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Die Geschichte von Basem, dem Grobschmied

Als Harun al-Raschid eines Nachts an einer ungewöhnlichen Schlaflosigkeit litt und gar keine Ruhe finden konnte, sandte er schließlich nach seinem Wesir Dscha'afar; der kam alsbald und warf sich nach seiner Gewohnheit vor seinem Gebieter nieder, indem er ihm ein langes Leben und eine glückselige Herrschaft wünschte. »O Beherrscher der Gläubigen, was gebietet mein Fürst zu dieser späten Nachtstunde?« fragte er ihn. Der Kalif erwiderte: »Ich leide an einer solchen Schlaflosigkeit, daß ich meine Augenlider nicht ein einziges Mal schließen konnte!« »So laß uns denn, o mein Gebieter,« schlug ihm der Wesir vor, »nach dem Tatarengarten, deinem Lieblingsaufenthaltsort, gehen, allwo wir uns an Bäumen und Blumen erfreuen, wo wir dem Gezwitscher der Vögel lauschen und Veilchenduft riechen können!« Da sprach der Kalif: »Nein, der Vorschlag sagt mir nicht zu!« »Beliebt es deiner Erhabenheit etwa,« fuhr der Wesir fort, »in einen deiner Paläste der Vorstadt zu wandern, um dich dort an den Gemälden und Bildern aus vergangenen Tagen zu ergötzen?« »Auch solches ist mir zuwider«, sprach der Kalif. Da hub der Wesir von neuem an: »Wollen wir etwa in deine Sammlung von Naturseltenheiten gehen, vielleicht wird dich ihre Betrachtung zerstreuen.« Da sprach der Kalif: »Nein, auch das wird mich nicht unterhalten können!« »Nun denn, o Herr,« fragte der Wesir weiter, »was sagst du dazu, wenn wir durch die Basare Bagdads und seine Hauptstraßen und Winkelgassen gingen? Da würde sich wahrlich etwas finden, das deinen Mißmut zerstreute!« »Der Vorschlag ist ganz nach meinem Sinne,« fuhr der Kalif fort und sprang auf, »laß uns sogleich aufbrechen!«

Und beide verkleideten sich als Kaufleute; Dscha'afar holte auch noch des Kalifen Schwertträger und Scharfrichter, den Negersklaven Masrur, herzu, und nachdem sich der gleichfalls verkleidet hatte, verließen sie zu dritt den Palast durch eine Geheimpforte und durchstreiften Bagdads Straßen.

Als sie endlich an die Ecke einer abseits gelegenen Gasse kamen, blieb der Kalif stehen, denn die Stimme eines singenden Mannes drang an sein Ohr; und wie er umherblickte, sah er den Widerschein eines Lichtes aus einem oberen Gemache, das gar hell erleuchtet zu sein schien. Er näherte sich mit seinen Gefährten dem Lichte; sie erkannten aber ganz deutlich auf einer gegenüber aufragenden Wand den Schatten eines Mannes, der dem Anschein nach ein Glas in der Hand schwenkte. Sie standen still und hörten den Mann ganz fröhlich singen. Jetzt sagte der Kalif zu seinem Wesir: »Mir ist ganz klar, daß meine Unruhe in dieser Nacht nur eine Unterhaltung mit dem Burschen hier, der sich so seines Lebens freut, zu dämpfen vermag. Klopfe sogleich an die Tür!« befahl er Masrur.

Masrur trat nun heran und pochte bescheiden an. Alsbald hörte der Mann in dem oberen Gemache das Geräusch und trat an das Fenster und rief hinunter: »Welcher Schuft klopft zu so unzeitiger Stunde an meine Pforte ?« Dscha'afar aber blickte hinauf und antwortete ganz höflich: »O Mann, wir sind fremd in dieser großen Stadt; die Nacht hat uns überrascht; wir haben uns verlaufen und befürchten, daß wir den Wachtleuten in die Hände fallen, die uns sicherlich, wenn wir auf sie stoßen, übel begegnen werden. Daher bitten wir dich im Namen Allahs, öffne uns deine Tür und nimm uns bei dir auf; sicherlich wird dir Allah deine Menschlichkeit lohnen!« Der entgegnete: »Solches werde ich fein bleiben lassen, ihr seid eine Bande unverschämter Landstreicher. Ich merke wohl, daß ihr darauf hinauswollt, in mein Gemach zu kommen, um euch mein Essen und meinen Wein schmecken zu lassen, wenn ich euch aufgenommen habe. Macht, daß ihr ein Haus weiterkommt!« Hierüber brach Harun al-Raschid in ein herzhaftes Gelächter aus und sagte dann darauf: »Wahrlich, o Mann, wir sind nichts als Kaufleute!« Da fragte der oben: »Sagt an, habt ihr schon zur Nacht gegessen oder nicht?« »Allah sei gelobt, wir haben längst und reichlich Abendbrot gegessen«, erwiderte der Kalif freundlich. »Wenn dem also ist,« sagte der nun, »mögt ihr heraufkommen, doch erlaube ich es nur unter der Bedingung, die merkt euch gut: was ihr mich auch immer tun seht, ihr sollt euch nicht unterfangen, den Mund zu öffnen und zu reden, sollte euch auch alles, was ihr von mir hört, gar sehr mißfallen!« Da antworteten die drei: »Wir versprechen dir, o Herr, in deinem Gemache stumm und taub zu sein!« Nun kam der Mann die Treppe herunter und öffnete die Türe; der Kalif aber und seine beiden Begleiter folgten ihm in sein

Zimmer. Wie sie dann eintraten, sahen sie einen blumengezierten Tisch, auf dem ein fast noch voller Krug Weines und mancherlei Früchte und gebratene Speisen und Eingemachtes und Zuckerwerk standen. Ohne jeden Umstand setzte sich der Mann nieder und goß einen vollen Becher Weines hinunter. »Geht da in die Ecke und verhaltet euch ruhig«, sagte er zu den Gästen. Schweigend aber gehorchten die; hierauf fing er wieder an: »O ihr Burschen, woher kommt ihr und wohin geht ihr ?« Der Wesir antwortete bescheidenen Tones: »Wir sind Kaufleute aus Mosul und waren dieser Tage bei einigen Kaufleuten hier in Bagdad zu Gaste; und als wir mit unsern Gastgebern reichlich geschmaust und gezecht hatten, verließen wir heute mit sinkender Nacht unsere Freunde, verfehlten jedoch den Weg nach unserem Khan, wo wir Unterkunft gefunden hatten, und verirrten uns dann in diese Gasse. Wir sahen den Widerschein des Lichts aus deinem Gemache und hörten deine Stimme; da nun sagten wir zueinander: »Wir wollen um Gastfreundschaft und Nachtlager in diesem Hause bitten und, wenn es Morgen wird, mit Allahs Willen heimkehren!« Darauf erwiderte der Hausherr: »Beim Himmel, solches glaube ich nicht. Ich sage euch, ihr seid gar keine Kaufleute, sondern Schmierensteher und Diebe, die in die Häuser biederer Leute eindringen und zu unzeitigen Stunden Einlaß zu erlangen suchen. Du da,« fuhr er fort und wandte sich an den Wesir, »o du Dickwanst, o du Misthaufen von Kaldaunen, mit deinem Katzenbarte; ich lasse mich hängen, wenn mir jemals ein Schuft von spitzbübischerem Aussehen begegnet ist!« Dann sagte er zu Masrur: »Und auch du, o du Mohrenfratze, o du Schlotterwanst, was siehst du mit solch gierigen Falkenaugen auf mein Mahl und meinen Wein? Beim Himmel! Einer von euch soll es wagen, nur ein Fingerglied nach meinen Happen auszustrecken, und ich zerschlage euch allen die Knochen im Leibe und jage euch zum Teufel!«

Nach solchen Worten sprang er hastig auf und holte aus einer Ecke des Gemaches einen ungeheuren Prügel herbei, den er unter den Arm nahm, und setzte sich sogleich wieder an seinen Tisch. Da raunte der Kalif seinem Wesir zu: »Denke, bitte, irgend etwas aus, auf daß wir des Mannes Namen und Gewerbe herausbekommen!« »Bei Allah, o Gebieter,« entgegnete der furchtsame Wesir, »wollen wir diesen Rüpel nicht in Ruhe lassen? Sicherlich ist er des Weines voll, und wenn er uns seinen Prügel um die Ohren schlägt, sind wir abgefertigt, und kein Hahn kräht danach!« »Sei doch nicht so furchtsam, o Dscha'afar,« sprach der Kalif, »ich muß seinen Namen und Stand erfahren!« Der Wesir erwiderte: »Dringend, o Herr, bitte ich dich, entschuldige mich; laß uns keine Fragen an ihn stellen!« »Ich fordere Gehorsam und bestehe darauf, seinen Namen zu erfahren, und weshalb er die Nacht auf solche Weise verbringt«, sagte darauf der Kalif.

Während sie so miteinander redeten, fuhr der Gesell mit Trinken fort und bekam mit der Weile eine etwas rosigere Laune und fragte in einem freundlicheren Tone: »Was redet ihr Burschen da?« Als Dscha'afar ihn nun höflicher sprechen hörte, glaubte er, seine Frage wagen zu dürfen, und fing an: »O guter Bruder, wir redeten miteinander von deiner Güte, weil du uns ins Gemach hast eintreten lassen; und so bitte ich dich denn bei aller Gastfreundschaft, uns zu sagen, wem wir so zu Dank verpflichtet sind. Welches ist dein Name und dein Stand und womit ernährst du dich?« »Heda halt, habe ich euch nicht geboten, daß ihr nichts sagen noch fragen sollt?« entgegnete der Mann, »schert euch fort und geht eurer Wege, sag ich euch, der Böse möge euch geleiten! Du bittest mich bei aller Gastfreundschaft, sage doch, wann begann denn diese Gastfreundschaft zwischen mir und dir? Wahrlich, eine Freundschaft wie die unsrige muß recht lange währen!« Darauf versetzte der Wesir: »Möge Allah unsere Freundschaft segnen. Wir sitzen doch seit geraumer Zeit in deinem Gemach, und du hast uns freundlich behandelt; wir kamen in dein Haus, und du gewährtest uns eine Zuflucht; um unsern Verpflichtungen dir gegenüber die Krone aufzusetzen, fehlt allein noch, daß du uns deinen Namen und Stand angibst und warum du die Schlafenszeit also verbringst; und solches wäre ein würdiger Gipfel deiner Freundlichkeit!« »Nun, wenn ich mich doch dazu hergeben soll,« sagte der Gastgeber darauf, »euch mein Geheimnis anzuvertrauen und meine Lebensgeschichte zu erzählen, so wage es bei der Strafe des Todes niemand, mich zu unterbrechen oder mir zu widersprechen.« »Unweigerlich wollen wir solches befolgen«, antworteten die.

Da fuhr jener mit einer gemachten äußern Würde fort: »So vernehmet denn, daß ich Basem heiße und meines Gewerbes ein Grobschmied bin. Ich liebe Scherz und Unterhaltung und bin ein mutiger Held; mein Körper ist sehnig und stark, und mein Vertrauen auf Allah verschafft mir den notwendigen Vorrat an Wein und Speise. Wer mich so in Zorn bringt, daß ich ihm eines um die Ohren gebe, dem dröhnen sie wahrlich zwölf Monde lang!« ›Allah bewahre uns vor seinem Zorne‹, sprachen die drei bei sich selbst. »Wie, wagt, einer mir zu widersprechen ?« fragte Basem; »bei Allah, wer es tut, den schicke ich zum Bösen!« ›Der Himmel schütze uns vor solch einem Burschen‹, sprach der Kalif bei sich.

Nachdem Basem wieder einen vollen Becher hinuntergeschüttet hatte, fuhr er also fort: »O liebe Gäste, jeden Tag arbeite ich als Grobschmied, und stets noch habe ich bis zum Abendgebet fünf Dirhems verdient; mit denen gehe ich in den Basar, handle für einen Dirhem Fleisch ein, einen zweiten Dirhem lege ich in Wein an, noch ein anderer geht für Wachskerzen, einer für Nüsse und Kuchen und Früchte darauf, und für den letzten kaufe ich Öl für meine Lampe und zwei Brote; kurz, ich sorge immer dafür, daß auch nicht ein einziger Asper für den kommenden Tag übrigbleibt. So verbringe ich Tag für Tag mein Leben in unveränderlich gleicher Weise. Am Abend komme ich in meine Wohnung zurück und bringe alles in Ordnung, wie ihr seht: zünde die Kerzen an, reinige meine Lampe, setze mich zu Tische und esse etwas von dem Gebratenen, dann nehme ich meinen Krug vor; und niemals sehe ich einen Gast bei mir. Auf euer Wohl, o ihr Männer! So, abwechselnd einen Happen essend oder Wein trinkend, verlängere ich das Mahl die Nacht durch und freue mich meines Daseins. Am Morgen aber gehe ich wieder meinem Tagewerke nach, und auf diese Weise verstreicht Tag um Tag. Da habt ihr Herrn Kaufleute oder Gauner oder was ihr sonst seid, meine ganze Lebensgeschichte!«

