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Die Geschichte von den Heldentaten und dem Tode des Hauptmanns Raggad oder Bergspalter und seiner Tapferen

Nachdem der Hauptmann Bergspalter weit in der Welt umhergekommen war, fand er sich in Ägypten, und zwar in der Nähe des gebirgigen Teiles dieses Landes; seine außerordentliche Gefräßigkeit war kaum zu ersättigen, und der Schrecken, den er aller Welt einjagte, hielt die für seine Bedürfnisse nötigen Hilfsquellen von ihm fern.

Als er nun eines Tages eine Einöde durchquerte, führte ihn der Zufall in die Hütte eines Derwischs. »O heiliger Mann,« sprach er zu ihm, »du siehst einen Kriegsmann vor dir, der Hungers stirbt; hast du nicht einige hundert Nüsse zu knacken?« »Die Ratten haben gute Zähne,« antwortete ihm der Derwisch, ohne aufzustehen, und fuhr fort über sein Buch nachzusinnen; »sie haben alle Nüsse, die mir die Mildtätigkeit der Gläubigen einbrachte, aufgezehrt und haben mir nur die Schalen zurückgelassen; der einzige Vorrat, der mir bleibt, ist der Nilzwieback, den du vor meiner Türe siehst.« Also endend, wies er gleichzeitig auf einen Stein von sechs Fuß Länge und drei Fuß Höhe hin.

»Den ißt du?« fragte Bergspalter, »bei Allah, du bist kein Kostverächter! Ich kenne dies Backwerk, Ägyptens Pyramiden sind aus ihm erbaut, doch kann ich dein Tischgenosse sein. Er ist etwas schwer zu verdauen für andere Magen als unsere; erlaube, daß ich mir eine Schnitte herunterschneide!« Und zog im selben Augenblicke sein Schwert; und mit einem Streiche säbelt er eine Schnitte von drei Palmenblätter Dicke ab und zerbricht sie in mehrere Stücke, zermalmt sie mit den Zähnen und schlingt sie hinunter. >Welch ein Schwert, welch ein Arm,< sprach der Einsiedler bei sich selbst, >mein Hausrat ist zwar ziemlich dauerhaft, aber der Mann da könnte mir in vier Mahlzeiten alles wegputzen; ich muß ihn mir zum Freunde machen.< »O Herr,« sprach er zu ihm, »ich wundere mich zu gleicher Zeit über die Kraft deines Armes und seine Geschicklichkeit und finde außerordentliche Gaben an dir. Ich wünsche deine Bekanntschaft zu machen und hoffe, du wirst mich dieser Ehre nicht für unwürdig achten; man mißtraut Abenteurern gewöhnlich, doch vor einem Manne wie du darf ich keine Geheimnisse noch Ausflüchte haben. Komm mit mir in das Innere meiner Höhle, ich habe dort einen Vorrat an Ziegenkäse und Kuchen, den ich gern mit dir teilen will; wir wollen sie in aller Ruhe verzehren und dabei offen miteinander reden!«

»Gern,« erwiderte Bergspalter, »Leute deines Standes liebe ich und habe deren mehr als einen gekannt, die nicht ihr ganzes Leben damit zugebracht haben, über den Schriften zu murmeln; und ich will dir gern mit dem Becher in der Faust die Beichte meiner begangenen Sünden ablegen!« »Ich habe weder Becher noch Humpen und bediene mich nur der Krüge«, versetzte der Einsiedler. »Und ich verzichte lieber auf die Krüge als auf den Wein.« »Wein?« rief der Einsiedler aus, »Wein bei einem Derwisch? Du machst, daß mir meine Barthaare zu Berge stehn! Bedenke, daß ich mich hierher zurückgezogen habe, um ein bußfertiges Leben zu führen; ich trinke nur klares Wasser mit etwas Honig vermischt und stelle daraus ein ziemlich gutes Getränk her!«

Der Hauptmann schüttelte den Kopf; aber er mußte sich den Umständen anpassen. Und er half seinem Gastgeber, die Käse und die Kuchen auf dem aus einem breiten Steine hergerichteten Tische aufzuhäufen; es war das aber ein Vorrat für acht Menschen; indessen war er nicht zu groß für die beiden Tischgenossen. Sie saßen auf Ruhebetten, die aus demselben Stoffe wie der Tisch bestanden, jeder hatte einen ungeheuren Krug voll Honigwasser neben sich stehen, und das Mahl begann.

Als der Einsiedler den ersten Käse gegessen hatte, ohne die Kruste zu entfernen, sprach er: »Laß uns eins darauf trinken, o Bruder!« Er setzte seinen Krug an und leerte ihn auf einen Zug. »Tu mir Bescheid«, sprach er dann zu Bergspalter, der ihn verwundert anblickte. Dieser sagte, bevor er auch trank: »Ohne Zweifel mußt du bis an die Zehen hohl sein, weil du den Krug, ohne einmal abzusetzen, hinuntertrinken konntest; wenn dir der Magen wie mir mit Steinen gepflastert wäre,, würde aus deinem Leibe ein regelrechter Fluß hervorkommen!« »Ach, o mein Bruder,« sagte der Derwisch darauf, »ich habe mich schon sehr gebessert; habe ich doch dies bußfertige Leben eingeschlagen, weil ich immer zuviel getrunken hatte; jetzt stille ich wohl noch meinen Durst, doch trinke ich nie mehr im Übermaße. Ich erstaunte im höchsten Erstaunen, als ich dich meinen Zwieback zerschneiden und zerkauen sah, nun wie ich dich meinerseits durch die Erzählung meiner Geschichte in Verwunderung setzen.

Ich heiße Ballayah oder Trinkaus; und hätte mir das Wasser nicht zu nüchtern geschmeckt, als ich in der Welt lebte, so würde ich die Flüsse ausgetrocknet haben; indessen hätte man mir nicht aus dem Meere zu trinken geben dürfen, denn die Würze dieses Getränkes hätte mich vielleicht genötigt, es auszusaufen.

Als ich mich eines Tages in Georgien bei einem Manne aufhielt, der mir hochherzigerweise ein Obdach gewährt hatte, war gerade die Weinlese beendigt, und jener hatte den Ertrag der seinigen eingekeltert; mein Bett befand sich aber unglücklicherweise zu nahebei dem Lagerraume; ganz plötzlich wurde ich durch einen so angenehmen Geruch aufgeweckt, daß ich der Versuchung, mich den Fässern, die ihn ausströmten, zu nähern, nicht widerstehen konnte. Und ich erkühnte mich, das Getränk zu kosten; und sein Wohlgeschmack übte eine solche Macht auf mich aus, daß ich in der Nacht zehn Aroben (welches ein Maß von fünfundzwanzig Kannen ist) ausleerte. Solches war der Ertrag der ganzen Lese; ich hatte indessen nur zehn Züge getan. Mein Gastgeber überraschte mich dabei und behandelte mich wie einen Trunkenbold; ich aber wurde ärgerlich ob dieses Vorwurfs und schlug ihn tot. Betrübt darüber, daß ich mich hatte hinreißen lassen, nahm ich das Derwischgewand und zwang mich, nichts anderes mehr als Honigwasser zu trinken. Diesem Entschluß zufolge irrte ich von Ort zu Ort, wählte die entlegenste Gegend und habe mich schließlich hier niedergelassen, wo ich mich in Muße mit Pflanzenkunde und Sterndeutung abgebe.«

»O mein lieber Heiliger,« versetzte Hauptmann Bergspalter, »da dich Trunkenheit zu einem Sterndeuter gemacht hat, muß ich dir von meinem Handel mit den Sternen erzählen. Ich bin ein wenig erbost auf meinen Stern und werde es nicht krummnehmen, wenn du mir dazu verhilfst, ihm einige Dachteln mit meiner flachen Klinge zu versetzen, ebenso auch einem seiner Gefährten, um ihnen ihre Grillen wider mich auszutreiben!

Ich heiße Bergspalter und bin in Zirkassiens Hauptstadt geboren. Nach der Aussage eines Sterndeuters, der ein guter Freund meines Vaters war, befanden sich am Tage meiner Geburt zwei mit guten und bösen Eigenschaften beladene Sterne unterwegs; der weniger gut versehene von beiden hatte die Vorhut. Drei Frauen aber hatten am selben Tage geboren, und zwar jede von ihnen ein männliches Kind; sie bewohnten drei der vornehmsten Häuser, die eine von den Ecken der Straße bilden, die nach dem Sultanspalaste führt. ›Gehen wir dorthin,‹ sprachen die Sterne, ›und entledigen wir uns zugunsten der Neugeborenen der Lasten, mit denen wir uns beladen haben.‹ So dahingehend, streifte der erste das Haus meiner Mutter in dem Augenblicke, als sie sich anschickte, mir das Leben zu geben, und das Ereignis bewirkte, daß er einen Augenblick verweilte. ›Ich kann nicht weitergehen,‹ sagte er, ›meine Last drückt mich, ich muß sie hier fallen lassen!‹ Und das geschah gerade über mir. Ich kann dir nicht alles aufzählen, das ihm in diesem Augenblicke aus seinen Händen fiel; es ist das eine Last, die ich manchmal sehr ungeduldig trage und die andern oft recht lästig wird; und sie hat mich zum stärksten, aber auch zum ungeduldigsten aller Menschen gemacht. Ich darf nichts besitzen und muß unaufhörlich vom Raube leben. Nichts kann meinem Schwerte widerstehen als allein die Schwachheit eines furchtsamen und ängstlichen Menschen; so greife ich denn seinesgleichen nur mit Fausthieben an, und du kannst dir wohl denken, daß ich nicht einen verfehle. Solches, o guter Derwisch, sind die Geschenke, die meine Wiege bedeckt haben; der Stern aber, der dem meinen folgte, war genötigt, die mir bestimmten Eier auf ein Nachbarhaus zu legen; und was ließ er dort fallen? ich bitte dich ... eine Krone; du siehst also, und ich darf es ohne Eitelkeit behaupten, ich habe den Thron nur um eine Türe verfehlt; der Sterndeuter sagte zwar zu meinem Vater, das Schicksal habe dabei gewaltet, ich aber meine, es war Laune; mein glänzender Gönner hätte seine Gaben wohl eine Türe weiter legen können ... Bei Mohammed, du kannst dir denken, daß ich wütend darob bin und, o mein guter Heiliger, schon viele Mittel angewandt habe, um mein Horoskop Lügen zu strafen.

