Vater dachte, es sehe mit den zehntausend Dirhems nicht besser aus als mit dem Schatze, und ließ den Schwiegersohn als einen Betrüger binden. Er mochte ihnen noch so oft seine Geschichte mit Hadschdschadsch erzählen, es half nichts. Die einen glaubten, es sei ein Fiebertraum, die andern, es sei eine Erfindung.

Hadschdschadsch, der den jungen Mann nicht wiederkehren sah, um sein Geld zu holen, ließ ihn suchen.

Der Gefundene erzählte, was ihm von neuem begegnet war, und wie also das Ende seiner Geschichte noch viel sonderbarer sei als der Anfang.

Hadschdschadsch überhäufte ihn mit neuen Geschenken.

 

Hadschdschadsch, der Sohn Jusufs, ist berühmt in der arabischen Geschichte durch seinen unersättlichen Blutdurst. Man sagt, daß er als neugeborenes Kind die Brust seiner Mutter Caria nicht habe nehmen wollen. Haress Ben Kelde riet den Eltern, eine schwarze Ziege zu schlachten und das Kind mit ihrem Blute zu tränken. Dies geschah drei Tage lang, am vierten aber säugte die Mutter das Kind. Die arabischen Geschichtsschreiber sind der Meinung, Satanas selbst habe diesen Rat gegeben, und erklären hieraus des Tyrannen seltene Blutgier, der nur wenige der bezeichneten Schlachtopfer durch außerordentliche Freimütigkeit oder kalte Verachtung des Todes entgingen.

Eine solche Ausnahme war die folgende: Bei einem öffentlichen Gastmahle bemerkte Hadschdschadsch, daß ein Beduine die Schüsseln mit Halwa auf das gierigste leerte. »Wer von Halwa etwas anrührt, ist des Todes!« donnerte Hadschdschadschs Stimme, und alle Hände, die auf die Schüssel zugefahren waren, erstarrten auf dem Wege. Der Beduine allein konnte die den Bewohnern der Wüste angeborene Freßlust nicht verleugnen. Nachdem er einige Zeit unbeweglich geblieben war, rief er: »O Emir, ich empfehle dir mein Weib und meine Kinder!« und fiel mit Hast über die Schüssel her. Hadschdschadsch sank vor Lachen auf den Rücken und ließ die Drohung unvollzogen.

Hadschdschadsch hatte soeben die Flammen eines Aufruhrs mit Strömen von Blut gelöscht. Unter den eingebrachten Gefangenen wurde ein freies arabisches Weib ihm vorgeführt. »Warst du es nicht,« fuhr sie Hadschdschadsch voll Grimm an, »warst du es nicht, die gestern noch das Volk empörte und zum Morde meiner Krieger wild entflammte?« »Du hast es gesagt, ich wars«, antwortete das arabische Weib. »Ihr habt es gehört«, sprach Hadschdschadsch, indem er sich zu seinen Wesiren umwandte; »was ist nun euer Urteilsspruch über die Schuldige?« »Eile,« riefen sie einstimmig, »sie hinzurichten.« Das Weib aber lachte hell auf. »Was lachst du?« fragte Hadschdschadsch. »Darüber, daß die Wesire deines Bruders, des ägyptischen Drängers Pharao, doch bessere Menschen waren als deine!« »Wieso?« fragte Hadschdschadsch. »Als Pharao«, antwortete die Araberin, »sie befragte, was mit Moses und Aaron zu tun sei, sprachen die: ›Heb sie auf für andere Zeiten.‹ Die deinigen aber raten dir, mit der Hinrichtung zu eilen!« Die Freimütigkeit gefiel dem Tyrannen, und statt den Blutbefehl zu erlassen, gab er ihr eine Anweisung auf die Schatzkammer.

»Was hältst du von Hadschdschadsch«, fragte der Tyrann einen Beduinen, auf den er unerkannt in der Wüste stieß. »Daß er ein Dränger und Tyrann ist!« »Nun, wenns so ist, warum führst du denn nicht Klage wider ihn am Throne des Kalifen Abd al-Malik, des Sohnes Marwans?« »Der ist um kein Haar besser, wenn nicht schlimmer. Allahs Fluch über beide!« Jetzt kam das Gefolge des Statthalters angeritten, und der Beduine erkannte seinen Mann. »Höre, o Emir,« sprach er, »das Geheimnis, das ich dir soeben anvertraute, bleibt unter uns; wenn auch Allah etwas davon wissen sollte, so weiß ers besser.« Hadschdschadsch mußte ob der sinnreichen Wendung lachen und beschenkte den Beduinen.