Harun al-Raschid und Dscha'af ar konnten nicht umhin, Basems Erzählung seiner Lebensweise zu bewundern, und Sprachen: »Wahrlich, das muß man zugeben, du bist ein Mann von entschlossenem Gemüte und führst eine merkwürdige Lebensart; dein Fernbleiben von jeder Geselligkeit hält manche Unannehmlichkeiten von dir ab!« Basem erwiderte:, »Freilich; so hab e ich nun schon zwanzig Jahre gelebt; jede Nacht strahlte mein Gemach im Lichterglanze, und

mein Tisch war stets so besetzt, wie ihr seht; noch nie bin ich dabei belästigt oder unterbrochen worden!« »Doch was dann, o mein Freund,« sagte der Wesir darauf, »Wenn dir morgen der Kalif das Handwerk legte und einen Befehl ergehen ließe, daß jeder Grobschmied, der binnen dreier Tage seine Werkstatt öffnete und darin arbeitete, unfehlbar gehängt werden soll? Könntest du dein Zimmer dann auch noch erleuchten und in Leckerbissen und erlesenem Weine schwelgen?« Basem sagte darauf: »Niemals möge der Himmel dein Herz mit froher Botschaft erfreuen! Bei Allah, nichts als Widerwärtiges habt ihr zu melden! Erst eben habe ich euch gewarnt, mir nicht mit euren Voraussetzungen und üblen Vorbedeutungen zu kommen. Zwanzig Jahre habe ich nun ruhig und sicher vor Überfluß und Mangel zugebracht, und jetzt kommt ihr in dieser Nacht und neckt mich und sucht mein Gemüt mit euren unangenehmen Einflüsterungen zu verwirren. Aber ich sage euch im Namen Allahs: steht auf und verlaßt mich. Wie konnte ich nur so albern sein und euch in mein Haus hineinlassen und euch das Geheimnis meines Lebens offenbaren!«

»O mein lieber Freund Basem,« versetzte darauf der, Wesir, »wir spaßen bloß mit dir. Nach deiner Erzählung hast du nun schon zwanzig Jahre lang ununterbrochen so gelebt, und noch niemals hat der Kalif solch einen Befehl erlassen; sei überzeugt, um alles in der Welt möchten wir dir keinen unangenehmen Augenblick verschaffen. Aber gesetzt den Fall, es ereignete sich einmal, was würdest du dann machen, da du niemals einen Dirhem für den kommenden Tag übrig läßt?«

Solche Worte brachten Basem, der während dieser Zeit mit Trinken fortfuhr und mehr und mehr berauscht wurde, völlig in Zorn, und er rief aus: »O du Schurke, wie, du wagst es, deine unheilkündenden Worte nochmals zu wiederholen? Bei Allah, ihr seid widerwärtige Unglücksvögel; und sollte der Kalif morgen wirklich nach euren Worten handeln, dann soll euch, so wahr mir Hussein, Mohammeds Tochtermann, helfe, die ganze Welt nicht vor meinen Armen schützen; solches schwöre ich euch! Und würde euch unfehlbar in allen Winkeln Bagdads aufstöbern und samt und sonders ermorden!« Um bei diesen Worten nicht hell aufzulachen, mußte der Kalif den Mund mit seinem Mahtelzipfel verstopfen.

Hierauf verabschiedeten sie sich von ihm und gingen fort, unterwegs aber sagte der Kalif: »Wahrlich, es sollte mich wundern, wenn ich morgen kein Mittel fände, um wieder mit meinem Freunde, dem Grobschmied, zusammenzukommen.«

Der Morgen dämmerte bereits, als der Kalif mit seinen Gefährten durch die Geheimpforte wieder in den Palast trat. Harun legte sich nun zu Bett, doch nach kurzem Schlummer weckte ihn der anbrechende Morgen. Er stand auf, verrichtete sein Morgengebet und ging in den Saal des Diwans; die Emire und Wesire, die Beamten und Großen seines Reiches scharten sich um ihn, aber seine Gedanken waren noch ganz bei den Erlebnissen der vergangenen Nacht. Er rief daher seinen Wesir Dscha'afar heran und sprach zu ihm: »Schicke zu dem Wali der Stadt und laß in allen Straßen Bagdads verkündigen, daß in den nächsten drei Tagen kein Grobschmied seine Werkstatt auftun, noch bei Todesstrafe darin arbeiten darf!« Dschalod-ibn-Dsehaleb aber, der Statthalter von Bagdad, trug Sorge, daß die Verfügung des Sultans mit dem größten Gepränge verkündet wurde. Sechs Herolde mit stattlichem Gefolge verbreiteten des Kalifen Willen in den verschiedenen Stadtvierteln; das Volk wunderte sich darob und gehorchte.

Wie gewöhnlich kam Basems Meister am frühen Morgen in seine Werkstatt und wollte sie schon mit einigen seiner Leute aufmachen, als er den Befehl des Sultans verkündigen hörte, daß jeder Grobschmied an seiner Haustüre aufgeknüpft werden sollte, der in den nächsten drei Tagen seine Werkstatt offen hielte und darin arbeiten ließe. Da nun sagte Basems Meister zu einem seiner Leute: »Hier, nimm den Schlüssel, und komm am vierten Tage wieder!«

Was Basem nun anging, so war der nach dem Fortgange seiner Gäste in tiefen Schlaf versunken und wachte nicht eher auf, als bis die Sonne hoch am Himmel stand. Er sprang auf und ging wie gewöhnlich nach seiner Werkstatt, ohne um des Kalifen Verbot zu wissen. Als er näher kam, sah er den Lehrjungen draußen sitzen Und die Schmiede verschlossen. Da sprach er zu dem: »O du Tagedieb, warum öffnest du die Türe nicht ? Ist das Schloß vielleicht in Unordnung, so will ich sogleich die Faust ballen und mit einem Hieb die Riegel sprengen; oder sollte der Fensterladen nicht aufgehen, so will ich mit den Fingern die Nägel aus den Haspen ziehen!« In dem Augenblicke kam der Meister hinzu und sagte: »Es liegt wahrlich nicht am Schlosse!« »Zum Henker, warum sitzt denn der Bube draußen?« schrie Basem. Darauf erwiderte der Meister: »O Basem, entweder bist du betrunken oder schläfst noch; hast du denn nicht von dem Befehle des Kalifen gehört« »Von was für einem Befehle des Kalifen, fragte Basem, »ich weiß um keinen!« Der Meister antwortete: »Nun, der Statthalter hat eben verkündigen lassen, daß jeder Grobschmied, der in den nächsten drei Tagen seine Werkstatt öffnet und darin arbeiten läßt, an seiner Haustüre aufgeknüpft werden soll; wenn du es nicht glauben willst, komm und versuchs!« Als Basem solches vernahm, fiel ihm unwillkürlich das Werkzeug aus den Händen, und seine nächtlichen Gäste und ihre Reden fielen ihm wieder ein; er sprach aber zu sich selbst:»Könnte ich diese Schurken nur auffinden und meinen Grimm an ihnen austoben. Die Spitzbuben nahmen nur den Fall an, und siehe, nun ist er da; und wiesen nur darauf hin, und der unselige Augenblick ist schon eingetroffen!« Während Basem bestürzt dastand und nicht wußte, was tun, sprach sein Meister zu ihm: »Warum, o Basem, bist du so verwirrt? Du hast doch nicht Weib noch Kind, noch sonst irgend jemand, für den du zu sorgen hast, außer für dich selbst. Ich unglücklicher Mann dagegen bin Hausvater; wo soll ich ohne Arbeit diese drei Tage über Brot für meine Familie hernehmen? Solches Geschick trifft mich um deinetwillen, wahrlich, das sehe ich ein; kommst du nicht Morgen für Morgen halbbetrunken zur Arbeit? Du hast uns den Fluch erwirkt, weil du seit zwanzig Jahren keine Nacht verstreichen läßt, ohne deinen Bauch voll des Weines zu füllen! Geh aus meinen Augen und laß dich nimmer wieder hier blicken, geh, du Leckerzahn, und bettle die drei Tage!«

Hierauf schimpfte er noch weiter auf Basem, der ganz bestürzt und in tausend Gedanken verloren dastand und dann,: ohne eine Antwort zu geben, forteilte. »O Allah,« rief er aus, nachdem er eine Weile zugegangen war, rieb sich seine Hände und biß sich die Lippen blutig, »kämen mir doch meine spitzbübischen Gäste in die Quere. Ihre Reden sind in Erfüllung gegangen. Seit der Stunde ihres Besuches und ihrer Prophezeiung schwante mir, daß es heute einen Unglückstag für mich gäbe!« Und er wanderte eine Zeitlang durch die Gassen, ohne zu wissen, was er beginnen konnte. Zufällig kam er an einem Badehaus vorbei und trat ein, um ein Bad zu nehmen.

Als er hineinging, traf er auf einen Badediener, der sich Kaled nannte und früher bei Basem bedienstet gewesen war; der aber hatte ihn freundlich behandelt und ihn in seine jetzige Stellung gebracht. Kaled erkannte sogleich den alten Freund, ging auf ihn zu, grüßte ihn und küßte seine Hand: »Willkommen, o Hadschi Basem,« sagte er, »o mein Freund und Gönner, steht dir etwas zu Diensten?« Basem antwortete: »Ach, der hartherzige Kalif Harun al-Raschid hat das Gewerbe der Grobschmiede unterbunden und gedroht, jeden von uns aufknüpfen zu lassen, der in den nächsten drei Tagen arbeitet. Du weißt doch, o Kaled, daß ich für heute abend keinen einzigen Asper übrig habe; und soll ich auch nur einmal von meiner alten Gewohnheit abstehen, wird es mir wahrlich groß Unglück bringen, des bin ich sicher. Leider verstehe ich mich nun auf kein anderes Handwerk!« »Hab keinen Kummer, o Basem,« erwiderte Kaled; »im Falle der Not kannst du sicherlich in den Badestuben arbeiten und die Gäste bedienen und ihnen die Glieder reiben und den Kopf mit Seife und Lifey (welches eine Salbe aus Dattelpalmenrinde ist) waschen. Du kannst hier drei Tage bei uns arbeiten und dann wieder deiner Beschäftigung nachgehen!«

Leicht ließ Basem sich bereden; Kaled band ihm einen breiten Schurz um, versah ihn mit einem Leinentuche, drei Schermessern, einem Steine zum Gliederreiben und mit Seife und Lifey. Bald hernach kamen einige Badegäste, und Kaled ließ sie von Basem bedienen. Basem aber verrichtete das Geschäft nach bestem Können. Der erste, den er bediente, gab ihm zwei Dirhems, ein zweiter gab ihm einen, mehrere gaben diese oder jene Scheidemünze, kurz, er hatte seine fünf Dirhems beisammen, wie er sie als Grobschmied täglich verdient hatte, ehe noch das Abendgebet heran war. Sowie er diese Summe beisammen hatte, jauchzte er und rief: ›Was schiert mich noch der Kalif? Von nun an will ich nicht mehr als Grobschmied arbeiten, nein, mit Allahs Hilfe nichts anderes denn Badediener sein, solches ist gar lustig und bequem und auch zehnmal leichter als Schmiedearbeit!‹ Dann legte er sein Gewand an, eilte nach Hause, nahm Krug und Teller und Korb und ging sogleich auf den Markt. Er kaufte hier für einen Dirhem Hammelfleisch und ließ es in seiner Schüssel beim Garkoch zubereiten; dann erstand er für einen Dirhem Wein; den dritten legte er in Blumen und Wachskerzen an; Pistaziennüsse erhandelte er für den vierten, und Früchte und leckeres Backwerk; den fünften endlich ließ er wechseln und handelte dann Sesamöl für seine Lampe, gewöhnliches Öl für seine Leuchter und zwei Brote ein. Als er all diese Einkäufe erledigt hatte, kehrte er zu dem Garkoch zurück, bei dem er sein Hammelfleisch schon fertig auf der Schüssel vorfand. Nun aber ging er, über sein gutes Glück frohlockend, mit allen Einkäufen nach Hause, wo er um Sonnenuntergang ankam.

In seinem Gemache angelangt, zog er sein Gewand aus, räumte auf und steckte die Lampe an und schmückte seinen Tisch. Dann stellte er sein Abendessen und Wein und Früchte auf, setzte sich nieder und sagte, indem er sein Glas füllte: ›Solches trinke ich zur Beschämung meiner elenden Gäste; gebe es der Himmel, daß ich in dieser Nacht wieder mit ihnen zusammenkomme!‹

Als der Abend hereingebrochen war, sandte der Kalif, der an gar nichts anderes als nur an Basem dachte, nach seinem Wesir Dscha'afar und sprach zu ihm: »Ich denke gerade daran, wie wohl der arme Schlucker von Grobschmied die Nacht verbringen mag!« Der Wesir erwiderte: »Ich glaube, o Herr, daß er, Trübsal blasend, beim leeren Kruge mit leerem Magen sitzt.« »Laß Masrur sogleich kommen,« befahl der Kalif, »wir wollen nochmals zu dritt zu ihm gehen und ihm zu unserer Belustigung einen Besuch machen!« Der Wesir erwiderte: »Wahrlich, o Herr, ich glaube, wir täten besser daran, nicht hinzugehen; es könnte ihm beifallen, einen oder dem andern von uns übel aufzuspielen!« »Ich will es, daß wir hingehen!« sprach der Kalif. Abermals verkleideten sie sich und brachen auf. Wie sie nun wieder in die entlegene Gasse einbogen, erblickten sie den Widerschein des Lichtes und Basem mit dem Becher in der Faust, und beim Nähertreten hörten sie ihn ebenso lustig wie in vergangener Nacht singen. Da rief der Kalif: »Bei Allah, an unseres Freundes Zustande scheint sich nichts geändert zu haben; seinetwegen verboten wir den Grobschmieden die Arbeit, solches hat aber scheinbar keine Störung seines Gewerbes hervorgebracht. Du mußt es nun fertigbringen, daß wir wieder eingelassen werden, auf daß wir unsern Spaß noch einmal haben!« »Das ist wahrlich, o Gebieter, ein gefahrvoller Handel«, sagte der Wesir darauf, »und könnte uns Gefahr bringen; hat er uns gestern schon hart zugesetzt, so wird er es heute wohl noch viel schlimmer machen.« Da der Kalif keinen Widerspruch gelten ließ, klopfte Masrur an die Tür. Gerade in diesem Augenblicke gedachte Basem, dem der Wein schon zu Kopf gestiegen war, seiner Gäste und wünschte, daß sie das Glück wieder herführen möchte; als er nun an die Pforte pochen hörte, trat er sogleich an das Fenster und rief mit zorniger Stimme: »Wer ist denn da?« Antwortete Dscha'afar: »Deine Gäste von gestern abend!« Basem schaute hinunter und erblickte wahrlich seine drei Gäste. »Ich lasse euch nicht ein, schert euch zum Galgen«, rief er binab. »Beim hohen Allah, den lieben langen Tag habe ich euch aufgepaßt, um euch windelweich zu prügeln; und jetzt bedarf ich eurer nicht mehr, ihr wollt mich ja doch nur foppen!« Da entgegnete der Wesir: »O erhabener Basem, wir haben wirklich und wahrhaftig keine bösen Absichten und sind heute nacht nur gekommen, um uns aus Freundschaft nach deinem Wohlergehn zu erkundigen, denn wir haben von des Sultans unbegreiflichem Befehle gehört, daß Grobschmiede ihr Handwerk nicht betreiben sollen, und in unserer Sorge möchten wir erfahren, ob er dir auch Schaden gebracht hat. Daher öffne uns, bitte; und wir verpflichten uns auch, dich durch keine unpassende Rede ärgern zu wollen!« »Ärgert mich nur, wenn ihrs könnt, aber paßt auf, was hinterdreinkommt,« sagte Basem darauf, »ich will euch abermals aufnehmen!« Und kam herunter und schloß die Türe auf; doch der Wein war ihm schon sehr zu Kopfe gestiegen, und er war fast betrunken. Seine Gäste aber stiegen mit ihm die Treppe hinauf und setzten sich in eine Ecke des Gemaches.