Ich habe Kriegsheere versammelt, führte sie gut und schlug mich noch besser, doch meine Krieger waren nur feige Memmen; und es gab immer zuviel zu essen auf der Welt und nichts zu bekämpfen. Eines Tages drang ich in eine Stadt ein, ohne zu merken, daß mir meine Leute nicht folgten: ich schlage alles in Stücke, was sich mir widersetzt, verfolge und vernichte alles, was vor mir flieht, und lege den Brand an, wo es zu lange aufgehalten hätte, das Schwert zu gebrauchen, und plündere alles; mein Heer aber gibt mich verloren und zählt nicht mehr auf mich, wird von einem panischen Schrecken erfaßt und ergreift die Flucht. Was trifft jetzt ein? Als ich das Land so verwüstet hatte, daß niemand am Leben geblieben, und mein Kriegsheer zerstreut und ich nun durch die Kraft meines Armes und die Schärfe meines Schwertes König geworden war, da fand sich, daß ich über nichts herrschte!« »Wie,« sagte Trinkaus dawider, »du hattest auch die Frauen umgebracht?« Da antwortete der Hauptmann: »Ich liebe die Frauen bis zur Raserei; aber bei meinem Anblicke schrien sie, als ob man ihnen die Haut abzöge, und flüchteten, warfen von der Höhe der Dächer Steine auf mich, ermutigten die Männer und hetzten die Hunde wider mich; mein Helm und mein Schild waren an zehn Stellen durchlöchert, und ein Fleischerhund hatte mir eine Wade abgebissen; ich liebe die Frauen, aber nicht, wenn sie in Wut sind, denn dann bringe ich alle um, die mir in den Weg kommen, ob alt oder jung, ob häßlich oder schön, und schone nichts, was sich mir widersetzt!« »Du hast etwas zu hitziges Blut, o mein Feldherr,« versetzte der Derwisch, »du solltest es wie ich machen und Honigwasser statt jedes anderen Getränkes trinken!« »O doppelzüngiger Mohammed,« schrie Bergspalter, »dein Honigwasser läßt mir die Zunge am Gaumen kleben, anstatt mir den Durst zu löschen; mein mißgünstiger Stern würde frohlocken, wenn er sähe, daß ich so weit gekommen bin; denken wir lieber daran, ihn zu züchtigen, wenn es irgendwie möglich ist. Wenn ich nur hinaufkommen könnte, so wollte ich ihn schon zur Vernunft bringen; aber du, der du Sterndeuter bist, kannst du mich nicht mit Hilfe deiner Werkzeuge in den Stand setzen, mir selbst Genugtuung zu verschaffen?« »Es läßt sich eine andere Rache ins Werk setzen,« sagte Trinkaus, »nämlich deinem Sterne ungefähr denselben Possen zu spielen wie ich dem meinigen. Hatte er nicht bestimmt, daß ich ein Landstreicher, ein Tunichtgut werden sollte? Hatte er mich nicht verdammt, wie ein Loch zu saufen? Du siehst aber, was ich getan habe; ich habe mich in die Einsamkeit zurückgezogen und trinke mit Maßen Honigwasser; ihm zum Trotze tauge ich doch etwas. Du als Krieger mußt einen andern Weg einschlagen. Um den Übelständen, die mit deinen Taten verbunden zu sein scheinen, abzuhelfen, mußt du darauf bedacht sein, ein Feldherr ohne Heer zu werden und dich einer festen Stadt zu bemächtigen, die nicht Tore, noch Gräben, noch Wälle hat, auf daß dich die Anstrengung, zu der du dich genötigt siehst, all diese Widerstände zu beseitigen, nicht so sehr ergrimmt, daß du alles zunichte machst.«

»Einen Augenblick, o mein lieber, kleiner Heiliger,« sagte Bergspalter, »denkst du wohl daran, daß du mir mit deinen Vorschlägen den Kopf schwindlig machst? Was ist denn ein Feldherr ohne Kriegsheer, wo gibt es Festen ohne Gräben und Mauern?«

»Ein Feldherr ohne Heer«, sagte Trinkaus darauf, »soll wahrlich morgen spätestens der Hauptmann Bergspalter sein, der ohne Krieger und ohne Troß ins Feld rücken kann, um zehn Stunden von hier die Stadt Kallakahalaba anzugreifen, die eine starke Festung ist, wennschon ohne künstliche Verteidigungswerke!« »Und woraus soll das Heer bestehen, das sich unter meinen Fahnen versammeln wird?« »Aus acht Feldherren, von denen ein jeder imstande ist, auf seine Weise ein Reich zu erschüttern; um dir eine Vorstellung davon zugeben, wisse, daß ich der schwächste von ihnen allen bin; indessen würde es nur an mir gelegen haben, mich, wenn ich willens gewesen wäre, zum Herrn von Damaskus zu machen, das eine wohlbewässerte Stadt ist; gleichwohl würde es ihr binnen acht Tagen an Wasser gefehlt haben, um nur die Hühner zu tränken!« »O mein guter Derwisch, mit Recht nennt man dich Trinkaus; doch nun, da ich deine Eigenschaften kenne, finde ich dich ungemein nüchtern; du hast da eine furchtbare Gabe, es hängt nur von dir ab, Ägypten zugrunde zu richten!« Da antwortete Trinkaus: »Dazu müßte ich hingehen und den Nil an seiner Quelle aussaufen, doch das ist ein gar weiter Weg!« »Aber sage mir,« fuhr Bergspalter fort, »sind die andern Gesellen, von denen du mir erzähltest, ebenso außerordentlich wie du? Ich brenne vor Verlangen, sie kennenzulernen!« »Du sollst sie morgen sehen,« sprach der Derwisch, »sie werden ihre Tüchtigkeit vor dir beweisen und bedürfen eines Hauptes zur Leitung all ihrer Unternehmungen, denn sie haben mehr Fähigkeiten als Verstand; sie müssen ein Oberhaupt haben, das ihnen mit Nachdruck Befehle gibt und ihnen zum Beispiel dient; und das sollst du sein!«

»Bei Mohammed,« rief der Hauptmann aus und richtete seine Augen gegen den Himmel, »ich möchte fast meinem Hundsgestirne verzeihen, daß es mich bis hierher gebracht hat, dieweil es mich in den Stand setzt, meinesgleichen anzuführen ... Aber sprich mir ein wenig von deiner festen Stadt; wer herrscht in ihr, was kann man mit ihr anstellen?« »Sie ist einem fremden Gewalthaber, den man Bigstaf nennt, unterworfen; den mußt du vertreiben. Ein Gewalthaber nimmt die Stelle des andern ein, und damit wird dein Gestirn Lügen gestraft; denn bis auf den Namen wirst du wie ein andrer, ja vielleicht noch besser herrschen, da du kein anderes Gesetz als deinen Willen kennst... Hast du Religion?« »Im großen und ganzen nicht, doch bin ich beschnitten! « »Das genügt schon!« »O mein lieber Trinkaus, du bist ein gefälliger Heiliger, und so liebe ich sie mir; wenn ich mich nur an dein Honigwasser gewöhnen könnte, um mir mit dir einen Rausch anzutrinken; doch ehe ich mich schlafen lege, möchte ich noch eine klarere Vorstellung von deiner Stadt Kallakahalaba haben, weil ich mir im Bette die Angriffspläne zurechtlege!«

Der Derwisch antwortete: »Kallakahalaba liegt auf einem hohen, einzeln gelegenem Berge, dessen Wände ringsherum sechzig Fuß hoch senkrecht behauen sind, so daß nur eine Schnecke sie kriechend erklimmen kann!« »Und was tun die Einwohner, um aus ihr herabzusteigen?« »Die steigen nicht herab, sondern man läßt sie in Körben, die an eisernen Ketten hängen, hernieder; diese Maschinen sind derartig eingerichtet, daß sie hundert Körbe mit je zehn Mann in Waffen und Gepäck auf einmal herabschaffen, und solches ganz leicht und ohne Schwierigkeit; die Bewohner des Landes aber von zwanzig Meilen im Umkreise sind so in Furcht vor diesem Schauer von bewaffneten Männern, daß sie ihre Abgaben eifrig an den Fuß des Berges bringen und die Körbe, die sie dort vorfinden, mit ihnen anfüllen!« Da sprach der Hauptmann: »Bei meinem Barte, ich will mein bißchen Ruhm einbüßen, wenn ich nicht Verwirrung in diesen Handel bringe! Doch was ist der Bigstaf, von dem du mir gesprochen hast, für ein Mann? Ist er ein Kämpfer von erstaunlicher Kraft? Würde er wohl die Herausforderung, sich Stirn an Stirne mit mir zu messen, ritterlich annehmen?« »Seine Gestalt ist ein wenig riesig, er geht, von Kopf bis zu Fuß mit Eisen bedeckt, ebenso leicht einher, als wenn er in Federn ginge, und bedient sich nur seiner Keule, die aus vergoldetem Erz besteht und fünfundsiebzig Pfund wiegt, und schwingt sie wie eine Aloerute; und ich glaube, daß er sich nur mit dem in einen Einzelkampf einlassen wird, der sich ihm in gleicher Bewaffnung entgegenstellt!« »Ach,« sagte Bergspalter darauf, »welche Freude würde ich haben, wenn ich ihm in genauer Entfernung von meinem Arme gegenüberstünde. Ich wollte ihm mit meiner Klinge nur die Nasenspitze abschlagen, um das Vergnügen zu haben, ihn die Zähne fletschen zu sehen, ehe er unter meinen Streichen stürbe. Denn ich bin ja geboren, mit meinem Schwerte zu siegen oder zu fallen, und überlasse den Gebrauch der Keule allen, die dazu berufen sind, Ochsen totzuschlagen ... Kommt der Kerl denn niemals allein herunter? Könnte man ihm nicht entgegentreten und angreifen, ohne ihm Zeit zu lassen, seinen Vorteil auszunutzen?« Da antwortete der Derwisch: »Er kommt niemals hervor, außer wenn er weiß, daß jemand in sein Gebiet eingefallen ist. Ach, leider hat das zweien unserer Kumpane, Zenhadib oder Eisenarm und Zenbulad oder Stahlzahn, das Leben gekostet, die so verwegen waren, in seinen Gebieten zu jagen; sie waren für jeden andern unüberwindlich, doch er ließ sie von seinen Mannen einschließen, und während Eisenarm mit Fausthieben ihrer viele niederschlug und Stahlzahn andern die erstaunliche Kraft seines Gebisses fühlen ließ, kam er hinzu und tötete sie beide mit seiner Keule!« »Tod und Teufel, ich will sie rächen,« rief der Hauptmann Bergspalter, »deine Schilderung bringt mein Blut so in Aufregung, als wenn er eben meine Brüder getötet hätte, und ich brenne vor Ungeduld, alle deine Leute kennenzulernen; laß uns schlafen gehen, um das Verlangen zu mäßigen, denn ich kenne nur dieses Heilmittel dafür!«

Trinkaus kam dieser Aufforderung nach, und beide streckten sich auf Blätter und einige Tierfelle aus, die sich im Hintergrunde der Höhle vorfanden. Mit den ersten Strahlen der Morgenröte erwachten sie und verließen ihre Höhle, um zu lustwandeln, als der Derwisch von weitem drei Männer kommen sah. »Da kommen unsere Leute«, sagte er. »Wie heißen sie?« »Ihre Namen künden ihre Fähigkeiten an. Der erste nennt sich Gillarisch oder Scharfblick und kann auf vierzig Meilen im Umkreise eine Nadel auf der Erde liegen sehen. Der zweite heißt Nadhertavil oder Geradinsziel und vermag mit seinem Pfeile auf die gleiche Entfernung in ein Apfelherz zu treffen. Karaamek oder Schneidewind aber, der ihm folgt, kann den Pfeil in fünf Minuten wieder herbeischaffen. Sie sollen vor deinen Augen arbeiten, und du magst danach beurteilen, welchen Nutzen du aus ihnen ziehen kannst!« Inzwischen waren die drei Gesellen herangekommen.