Hainand, der Geschichtsschreiber, erzählt: »Ich war in großer Gunst bei Walid, dem Sohne Abd al-Maliks. Als sein Bruder Jesid den Kalifenstuhl bestieg, floh ich nach Kufah, wo ich die große Moschee zu meinem Aufenthaltsorte auserwählte. Siehe da kam ein Bote Mohammeds, des Sohnes Jusufs Et-takfi. Er kündete mir an, er habe ein Schreiben des Kalifen erhalten, der ihm befehle, mich in das Serail zu führen. Wir setzten uns zu Pferde, und er gab mir einen Beutel von tausend Dinaren für die Unkosten der Reise. Am achten Tage nach unserer Abreise langten wir zu Damaskus an. Der Abgesandte holte die Erlaubnis zu meinem Empfange ein und führte mich dem Kalifen vor. Ich fand ihn in einem Saale von rotem Granit, dessen Decke ein Zelt aus rotem Damast war. Die Vorhänge waren aus roter Seide, und roter Damast bildete die Bekleidung des Fußbodens. Alles war rot, und neben dem Kalifen standen zwei ebenfalls rot gekleidete Sklavinnen, in der einen Hand goldene Becher, in der andern Hand kristallene Gefäße mit rotem Weine haltend.

Ich grüßte ihn und wünschte ihm Glück als Kalif, und er gab mir den Gruß zurück. Dann sprach er: ›Nahe, und sage mir, ob du weißt, warum ich dich holen ließ.‹ ›Nein, o Fürst der Rechtgläubigen.‹ ‹Ich sandte nach dir, um aus dem Schatze deines Gedächtnisses einige Verse zu holen, deren Anfang mir entfallen ist, von denen ich aber nur soviel weiß, daß sie mit dem Worte Kanne endigen.‹

Ich fing an, meinen Versvorrat im Gedächtnis durchzugehen, und erinnerte mich endlich einiger Verse eines alten Königs aus Jemen, die also lauten:

Früh sind die Tadler und die Neider aufgewacht! – Es schelten mich so Feind als Freund mit Vorbedacht.

Was kümmerts mich! es grünet frisch im Morgentau die Tanne – Das Mädchen hält den Morgenwein in goldner Kanne.

›Bei Gott!‹ rief Jesid aus, ›das sind gerade die Verse, die ich im Sinne hatte‹, und begehrte zu trinken. Er befahl der Sklavin, auch mir einzuschenken, was sie dreimal tat, so daß mir alle Sinne vergingen. ›Dreimal,‹ sprach ich, ›o Fürst der Rechtgläubigen, ist meine Vernunft schon davongelaufen.‹ ›Nun, was wünschest du denn, um sie noch ein viertes Mal zu verlieren?‹ ›O Herr, eine der beiden Sklavinnen, die zu deiner Seite stehen, wäre solches zu bewirken mehr als hinreichend.‹ ›Nun, du sollst sie alle beide haben, mit ihrem ganzen Anzug, und hunderttausend Dirhems obendrein.‹ Ich wußte nicht mehr, wie mir geschah, indem ich alles für einen Traum hielt. Am nächsten Morgen aber zog ich mit dem versprochenen Geschenke nach Kufah, wo ich seitdem ein vergnügtes Leben führe.«

 

Ein Sänger sang eines Tages in Gegenwart des Kalifen Jesid die folgenden Verse:

Wenn ich aus Sehnsucht tot zu Boden stürze – Weckt deine Schönheit mich vom Tode auf;

In meiner Seele brennt der Liebe Würze – Die hält den Leib vor der Verwesung auf.

Dem Kalifen gefielen die Verse; er fragte, wem sie zugehörten. Man wußte es nicht. »So geht und holt mir den Zeheri, der weiß es gewiß!« Es war schon Mitternacht vorbei, und Zeheri war eben nicht ganz ruhig, als man ihn um diese Stunde zum Kalifen rief. »Sei unbesorgt,« redete ihn Jesid an, »ich will nur wissen, wem die Verse zugehören, die soeben gesungen wurden.« »O Herr, der Verfasser ist Achus.« »Wo ist er denn?« »Er schmachtet seit langem im Gefängnisse.« Jesid befahl, ihn freizulassen, und ließ ihm noch ein Geschenk von vierhundert Dirhems verabfolgen. Auch Zeheri wurde belohnt.


 << zurück weiter >>