Basem sagte: »O ihr Burschen, ihr kennt doch meine Lebensweise; da steht mein Essen und mein Nachtisch, und hier steht mein Wein. Keiner von euch soll auch nur einen Tropfen von ihm abhaben, reicht er doch kaum für mich allein!« Dann wandte er sich gegen den Kalifen: »O du Flegel mit deinem kohlschwarzen Barte und dem Schafsgesicht, was schielst du so nach meinen Früchten?« »Wir haben nicht den Wunsch, o Herr,« antwortete der Kalif, »dein Essen zu kosten, und sind nur gekommen, um zu hören, wie es dir geht, und uns deiner Unterhaltung zu erfreuen. Haben wir doch den ganzen Tag nur von dir gesprochen und uns über das Verbot, das die Grobschmiede angeht, gewundert und

zugleich auch empört!« »Wegen eurer ereignete sich all das«, entgegnete Basem, »und ist die Frucht eures unzeitigen und unheilvollen Geschwätzes. Ausdrücklich untersagte ich euch, in meinen Angelegenheiten herumzuschnüffeln, ihr unterließet es jedoch durchaus nicht und wagtet gar zu sagen, der Kalif könne vielleicht dies und jenes tun; und bei Allah, die Himmelspforten wurden wider mich geöffnet. Hütet euch wohl, solches rate ich euch, wieder etwas laut werden zu lassen, was etwa geschehen könnte!« »O Herr, wir wollen dir wahrhaftig nicht lästig fallen, aber erzähle uns doch, bitte, wie es möglich wurde, daß du dir das vor dir Stehende verschaffen konntest!« Darauf sagte Basem: »Wie ich euch gestern mitteilte, lebe ich seit zwanzig Jahren so. Als ich nun heute vernahm, daß den Grobschmieden die Arbeit untersagt sei, ging ich, solches gebe ich zu, mit gar schwerem Herzen von der Werkstatt weg. Doch Allah hat mir ein andres Gewerbe verschafft, und ich habe in einer Badstube als Aufwärter bedient, dessen Verrichtungen mich ein guter Bekannter lehrte, und verdiente noch vor dem Abendgebete fünf Dirhems mit solcher Beschäftigung. Mit diesem Gelde verfuhr ich so, wie ihr es seht; kaufte Speisen und Obst und Wein und bin wieder Basem. Allah sorgt für mich! Dem Kalifen drehe ich eine Nase; möge der Teufel alle Kalifen und Grobschmiede holen! Als Badewärter will ich leben und sterben; das Gewerbe ist zehnmal angenehmer als das des Grobschmieds; und Bäder kann der Kalif nicht verbieten!«

Der Kalif gab dem Wesir zu verstehen, daß er sich mit Basem in einen Wortwechsel einlassen sollte. Der Wesir fing an: »O Hadschi Basem, was würdest du denn machen, wenn der Kalif den Gebrauch der Bäder untersagte?« Da antwortete Basem: »Sagte ich euch nicht, daß ihr überlästige und aufdringliche Burschen seid? Schwurt ihr nicht bei Allah, euch nicht mehr mit meinen Angelegenheiten zu befassen? O du Dickwanst, du elender Misthaufen mit dem Katzenbarte, habe ich dir nicht ausdrücklich untersagt, noch solch ein unheilschweres Wort auszusprechen?« Dscha'afar wandte sich in diesem Augenblicke gegen den Kalifen, sah, wie der gar fröhlich lachte, und sprach bei sich: »Ja, ja, der Scherz scheint meinem Gebieter herrlich zu gefallen!« »Gib dich zufrieden, Herr,« entgegnete er Basem höflich auf seine Rede, »wir machen doch nur Spaß; wenn wir dich in irgend etwas beleidigt haben, so vergib uns bitte.« »Hol euch alle Dieser und Jener,« sagte Basem darauf, »wer könnte euch wohl gerne sehen! Ehe ihr kamt und mich störtet, lebte ich ruhig und glücklich; seit zwanzig Jahren habe ich jeden Abend so verbracht, bis ihr ungebeten hereinkamt, um mich zu narren und mein Vergnügen zu stören. Doch ich will nicht länger Grobschmied sein; mag ihnen der hochweise Kalif nur immerzu ihr Handwerk unterbinden, wenns ihm behagt. Allah hat mir ein andres Gewerbe zugewiesen; dem Kalifen zum Trotze soll mir das Bad meine gewohnte lustige Lebensweise erhalten; möge dem Kalifen ein Stück Knoblauch in die Nase fahren!« Darauf füllte er sein Glas, hielt es gegen das Licht, daß es durchschimmerte, und sang sich ein Lied. Dann sprach er: »Wahrlich, es ist recht, den Kalifen zu foppen, er gedachte mich aufzuziehen und mit leerem Magen ins Bett zu schicken; doch was schiert mich jetzt der Kalif!« Der sprach zu sich: »Wart, o Freundchen, dich will ich schon noch klein kriegen; morgen in der Frühe lasse ich alle Bäder sperren, es soll mich wahrlich wundern, was du dann morgen abend treibst.« Abermals füllte Basem sein Glas, blinzelte hindurch und sang sich ein andres Lied. »Dies Lied klingt fröhlicher als das erste,« sprach der Kalif zu seinem Wesir, »er ist ein lustiger Bursche, und seine Lieder verstehen es, mir, so verdrossen ich auch bin, eine heitere Laune zu geben!« Bald sang Basem, bald trank er oder naschte von seinem Nachtische oder klatschte in die Hände. Seine Lieder aber waren fröhlich und verliebt und spaßhaft, manchmal sang er auch eine Klageweise. Gegen Morgen war er völlig trunken, und seine Gäste verabschiedeten sich von ihm. Da sprach der Wesir zu ihm: »O Hadschi Basem, wir wollen dich bald wieder besuchen!« Basem erwiderte jedoch: »Geht zum Bösen; ihr kommt ja doch nur, um mich zu plagen, auch bringt euer Anblick nichts Gutes!«

Die aber gingen, lachend ob ihres wunderlichen Abenteuers, fort und kamen wieder durch die Geheimpforte in den Palast. Der Kalif hielt am Morgen nun einen feierlichen Diwan und ließ den Befehl verkündigen, daß bei Strafe der Kreuzigung alle Bäder in Bagdad für drei Tage geschlossen sein sollten. Das Volk aber erstaunte im höchsten Staunen und war sehr bestürzt; einer sagte zum andern: »Was mag solches bedeuten? Gestern wurde den Grobschmieden die Arbeit untersagt, heute werden die Bäder geschlossen, vielleicht dürfen morgen die Khane nicht geöffnet werden; alles müssen wir Allah anheimstellen!« Haruns Bad machte den Anfang, dann wurde das der Sultanin Subaidah geschlossen und darauf Dscha'afars Bad. Als auch das Bad, in dem Basem am vorigen Tage gearbeitet hatte, zugemacht war, blieb sein Besitzer traurig unter der Türe sitzen. Die Badewärter aber hatten sich um Kaled geschart und überhäuften ihn mit Vorwürfen und sagten zu ihm: »Jener Basem ist dein Freund; du hast uns da einen sauberen Burschen herzugeführt, dessen unglückliches Geschick nun auch uns trifft!« Während sie also sprachen, kam Basem, der sich kaum von seiner nächtlichen Feier erholt hatte, des Weges; unter seinem Arme trug er seine Badegeräte; und wie er so einherschritt, hörte man ihn ausrufen: »Kein anderes Gewerbe als das eines Badewärters will ich von nun an treiben!« Er wußte nicht um das Vorgefallene und ging nach dem Badehause; als er aber an seiner Pforte anlangte, sah er sie verschlossen und die Leute traurig unter ihr sitzen. So verdrossen sie auch waren, sie konnten sich doch eines Gelächters über Basem nicht erwehren und sprachen zu ihm: »Wie, du willst das Bad öffnen, solches willst du tun?« »Gewiß will ich das,« erwiderte Basem, worauf Kaled entgegnete: »Ja, willst denn du hinterdrein an der Badehaustüre gekreuzigt sein?« »Was, zum Teufel, soll das heißen?« fragte Basem. Da antwortete Kaled: »Du tust, als wenn du nichts von der Bekanntmachung gehört hättest; der Kalif hat bei Strafe der Kreuzigung das Offenhalten aller Bäder Bagdads für die nächsten drei Tage verboten!« Als Basem solches vernahm, stand er ganz bestürzt da, dann aber rief er aus: »Bei Allah, was hat das zu bedeuten?« Der Badehalter sprach: »Alles geschieht durch dich; gib dich mit deinem Handwerke ab und mische dich nicht in anderer Kram. Schon dreißig Jahre lang bin ich hier Badehalter, und niemals hat uns ein derartiges Verbot betroffen, bis du dein niederträchtiges Gesicht unter uns sehen ließest. Gestern wurde das Grobschmiedehandwerk verboten, heute werden alle Bäder geschlossen. Bei Allah, mach dich fort!« Ganz bestürzt ging Basem fort und sprach mit wachsendem Ingrimme zu sich selbst: ›Alles dies haben meine elenden Gäste auf dem Gewissen, was ihnen nur in den Sinn kommt, trifft sicherlich ein. Sie sollen die Sterne am hellichten Tage zählen, wenn ich wieder mit ihnen zusammenkomme! Was soll ich nun beginnen,« fuhr er fort, als er heimgekommen war und von Gedanken bestürmt dasaß, »nicht einen Asper habe ich im Beutel, Grobschmiedearbeit darf ich nicht verrichten, das Bad ist geschlossen; wer sagt mir nun, was ich tun soll!« Und als er dann seiner Gäste gedachte, ballte er voll Ingrimm seine Fäuste und nahm sich vor, sie in allen Straßen Bagdads zu suchen. Hiermit verbrachte er einen Teil des Tages und lief vergebens umher und sprach bei sich selbst: »Heute muß ich ohne Abendbrot zu Bette gehen, denn ich habe keinen Braten und kein Obst und keinen Wein und keine Lichter!« Hierauf ging er nach seinem Hause, kleidete sich an, wand seinen Turban würfelförmig um den Kopf, nahm sein Feiertagsgewand und sprach: »Ich will es verkaufen und mich für den Erlös wie gewöhnlich versorgen!« Auf seinem Wege kam er an einer Moschee vorüber, und er sprach zu sich: »Hier will ich meine Wuzuwaschung vornehmen und beten, daß solches Mißgeschick aufhören und mein Gewerbe wiederhergestellt werden möge.« Er trat in die Moschee ein, verrichtete seine Waschung und sagte sein Gebet auf. Wie er nun mit seinem Gewande unterm Arme wieder in die Vorhalle kam, hatte sich seine Wut auf seine Gäste um ein weniges gedämpft; er warf seine Kleider über die Schulter und blieb eine Weile stehen, weil er unschlüssig war, nach welchem Basare er sie zum Verkaufe tragen sollte.