»Freut euch, o Kumpane,« rief Trinkaus ihnen zu, »das Schicksal hat uns in dem wackeren Ritter hier bei weitem mehr wiedergegeben, als es uns an Eisenarm und Stahlzahn geraubt hat; es ist dieses der schreckliche Hauptmann Bergspalter, dessen Arm und Schwert und Kopf uns in den Stand setzt, uns an unserm grausamen Feinde zu rächen und in Frieden und Freuden auf der Erde zu leben! Aber ihr wißt doch, daß wir heute ein Mittagsmahl haben müssen, solltet ihr da ohne Vorräte kommen?« Da antwortete Geradinsziel: »Nein, wir werden nicht übel daran sein, wenn du Kuchen hast. Bilamisch oder Gutrücken kam mit uns und hat ein sechs Monate altes Kalb auf seinen Schultern und zwei Fässer Wein unter den Armen, doch es kam ihm noch die Lust an, in einen Garten zu gehen, um Salat zu pflücken; er ist gut zu Fuße und wird nicht lange auf sich warten lassen, wenn ihm kein Unfall zustößt!« Kaum hatte er mit Sprechen aufgehört, als Gutrücken mit dem Salate, der ihm am Halse hing, ankam; es waren das drei ungeheure Kohlköpfe die, an einem Stricke baumelnd, seinen Leib auf allen Seiten schmückten; trotz all dieser Lasten erschien doch sein Gang so leicht, als ob er nur einen Sack voll Nüsse trüge; er setzte seine Last zu Boden, und Trinkaus stellte ihn dem Hauptmann Bergspalter vor: »O mein Feldherr,« sagte er und klopfte Gutrücken auf die Schultern, »das ist unser Kriegswagen. Zerstöre Städte und schlage Heere und mache Beute, der Rücken, den du hier siehst, wird nichts liegenlassen, er würde sich gar unter der Last der salomonischen Schätze nichtkrümmen!« Da sagte Bergspalter: »Bislang haben sich die, welche meinen Gewinst wegtrugen, nicht lange mit der Last zu plagen gehabt. Wenn ich Beute gemacht habe, setze ich mich in eine Ecke und esse und lasse nichts übrig; wenn man mich so dasitzen und schlingen sähe, könnte man meinen, ich würde immer von Dieben und Mordbrennern verfolgt; das ist mein hündischer Stern, der mich fast immer an allem Mangel leiden läßt, und mich dann zwingt, nichts zu verschonen; doch mit deiner Hilfe, o mein lieber Sterndeuter, darf man hoffen, daß wir mit ihm fertig werden ... Siehe, aus alter Angewohnheit wünschte ich, daß das kleine Kalb, das ich da sehe und das gut und gern einhundertachtzig Pfund wiegt, schon vertilgt wäre!« »Dazu'ist es da«, entgegnete Trinkaus. »Holla! ho!« sagte er, indem er sich an seine Leute wandte, »o Gutrücken, häute das Kalb ab und mache einen Bratspieß! O Scharfblick! O Schneidewind! wo ist der Koch?«

Scharfblick spähte mit seinen Blicken über den ganzen Erdkreis, und indem er entdeckte, was das Menschenauge selbst mit dem besten Fernrohr nicht zu unterscheiden vermochte, sagte er: »Haha, ich sehe ihn, er ist ganz nahe und vergnügt sich damit, Wachteln zu braten, die über seinem Kopfe hinfliegen; und er rupft sie im Fluge und verzehrt sie!« Darauf sagte Trinkaus: »Nun sieh mir einer an, womit beschäftigt sich der Schurke am Tage der Musterung? Er kocht Wachteln in der Luft und läßt sie sich ganz gebraten ins Maul regnen. Und wo ist denn der Faulpelz Immerschlaf oder Batteniltabur, um zur Musterung zu rufen, auf daß ein jeder zur Stelle kommt? «Auch ihn sehe ich,« sprach Scharfblick, «er schläft im Schatten auf einer Heide und schnarcht, daß die Erde bebt; ich verstehe nicht, wie du ihn hier nicht hören kannst!«

Da sagte Trinkaus: »Nun, o meine Freunde, seht ihr nicht ein, daß wir höchst nötig der Zucht bedürfen? Und daß wir uns mehr denn glücklich schätzen können, dieweil uns der Zufall ein Oberhaupt hergeführt hat? Auf, Schneidewind, laß dir angeben, wo der Wachtelfresser und der Schnarcher sind, auf daß sie eiligst hierherkommen! Du sollst sehen,« fügte Trinkaus hinzu, »welcher Art Leute die beiden sind. Der Koch Bazzaknar oder Feueratem soll eine Probe seines Könnens vor dir ablegen; er würde eine Erzmine in den Eingeweiden der Erde in Fluß bringen können. Was Immerschlaf angeht, so ist es mit seiner Gabe ziemlich mäßig beschaffen; doch hat er eine, die uns sehr von Nutzen sein kann: wenn wir ihn im Kampfe loslassen, so verbreitet er überall Schrecken; wenn er auf seinen Bauch klopft, verursacht er dadurch einen Lärm, der dem von vierzig Trommeln gleichkommt; und wenn er seine zehn Finger nur aneinanderreiht, so bringt er dadurch ein so erstaunliches Getöse hervor, daß es alle Mauern zusammenstürzen könnte.«

Während nun Bergspalter solche Erklärungen abgegeben wurden, kamen Immerschlaf und Feueratem an. »O Trommelschläger, « sagte der Derwisch zu ersterem, »rufe zur Musterung zusammen; o Feueratem, du kannst das Kalb braten, das Gutrücken an den Bratspieß stecken soll!« Und dann wandte er sich an Bergspalter: »O mein Feldherr, jetzt ist es an dir, den braven Leuten zu zeigen, was du vermagst. Du siehst das Kalb am Spieße und die Kohlköpfe in Stücke zerschnitten, aber wir haben nichts, um das Bratenfett aufzufangen, und keine Schüssel, um den Kohl herzurichten, schlage geschickt eine Längsschnitte von dem Zwieback ab, der vor meiner Türe liegt, und stelle uns daraus die für unsere Tunke und unser Gemüse nötigen Schüsseln her.«

Eifrig griff der Hauptmann die Gelegenheit, seine Geschicklichkeit zu zeigen, auf; und zieht sein Schwert und schlägt mit einem Hiebe ein Blatt von eines halben Daumens Dicke von der ganzen Länge der Steinbank ab und stellt dann einen Behälter für die Bratentunke her; das abgeschlagene Blatt aber dient als Schüssel für den Kohl. Die Zuschauer, die um so geeigneter waren, etwas zu bewundern, dieweil ja jeder von ihnen in seiner Art bewundernswert war, zollten der Leichtigkeit und Genauigkeit seiner Arbeit Anerkennung.

Indessen war Bergspalter seinerseits neugierig, ein Kalb an einem Orte braten zusehen, wo er wed er Feuer, noch Kohlen, noch Holz dazu sah. Gutrücken gab den Bratenwender ab, und der Bratspieß lag auf zwei großen Steinen, die mitten auf einen sehr grünen Rasen gelegt waren. »Wohlan, o Feueratem,« sagte Trinkaus, »tu deine Schuldigkeit, du weißt, daß der Braten nicht anbrennen darf, wir brauchen ein schwaches und gleichmäßiges Feuer, richte dich danach ein!« Feueratem war ein Mann der Tat, der wenig Worte machte, und maß seinen feurigen Atem so gut ab, daß er den ungeheuren Braten, der sich vor ihm drehte, weniger zu braten als goldgelb zu machen schien; und in dem Maße, wie er die Tunke über den Kohl träufelte, schickte er ihm auch etwas Hitze zu, um ihn weich zu kochen. Der Hauptmann schien sehr zufrieden mit der Kunst des Koches zu sein und war bestrebt, auch noch mehr Proben der seinigen abzulegen; er sah, daß man in der Höhle des Derwischs nicht speisen konnte, weil ein sechs Fuß hoher und ebenso breiter Granitfelsen die Mitte der Höhle einnahm. »Entfernt euch ein wenig,« sagte er zu den Umstehenden, »ich will einige Splitter von diesem kleinen Steine abschlagen, die euch etwa ins Auge fliegen könnten; wir müssen doch Platz haben, um unsere Tafel herzurichten!« Gleichzeitig hieb er mit seinem Schwert so geschickt in den Felsen, daß jedes abgeschlagene Stück einer Marmorplatte ähnlich schien, der nur noch die Glätte fehlte. »Welch ein furchtbarer Arm, welch gewaltiges Schwert«, riefen die Augenzeugen solches Geschehnisses aus. »O Brüder,« sprach Trinkaus, »er soll uns den Weg des Ruhmes und Gewinstes ebnen!«

Man war nun bestrebt, den von diesem ebenso unbequemen wie unförmigen Blocke befreiten Platz zu säubern; die besten und sorgsam aufgehobenen Stücke dienten als Bänke um den Tisch, den vier oder fünf Schwerthiebe des Hauptmanns zu einem vollkommenen Vierecke gemacht hatten und der unten genügend ausgehöhlt war, um dort die Beine unterbringen zu können.

Darauf sagte Trinkaus: »Noch niemals hat einer unserer Spießgesellen sein Meisterwerk so leicht hergestellt.« Immerschlaf strich sich als Zeichen seiner Bewunderung den Bauch, und solch leichte Reibung ließ schon die Höhle von einem furchtbaren Getöse widerhallen; indessen richtete man den Tisch her. Feueratem trug den Braten auf. »Wein her! Wein her!« rief Trinkaus, indem er einen Sack mit fünfzig Pfund Kuchen heranschleppte; Gutrücken ging fort, um die Fässer zu holen, doch Bergspalter fürchtete des Derwischs Durst und glaubte, ihn seines Gelübdes gemahnen zu müssen: »Nun, o heiliger Mann, ist deine Buße schon beendigt?« »Nein,« erwiderte Trinkaus darauf, »ich werde allerdings einige Schlucke Honigwasser zu mir nehmen müssen, doch bitte ich mir einen Krug Weines aus, um meinen Mund damit auszuspülen!«

Man setzte sich zu Tische; und jeder tat dem Festmahl Ehre an; man sprach wenig, doch ab und zu erzählte jeder der Kumpane ein Beispiel seiner Kunst, das immer ein Wunderwerk war. Als sie nun so schmausten und Trinkaus seinen ersten Hunger ein wenig gestillt hatte, blickte er um sich her, räusperte sich und sagte: »Wir sind nicht vollzählig, o Brüder; Thalahava oder Wolkengreifer und Ilnafak oder Allverstärker fehlen noch, trotzdem sie herbeigerufen sind, da Immerschlaf so zur Zusammenkunft getrommelt hat, daß es in der Ferne zu hören war!« Als der Derwisch solches geäußert hatte, zeigten sich die beiden Leute am Eingange in die Höhle. »Ihr verdientet,« sprach er zu ihnen, »daß man euch auch nicht eine Kruste zu essen gäbe; ich lege Wert auf geschickte Leute, aber nur, wenn sie ihren Pflichten pünktlich nachkommen; und wenn ihr morgen auch im Dienste nachlässig seid, so werdet ihr euch vor einem gewiegteren Hauptmanne, als ich einer bin, zu verantworten haben; indessen nehmt Platz und trinkt. Nach dem Essen sollt ihr schöne Dinge zu hören kriegen. Ihr sitzt hier unter den Augen eines großmächtigen Herrn, welcher der berühmte Hauptmann Bergspalter ist; ihn haben wir zu unserm Feldherrn ausersehen, und er wird uns mustern. Ich für mein Teil lege hier, wie ihr seht, meine Probe ab«; also redend, trank er seinen ganzen Krug voll Weines in einem Zuge aus.

Die neu Angekommenen hatten nichts zu erwidern und verneigten sich bescheiden; und man setzte das Mahl fort.

»Auf nun, o meine Brüder,« sagte Trinkaus, als man das Mahl beendigt hatte, »die Musterung soll stattfinden, und laßt uns gleichzeitig die zum Abendessen nötigen Speisen besorgen. O Scharfblick, o Geradinsziel, o Schneidewind, paßt auf!

O Scharfblick, ich wünsche hundert Pfund Wildbret in vier Stücken. Durchspähe die entlegenen Flußufer und suche uns junge Damhirsche und Rehe und Gazellen; es muß aber alles zart und leicht verdaulich sein.« Der Beauftragte ging alsogleich ans Werk; zuerst schienen seine Blicke das Land in der Nachbarschaft zu durchstreifen, doch allmählich entfernten sie sich immer weiter und schweiften durch das All. »Ha,« rief er aus, »ich habe zehn Meilen von hier, hinter dem Hügel da, etwas Geeignetes für euch gefunden!« Da sprach der Derwisch: »O Geradinsziel, spanne deinen Bogen!« Geradinsziel pflanzte einen Pfahl vor Scharfblick auf, spannte seinen Bogen und schickte sich an, den Pfeil fortzuschnellen. »Also zehn Meilen?« fragte er Scharfblick. »Und dreißig Schritte.« Der Pfeil fliegt, Scharfblick verfolgt ihn mit den Äugen und ruft aus: »Der Damhirsch ist getroffen! »Auf denn, o Schneidewind, setze deine Babuschen in Bewegung und hole das Wild!« Der Befehl wurde auf der Stelle ausgeführt. Trinkaus aber wiederholte dreimal den Auftrag, und in einer halben Stunde waren vier Stück Wildbret herbeigeschafft; man brachte sie Gutrücken, der sie abzog und an den Spieß steckte.

Trinkaus hatte den Brotsack geprüft. »Wie,« sagte er, »wir haben nur noch dreißig Pfund Brot? O Scharfblick, sieh dich um, wo es frisches Brot gibt!« »Es ist da in Masser ein ganzer Ofen voll, das noch ganz warm ist,« erwiderte er, »der Bäcker wendet ihm gerade den Rücken zu, um sein Backhaus zu säubern!« »Das ist eine herrliche Gelegenheit, Freibrot zu kaufen, auf, o Schneidewind, nimm den Sack und handle ein!« DerBefehl wurde auf der Stelle erfüllt, und das Brot war in der Höhle, ehe es der Bäcker noch vermißte. »Du siehst, o mein Feldherr,« sagte der Derwisch, »daß sich die Speisekammer füllt. Ach, wenn Gutrücken Flügel hätte, könnten wir auch Wein haben, immerhin brauchen wir nicht Durstes zu sterben. Auf, o Wolkengreifer, hasche die vorüberziehende Wolke da und zwinge sie, ihren traurigen Inhalt hier auszugießen; wenn aber Hagel dabei ist, wird es um so besser sein, denn ich ziehe es vor, Eiswasser zu trinken.« Die Wolke war ziemlich hoch; Wolkengreifer zog ein Seidenknäuel aus seiner Tasche und warf es in die Wolke; das Knäuel aber wickelte sich ab, und das Ende fiel bis zur Greifweite herunter. Nun hing sich der Mann daran, und der Dunst schien ihn mit erstaunlicher Schnelligkeit emporzuziehen. »O Freunde,« sagte Trinkaus, »stellt nun eure Krüge in den Regen, der sogleich herunterrieseln wird; und da wir keine Mäntel zum Wechseln haben, laßt uns in die Höhle gehen!« Die ganze Gesellschaft gehorchte, die Wolke sank nieder; Wolkengreifer hatte sie in die Seiten gedrückt und kam wieder mit Hilfe seines Fadens gleichzeitig mit dem Regen herab.

Bergspalter sah mit Staunen die Ausführung dieses Wunders. »Gib zu, o mein Feldherr,« sprach Trinkaus zu ihm, »daß man unter deiner Leitung mit so wackeren Leuten auf glänzende Erfolge rechnen kann!« Bergspalter erwiderte: »Ich habe noch nie eine Vereinigung solch seltener und gut ineinandergreifender Geschicklichkeiten gesehen; es gibt nichts, was wir nicht unternehmen könnten! Ich lasse mir schon viele Pläne durch den Kopf gehen!« »Warte, sage mir jetzt nichts davon, es würde mich ablenken ... Ich habe etwas ganz Wesentliches vergessen; da wir zu unserer Erfrischung nur Wasser haben, so bedürfen wir wenigstens einiger Flaschen Lebenswasser. Wir haben noch drei Tagesstunden; lassen wir es uns an nichts fehlen«; alsdann rief der Derwisch seine Leute zusammen.

»O Scharfblick,« sprach er, »und du, o Schneidewind, sucht einige Flaschen Lebenswasser. Ihr wißt doch, daß man sie gewöhnlich auf die Altane stellt, um sie von der Mittagssonne durchglühen zu lassen, steigt auf die nieder; und was man auf einem Wege nicht erledigen kann, das macht man auf zweien.« Der Auftrag wird ausgeführt, und in einer Viertelstunde ist der Anrichtetisch mit vier großen Flaschen Lebenswassers versehen. »Dieser Schneidewind ist doch geschickt und schlau und rasch,« sprach Trinkaus, »es ist schade, daß er keine stärkeren Lenden hat, man könnte beträchtlichen Gewinst aus ihm ziehen!« Da sagte Bergspalter: »Bei Mohammed, ohne diesen kleinen Beistand würde ich die ganze Nacht Frösche im Bauche gehabt haben; doch, o mein lieber Derwisch, können wir nicht auch Feigen bekommen?« »Du darfst auf der ganzen Erde wählen, woher du sie haben willst!« »Ich nehme dich beim Wort«, sagte der Hauptmann darauf, »und will die schönsten Feigen haben, die in Afrika wachsen!« »Wohlan, o Schneidewind, du hörst, was der Feldhauptmann verlangt. Nimm einen Korb zur Hand und pflücke die ausgewähltesten; aber sei in einer halben Stunde spätestens wieder da, man könnte deiner noch fernerhin bedürfen!« Schneidewind ist verschwunden.