Als Basem nun so dastand, kam ein Weib daher, das ihn, wie sie den stattlichen und handfesten Burschen mit seinem Turban um den Kopf so dastehen sah, für einen Makil oder Gerichtsdiener des Kadi hielt,und sprach zu ihm: »Sage mir bitte, o Herr, bist du ein Makil?« Basem antwortete, indem er die Augen im Kopfe umherrollte: »Ich bin, wenns dir beliebt, kraft der Bestallung und Ernennung durch den Kadi der Kadi ein mächtiger Makil; oder wenn dus lieber siehst, gar ein Richter, der hier Recht sprechen und Zwistigkeiten schlichten kann, und habe die Macht zu scheiden und zu bestätigen; kurz, ich vermag alles, was du immer verlangst; setze mir nur dein Anliegen auseinander!« »O Hadschi, das sind der Worte gar viele«, sagte das Weib; »ich habe eine gerechte Klage gegen meinen Schuldner!« Da sprach Basem: »Laß hören, wer dein Schuldner ist, auf daß ich ihn vor den Kadi führen kann, der in seinem Glänze zu Gerichte sitzt und seinesgleichen nicht auf Erden hat. Nimm mich zu deinem Makil an; für zwei Drittel eines Dinars will ich deine Sache gewinnen, wenn dein Gegner unrecht hat. Aber auch im Gegenteil will ich dein Unrecht zu Recht machen. Komm nur mit mir nach dem Makami oder Gerichtshause meines Viertels, und ich hafte dir dafür, dein Schuldner soll dir gerecht werden!« Da sprach das Weib: »Ich habe eine Klage wider meinen Mann; er ist mir seit fünf der Jahre die Gewänder schuldig und außerdem noch fünf Dinare und einen Asper für Ausgaben, wie es deutlich aus meinem Heiratsvertrage hervorgeht. Auch ist er sehr nachlässig in der Erfüllung seiner Pflichten gegen mich und schläft öfters außer dem Hause!« »Welches Gewerbe betreibt dein Mann?« fragte Basem. »Ei, er ist Schuhmacher«, erwiderte das Weib. »So, ein Lederrecker, na, bei Allah, dem will ich den Kopf zurechtrecken«, sagte Basem darauf. Die Frau antwortete: »Wär es nicht besser, o Hadschi, wenn wir in dem Makami meine Klage niederschreiben ließen und vom Kadi den Befehl zur Vorladung des Beklagten erlangten?«

»Das ist unnötig, glaube es mir nur,« fuhr Basem fort, »zur schnelleren Erledigung der Geschäfte hat mich der Kadi ermächtigt, in seinem Namen zu unterzeichnen!«

Darauf nahm er sie bei der Hand und führte sie nach dem Gerichtssaale; er ging aber allein hinein und kam nach einer Weile wieder heraus: »Wenn du dich mir gegenüber erkenntlich zeigst,« sprach er zu ihr, »so sollst du sehen, was ich für dich tun will; ehe noch eine Stunde herum ist, soll dein Mann in sicheren Gewahrsam gebracht sein!« Hierauf löste die Frau von ihrer Goldschnüre, die sie um den Kopf trug, zwei Dirhems los und reichte sie Basem. Der aber ergriff sie mit solcher Gier, wie ein Habicht auf eine Beute'stößt, und sagte dabei zu sich selbst: »Nun bin ich wieder Basem, Allah sorgt für mich!«

Sie gingen jetzt zusammen nach der Kaisarijah, wo der Mann des Weibes war. Bevor Basem aber eintrat, zog er seinen Turban in die Höhe, rückte ihn sorgsam zurecht und entblößte seine Arme, um sich noch mehr das Aussehen des Beamten zu geben, den er vorstellen wollte. Das Weib bezeichnete ihm seinen Ehemann, und er sah ein hageres und bleiches und winziges Männchen, das gerade sein Freitagsgebet verrichten wollte. Ohne ein Wort verlauten zu lassen, nahm ihn Basem samt dem Teppiche, auf dem er kniete, auf den Arm und wollte ihn forttragen. Da rief das Männchen: »O Hadschi, o Hadschi, bei Allah, was soll das bedeuten!« Basem antwortete: »Du sollst nur den erhabenen Gesetzen Ehrfurcht und Gehorsam bezeigen!« »Schone meiner«, flehte der Schuhmacher, »und setze mich wieder auf die Erde, auf daß ich mein Obergewand und meine Pantoffeln anziehen kann. Bei meinem Kopf und meinen Augen, ich will mit dir gehen, aber trage mich nicht so dahin!« Jetzt setzte ihn Basem mit seinem Teppich auf den Boden, während sich alles Volk aus der Kaisarijah um sie her drängte. Der Gefangene fragte nun Basem, wer denn sein Kläger sei. Er antwortete: »Dein Weib ist dein Kläger, und ich bin der ihr zugeordnete Makil. Die Klage wider dich lautet auf fünfzig (wie er anstatt fünf sagte) Dinare und die ihr seit fünfzig Jahren zukommenden Kleidungsstücke!« Da rief der arme Schuhmacher aus: »Bei Allah, wir sind erst seit fünf Jahren verheiratet, sieh, wie kann sie da von mir Gewänder für fünfzig Jahre beanspruchen, sintemal ich selbst doch kaum vierzig Jahre alt bin.« »Nichts weiß ich von alledem; du und deine Frau, ihr mögt es vor dem Kadi abmachen«, entgegnete Basem und ging darauf mit ihm nach dem Makami, die Frau aber schritt vor ihnen her; als sie kaum den halben Weg hinter sich hatten, wandte sich der Mann gegen Basem und sprach zu ihm: »O Hadschi, laß mich, bitte, ein paar Worte mit dir reden!« Basem antwortete zuversichtlichen Tones: »Sprich immerhin ihrer zwanzig!« »Glaube mir,« fuhr der Gefangene fort, »alles, was mein Weib wider mich angeführt hat, rührt lediglich von ihrer Eifersucht her; durch einen unglücklichen Zufall wurde ich im Nachbarhause so betrunken in letzter Nacht, daß ich nicht heimgehen konnte und schlief, wo ich war. Solches aber ist der wahre Grund ihrer Wut; wenn wir erst diese Nacht wieder zusammen in einem Bette schlafen, werden wir bald Frieden schließen, und sie wird morgen früh vergnügt aufstehen. Darum, o weiser Hadschi, bitte ich dich dringend um dein Fetwa!« »Was für ein Fetwa?« fragte Basem darauf. »Du sollst nur geruhen, ein Geschenk von mir anzunehmen und mich entwischen lassen. Nach dem Abendgebete will ich zu meiner Frau zurückkehren, und es wird alles glücklich ablaufen, darauf verlasse dich. Nimmst du mich aber jetzt, so erbost wie sie ist, mit ihr vor den Kadi, so werde ich sicherlich gefangengesetzt. Deshalb bitte ich dich bei Allah, stehe von deinem Makilamte ab und laß mich laufen!« Da sprach Basem zu sich selbst: »Was, der Teufel, habe ich schließlich mit diesem Weibe zutun. Es ist vernünftiger, diesem Freunde auch etwas abzunehmen und ihn seinem Gewerbe nachgehen zu lassen!« Und er sagte würdevoll zu dem Verklagten: »Aber sieh, o Herr, ein solches Fetwa will auch bezahlt sein!« Darauf bot der Schuhmacher Basem demütig drei Dirhems an, die der sogleich in seinem Gürtel in Sicherheit brachte. Darauf gingen sie ihren Weg noch ein Weilchen weiter; und als sie an eine Stelle kamen, wo ein großes Gedränge war, trennten sie sich, und ein jeder ging einen andern Weg. »Beim Himmel, alles geht gut,« sagte Basem, »ich habe nun wieder fünf Dirhems in der Tasche, bin wieder Basem und Allah sorgt für mich.«

Nachdem nun Basem den Schuhmacher hatte laufen lassen, veränderte er seinen Turban und streifte die Ärmel wieder herunter, nahm dann seine Gewänder von der Schulter und setzte sich auf einen Stein vor einer Schule. Währenddem hatte das Weib seinen Weg nach dem Makami in dem Glauben fortgesetzt, daß ihr Mann ihr noch mit dem Makil folgte, und war voller Freude, einen Makil gefunden zu haben, der ihr so baldige Gerechtigkeit verschaffen wollte. Als sie sich nun einmal umsah und weder den Makil noch ihren Gatten hinter sich erblickte, stieß sie ein Geheul wie bei einem Leichenzuge aus und rannte gleich einer Verrückten hin und her. Schließlich sah sie den auf dem Steine sitzenden Basem, stürzte auf ihn zu und rief mit lauter Stimme: »Wo, wo ist mein Schuldner, mein Mann?« Basem antwortete feierlichen Tones: »Was schiert mich dein Mann und Schuldner? Geh deines Weges und laß mich zufrieden!« Bei solchen Worten geriet das Weib in Zorn und rief aus: »Wie, bist du nicht der Makil?« »Du lügst,« erwiderte Basem mit erhobener Stimme, »du lügst, o du ungebärdige alte Vettel! All mein Lebtag bin ich Grobschmied gewesen!« Hierauf packte das Weib Basem und ihn festhaltend, rief sie mit gar lauter Stimme: »Herbei, o ihr Gläubigen, mein Schuldiger, mein Schuldiger!« Alsbald scharte sich eine große Menge Volkes um sie und fragte, was los sei. Das Weib erzählte: »Wißt, daß dieser Makil zwei Dirhems von mir erhalten hat, auf daß er meinen Schuldiger zum Makami führe. Wir kamen zu dritt bis auf diesen Platz, wo er sich zweifelsohne hat bestechen lassen, weil er seinen Gefangenen freigab. Und jetzt, o ihr Gläubigen, ruht all meine Hoffnung auf Allah und euch«, endigte sie, kläglich weinend. Einige der Umstehenden aber sahen sich den Angeschuldigten etwas näher an und riefen dann aus: »O Frau, dieser ist Basem, der Grobschmied, und kein Makil, wir kennen ihn schon lange, du mußt dich geirrt haben!« Sprach Basem: »O ihr lieben Leute, dies ungebärdige alte Weib hat mich angepackt und will mich mit aller Gewalt zu einem Makil machen!« Das arme Weib war nun noch übler daran als vorher, denn jetzt traten einige der Umstehenden hinzu, die ihr Vorwürfe machten; und andere trieben ihren Spott mit ihr, noch andere schalten sie, weil sie sich an einem armen Manne vergriff, und zwangen sie, ihn freizugeben, und wieder andere lachten aus vollem Halse. Einer aber sprach: »Sie hat des Guten zuviel getrunken«, ein andrer meinte: »Sie ist wahnwitzig«, während ein dritter sagte: »Sie treibt den Spaß gar zu weit!« Das arme Weib war ganz bestürzt, wußte nicht, was zu tun war, und ging nach Hause. Als Basem sich solcherart des alten Weibes entledigt hatte, sah er auf seine fünf Dirhems und rief aus: »Bei Allah, als Makil will ich leben und sterben! Was, für den Ausspruch zweier Worte erhalte ich zwei Dirhems, für das Fassen eines Schuldners drei Dirhems ? Dann erhalte ich gewiß für einen Falscheid zwanzig und für das Betrügen eines Gläubigen fünfzig Dirhems! Ja, als Makil will ich leben und sterben!« Eilends ging er nun in den Basar und kaufte seiner Gewohnheit nach seine Vorräte ein, dann erleuchtete er sein Gemach, aß und trank und sang und dankte Allah, daß er ihn instand gesetzt hatte, sein gewohntes Leben zu führen.

Während Basem nun also beschäftigt war, dachte der Kalif seiner oft und brannte darauf, zu erfahren, welchen Erfolg das Schließen der Bäder gehabt hatte. Er sprach zu Dscha'afar: »Mich soll wundern, was mit unserm Freunde Basem geschehen ist; es muß ihm jämmerlich ergehen, im dunklen Gemache muß er ohne Abendessen beim leeren Kruge sitzen. Ich bin willens, ihn aufzusuchen!« »Laß uns ums Himmels willen, o mein Gebieter, bleiben, wo wir sind,« sagte Dscha'afar darauf, »schon zweimal hat uns Allah den Fängen dieses reißenden Wolfes entrissen, der uns bei bester Laune gar so schrecklich bedrohte; was haben wir nun erst, da er wild ist, zu befürchten!« »Dennoch habe ich mich entschlossen, ihn diese Nacht aufzusuchen«, entgegnete der Kalif. Der Wesir erwiderte: »Ach, o Beherrscher der Gläubigen, der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht!« »Schweig, ich fordere Gehorsam«, rief der Kalif aus.

Wiederum also verkleidet, gingen der Kalifund Dscha'afar mit Masrur durch die Geheimpforte des Palastes hinaus, fanden Basems Gemach wie immer erleuchtet und erblickten seinen Schatten mit dem Becher in der Faust an der gegenüberstehenden Wand, kurz, dem Anscheine nach alles wie bisher. Auf des Kalifen Geheiß klopfte Dscha'afar an die Haustüre. »Wer ist denn da!« rief Basem hinunter. Sie antworteten: »Deine Gäste, die Kaufleute aus Mosul!« »Weder Gruß noch Willkomm sage ich euch«, erwiderte Basem; »wenn ihr nicht eures Weges zieht, sollt ihr, bei Allah, die finsterste Nacht sehen, die ihr je erlebt habt!« Dscha'afar rief: »O Bruder, wir haben dir wahrlich nur zwei Worte zu sagen, laß uns doch nur ein!« Als Basem aus seinem Fenster blickte und sie an seiner Türe stehen sah, rief er hinunter : »He, was wollt ihr denn von mir? Geht, sage ich euch, nie habt ihr mir etwas Gutes gebracht; alle Grobschmiede und Badehalter Bagdads sind durch euch zugrunde gerichtet.« Dscha'afar aber tat, als wüßte er nicht um das Vorgefallene, bat nur um Einlaß und sagte: »Wir haben den ganzen Tag bis auf diesen Augenblick in unsrer Herberge in Geschäften zugebracht und wissen nichts von den Vorgängen in der Stadt!« »Habt ihr wirklich verschlafen, was heute geschehen ist?« »Wahrlich, wir wissen nichts und bitten dich um Allahs willen, erzähl es uns!« Basem erwiderte: »Nun, so bitte ich euch um Allahs willen, kommt die Treppe herauf spaziert, auf daß ich es euch kundtue und wissen lasse. Doch nur unter solcher Bedingung: erstens, daß ihr nicht treulos an mir handelt und Zaubereien gegen mich anstellt, denn alles, was ihr bisher ausgesprochen habt, hat sich ereignet, als wenn es in Stein gemeißelt wurde, und zweitens: niemand soll mich durch unzeitiges Reden unterbrechen oder aufregen!« Nach geschlossenem Pakte wurden sie die Treppe hinaufgelassen, fanden in der Stube alles wie gewöhnlich angeordnet und nahmen schweigend ihre Ecke ein. »Nun, o meine Gäste,« hob Basem zu reden an, »sagt mir, so wahr ihr auf Allahs Gnade hofft, wißt ihr gar nichts von dem, was heute vorgefallen ist und was der Querkopf, der Kalif, angezettelt hat?« Kaum konnten sich seine Zuhörer das Lachen verbeißen und baten ihn, weiterzusprechen. Da sagte Basem: »Aus seinem struppigen Barte und seinem dummen Gehirnkasten heraus hat er den königlichen Befehl ergehen lassen, daß alle Bäder Bagdads für drei Tage geschlossen sein sollen. Wie ich euch gestern erzählte, hatte ich den Beruf eines Badeknechts ergriffen; da hat mich solch verdammter Befehl wieder brotlos gemacht und in solche Not versetzt, wie niemals zuvor ein Menschenkind erfahren hat, noch jemals erfahren wird, denn ich wußte mir durchaus keinen Rat, wie ich mir mein Abendessen verschaffen sollte.« »Warum gingest du denn nicht nach des Kalifen oder der Sultanin Subaidah Badehaus?« fragte der Kalif. »Ach, die beiden wurden noch eher als alle andern geschlossen«, antwortete Basem. »Wahrlich, es war ein unheilschwangerer Tag. Das Volk erstaunte im höchsten Staunen, und die unendliche Menge der Badewärter sah dem Hunger entgegen. Gleichwohl, o liebe Gäste,« fuhr er fort, »hat mich die Vorsehung nicht im Stich gelassen, sondern warf mir fünf Dirhems in den Weg, mit denen ich mein Nachtmahl, das ihr hier seht, allen denen, die mich hassen oder beneiden, und dem Kalifen und all seinem Gefolge zum Trotz, einkaufte!« »Wart, mein Freund,« sprach der Kalif zu sich, »dich werde ich wohl noch einmal klein kriegen!«

Hierauf füllte Basem seinen Becher und hielt ihn eine Weile gegen die Flamme der Wachskerze, trank ihn aus und nickte seinen Gästen zu und hub wieder an: »So gefällt es mir gut, o meine lieben Gäste: Ihr riecht nicht an meinen Blumen, rührt mein Mahl nicht an und regt mich auch nicht mit üblen Widerreden auf; und fürwahr, mein Vorrat langt gerade hin, um meinen Bauch zu befriedigen!« Darauf rief Masrur aus: »Möge es Allah geben, daß er nimmer genug kriegt. Möge er einem so gierigen Schlucker weder Essen noch Trinken bescheren! Beim Himmel, noch nie sind wir mit einem so eigennützigen Menschen zusammengekommen!« Kaum hatte Basem solche Worte vernommen, als er sich mit wütender Gebärde gegen Masrur wandte und rief: »O du elender und lumpiger Schuft, den Allahs Hand schwarz gezeichnet hat, was habt ihr Schufte denn noch jemals mitgebracht? Niemals möge euch der Himmel segnen, das bitte ich! Es hätte sich wahrlich gehört, daß ihr irgendein Geschenk vor euch herschicktet; doch ihr seid jämmerliche Burschen, dem salzigen Meerwasser gleich, das niemand zum Trunke dienen kann. Mit euch hat sich noch nimmer etwas hierher verirrt, das die Zähne beschäftigt, noch fiel es euch je bei, ein Abendessen mitzubringen, um es hier zu verzehren. Ihr gebt euch für Kaufleute aus, aber ihr seid die knickerigsten Schufte, die Allah jemals geschaffen hat!«

Der Kalif konnte sich nicht mehr eines herzhaften Lachens enthalten und sagte dann leise zu Dscha'afar: »Wahrlich, der Mann hat einige Berechtigung, sich zu beklagen, drei Nächte sind wir schon mit leeren Händen gekommen; o Dscha'afar, rede ihm freundlich zu und versprich ihm Besserung auf morgen abend!« Darauf sagte Dscha'afar demütigen Tones: »O Hadschi Basem, vergib bitte, was geschehen ist, wir verdienen allerdings Tadel, doch wollen wir morgen ein so prächtiges Abendessen mitbringen, daß wir dadurch unseren Fehler gutzumachen hoffen!« Darauf erwiderte Basem: »Ein prächtiges Abendessen? O ihr Geizhälse, ihr lügt, ich glaube auch nicht ein Wort von dem, was ihr redet! Wie sagt das Lied: Vor Durst verschmachten eure Zechgenossen, und an eurem Tische vergehen die Gäste vor Hunger; räudig ist euer Hund, und eure Türe ist der Gastfreundschaft verschlossen!« Der Kalif aber konnte sich ein unmäßiges Gelächter nicht verbeißen. Basem wandte sich wieder seinem Weine zu, und ohne sich um seine Gäste zu kümmern, fuhr er mit tafeln fort, bis er allem Anscheine nach betrunken war. »O Dscha'afar,« sagte der Kalif, »unser Freund scheint beinahe fertig zu sein, es ist an der Zeit, von ihm zu hören, wie er heute zu den fünf Dirhems gekommen ist!« Da sagte der Wesir sehr kleinlaut: »O Hadschi Basem!« »Was willst du, alter Katzenbart?« fragte der. »O Hadschi, wir nehmen lebhaften Anteil an allem, was dich angeht, und sind betrübt, wenns dir schlecht, fröhlich, wenns dir gut geht!« »Schon recht, was gibt es denn, was willst du von mir?« Sagte Dscha'afar: »Wir möchten gerne wissen, wie es dir ergangen ist, als du heute früh alle Bäder verschlossen fandest!« »So, einmal will ichs euch noch erzählen, doch nur unter der Bedingung, daß ihr nicht von dem sprecht, was ich euch sage!« Dscha'afar versicherte ihm, daß er nichts zu befürchten habe, weil sie im Begriffe ständen, Bagdad zu verlassen. Danach erzählte ihnen Basem auf das weitschweifigste all seine Abenteuer des Tages und endigte mit solchen Worten: »Wenns ihm gefällt, mag nun der Kalif auch den Makami schließen und das Volk zum Aufstande reizen, ich habe mich entschlossen, mit Allahs Hilfe als Makil zu leben und zu sterben!« Nun füllte er noch einmal seinen Becher und goß ihn nach seiner Gewohnheit hinunter, fing dabei zu rülpsen an und sagte: »Und dies dem Kalifen in den Bart.« Der Kalif sagte aber bei sich selbst: »Morgen will ich an diesem Trunkenbolde ein Beispiel aufstellen, daß alle Leute Bagdads zu reden haben sollen!«

Als der Kalif andern Morgens, umgeben von seinen Emiren und Wesiren und seinem Hofstaate, auf dem Throne saß, trat sein Großwesir Dscha'afar in den Saal, warf sich vor dem Throne nieder und wünschte seinem Gebieter ein langes und frohes Leben. Der Kalif sprach zu ihm: »O Dscha'afar, sende unverzüglich in meinem Namen einen Befehl an den Makami, man soll eine genaue Musterung der Makils aufstellen, auf daß das Volk nicht von denen betrogen wird, die sich eigenmächtig in dies Amt eingedrängt haben. Alle schon länger angestellten sollen mit Erhöhung ihres Soldes bleiben; doch die, die erst seit kurzem im Dienste sind und sich ohne Empfehlung selber eingedrängt haben, sollen mit Hieben auf die Fußsohle bestraft und fortgejagt werden!« Sogleich wurde dem Befehle des Sultans nachgekommen.

Unterdessen erwachte Basem auf derselben Stelle, an der ihn seine Gäste in der Nacht gelassen hatten, als bereits die Sonne aufgegangen war, aus dem Schlafe und sprach zu sich selbst: »Ich habe heute gar übel mein Morgengebet verschlafen!« Dann zog er sich an, wand sich seinen Turban sorgfältig um und rief beim Bartkämmen aus: »Gib, o gütiger Himmel, daß ich als Makil lebe und sterbe!« Er brach auf und verschloß seine Türe, ging nach dem Makami und gesellte sich dort den Makils zu, die bei der Sitzung des Kadis zugegen waren. Als dem Kadi des Kalifen Befehl überreicht wurde, erhob er sich von seinem Sitze, küßte das Papier zum Zeichen seiner Ehrfurcht und seines Gehorsams und legte es auf seinen Kopf; dann aber sagte er: »Laßt die Geräte zur Bastonade, den Filk (welcher dazu dient, die Hiebe von den Schenkeln abzuhalten) und die Ruten herbeibringen; alle Makils sollen vortreten, wenn sie aufgerufen werden!« Basem, der auf alle Vorgänge hier sehr achtgab, sprach bei sich selbst: »O Allah, was bedeutet alles solches, was soll hier vor sich gehen?« Der zuerst aufgerufene Makil machte eine Verbeugung und stand mit gekreuzten Armen und zum Boden gesenkten Augen vor dem Kadi. Der aber fragte ihn: »Wie heißest du, wie dein Vater und Großvater? Welchen Sold hast du, und auf wessen Empfehlung bekamst du dein Amt?« Trat der Makil zwei Schritte vorwärts und entgegnete: »Mein Name ist Magid, der meines Vaters Salem, und meines Großvaters Napha; mein Sold beträgt drei Dinare und jährlich ein Amtskleid. Ich erbte mein Amt von meinen Ahnen und wurde von dem und dem empfohlen!« Daraufhin bewilligte ihm der Kadi eine Aufbesserung und hieß ihn sich seitwärts stellen, um dem Nachfolgenden Platz zu machen.

Basem sagte bei sich selbst: »Bis auf den heutigen Tag war eine solche Musterung der Makils ganz unerhört auf der Welt. Allein bei Allah, dem Allgütigen, ist Trost und Rettung! Was soll nun mit mir geschehen?«

Aus diesen Erwägungen wurde Basem durch des Kadis Ruf aufgeschreckt, doch regte er sich nicht, bis er zum zweiten Male rief. »Wie heißest du?« fragte der Kadi. »Basem, der Grobschmied!« »Da du Grobschmied von Beruf bist, seit wann bist du denn da Makil geworden?« Da antwortete Basem: »Ehegestern bin ich eingetreten; aber o Kadi,« fügte er hinzu, »ich bin ein Mann von merkwürdigen Fähigkeiten; wenn es dir beliebt, kann ich Kadi oder Makil oder ein weiser andächtiger Mann mit einem geräumigen Bauche sein!« Bei solchen Worten konnten sich weder Kadi noch Zuhörer eines Gelächters enthalten. Doch Basems Schenkel wurden sogleich in den Filk geschlossen, und er empfing die vom Kalifen angeordneten Fußsohlenhiebe.

Nach diesem Ungemache kehrte er nach Hause zurück und setzte sich zerschlagen und schwermütig nieder, um seine Lage zu bedenken. Bald aber wurde er wieder guten Mutes, stand auf und gürtete seine Lenden, nahm ein Stück von einem alten Palmbaum, das die Gestalt eines Schwertes hatte, und versah es mit einem Gehenk, rückte seinen Turban zurecht und sagte: »Ich habe weder Herrn noch Freund jetzt in der Stadt und muß deshalb meinen Lebensunterhalt anderswo suchen! Wie, soll ich heute nacht etwa ohne meine gewohnte Mahlzeit schlafen gehen? Nein, die ganze Welt steht mir offen.« Jetzt machte er sich auf, verließ seine Wohnung und wanderte aus einer Straße Bagdads in die andere; und war stets nur darauf bedacht, wie er sein Nachtmahl erwerben könnte. Als er nun so breitbeinig einherging, bald mit dem linken, bald mit dem rechten Arme schlenkerte und einen Mandelbaumzweig in der Hand trug, sah ihn jedermann für einen Bildar an, der irgendeinem vornehmen Manne zugehörte. In Gedanken versunken und ohne zu wissen, wohin er ging, befand er sich zu guter Letzt auf einem Marktplatze, wo eine große Menschenmasse zwei kämpfende Männer umstand. Sobald er vernommen hatte, was vorging, gebrauchte er seinen Mandelzweig und bahnte sich schleunigst einen Weg durch das Gedränge; da man ihn aber für einen Untergebenen des Kalifen hielt oder auch die Kraft seines Armes fürchten mochte, wichen alle Menschen vor ihm aus. Wie er sich den Streitenden näherte, sah er sie, mit Blut und Staub bedeckt, noch im wütenden Handgemenge, weil es keiner der Umstehenden gewagt hatte, sie auseinanderzubringen. Als Basem nun dahinterkam, welchen Eindruck seine riesige Gestalt auf die Volksmenge machte und daß man ihn gar für einen Bildar hielt, faßte er mit der einen Hand den Griff seines Holzschwertes und schwang mit der anderen seinen Mandelzweig, trat dann zwischen die Streitenden, und nachdem er beiden Teilen einige Hiebe versetzt hatte, machte er ihrer Prügelei ein Ende.