Das Wildbret steckt am Spieße, Gutrücken wendet es, und Feueratem brät es, Immerschlaf ist zum Schlafen einige hundert Schritt abseits gegangen, um niemanden zu belästigen, indessen hört man ihn doch. »Du hast ja da«, sprach Bergspalter, »einen ziemlich lästigen Schnarcher!« »Man muß ihn ruhen lassen,« sagte Trinkaus, »weil in seiner übermäßigen Wohlbeleibtheit sein ganzes Verdienst besteht; sie erhält ihm den Bauch gespannt; auch dient er uns übrigens zur Belustigung; indem er sich auf die Backen klopft, ahmt er das Tamburin nach, und solches ergötzt uns; man muß aus allen Gaben seinen Nutzen ziehen!«

»Du hast recht; aber sage mir doch, wer jener Mann ist, den ich da mit gekreuzten Armen sitzen sehe? Seine Geschicklichkeit kenne ich noch nicht!« »Der hat für unsere Behausungen zu sorgen, wenn wir ins Feld ziehen; mit drei kleinen Mitteln verschafft er sich aus allem großen Nutzen; er nennt sich Allverstärker und hat einen sehr ermüdenden Beruf; du wirst das besser beurteilen können, wenn du ihn arbeiten siehst.«

Während solcher Unterhaltung ging der Tag zur Rüste, und man sah Schneidewind nicht zurückkommen. Trinkaus wurde daher unruhig. »Heda, o Scharfblick,« sprach er, »durchspähe die Gebüsche Afrikas und bemühe dich, dort Schneidewind zu finden, der sich dort verloren oder alles vergessen hat!« Scharfblick nun blickte aufmerksam umher. »Ach, der Unglückswurm,« sagte er dann, »er hat mehr der Feigen gegessen, als er gesammelt hat, und ist ganz nahe bei Damaskus, schläft zur Seite des Korbes, und die Araber, die dort umherschweifen, werden sie ihm stehlen und werden ihm seine Babuschen nehmen, so daß wir ihn niemals wiedersehen; es sitzt aber ein großer Vogel auf dem Aste des Baumes, worunter er schläft; wenn Geradinsziel den Vogel schießen will, würde Schneidewind durch seinen Fall aufgeweckt werden!« »In welcher Entfernung sitzt der Vogel, von dem du sprichst?« fragte Geradinsziel. »Gerade fünfundsiebenzig Meilen!« Sogleich stellte Geradinsziel seinen Stab hin, legte einen Pfeil auf, und der entflog. Scharfblick verfolgte den Schuß. »Der Vogel ist gefallen,« sagte er, »und der Schläfer erwacht, er macht sich auf den Weg!« Einen Augenblick später waren die Feigen in der Höhle. »Schimpfe unseren Schaffner nicht aus,« sagte Bergspalter zu Trinkaus, »dieser Vorfall hat uns eine Probe von Scharfblicks und Geradinsziels Nützlichkeit gegeben ... Aber ich glaube, das Abendbrot ist fertig, decken wir den Tisch!« »Solches kann nicht eher sein, wenn es dir recht ist,« sprach Trinkaus dawider, »als unser Lager aufgeschlagen ist und ich dem Brauche der Kriegsvölker gemäß den Zapfenstreich habe schlagen lassen!« Gleichzeitig rief er Allverstärker, der auf den Befehl erschien.

»Hast du all deine Anordnungen getroffen und unseren Lagerplatz ausgewählt? Wir schlafen heute nacht unter dem Zelte, du mußt es uns bequem machen!« »Der Platz liegt vor deinen Augen,« antwortete Allverstärker, »dein Zelt ruht in meiner Brust und seine Ausdehnung in meinen Lungen!« »Bei Mohammed,« schrie der Feldhauptmann, »das ist ein seltsames Rätsel.« »Es ist keins,« sagte der Derwisch darauf, »oder wenigstens soll das, was du sehen wirst, es dir lösen; laß uns nach dem Platze gehen, wo der Arbeiter zu arbeiten beginnt.«

Allverstärker hatte einen kleinen Beutel von der Größe eines Eis am Gürtel, den er um den Leib trug; er schien an vier kleinen Schnuren zu hängen, an deren Enden kleine stählerne Nadeln befestigt waren. Er öffnete ihn, blies hinein, und siehe da, er gewann die Größe einer Melone; und er blies noch einmal und konnte schon seinen Kopf hineinstecken, er brachte ihn hinein, und nun blies er mit aller Macht in die Mütze, die er sich gebildet hatte; mit jedem Zuge dehnte sie sich weiter aus, und als sie bis zur Erde hinabreichte, war der Körper des Blasenden ganz darin eingehüllt. Dann ergriffen seine Gefährten die kleinen Schnuren des Beutels, aus denen Stricke geworden waren, und zogen sie nach allen vier Richtungen an; der obere Teil des Luftballs aber hatte die Gestalt eines Zeltes angenommen, und es wurde durch vier Pfähle, die es auf der Reise immer mit sich führte, gestützt. Allverstärker fuhr mit seiner Arbeit fort, und das Zelt erweiterte sich solcherart, daß es bequem zwanzig Menschen beherbergen konnte; die Stahlnadeln nun, aus denen eiserne Zeltstangen geworden waren, die man in die Erde eingerammt hatte, gaben der Wohnung die vollkommenste Sicherheit. »O doppelzüngiger Mohammed,« rief Bergspalter entzückt aus, »ich habe eben den König, den Gott der Pilze, gesehen; das ist etwas Unglaubliches!« »Ohne dir schmeicheln zu wollen, mein Feldherr,« rief Trinkaus, »wer dein Tun gesehen hat, vermag alles zu glauben und darf sich keiner Sache rühmen; aber Allverstärker legt sich noch Zwang auf, seine Lungen können ein Zelt aufblasen, das alle Wallfahrer Mekkas mitsamt ihrer Begleitung zu beherbergen vermag!« In diesem Augenblicke hörte man aus der Ferne einen lebhaften Trommellärm, man hätte annehmen können, daß er von etwa fünfzig Trommeln herrührte, wenn nicht der vollkommene Gleichtakt aller Schläge gewesen wäre. »Was für ein Geräusch höre ich da?« fragte Bergspalter. Da antwortete der Derwisch: »Das hat nichts auf sich, Immerschlaf schlägt den Zapfenstreich; er streichelt sich den Bauch; er ist ein brauchbarer Mann, um zum Angriff zu pauken!« »O guter Derwisch, du tust hier in der Gesellschaft merkwürdiger Menschen Buße!« »Wie ich, sind auch sie gezwungen, zurückgezogen zu leben, dieweil sich die Welt ungünstig über sie äußert; aber unter dir können wir die Einsamkeit verlassen und den Bigstaf aus dem Neste vertreiben, diesen Geier, der aus den Körben sein mit Eisen gespicktes Geflügel auf uns losläßt, das unsere Schar ständig in Atem hält.« Darauf erwiderte Bergspalter: »Ha! Und wenn der Mann eine Feste mit dreifachem Wassergraben hätte und man etwas Honig darein täte, würdest du ihn gar bald ausgetrunken haben. Ich würde der Mauer mit meinem Schwerte zusetzen und, bei Mohammed, du weißt, welche Stücke ich herunterschlagen kann. Ich würde mich unter die Feste vergraben, ehe man sich noch besinnen könnte, Steine auf mich herabzuschleudern; würde die Trümmer durch Gutrücken in den Graben schleudern lassen und in der Feste in dem Augenblicke auftauchen, wo man mich nicht erwartete; dann solltet ihr sehen, wie ich mich auf das alte Eisen stürzen wollte, mit dem jene Schurken da alle bedeckt sind!« »Das ist ein Plan, der deiner würdig ist, o mein Feldhauptmann,« entgegnete Trinkaus, »aber der Gewalthaber ist gegen solches Unternehmen gefeit!« »Bei deinem Buche beschwöre ich dich, o mein Verehrungswürdiger, eines auszudenken, vor dem er sich nicht sichern kann ... Doch laß uns jetzt zu Abend essen.« »Das ist augenblicklich das beste Unternehmen,« sagte der Derwisch, »denn der Braten würde kalt werden, wenn Feueratem ihn nicht warm hielte!«

Das ganze kleine Kriegsheer setzte sich um die wohlversehene Tafel, die von einer dreiarmigen Lampe erhellt wurde; man sprach von Zukunftsplänen. »O Genossen,« sagte Bergspalter, »zählt auf all meine Anstrengungen, um euer Lob zu verdienen; da ihr mich aber zu euerm Befehlshaber ausersehen habt, so benachrichtige ich euch, daß wir geordnet und sehr schnell vorrücken werden ... Ich habe nur einen Schluck Wasser getrunken, und er hat mir Übelkeit verursacht ... morgen bei Anbruch der Morgenröte will ich Heerschau halten und meine Befehle geben, gleich hernach werde ich zum Aufbruch trommeln lassen, das Lager kann während der Musterung abgebrochen werden ... Laßt uns noch einen Schluck Lebenswasser trinken und uns schlafen legen und von den Siegen träumen, die unser warten. Und wäre mein Magen auch hohl wie ein Brunnen, würde ich doch auf diesem Kiesel schlafen, als wenn ich auf Rosen gebettet wäre ... Laßt uns die Überbleibsel aufessen; da wir morgen mit einem Plan im Kopfe aufbrechen, müssen wir damit beginnen, hier die Ratten auszuhungern, indem wir ihnen auch nicht eine Kruste zum Benagen lassen ... Enden wir die Feier; das ganze Heer soll mir folgen und wieder ins Lager zurückkehren. Es gehört sich, daß wir unter dem Zelte schlafen ... Tritt vor, o Scharfblick, kannst du auch während der Nacht etwas sehen?« »Wie bei Tage, o mein Feldherr!« »Das ist gut; du sollst rings um das Lager herum Wache halten und darfst morgen auf dem Marsche auf Gutrückens Schultern schlafen ... O Wolkengreifer, komm heran und greife die Wolke, die du uns zu Häupten siehst, und nötige sie mit deinem Knäuel, zur Erfrischung der Luft etwas Tau zu lassen ... Immerschlaf muß außer dem Lager schnarchen, und zwar in Scharfblicks Bereiche, auf daß er sogleich Lärm machen kann, wenn sich etwas Außergewöhnliches ereignen sollte ... Nun auf, o meine Freunde, jeder von uns nehme eins von diesen Fellen, die uns als Kopfkissen dienen mögen; Kriegsleute verzichten nur auf die Bequemlichkeiten des Lebens, wenn sie keine dahaben!«

»O der große und tapfere und weise Feldhauptmann«, sprach Trinkaus, indem er dem Befehle nachkam und an der Spitze der Schar einherschritt. Als sie vorbeigezogen waren, trat Bergspalter als letzter unter das Zelt, er legte sich aber in der Mitte nieder; jeder nahm in einer ehrerbietigen Entfernung von dem Hauptmanne einen Platz ein, der ihm am bequemsten dünkte; der Derwisch sprach nun ein Gebet, und alle schliefen friedlich ein.

Sobald der Morgenstern am Horizont erschien, weckte Scharfblick Immerschlaf, der laut gähnend einen Schlag auf seinen Bauch tat, dessen Geräusch in allen Höhlen der Umgegend widerhallte; alsobald war Bergspalter auf den Beinen und weckte seine Leute. »Auf, o Genossen,« rief er ihnen zu, »auf, daß uns der Tag schon in Waffen vorfinde! O Allverstärker, brich das Lager ab!« Auf diesen Befehl hin ging jedermann aus dem Zelte. Allverstärker blieb allein zurück, um darin zu arbeiten, während man die Zeltstangen herausriß; und noch vorm Aufgang der Sonne war das Zelt wieder zusammengefaltet und an dem Gürtel befestigt, der es tragen mußte.