Nun erschien der Scheich des Marktes, und da er Basem für einen Bildar hielt, gab er ihm fünf Dirhems mit dem Auftrage, die beiden Händelsüchtigen vor den Kalifen zu führen, auf daß sie als Störer der öffentlichen Ruhe bestraft würden. Nachdem Basem das Geld in seinem Gürtel untergebracht hatte, brummelte er vor sich hin: »Ich bin wieder Basem, Allah sorgt für mich!« Dann packte er die beiden Übeltäter und hob sie von der Erde auf und nahm unter jeden Arm einen von ihnen und schritt gemächlich mit ihnen dahin. Eine große Volksmenge aber zog ihm nach und bestand darauf, daß die beiden Streitenden sich versöhnten und entlassen würden; mit scheinbarem Widerwillen gab Basem schließlich nach, wennschon er froh war, ihrer auf solche Weise ledig zu werden. Als er dann wieder allein war, sprach er zu sich selbst: »Das geht ja wider alles Erwarten gut; die fünf Dirhems sind sicherlieh ein Geschenk Allahs; wahrlich, es steht fest, daß ich all meine Lebtage Bildar sein und bleiben will. Bei Allah, jetzt will ich meine Genossen im Palaste aufsuchen!«

Im Dienste des Kalifen aber standen dreißig Bildare, deren zehn stets drei Tage über Dienst zu tun hatten und dann von den nächsten zehn abgelöst wurden. Gemäß seiner Absicht wanderte Basem nun nach dem Palaste und reihte sich unter die Bildare. Doch fand er sie in jeder Beziehung sehr verschieden von sich; sie waren zierlicher als er gebaut, und ihre reichen Gewänder von den mannigfaltigsten Farben gaben ihnen, wenn sie in einer Reihe standen, das Aussehen eines Blumenbeetes in einem Garten. Da sprach er bei sich selbst: »Wie, diese weibischen Knaben sind die Bildare des Kalifen? Sie ähneln mir nicht, mein Gewand würde ihnen wenig anstehen, und ich möchte nicht in ihrem stecken, weil es schlecht zu ihrem Amte zu passen scheint.« Trotzdem er beim Anstellen dieses Vergleiches eine Art von Verachtung empfand, konnte er es doch nicht unterlassen, sie des öfteren anzublicken. Zur selbigen Zeit aber betrachtete ihn deren Befehlshaber, der Basem für den Bildar eines Emirs hielt, der zu Besuch in den Palast gekommen war, weil es zu Hause nichts für ihn zu tun gab. Als er diese Vermutung seinen umstehenden Gefährten gesagt hatte, fuhr er fort: »Wir müssen diesen Fremdling als unseren Gast betrachten; wenn wir nicht irgendeine lohnende Verrichtung für ihn ausfindig machten, würde man zu unserer Schmach sagen, daß ein Amtsgenosse zu unserm Besuche in den Kalifenpalast gekommen wäre, ohne daß der Erste der Bildare imstande gewesen sei, ihm einen Nutzen zu verschaffen!« Seine Gefährten erwiderten: »O Hauptmann, wenn du es für gut befindest, großmütig zu sein, so brauchst du uns wahrlich nicht erst darum zu befragen!«

Hierauf ging der Erste der Bildare zu dem Schreiber der Schatzkammer und ließ an einen reichen Zuckerbäcker den Befehl oder die Weisung ausfertigen, sogleich zu erscheinen und die Summe von fünftausend Dirhems zu bezahlen, die er aus verschiedenen Gründen, die in der Vorladung angegeben waren, schuldig sei. Und da hierzu die Unterschrift des Wesirs nötig war, so wußte er sich auch die zu verschaffen; ging mit diesem Papiere nach dem Orte zurück, wo Basem noch immer stand, und rief ihm zu: »Heda, o Bruder, heda, o Bildar!« Basem fragte ganz erstaunt: »Rufst du mich?« »Ja!« entgegnete der Erste der Bildare. »Ich bin bereit, deinem Befehle nachzukommen«, sagte Basem darauf und trat voll großer Ehrerbietung vor ihn hin. Da sagte der Erste: »Ich wünsche deine Freundschaft zu erwerben und bitte dich, dieses Papier der Schatzkammer mit der Unterschrift des Wesirs zu Meister Othman zu tragen und ihn zur Bezahlung der fünftausend Dirhems aufzufordern. Du kennst dein Amt,« fuhr er fort, »und wenn er sich aufführt, wie es sich gehört, so nimm, was er dir anbietet, und gehe in Frieden nach Hause. Solches tun wir nur, um dir zu dienen und einen Freund zu ehren, der uns zu besuchen gekommen ist!«

Dieser neue Glücksumstand stieg Basem nicht wenig zu Kopfe; er hielt es nun gar unter seiner Würde, zu Fuß zu gehen, und bestieg einen der Esel, die in den Straßen zu vermieten stehen, befahl dem Eseltreiber, sich nach der Wohnung des Zuckerbäckers umzusehen, und erfuhr sie bald, denn Meister Othman verstand sich auf sein Gewerbe und hatte ein hübsches Haus und einen geräumigen Laden und großen Zulauf von Käufern.

Basem ritt nun auf seinem Esel, der nicht halb so dick wie er selbst war, gemächlich durch die Straßen, bis er bei der Werkstatt anlangte, wo Meister Othman ruhig dasaß und seine Leute beaufsichtigte. »Ich bin Basem, der Grobschmied«, sprach er; der Zuckerbäcker aber achtete seiner nicht, »und habe meine Gefährten und meine anderen Geschäfte bloß deshalb verlassen,« fuhr er fort, »um dich aufzusuchen und dir anzukündigen, daß du dich unverzüglich nach dem Palaste zu begeben und das Geld mitzunehmen hast, das du der Schatzkammer schuldest und von dem du keinen Asper Erlaß hoffen darfst. Dieses Schriftstück enthält den Befehl des Wesirs, sofort zu erscheinen; und weil du die Ehre hast, des Kalifen Schuldner zu sein, wirst du gut daran tun, dich sogleich aufzumachen und mir nach dem Palaste zu folgen und die fünftausend Dirhems mitzunehmen!« Othman erhob sich jetzt von seinem Sitze und betrachtete Basem aufmerksamer, näherte sich ihm dann sehr demutsvoll und nahm das Papier in Empfang, das er zuerst küßte und darauf auf seinen Kopf legte. Jetzt aber sagte er zu Basem in den niedrigsten und kriechendsten Ausdrücken: »O Vortrefflichster aller Bildare, Allah hat mich durch deinen Besuch über die Maßen beglückt! Ich bin nichts anderes denn dein Diener und Sklave, und weit entfernt von der Beredsamkeit deiner Zunge vermag ich dir nur zu sagen, daß alles seine Richtigkeit hat und daß ich alles tun werde, was du irgend verlangst. Mittlerweile aber laß dich erbitten, abzusteigen.«

Gleichzeitig befahl er seiner Gesellen einem, Basem von dem Esel zu helfen. Mit gemachter Würde wandte sich Basem nun an den Eseltreiber, reichte ihm einen halben Dirhem und entließ ihn. Dann schnaufte er heftig und wischte sich die Stirne, als wenn er erhitzt wäre. Der Zuckerbäcker aber nötigte Basem, den Sitz einzunehmen, den er selbst innegehabt hatte, und ließ heimlich zehn Pfund Kabab aus dem Basare holen und es in dünnen Eladen einlegen. Inzwischen breitete er ein Tellertuch über Basems Knie aus und setzte ihm Orangenschnitte mit gestoßener Minze und einen Kuchen aus Zuckerteig und etwas Honig vor. Dann sagte er: »O Erster aller Bildare, ich bitte dich, geruhe einen Imbiß bei mir einzunehmen, auf daß die Galle nicht zu stark an deinem Magen zehre, dieweilen in der Küche etwas Besseres hergerichtet wird!« Und er gab danach einem seiner Untergebenen einen Wink, worauf der alsbald ein großes Gefäß voll Scherbett aus dem abgezogenen Wasser der gelben Wasserlilie, das mit in Rosenwasser aufgelöstem Moschus untermischt wurde, bereitete und es seinem Meister brachte, der es Basem darreichte.

Der Bildar jedoch spielte den großen Herrn und tat so, als hätte er keine Lust, zu frühstücken; da fing Othman wieder an und sagte: »O Erster aller Bildare, bei Allah und dem Jüngsten Gericht beschwöre ich dich, koste etwas von diesem Scherbett und von den vor dir stehenden Gerichten, sollte es auch noch so wenig sein. Wenn du meiner untertänigen Bitte nicht nachkommst, wahrlich, so schwöre ich dir, mich durch dreimaliges: ›ich verstoße dich‹ von meinem Weibe zu scheiden.« Basem sagte darauf: »Halt, halt, o Bruder, auf daß du deinen Eid nicht brechen oder deine Frau verstoßen sollst, will ich deinem Wunsche nachkommen; aber ich habe wahrhaftig keinen Hunger, denn ich frühstückte schon mit meinen Gefährten im Palaste, bevor ich den Auftrag an dich erhielt. Die Speisen aber stammten aus des Kalifen Küche, und es waren zehn Tische hergerichtet, und auf jedem standen drei Geflügel, deren jedes auf andere Art zubereitet war. Ich bin noch ganz satt davon und kann kaum Atem holen!« Da entgegnete Othman: »O Erster aller Bildare, ich sehe ein; wenn du es tust, so geschieht es lediglich aus Gefälligkeit. Mache mich glücklich und koste etwas von dem vor dir Stehenden; wahrlich, du zeigtest dich bereits sehr nachgiebig!« »Nun denn, um dir zu Gefallen zu sein!« sprach Basem; und damit ergriff er das Gefäß, das mehrere Maß Scherbetts enthielt, mit einer Hand und trank es leer zum Erstaunen des Zuckerbäckers, der nicht ahnte, daß sein Gast seiner Gewohnheit nach jede Nacht das doppelte Maß Weines hinuntergoß. Als aber Basem ihm das leere Gefäß zurückgab, glaubte er bei sich, der Trinker müsse der leibhaftige Teufel in eigener Person sein.

Der Kabab und zwei lange Semmeln machten nun ihre Aufwartung, und Basem schlang sie hinunter wie ein Heißhungriger, und blickte nicht eher auf, als bis er völlig reinen Tisch gemacht und auch das verschlungen hatte, das man ihm zuerst als eine Magenstärkung vorgesetzt hatte. Mehr und mehr erstaunte Meister Othman und sprach bei sich selbst: ›Dieser Mann hat schon im Palaste gefrühstückt, was hätte er erst bezwungen, wenn er nüchtern gekommen wäre, ich glaube gar, nicht ein ganzer, mit Gefüllsel versehener und so gebratener Esel würde ihn satt gemacht haben. Wollte der Himmel, daß ich mich seiner erst auf gute Art entledigen könnte!‹ Danach besorgte der Zuckerbäcker sein Geschäft und seine Kunden bis zum Nachmittagsgebete, als das in einer Garküche bestellte Mittagsmahl, das aus drei reichlich gefüllten Vögeln bestand, hereingebracht und dem Meister übergeben wurde, der es in gehöriger Ordnung dem Gaste vorsetzte und dabei sprach: »O Erster aller Bildare, wir haben dich heute wahrhaftig hungern lassen, aber ich hoffe, du wirst in deiner Güte unsere klägliche Bewirtung entschuldigen!« Basem erwiderte sogleich: »Das hat nichts zu sagen; aber ich wollte, daß wir uns beizeiten aufmachen, auf daß wir zum Palaste kommen, ehe die Schatzkammer geschlossen wird, denn ich muß meinem Gebieter Antwort bringen!« Darauf versetzte Meister Othman: »Du bist ungemein nachsichtig gegen mich gewesen und hast vom Morgen bis zum Nachmittagsgebete Geduld mit mir gehabt, gewähre mir noch die eine Bitte: sprich diesem ärmlichen Mahle, das vor dir steht, zu. Danach wird alles, mit Allahs Willen, gutgehen!« Ohne sich weiter nötigen zu lassen, verzehrte Basem nun die drei Vögel, trank noch ein Gefäß voll Scherbett dazu und wischte sich dann, ohne einen Ton zu sagen, seine Finger ab. ›Ich muß mir diesen Mann vom Halse schaffen,‹ sprach Meister Othman zu sich selbst, ›oder er frißt mich auch noch auf!‹ Er ging darauf in sein Hintergemach, füllte eine große Tüte aus festem Papier mit allerhand trockenem Zuckergebäck und wickelte in ein anderes Papier zwanzig Dirhems ein. Damit ging er wieder zu Basem und sprach zu ihm: »O Gebieter, flehentlich bitte ich dich, du wollest geruhen, dieses kleine Geschenk an Zuckerzeug, das ich hier vor dich lege, anzunehmen und mich deiner Gnade zu würdigen. Das Geschäft ist in den letzten Tagen schlecht gegangen, doch wird es bald wieder besser gehen, und dann werde ich die ganze Summe auf einmal überbringen können; und du weißt wohl, wenn ich sie nur teilweise ablieferte, würde ich ins Gefängnis kommen und Hiebe auf die Fußsohlen versetzt kriegen, deswegen muß ich deine Großmut und Güte abermals anflehen, auf daß du mir erlassest, an solch glückseligem Tage mit dir zu gehen. Nimm auch, bitte, diese Tüte voll Zuckerzeugs für deine kleinen Kinder mit und verschmähe dieses Papier nicht, das zwanzig Dirhems für ein Bad enthält!«

Sobald das Klingen von zwanzig Dirhems in Basems Ohren tönte, fühlte er sich sehr geneigt, Othman zu willfahren, und war scharfsinnig genug, um aus den Worten des Obersten der Bildare bei der Übergabe des Befehls zu erkennen, daß die angebliche Schuldforderung ganz unbegründet und nur ein Vorwand war, um ihm einige Dirhems zu verschaffen.