Alle waren zur großen Heerschau versammelt; Trinkaus hatte sich in das Hintertreffen gestellt. Bergspalter sprach zu ihm: »O Bruder, du stehst nicht an deinem Platze: da du unser Kriegsrat bist, solltest du nötigerweise in der Mitte stehen; doch hat sich die Kriegskunst ein wenig geändert, stelle dich in die letzte Reihe; oft zwar, wenn die Vorhut handelnd eingegriffen hat, kommt der Rat viel zu spät, doch da nun unsere Reihen nicht sehr dicht sind, wird dich nichts hindern, mir zur Hilfe zu kommen ... Ist dein Buch in gutem Zustande und fehlen keine Blätter darin?« »Bei Mohammed, ich habe sie nicht gezählt, aber es ist gleich, ich kann sie leicht ergänzen!« Da sagte Bergspalter: »O Bruder Scharfblick, du hast ein wenig rote Augen, bade sie in frischem Wasser, man muß die Ausflüsse fürchten! ... Sind Geradinsziels Bogen und Pfeile in gutem Zustande?« »Nichts fehlt daran, o mein Feldherr!« »Ich kann es kaum erwarten, deine Geschicklichkeit zu prüfen, um eine Botschaft gerade ins Auge unseres Feindes zu senden! ... Laß dein Knäuel sehen, o Wolkengreifer. Es ist recht rund und wahrlich aus feingesponnener Seide und ist eine Herausforderung an Spinnen. Doch, o mein lieber Gefährte, wenn du die Ratschläge eines alten Streiters, wie ich einer bin, annehmen willst, so wirst du bald einsehen, daß eine so kostbare Gabe wie deine sich nicht darauf beschränken darf, die Luft zu erfrischen und den Aufwasch zu spülen ... O Feueratem, ich kann zwar den Feuerherd in deinem Magen nicht mustern, doch setze ich voraus, daß er für den Kriegszug mit Schwefel und Pech wohlversehen ist; da wir in anderer Leute Küchen fallen wollen, haben wir deine zu unserer Versorgung nicht nötig; aber ich beauftrage dich, alle Köpfe zu rösten, die uns hinderlich werden sollten ... Deine Babuschen,o Schneidewind, scheinen in gutem Zustande zu sein; doch hüte dich vor deinen Gelüsten nach Feigen, du liefest Gefahr, deiner Schuhe beraubt zu werden und hättest dir eine böse Erkältung zugezogen, wenn du von fernher hättest barfuß herwandern müssen ... O Allverstärker, du hast das Zelt zusammengepackt, laß doch sehen, ob die Pfähle daran sind, ob die Stricke dauerhaft sind, ob der Stoff nicht nachgegeben hat; nein, nichts fehlt an ihm. Sage mir, wenn du in eine Melone bliesest, könntest du sie so groß wie einen Kürbis machen?« »Nein, o mein Feldherr!« »Man kann doch wahrlich mit Recht sagen, daß es keine unbeschränkte Fähigkeit gibt ... Tritt vor, o Gutrücken, man muß dich mit Lederriemen versehen, um deine Lasten zu befestigen. Wahrhaftig, das ist ein Rücken, dem es nur an einer wagerechten Lage mangelt, um eine Pyramide auf ihn zu setzen. ... Du beschneidest deine Nägel? Das ist falsch. Du weißt doch wohl, daß man zum Greifen die Finger nicht lang genug haben kann ... Hierher, o Immerschlaf, deine Trommel ist gut gespannt, aber du darfst das Innere nicht zu sehr mit heißen Getränken anfeuchten, solches könnte die Haut trocken machen ... Nun wohlan, laß mich jetzt doch auch einmal einige sanfte Töne deiner Trompete hören!« Immerschlaf aber gehorchte und gab einige halbe Noten mit gedämpfter Stimme von sich; doch sie genügten, um der ganzen Schar Furcht und Entsetzen einzujagen; Schneidewind wäre hundert Schritte weit weggelaufen, hätte er nur seine Beine finden können, Gutrücken fühlt seine Knie unter sich wanken; Scharfblick sieht nicht das geringste; Geradinsziel läßt Bogen und Pfeile fallen; Wolkengreifer packt eine Wolke, um hineinzukriechen; Allverstärker geht der Atem aus, und Feueratem erstarrt zu Eis. »Bei Mohammed,« sprach Bergspalter und faßte Trinkaus, der sich verschluckt hatte, am Arme, »das ist eine wunderbar zarte Stimme! Ich bin kein nasses Huhn, trotzdem zittere ich wie ein Blatt. O Genosse Immerschlaf, du hast eine hervorragende Gabe; doch wollen wir sie nur, wenns dir recht ist, in einer ganz verzweifelten Lage in Gebrauch nehmen; stelle dich wieder an deinen Platz, und ihr, o meine Freunde, die ihr mich zu eurem Feldhauptmann ausersehen habt, hört den Kriegsplan an, den wir ausführen wollen!

Es handelt sich darum, die Feste Kallakahalaba einzunehmen und den Gewalthaber Bigstaf zu vernichten. Er ist zu klug, um sich einer Gefahr auszusetzen, und wird uns sein Gesindel entgegenstellen, und wir werden es schlagen; doch das entscheidet nichts. Der Hunger muß ihn zwingen, daß er mit uns unterhandelt; laßt uns also das Land verwüsten, das ihm zum Unterhalte dient, und ihn dahin bringen, daß er seinen Felsen verschlingen muß, um leben zu können. Ihr habt alle Elemente in eurer Macht, wir können brandschatzen und ertränken und stehlen und rauben und zerstören, welches die Mittel sind, das Land in kurzer Zeit in eine Wüste zu verwandeln. Ein gemäßigter Krieg könnte durch seine Folgen viel verderblicher werden, wenn dagegen Schrecken hinzukommt, wird drei Viertel des Volkes sich durch Flucht zu retten suchen; nun handelt es sich nur noch darum, zu erfahren, wo wir mit der Plünderung anfangen sollen!«

Der Feldhauptmann sprach zu seinem trefflichen Kundschafter Scharfblick: »Durchspähe mit deinen Augen alle vier Himmelsrichtungen. Wir brauchen eine angenehme Arbeit, die sich beinahe unter unserer Hand befindet. Was siehst du im Sonnenniedergang?« »Zwanzig Meilen von hier, o mein Feldherr, sehe ich eine Karawane, die gerade auf uns zukommt!« »Wenn wir sie abends erreichen würden,« sagte Bergspalter darauf, »kämen wir ermüdet und mit leerem Magen an; und plünderten wir sie auch, würden wir dadurch Bigstaf doch keinen Schaden zufügen; das ist nichts für uns, suche im Sonnenaufgang!« »O mein Feldherr, dort entdecke ich eine saftige Wiese, auf der es sehr, sehr schönes Vieh und einige Hirten gibt!« »Das könnte unsere Aufmerksamkeit späterhin verdienen, aber es ist noch kein zubereitetes Fleisch, und da wir nüchtern aufgebrochen sind, müssen wir unser Essen schon fertig aufgetragen vorfinden!« ... »Ach,« sagte Scharfblick, »da gegen Mittag wird es gerade zubereitet; ich sehe die Zurüstungen zu einer stattlichen Hochzeitsfeier.« ... »Das ist etwas für uns ... Wieviel Meilen von hier?« »Zehn Meilen!« »Ists in einem Marktflecken?« »Ja, und der ist ziemlich bevölkert!« »Um so besser, wir werden desto mehr Gelegenheit, Schaden und Lärm zu machen, haben; die Leute da werden uns nicht hindern, unsere Arbeit zu verrichten; bleiben wir bei diesem Plane.

Feueratem soll mit mir in den Marktflecken gehen und den ganzen Teil in Brand stecken, der dem, wo die Hochzeit stattfindet, gegenübersteht, ich will in das fürs Fest bestimmte Haus eintreten und mich der Braut bemächtigen; und wenn der Gatte, der Vater oder ihre Sippe sich darob erregen, werde ich einige Maulschellen austeilen; wenn sie das nicht besänftigt, soll ihnen Immerschlaf in meinem Namen ein Wörtchen ins Ohr flüstern, und ich denke, sie werden es nicht wiederholen; Feueratem soll alles, mit Ausnahme des Hauses, in dem wir in aller Ruhe zu Mittag speisen wollen, anzünden. Sollten sich die Lümmel nun zusammenrotten und nach uns mit Steinen werfen, so mag Wolkengreifer sich auf die erste beste Wolke setzen, nach vielen andern suchen und sie alle zusammenbringen und uns mit seinem Haufen folgen; er soll tausend Ladungen Hagels auf das Haupt der Unzufriedenen herabsenden, wir aber werden dafür sorgen, daß ihm sein gut Teil am Mittagsmahle aufgehoben wird!« Da sprach Trinkaus: »Bei Mohammed, niemals wurde ein Unternehmen mit weiserer Vorsicht geplant!« »Du bist also damit zufrieden, o mein Derwisch?« fragte Bergspalter, »ich denke, daß es jedermann sein darf! Auf nun, rücken wir vor! O Immerschlaf, trommle sachte, wie wenn man zur Hochzeit geht!« Der Trommelschläger gehorchte, und die Schar setzte sich in bester Ordnung in Bewegung.

Als sie zwei Meilen von dem Marktflecken entfernt waren, befahl Bergspalter Scharfblick, zu beobachten, was bei der Feier vor sich ginge, und zu sehen, ob man das Mahl nicht gar zu bald auftrüge. In drei Minuten kam der Bote zurück. »Es sind Götzendiener«, sagte er, »und opfern vor einem hölzernen Götzenbilde ein schönes Kalb mit vergoldeten Hörnern, das in spätestens einer Stunde gebraten sein wird.« »Bei Mohammed,« sprach Bergspalter zu Trinkaus, »bist du nicht sehr entzückt? Wir bekämpfen den Götzendienst; du bist beauftragt, das Götzenbild zu vernichten, beschwöre es nur recht mit deinem Buche, ich lege es dir ans Herz ... Eine Heirat wird vor einem Götzenbilde geschlossen und ohne Kadi! Solches gilt nicht; ich will das junge Wesen nach muselmännischem Brauche freien, um es auf den rechten Weg zu bringen!«

Während solcher Gespräche wurde der Marsch fortgesetzt, und man kam näher; endlich stand man in dem Marktflecken gerade vor dem Hause, wo sich die beiden Familien vereinigt hatten; Bergspalter ging hinein, als wäre es sein eigenes Haus, und sagte:

»Wie, man verheiratet sich hier, ohne es mich wissen zu lassen, und setzt sich ohne mich zu Tisch?« Man kann sich das Erstaunen der biedern Landleute ausmalen; wortlos sahen sie einander an und betrachteten zitternd den geharnischten Mann, der solcherart zu ihnen redete. »Wir sind verloren,« riefen sie aus, »es ist Bigstaf, der Gewalthaber, in eigener Person!« »Das ist gelogen, ihr Gesindel, es gibt hier keinen Gewalthaber; für wen haltet ihr mich? Wißt, daß ich der Bräutigam der Schönen da bin und daß sie wahrlich keinen andern haben soll.« Indem er also sprach, faßte er sie am Arme; der Bräutigam aber und die Eltern eilten herbei, um sie seinen Händen zu entwinden; mit einer Maulschelle und zwei Püffen streckte er sie jedoch zu Boden. Alle griffen jetzt nach Stöcken und Messern und Hausgerät und was ihnen gerade zur Hand kam, um es auf den Räuber zu werfen; aber ganz plötzlich fing Immerschlaf an zu niesen. Dies aber war eine seiner Gaben, die Bergspalter noch nicht kannte; der wurde so bestürzt darüber, daß er seine Beute hätte fahren lassen, wäre er weniger auf sie versessen gewesen. Indessen wurden Männer und Frauen und alles, was in dem Hause war, dadurch niedergeworfen, und das Haus, das nicht allzu fest gebaut war, wankte in den Fugen.