Auch fiel ihm bei, daß ihm der Oberste der Bildare befohlen hatte, dem Zuckerbäcker nicht weiter zuzusetzen, wenn er sich anständig gegen ihn betrüge; so sprach er denn sehr glimpflich mit Othman, der seine Freundlichkeiten zehnfältig erwiderte. Zu guter Letzt sagte Basem: »O Meister Othman, ich rate dir, weder morgen, noch übermorgen, noch die ganze Woche, noch diesen Monat, noch dieses Jahr aus dem Hause zu gehen, und wenn das Jahr abgelaufen ist, wirst du es gar nicht mehr nötig haben, in den Palast zu kommen!«

Nach solchen Worten ging Basem mit seinem Zuckerzeug in der Hand seinem Hause zu; es war bereits gegen Sonnenuntergang, und er sprach zu sich selbst: ›Ich bin wieder Basem, Allah sorgt für mich! Welche Torheit war es, Bagdad verlassen zu wollen! Wo sollte es mir sonst so gut ergehen? Heute morgen fünf Dirhems, nachmittags ihrer zwanzig, macht alles in allem fünfundzwanzig!‹ Dann richtete er die Augen gen Himmel und fuhr fort: ›O Allah, laß Basem in keinem anderen Berufe sterben denn als Bildar! Möge er so jeden Tag gebraucht werden, wie es dir gefällt! Doch bei Allahs geheimem Ratschlüsse, ich will in der Lebensweise, an die ich seit zwanzig Jahren ununterbrochen gewöhnt bin, nichts ändern. Warum sollte ich es auch tun, da ich jetzt, außer einem einträglichen Amte, fünfundzwanzig Dirhems besitze!‹ Ganz vertieft in solche Betrachtungen trat Basem in sein Haus, vertauschte sein Gewand mit dem Werktagskleide und ging mit seinen Schüsseln und seinem Kruge nach dem Basar. Da sprach er bei sich selbst: ›Da ich heute fünfundzwanzig Dirhems habe, will ich jenen aufdringlichen Schuften aus Mosul, die sich so unaufgefordert in anderer Leute Sachen mischen, zum Verdruß meinen gewöhnlichen Satz verdoppeln!‹ Er wandte daher diesesmal zehn Dirhems auf, indem er die Zahl der Kerzen verdoppelte und zwei Dochte in jede Lampe steckte, so daß sein Zimmer glänzender denn je zuvor erleuchtet war. Als alles in gehöriger Ordnung war, ließ er sich frohlockend nieder, trank seinen vollen Becher dreimal aus und vergaß dabei nicht, ihn dreimal gegen das Licht zu halten, um die schöne Farbe seines Weins zu bewundern. ›Ich bin wieder Basem,‹ sprach er, ›der große Allah sorgt für mich!‹ Danach füllte er seinen Becher zum vierten Male, setzte ihn auf den Tisch und sang, ohne sich noch der im Makami erhaltenen Hiebe zu erinnern, einen Vers eines seiner Lieblingslieder, bevor er den Wein hinuntergoß.

Doch es ist an der Zeit, Basem bei seinem Weine zu lassen und zum Kalifen und seinen beiden Gefährten Dscha'afar und Masrur zurückzukehren. Es hatte aber der Kalif bis zum Spätnachmittage mit Reichsgeschäften zu tun; doch als zur Nacht Dscha'afar und Masrur vor ihm erschienen, sprach er zu seinem Großwesir: »In welchem Zustande, meinst du, wird sich der arme Basem jetzt befinden?« »Ohne Zweifel, o mein Gebieter, in dem eines Unglücklichen, der in dem Makami öffentlich geprügelt worden ist und Hiebe auf die Fußsohlen bekommen hat. Sein Gemach ist nicht mehr erleuchtet, er sitzt tief betrübt da, und der matte Schein seiner Lampe dient ihm nur dazu, ihm seinen leeren Becher und seinen unbesetzten Tisch und die Dunkelheit seines sonst so strahlendhellen Gemaches zu zeigen. Wahrscheinlich ergeht er sich in ebendiesem Augenblick in Verwünschungen gegen uns und sieht keine Gelegenheit, solche Not von sich abzuwälzen!« Der Kalif sprach: »Ich trage großes Verlangen, ihm heute nacht den üblichen Besuch abzustatten, um zu sehen, wie er sich in sein Ungemach schickt, und ihn über die Entbehrungen seiner gewöhnlichen Üppigkeit klagen zu hören, die er nach seiner Aussage schon zwanzig Jahre lang ohne eine einzige Unterbrechung fortsetzt, aber zweifelsohne heute nacht hat aufgeben müssen!« »O Beherrscher der Gläubigen,« sagte Dscha'afar darauf, »möge Allahs Segen nun und immer über dich kommen; doch laß dich bewegen, heut nacht zu bleiben, wo du bist und gebietest. Denn wenn uns jener Mann schon in der Fülle seines Wohllebens kaum höflich behandelte, was dürfen wir erst von seiner Grobheit erwarten, wenn er von Kummer und Entbehrung und Hunger bedrängt wird?« Der Kalif erwiderte: »Zwar stimmt das alles, aber trotzdem kann ich dem Verlangen, ihn zu besuchen, nicht widerstehen!« »Wenn es denn sein muß,« erwiderte der Großwesir, »so laß uns wenigstens Lebensmittel mit uns nehmen, um seinen Hunger zu stillen; denn das Sprichwort Sagt: ›Gibst du dem Munde Nahrung, blickt das Auge freundlich drein‹, und die Hauptursache seiner Unzufriedenheit mit uns war, daß wir ihm noch nicht das geringste, das nur einen Asper wert ist, mitbrachten!« »Ihn füttern«, unterbrach Masrur Dscha'afars Rede; »möge Iblis ihn mit einem Dolche füttern! Wie hat sich der filzige Schlucker gegen uns benommen? Jede Nacht trank er seinen Wein und verschlang seine Speisen und schwatzte dazwischen mit uns, aber nie bot er uns auch nur einen Bissen an!« Der Kalif aber achtete Masrurs Worte nicht, sondern wandte sich gegen Dscha'afar und sprach: »Ich billige deinen Rat sehr; der arme Schelm muß in Ermanglung jeder Speise gar hungrig sein; nimm also alles mit, was dir gut dünkt!«

Dscha'afar bestellte alsbald fünf frisch gebratene Geflügel und eine große Schüssel mit mancherlei Speisen; und als alles fertig war, verließen die drei Kaufleute aus Mosul wieder durch die Geheimpforte den Palast. Wie sie aber Basems Behausung von weitem sahen, erstaunten sie im höchsten Staunen ob des Lichterglanzes, der heller denn je von seinen Fenstern herabstrahlte; und als sie nahe herankamen, fanden sie ihren Freund in seiner gewöhnlichen Verfassung, und die ersten Worte, die ihnen von ihm ins Ohr klangen, waren: ›Ich bin wieder Basem, Allah sorgt für mich!‹ Der Kalif stellte sich unter das kleine Fenster über der Türe und sagte zu Dscha'afar: »Der Trunkenbold foppt mich gar trefflich; all unsere Vorkehrungen macht er zunichte und ermüdet meine Anstrengung, denn wir waren nicht fähig, ihm auch nur eine einzige Nacht seine Schwelgerei zu verwehren. Doch brenne ich vor allem darauf, zu erfahren, wodurch er sich instand gesetzt hat, diese Nacht noch mehr Glanz denn jemals zu zeigen. Laßt uns lauschen, ob wir etwas von dem hören können, was er in seiner Trunkenheit ausplaudert!« Und in diesem Augenblicke begann Basem ein langes und fröhliches Lied, das er zur großen Freude des Kalifen gar trefflich sang. Sobald er das Lied beendigt hatte, pochte Dscha'afar auf seines Gebieters Geheiß an die Tür. Da rief Basem mit lauter Stimme: »Wer ist denn da? Schon wieder eine Störung; haben mich denn jene Schufte aus Mosul noch nicht genug geplagt? Niemals möge ihnen Allah gnädig sein!« »Nicht doch, o Hadschi Basem,« sagte Dscha'afar in begütigendem Tone darauf, »o du Perle der Männer, o du Sohn der Großmut!« Basem erhob sich von seinem Sitze und trat an das Fenster, erkannte alsbald seinen gewöhnlichen Besuch und rief ihnen zu: »Weder erwünscht noch willkommen seid ihr mir; eure Gegenwart ist mir verhaßt. Geht mit eurem verwünschten Einmischen in andrer Leute Angelegenheiten. Trollt euch, sage ich, und wenn ihr mit euren unheilverkündenden Gesichtern nicht alsbald abzieht, komme ich, bei Allah, die Treppe hinunter und breche euch Arme und Beine. Was wollt ihr denn von mir, daß ihr mich keine Nacht in Frieden laßt?« Dscha'afar versetzte: »O Hadschi Basem, wir schwören dir bei Allah, dem Allmächtigen, wir haben ein kleines Mahl mitgebracht und bitten dich freundlich, uns deine Tür öffnen und es annehmen zu wollen!« »Es ist euch nötiger als mir,« fuhr Basem fort, »ich sitze hier mitten im Überflusse und habe gutes Fleisch und Geflügel und Zuckerwerk und Früchte und alles übrige in größerer Fülle denn je, weil ich heute mehr Geld eingenommen habe, als ich sonst nur in fünf Tagen zu verdienen pflegte. Aber geht und haltet euch ferne von mir und seht mir nicht in die Augen, denn fiele es euch einmal bei, den großen Nil zu besprechen, würde sein Lauf stillestehen, so neidisch seid ihr auf die Glückseligkeit der Menschen. Zwar sagt ihr, ihr habt etwas mitgebracht, aber, bei Allah, solches widerspräche ganz eurer Art, und eure engherzigen Seelen sind dessen nicht fähig; ihr sagt nur so, um mich zu versuchen, auf daß ich meine Türe öffne und ihr euch hier über meine Lebensweise aufhalten könnt. Ich habe euch weiter nichts zu sagen; ziehet also hin in Frieden!« Die sagten darauf: »Wenn du uns keinen Glauben schenkst, o Hadschi Basem, und uns deine Türe nicht öffnen willst, so laß doch einen Korb aus dem Fenster herab, in den wir alles legen können, das wir mitgebracht haben!« Das ließ er sich gefallen, und nachdem er die Speisen heraufgezogen hatte, trug er sie hinein, um sie bei Lichte zu besehen. Als er nun die fünf Geflügel und all die andern Gerichte erblickte, brach er in ein schallendes Gelächter aus und sprach laut zu sich selbst: ›Das ist ja herrlich!‹ Danach trat er wieder ans Fenster und rief hinunter: »Heda, o ihr Leute aus Mosul, habt ihr diese Vögel von den Dieben Bagdads gekauft oder den Straßenkehrern weggeschnappt? Denn ich kenne euch gar zu gut, als daß ich glauben könnte, ihr hättet eurem Geize einen solchen Stoß gegeben und drittehalb Dirhems für jeden Vogel bezahlt!« Sie antworteten: »Wahrhaftig, o Hadschi Basem, die Vögel sowohl wie die andern Gerichte sind wahrlich aus des Kalifen Küche!« »Wie,« rief Basem erbost darauf, »genügt es nicht, daß ihr mir eine verdammte Lüge sagt, müßt ihr auch noch den Namen des Kalifen dareinmischen und eure Speisen mit seinen vergleichen! Obgleich ihr schon eure Gaben dargebracht habt, so geht doch eures Weges; und damit Allah befohlen!« »Wie können wir fortgehen, ohne eingelassen zu werden,« entgegnete Dscha'afar, »da wir doch lediglich deshalb gekommen sind, um Abschied von dir zu nehmen, bevor wir morgen nach unserer Heimat zurückreisen!« »Nimmer möge euch der Himmel glücklich heimkommen lassen,« erwiderte Basem, »ihr habt meine Antwort bereits vernommen, und wenn ihr euch nicht augenblicklich fortschert, so will ich ein Schauer auf euch hinabsenden, solches schwöre ich euch bei meinem Haupte!« Als Dscha'afar nun merkte, daß sich Basem anschickte, seine Drohung wahrzumachen, suchte er sie abzuwenden und sprach: »Sei versichert, o Hadschi, daß wir uns nach der heutigen Nacht nimmermehr bei dir eindrängen wollen, und daß wir nur gekommen sind, um, wie's sich gebührt, als Freunde von dir Abschied zu nehmen!« Basem sagte darauf: »Ich brauche euer Abschiednehmen gar nicht, noch weiß ich von irgendeiner Freundschaft zwischen uns; aber das weiß ich wohl, nicht eher soll euch meine Türe aufgemacht werden, als bis jeder von euch einen feierlichen Eid geleistet hat, daß ihr mich durch euer naseweises Einmischen in meine Angelegenheiten nicht ärgern und nach dieser Nacht die Ruhe meines Hauses nicht weiter stören wollt!«

Als alle drei solches geschworen hatten, wurde ihnen die Türe geöffnet, und sie folgten Basem die Treppe hinauf in sein Gemach, wo sie alles in größter Üppigkeit fanden; als sie hier ein Weilchen gesessen hatten, währenddem Basem allein einige Becher leerte, sprach der Kalif leise zu Dscha'afar: »Ich brenne darauf, zu erfahren, woher diese Fülle stammt; es muß heute wahrlich etwas Außergewöhnliches vor sich gegangen sein, suche ihn zu bestimmen, daß er es uns erzählt!« Dscha'afar erwiderte: »Besser wäre es, o Beherrscher der Gläubigen, wir warteten, bis ihm der Wein noch mehr zu Kopfe gestiegen ist; augenblicklich ist er noch nicht in der Laune, uns Antwort zu stehen!«

Basem fuhr fort mit Trinken, ohne sich um die Gäste zu bekümmern, bis ihn der Kalif ersuchte, er möchte sie doch mit einigen seiner lustigen Schwanke und muntern Lieder erfreuen, da es doch die letzte Nacht ihrer Zusammenkunft wäre. »Herzlich gerne,« entgegnete Basem und fuhr fort: »O meine Gäste, ihr müßt wissen, daß der Frühling, die Blüte der Jahreszeiten, und die Tage der Rosen die wonnevollsten aller Zeiten sind. Vor alters hat schon Hippokrates, der große Arzt, gesagt, daß jeder, der sich des Lenzes nicht freut und nicht den entzückenden Hauch der Frühlingslüfte empfindet, von krankhafter Leibesbeschaffenheit sein muß und des Arztes bedarf. Einige der persischen Weltweisen vergleichen den Frühling mit der Schönheit eines Antlitzes: ein Lächeln, das herrliche Zähne enthüllt; Hoheit und Ebenmaß der Gestalt, Anmut der Bewegung, Großmut des Herzens und Freundlichkeit des Gemüts!« Nach solcher ernsthaften Rede unterhielt Basem seine Gäste mit einer Menge lustiger Trinklieder und vergaß nicht zwischendurch seinen Becher zu leeren und an den Rosen zu riechen, mit denen sein Tisch bestreut war und auf die seine Lieder häufig anspielten.