Als Bergspalter sich von seinem Staunen erholt hatte, sagte er zu seinem schmetternden Gesellen: »Auf denn, befreie mich von diesem ganzen Haufen Gesindel und wirf alles, was allzuweit von der Türe entfernt liegt, aus dem Fenster.« Immerschlaf war willig und säuberte das Haus von seinen Gästen. Und es blieb nur noch die junge Braut da, die, wie die andern, halbtot vor Schrecken hingefallen wäre, wenn sie nicht der kraftvolle Hauptmann gestützt hätte. Währenddem hallte der ganze Marktflecken von Feuerrufen und Geschrei und Lärm wider. Da sagte Bergspalter zu Immerschlaf: »Auf denn, es ist nicht an der Zeit zu schnarchen; unsere Gefährten könnten sich in all dem Trubel verlieren, du mußt sie zusammentrommeln.« Der Trommler kommt dem Befehle nach, die Leutchen finden sich zusammen, und das Hochzeitsmahl wird vertilgt.

Die junge Braut sah sich gezwungen, inmitten dieser Gesellschaft zu bleiben und Bergspalters rohe Liebkosungen zu erdulden; hörte aber nicht auf mit Weinen. »Welche Freude wird es mir machen, dich zu trösten,« sagte der Hauptmann zu ihr, »vergieße deiner schönen Tränen eine in meinen Becher, solches wird mir mein Getränk noch köstlicher munden machen!« Sie aber wandte das Köpfchen mit einer Miene weg, die zugleich ihren Schmerz und ihren Abscheu bekundete.

Während unsere Räuber speisten und sich ohne alles Maß sättigten, hatte man eine kleine Schar von fünfzehn Leuten der Besatzung Kallakahalabas benachrichtigt, die ihrer Gewohnheit nach in der Umgegend die Runde machten; man beschrieb ihnen das Oberhaupt des Trupps; Bergspalter jedoch schien ihnen nicht furchtbar zu sein, sie umzingelten das Haus, in dem er mit seinen Mannen war, und bereiteten einen Angriff vor. Plötzlich trat das Haupt der Schar ein und ging mit geschwungenem Schwert auf Immerschlaf los, der den Schlag von sich abwandte, indem er nieste; der durch dieses Geräusch munter gewordene Bergspalter stand auf und setzte sich zur Wehr: seiner Säbelhiebe einer spaltete den Kühnsten von ihnen von oben bis unten; von unten her zerteilte er den, der folgte, einem dritten aber schlug er die Schulter ab, der vierte verlor den halben Arm, dem fünften rollte der Kopf vom Rumpfe, und der sechste ließ seine beiden Beine da. Als die andern Leute Bigstafs diese Bescherung sahen, verlieh ihnen der Schrecken Flügel; sie warfen ihre Waffen und Panzer weg, um es sich leichter für die Flucht zu machen. Wie nun Bergspalters Genossen sie in Unordnung erblickten, verfolgten sie sie unaufhörlich. Wolkengreifer ließ Hagel auf sie herabfallen, Feueratem briet, so viele er ihrer habhaft werden konnte, Immerschlaf gähnte vor den Ohren derer, die er erreichte, und selbst Trinkaus erschlug einige mit seinem Buche; alle aber sanken betäubt nieder und wurden Bergspalters Schwert überlassen, der sich anschickte sie niederzumachen, so daß ihrer auch nicht einer übrigblieb, der die Nachricht des gemeinsamen Unfalls überbringen konnte.

Nach dieser Schlacht kehrte der siegreiche Feldhauptmann zurück, um die Früchte seines Sieges in den Armen seiner Eroberung zu kosten, doch war sie während des Kampfes geflohen; Bergspalter aber geriet in Zorn und rief Scharfblick. »Heda,« sprach er, »kannst du es dulden, daß dein Hauptmann aller Freude beraubt wird, die er sich nur hat versprechen können? Suche mir das treulose Weib; bei Mohammed, schlimm soll es dem ergehen, der sie bewacht.« Scharfblick wandte all seine Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit an: »O mein Feldherr, ich sehe sie nirgends; ich erblicke zwar einen Trupp flüchtender Frauen drei Meilen von hier, die ihre Kinder und ihre Habseligkeiten mit sich schleppen, aber die Braut ist nicht bei ihnen ... Die Mauern des Fleckens können sie indessen nicht vor mir verbergen, denn sie waren aus Holz und sind sämtlich verbrannt; es ist möglich, daß sie unter der Erde ist, in dem Falle sehe ich gar nichts.« »Ha, doppelzüngiger Mohammed,« rief Bergspalter aus, »es ist kläglich zu siegen, ohne des Sieges genießen zu können. Das ist wieder ein Streich meines hündischen Sterns; potz Blitz und Hagel, er macht mir jede Eroberung streitig; ich bin trostlos ... Geh und laß Immerschlaf zum Zusammenkommen trommeln, auf daß wir uns wieder zu Tisch setzen! Es muß hier noch etwas zu trinken geben, denn mein Zorn ist derartig, daß er ertränkt werden muß.«

Der kleine Trupp scharte sich bald wieder um seinen Hauptmann und nahm teil an seiner Betrübnis, indem er mit ihm den Trost teilte, den er erwählt hatte.

»Ach, o mein lieber Gutrücken,« sprach Bergspalter zu ihm, »welche hübsche Beine würdest du um deinen Hals getragen haben; niemals wärest du mit einer so süßen Last beladen gewesen; jetzt aber sind wir gezwungen, ein bußfertiges Leben wie der Derwisch zu führen; laßt es uns wenigstens bis zur Mitternacht fortsetzen, auf daß es verdienstvoller ist. Du, o Immerschlaf, sollst, dieweil ich so großes Vertrauen in deine Gabe setze, unsere Ruhe bis zum Sonnenaufgang bewachen; geh und mache eine halbe Stunde von hier die Runde; du sollst achtzig Trommelwirbel geben und etwas kräftiger Posaune blasen, wenn du Neugierige erblickst!« Immerschlaf gehorchte; seine Genossen jedoch fuhren fort zu schmausen und über die Maßen zu zechen, bis sie schließlich ihr Lager unter dem Tische fanden, an dem sie gesessen hatten.

Nicht alle Tage werden Hochzeiten gefeiert, wo man sein fertiges Essen vorfinden kann, ohne sich darum gekümmert zu haben. Folgenden Tages verübte die von Bergspalter befehligte Schar hier und da mit um so größerer Verwegenheit allerhand Räubereien, als sie sich unter einem solchen Führer der Straflosigkeit für versichert hielt; doch sah sie sich genötigt, ihr Essen selbst anrichten zu müssen. Jede Nacht lagerte sie unter dem Zelte, dessen Lage man nicht kannte, dieweil man es nur immer im Schutze der Dunkelheit aufgeschlagen hatte. Tags mußte sie oft kämpfen, da man auf kleine Trupps stieß, die sie hatten umringen wollen; aber alle wurden getötet oder verstümmelt. Was dem Schwerte oder dem Feuer entging, fiel unter Immerschlafs Stimme, der bestrebt war, ihre Trommelfelle zu zerstören, dadurch daß er ihnen etwas ins Ohr sagte; endlich sandte man Hagel hernieder, um das Unheil und die Verwüstung vollkommen zu machen.

Unterdessen hatte ein Mensch ein Mittel ersonnen, das Land von der schrecklichen Geißel, die es plagte, zu befreien; dieses bestand darin, daß man sich mit Schleudern bewaffnen und die Urheber solcher Verwüstungen mit Steinen angreifen sollte. Scharfblick aber beobachtete den Mann, der die neue Waffe, die er in Vorschlag brachte, versuchte, und sah, wie er dabei war, seine Entdeckung den ihn umstehenden Menschen mitzuteilen; doch gerade, als er den Mund öffnen wollte, fuhr ihm ein von Geradinsziels Bogen entsandter Pfeil in die Kehle und hemmte den guten Rat auf dem Wege. Verzweiflung herrschte in der ganzen Gegend; die Kunde davon kam von allen Seiten durch hundert Pfeile, die man hinaufschoß nach Kallakahalaba; denn auf solche Art sandte man Bittschriften an Bigstaf oder ließ ihm Klagen oder Nachrichten zukommen.

Der Gewalthaber ließ seinen Rat zusammenkommen: der bestand aber aus einem Sterndeuter, der sehr zauberkundig war.

Bigstaf sprach zu ihm: »Sieh dir die Lage an, in der wir uns befinden; zwar vermag uns hier niemand zu stören, aber nichts kann uns vor der Hungersnot schützen, die wir zu erwarten haben; bislang hatten meine Waffen diese merkwürdigen Räuber, die mein Land brandschatzen, erfolgreich bekämpft, doch zweifelsohne ist ihre Kühnheit mit ihrer Macht gestiegen. Sie haben einen Führer an ihrer Spitze, der allein schon mehrere Abteilungen meiner Krieger, die für die Sicherheit des Landes sorgten und die Abgaben eintrieben, vernichtet hat; so viel Übernatürliches enthalten die Klagen und Berichte, die man mir zukommen ließ, daß du auf ein Mittel sinnen mußt, unsere Sicherheit zu befestigen!« »Ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit damit«, sagte der Weise, »und habe die Konstellation aller dieser Menschen erforscht; gewöhnliche Waffen können dir keinen Vorteil über sie verschaffen; die Gaben, die sie so schadenbringend anwenden, sind mehr oder weniger zauberisch; doch diese Künste haben den Fehler, daß das größte aller Mittel, die sie anwenden, durch das kleinste, ihm gerade entgegengesetzte Mittel aufgehoben werden kann. So will ich mich Immerschlaf mit Wolle in den Ohren nähern, und seine Trommel ist wirkungslos: und will Feueratem ins Maul speien, und das Feuer erlischt; Scharfblick wird in dem Maße nutzlos, wie die Gefahr näherkommt; Geradinsziels Pfeil prallt vom Stahle ab; Schneidewind ist nur ein Läufer, den man leicht aufhalten kann; Wolkengreifers Kunst hängt von einem Faden ab, den zu zerschneiden man Mittel finden muß; Trinkaus ist ein feiger Derwisch, und wo es kein Wasser zu trinken gibt, ist seine Kunst nutzlos, doch muß man sich vor seinem Buche in acht nehmen. Allverstärker und Gutrücken sind als Teile des Trosses nicht zu fürchten. Der größte Feind jedoch, den wir zu bekämpfen haben, ist Hauptmann Bergspalter, der Anführer der verfluchten Sippe; und das ist ein Mann, der, von jeher den Sternen verhaßt, trotzdem aber so von ihnen begabt ist, daß er jedwedes Übel verrichten kann, ohne einmal etwas Gutes zu tun; er hat einen erfinderischen und gewandten Geist, eine furchtlose Seele und eine außerordentliche Körperkraft, doch ist er stets das Opfer seines hitzigen Gemüts; er trägt ein gefeites Schwert, dem nicht einmal ein Diamant widerstehen würde; und hieltest du ihm deine eherne Keule entgegen, so würde er sie in tausend Stücke schlagen, und du wärest entwaffnet. Sein gewöhnlicher Brauch ist, Herausforderungen zu schicken, aber man hat ihm berichtet, daß du sie nur unter Bedingungen annehmen würdest, die ihm nicht passen. Wenn du indessen, o Gebieter, deine Krieger nach meiner Anordnung bewaffnen willst, so wage ich es, dir einen sicheren Erfolg über ihn und seine Leute zu versprechen!«

Bigstaf sagte darauf: »Geh in mein Zeughaus und laß dort alle Waffen herstellen, die deiner Meinung nach für meine Krieger und für mich geeignet scheinen; ich halte zuviel von deinen Ratschlägen, als daß ich sie nicht blindlings befolgte!» Der Sterndeuter erwiderte: »Doch sage ich dir vorher, die Waffen werden sehr merkwürdig sein!« »Das tut nichts zur Sache; sie werden nur um so tauglicher zur Bekämpfung des Feindes sein; Merkwürdiges muß man Merkwürdigem gegenüberstellen!«

Hauptmann Bergspalter nun fuhr fort, die Ebene zu brandschatzen, während Bigstaf im Einverständnis mit dem Weisen das kleine Heer ausrüstete, das er in das Feld stellen wollte; in den Zeughäusern und ganz im geheimen versammelt, verfertigte man die Waffen und Geräte, mit denen man sich für den Krieg versehen mußte. Als dann alles bereit war, stieg eine Schar von dreihundert Mann, von Kopf bis zu Fuß mit glänzendem Stahle gepanzert, mit Hilfe der Rollkörbe aus der Feste herab und breitete sich in der Ebene aus.

»Der Feind, der Feind«, rief Scharfblick aus. »Hat er sich von seinen Minaretts heruntergelassen?« fragte Bergspalter. »Ja, o mein Feldherr, da sind die Körbe, die sich entleeren, und es sind aus ihnen dreihundert Mann herausgestiegen und ein Feldherr, der sie anführt ... Es ist der Gewalthaber selbst, ich erkenne ihn an seinem Wuchse wieder, er erscheint noch größer als gewöhnlich ... Ha, welch merkwürdigen Helm hat er auf dem Kopfe! Es ist ein großer Kochtopf, Feueratem muß ihn darin kochen! ... Er hat einen fünf Finger dicken Schild, seine Blicke flammen wie Feuer ... O mein Feldhauptmann, soll ich den Stab vor Geradinsziel aufpflanzen, auf daß er ihm einen Gruß von deiner Seite ins linke Auge sendet?« »Du bist sehr eifrig, o Gesell,« sprach Bergspalter, »gib Obacht, doch rate mir nicht ... Mein Feind ist also in der Ebene, und zwar lächerlich verwahrt gegen meine Truppen ... Auf denn, o Immerschlaf, rufe alle zur Ordnung, und laßt uns gegen den Feind ziehen!«

Bald standen sich beide Heere in eines Pfeilschusses Entfernung gegenüber. Bergspalter stellte sich nun zwischen Immerschlaf und Feueratem; Trinkaus und Scharfblick bildeten den rechten, Schneidewind und Geradinsziel den linken Flügel, der Nachtrab aber bestand aus Gutrücken und Allverstärker; Wolkengreifer führte eine Reihe Gewitterwolken mit sich, die er in den Lüften schweben ließ, und erwartete eine Gelegenheit zu ihrer Entladung.

Bigstaf seinerseits traf seine Anordnungen und stellte sein Heer in einer drei Mann tiefen Reihe auf. Man sah in der ersten die, die glänzende Waffen trugen; in der zweiten jedoch war jeder Krieger mit einer Spritze versehen und die der dritten gar mit einer Schere; alle freilich waren mit den härtesten Schutzwaffen bedeckt, die man sich denken kann.

Bergspalter sah die dreifache Reihe von Kämpfern sich vor ihm entfalten, und voll Vertrauen auf seine Stärke rückte er zuversichtlich vor; da er einen leichten Sieg zu erringen glaubte, ging er zehn Schritte vor seinen Leuten, als ob er seinen Feind zum Einzelkampfe herausfordern wollte. Bigstaf trat vor, um ihn anzunehmen; die Heere aber standen unschlüssig da, und Bergspalter befahl Immerschlaf, zum Angriff zu blasen. Nur diesem Befehle noch wurde genau nachgekommen, denn fernerhin vereitelten unvorhergesehene Ereignisse Bergspalters Entwürfe und machten seine Anstrengungen zunichte. Sowie Bergspalter Schild an Schild mit seinem Gegner steht, will er gegen Bigstafs Haupt einen seiner verhängnisvollen Hiebe führen, durch die er so viele Male die Kraft seines Armes und die Härte seines Schwertes bewiesen hatte; doch bevor er zuschlägt, glaubte er an seinen Feind, dessen Besiegung ihm sicher ist, noch solche Worte richten zu müssen:

»O Bigstaf,« sprach er zu ihm, »o Gewalthaber der Küchenjungen, schämst du dich nicht, mit einem Kochtopf als Helm in den Kampf zu gehen? Glaubst du denn, deine Küchenrüstung wird dich vor den Streichen schützen, die dir drohen? Oder hat dir mein schändlicher Stern eingeflüstert, dich mir in dieser lächerlichen Ausrüstung entgegenzustellen, auf daß mir von meinem Siege nur der Schimpf bleibt, den Fürsten der Küche besiegt zu haben? Sollen denn Bergspalters tapfere Krieger mit Arzneihändlern und Scherenträgern kämpfen? ... Wage es, wider mich deine Keule zu schwingen, die deiner herabgewürdigten Hand weniger ziemt als der Spieß, an dem sich dein Braten täglich dreht; der wäre ein würdiges Seitenstück zu dem Helm und dem Schilde, den du da trägst!«

Bigstaf antwortete: »O Bergspalter, deine Worte gleichen deinem Tun. Ich bin nicht vor dich hingetreten, um mit einem Krieger, sondern mit einem berufsmäßigen Schlächter zu kämpfen. Und wenn es mir zukommt, in allen Dingen edel zu handeln, so kommt es dir zu, unedel zugrunde zu gehen. Du reizest mich zwar, den ersten Streich zu führen; doch wage du selbst ihn!«

»Bei Mohammed, du sollst nicht gelogen haben«, sagte Bergspalter. Ein Donner schien der Gewalt des Streiches nicht gleichen zu können, den er nach solchen Worten auf den Topf auf dem Haupte seines Feindes fallen ließ; aber im Augenblick, wo ihn das Schwert berührte, prallte er, anstatt ihn zu durchdringen, derart ab, daß die starke Faust, die ihn führte, erschüttert wurde; der ob dieses Widerstands verwunderte Bergspalter will nun mit einem Streiche den Arm und den Schild seines Gegners herunterhauen; aber die Klinge seines krummen Schwertes zerspringt in Stücke; anstatt gegen Eisen, wie er glaubte, geschlagen zu haben, war es ein hohler und verschimmelter Käse, an dem seines Schwertes Zauberkraft zugrunde gegangen war.

»Tausendschockschwerenot«, rief Bergspalter aus und wich vier Schritte zurück; »auf denn, o Feueratem, mach ein Höllenfeuer!«

Feueratem will gehorchen, doch alsbald riÿchten sich hundert Spritzen gegen seinen Mund, füllen den mit einer Wasserflut, und nur ein dichter Rauch qualmt aus ihm hervor. Dieser Hilfe beraubt, ruft der bestürzte Feldhauptmann Wolkengreifer zu seinem Schutze, der über dem Heere mit einer Ladung von Hagel und Donner schwebte; aber alle Scheren der dritten Reihe von Bigstafs Leuten sind in der Luft, zerschneiden die unsichtbaren Fäden und leiten das Unwetter auf das feindliehe Heer ab.

Als er sich also zu einem ehrenvollen Rückzuge gezwunen sah, wollte Bergspalter sein letztes Hilfsmittel anwenden und ließ Immerschlaf zum Marsche trommeln; aber dank der Wolle, mit denen die Ohren der Krieger verstopft waren, wurde das feindliche Heer dadurch nicht in Schrecken versetzt; man umzingelte Bergspalter; der Trommler schlug zwar mit verdoppelten Schlägen seinen ungeheuren Bauch, doch der furchtbare Lärm betäubte nur die eigenen Gefährten, die Hals über Kopf flohen; Bergspalter aber blieb das Schlachtopfer; der Gewalthaber von Kallakahalaba zerschmetterte ihn mit seiner Keule; Immerschlaf barst der Bauch, Feueratem erstickte in seinem eignen Bauche, die Übrigbleibenden retteten sich, so gut sie es vermochten, und suchten ihre Sicherheit in den Höhlen, die ihnen als Unterschlupf dienten.


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