Der Kalif aber unterhielt sich prächtig, und Basem war so gut gelaunt, daß es schon spät war, als Harun al-Raschid seinen Wesir wieder aufforderte, Basem nach den Ereignissen des Tages zu fragen. Dscha'afar tat sein möglichstes, um dem Kalifen auszureden, sich der Gefahr auszusetzen, daß Basem, der jetzt gerade so vergnügt und auf dem Höhepunkt der Lustigkeit war, plötzlich wütend würde; doch der Kalif war unbeugsam und Dscha'afar mußte gehorchen und fing an: »O Hadschi Basem, es ist heute das letztemal, daß es uns gestattet ist, dich zu belästigen, denn morgen verlassen wir Bagdad; aber ehe wir fortgehen, wünschen wir sehr gern zu wissen, was heute vorgegangen ist und diese ungewöhnliche Festlichkeit verursacht hat; wir schwören hiermit, keine weitere Frage an dich zu tun!« Kaum hatte nun Basem solches Anliegen vernommen, als seine Augen anfingen, Feuer zu sprühen, und seine Augenlider sich weit öffneten; sein Hals aber schwoll auf, und sein Blut pochte hörbar in allen Adern. Und er schrie in äußerster Wut: »O ihr erbärmlichen Schufte, o du Kaldaunensack mit dem alten Katzenbart, mehr als deine Genossen ärgerst und erbost du mich! Sogleich werde ich aufstehen und dich erwürgen oder deinen Schädel spalten!« Dscha'afar aber antwortete auf solche Drohung bittenden Tones: »O Hadschi Basem, glaube uns, wenn wir dir versichern, daß wir deine Güte und Gastfreundlichkeit mit dem größten Danke anerkennen. Wir stehen im Begriff, für immer von dir zu scheiden, und wünschen, daheim nur Gutes von dir zu erzählen und zu bewirken, daß auch andere Leute dich preisen. Morgen um diese Zeit sind wir schon fern von Bagdads Mauern, laß uns also ...« Da unterbrach ihn Basem: »Daß ihr verflucht seid, bei Allah! wie ein Fürst habe ich seit zwanzig Jahren gelebt, bis ich eure verwünschten Gesichter sah, die meinen Frieden störten und mich in Unruhe stürzten. Seitdem bin ich Tag für Tag von einem Gewerbe zum anderen, von einer Beschäftigung zur anderen getrieben worden; und alles solches kommt von dem bösen Einflüsse eurer neidischen Augen her. Doch ich mache mir nichts daraus, denn immer noch bin ich Basem, und Allah sorgt für mich! Am heutigen Tage«, fuhr er fort, »sind mir so seltsame Abenteuer zugestoßen, wie sie nie zuvor noch in Zukunft jemals einem Sterblichen begegnen werden.« »Ich beschwöre dich bei Allah und dem Jüngsten Gerichte,« sagte Dscha'afar dawider, »erzähle uns diese Abenteuer!« »Verlangt ihr das wirklich?« Da antwortete Dscha'afar: »Ja, wahrlich!« »So will ich euch denn«, redete Basem weiter, »unter Allahs Schutze alles erzählen; nicht um eure Herzen zum Mitleid mit meinen Unfällen zu rühren, sondern auf daß ihr die seltsamen Fügungen des Lebens bewundert. Wisset denn, o meine Gäste, ich stand heute früh später auf als gewöhnlich und war voll des freudigen Gedankens, daß ich nun ein Makil sei. Und ging nach dem Makami und fand den Diwan schon versammelt!« Danach erzählte er alles, was er erlitten hatte. »Und nach diesem Unfalle, o meine Gäste,« fuhr Basem fort, »ging ich nach Hause, kaum wissend, wo ich ging, und voll des Unmutes gegen ganz Bagdad und das Leben selbst. Der Kalif, dieser Querkopf und ich, sprach ich zu mir selbst, können nimmer an ein und demselben Orte leben, und so beschloß ich, ihm Bagdad zu lassen und mein Glück anderswo zu versuchen. Hier, wo ich jetzt gar fröhlich sitze, saß ich niedergedrückt von Betrübnis und Verzweiflung, denn ich wußte nicht, wohin ich mich wenden sollte, und hatte keinen Asper in der Tasche. In solch kläglichem Zustande blieb ich wohl eine Stunde lang, dann sprang ich auf, um mich zum Abmarsch zu rüsten. Ich nahm einen Mandelzweig, der mir dazu diente, meine Gewänder aufzuhängen, und gab ihm die Form eines Schwertes, steckte ihn in eine alte Scheide, die ich zufälligerweise liegen hatte, und wickelte ein Stück Wachstuch um den Griff. Hierauf wand ich um meinen gewöhnlichen Turban noch einen andern, verdickte ihn durch ein Stück Filz und stutzte ihn sorgsam mit rings aufgebauschten Ecken. Dann trennte ich die Ärmel von meinem Rock und zog ihn vorn auf, umgürtete mich mit meinem Schwertgehenk und stülpte den dickwulstigen Turban auf den Kopf. In solchem Aufzuge nun verließ ich mein Haus; und als ich so mit dem Mandelzweige unterm Arme einherschlenderte, hielt mich das Volk für einen der Bildare des Kalifen. Ich kam so nach der Kaufhalle der Waffenschmiede, wo sich gerade zwei Kerle balgten, die schon ganz blutüberströmt waren. Die Zuschauenden wagten sich nicht einzumischen, ich aber trieb sie mit meinem Mandelzweige auseinander, und der Scheich des Marktes reichte mir fünf Dirhems, auf daß ich die beiden Übeltäter zu ihrer Bestrafung nach dem Kalifenpalaste brächte. Ich nahm das Geld als eine erwünschte Beisteuer zu meiner Reise; ging mit meinen beiden Gefangenen weg, ließ sie aber unterwegs entwischen. Da ich nun in der Nähe des Palastes war, trat ich hinein und sah in einem Saale den Großwesir Dscha'afar sitzen, der, bei Allah, im Gesichte einige Ähnlichkeit mit dir, du Schmerbauch, hat, und auch sein Wanst ist völlig dem deinen ähnlich. Welch Unterschied besteht aber sonst zwischen dir und ihm! Er steht bei dem Beherrscher der Gläubigen hoch in Ehren, du jedoch bist ein armseliger Bursche, der sich in fremder Leute Angelegenheiten mischt, ein Gast, der sich unaufgefordert eindrängt, wo er nicht willkommen ist!« Basem beschloß seine Erzählung mit einem umständlichen Berichte von seinem Empfange in dem Laden Meister Othmans, des Zuckerbäckers, und von seinen Geschenken.

Basems Gäste hatten seiner Geschichte aufmerksam gelauscht und fanden sie tatsächlich seltsam genug. Darauf sprach Dscha'afar: »O Hadschi, ich gestehe, du sagst mit Recht, daß kein anderer vor dir erlebt hat, was dir heute begegnet ist!« Basem entgegnete: »Ja, und all dies Gute ist mir dem Kalifen zum Trotze widerfahren. Als ich den Meister Othman verließ,« fuhr er fort, »ging ich nach dem Basar, erstand von allem mir Nötigen das Doppelte und erleuchtete mein Gemach, wie ihr seht. Der Kalif, der dumme Patron, kann mir doch weder mein Haus verschließen noch durch seine Befehle meine Lust verwehren!« Nachdem er freudestrahlend solches verkündet hatte, füllte er seinen Becher und sang ein Lied; darauf trank er seinen Wein aus und aß etwas von seinem Kabab und einige Pistaziennußkerne. Sodann füllte er seinen Becher von neuem, drehte ihn dreimal um das Licht und sang dazu den Vers eines Trinkliedes. Beim Trinken eines zweiten Bechers aber sagte er: »Dies dem Kalifen zum Possen! Ich habe heute mein Geld und mein Zuckerwerk bekommen und habe Geflügel gegessen. Bei Allah, als Bildar will ich leben und sterben!«

Den Kalifen ergötzte die Art, wie Basem seine Geschichte erzählte, außerordentlich, und er lachte bei mehreren Stellen herzhaft. ›Er ist ein unverwüstlicher Glückspilz,‹ sprach er bei sich selbst, ›dennoch will ich morgen ein Mittel zu seiner Demütigung und Beschämung finden!‹

Es war bereits um Mitternacht, als der Kalif und seine beiden Begleiter aufstanden, um sich förmlich von Basem zu verabschieden. »Wir bitten dich um die Erlaubnis, nach Hause gehen zu dürfen«, sprachen sie. Basem erwiderte, ohne sich vom Flecke zu rühren: »Ihr seid eure eigenen Herrn, die Erlaubnis steht bei euch selbst. Allah bedrohe den mit Unheil, der sich euren Besuch wünscht. Möge euch nichts Gutes begegnen!«

Die Kalifleute aber konnten sich des Lachens ob dieses gesegneten Abschiedes nicht enthalten und ließen ihm beim Hinuntersteigen der Treppe freien Lauf; nachdem sie die Haustüre hinter sich verschlossen hatten, kehrten sie wie gewöhnlich nach dem Palaste zurück.

Am folgenden Morgen nach Sonnenaufgang sprang Basem, den Schlaf aus den Augen reibend, auf, und sagte: ›Ein neuer Tag! Eine neue Bescherung! Beim Himmel, als Bildar will ich leben und sterben!‹ Dann legte er sein Gewand an, wie am Vortage, kämmte seinen Bart, stutzte seinen Schnauzbart und ging weg, ohne zu ahnen, was seiner harrte. Bei seiner Ankunft in dem Palaste stellte er sich, ohne weitere Umstände zu machen, unter die zehn Bildare, die den Tagesdienst hatten.

Als der Kalif in den Diwan kam, suchten seine Augen Basem unter den Bildaren, und sogleich erkannte er ihn, wie verkleidet er auch war, und rief nun Dscha'afar, welcher sich sofort vor ihm niederwarf, und sagte zu ihm:

»O Dscha'afar, siehst du dort unseren Freund Basem? Jetzt sollst du gleich sehen, wie ich ihm Angst einjagen will!«

Darauf wurde der Erste der Bildare aufgerufen, und nachdem er sich vor dem Kalifen verbeugt hatte, stand er schweigend da; der aber sprach zu ihm: »Wie groß ist die Zahl deiner Leute?« Der Erste antwortete ihm: »Alles in allem dreißig Mann, von denen zehn drei Tage Dienst im Palaste haben und nach Verlauf dieser Zeit von zehn andern abgelöst werden, so daß abwechselnd stets dieselbe Zahl im Dienste ist!« Da fuhr der Kalif fort: »Ich will die heute Anwesenden alle sehen und mustern!« Der Hauptmann hob beide Hände über seinen Kopf und verneigte sich zum Zeichen seines Gehorsams bis auf den Boden und trat zurück; sodann wandte er sich gegen die Türe und rief mit schallender Stimme: »O Bildare! Der Beherrscher der Gläubigen befiehlt, daß alle, die gegenwärtig sind, vor ihn treten sollen!« Dem Befehle wurde auf der Stelle nachgekommen, und mit den übrigen stellte sich auch Basem im Saale auf; doch war er nicht ohne Unruhe und sprach bei sich selbst: ›Der Himmel sei mir gnädig, was soll das alles bedeuten? Gestern wurde beim Kadi gezählt und gemustert, und heute beim Kalifen ebenfalls. Bei Allah, solches gibt den Essig auf das gestrige Baumöl!‹ Der Kalif aber fragte jetzt den ihm zunächst stehenden Bildar: »Wie heißest du?« Er antwortete: »Achmed, o mein Gebieter!« »Wessen Sohn bist du?« »Abdallahs Sohn!« »Welchen Sold erhältst du, o Achmed?« »Zehn Golddinare monatlich, täglich fünfzehn Pfund Hammelfleisch und ein vollständiges Gewand jährlich.« »Bist du schon lange im Dienst oder erst seit kurzem?« »Ich folgte meinem Vater, der ihn zu meinen Gunsten niederlegte, und bin mit dem ehrenvollen Amte sehr zufrieden!« Da sprach der Kalif:

»Du bist seiner würdig; laß nun den nächsten vortreten!« Der folgende Bildar warf sich vor dem Kalifen nieder und stand dann zur Antwort bereit da. »Wie nennst du dich, wie heißt dein Vater und wieviel beträgt dein Sold?« Der antwortete: »O Beherrscher der Gläubigen, ich heiße Khalid und bin Madscheds Sohn; mein Großvater hieß Salim und war Renims Sohn. Wir haben dies ehrenvolle Amt schon seit Abbas, deines Stammvaters, Zeiten inne. Ich erhalte zwanzig Golddinare, außerdem Hammelfleisch und Mehl und Zucker und Granatäpfel in herkömmlichem Verhältnisse. Es ist jetzt schon manches Jahr, daß mein Haus gemächlich von diesem Solde gelebt hat, der vom Vater auf den Sohn vererbt ist!« »Stelle auch du dich abseits und laß einen andern vortreten!«

Während der Kalif die Bildare so musterte, geriet Basem, je näher die Reihe an ihn kam, mehr und mehr in Angst. ›Guter Allah,‹ sprach er zu sich selbst, ›das folgende Unglück ist noch immer schlimmer als das vorhergehende; bis auf den heutigen Tag war so etwas wie diese Musterung ganz unerhört. Hier gibt es keine andere Rettung und Hilfe als bei Allah! Bei Allah, dieser Handel ist noch zehnmal schlimmer als der bei dem Kasi! O schwarze Unglücksstunde!‹ fuhr er mit seinem Selbstgespräche fort, ›ei Basem, weshalb verließest du gestern Bagdad nicht? Da sieh nun die Früchte deiner Entschlußänderung! Nichts wie Unheil kommt über dich. Nun wird sich der Kalif nach deinem und deines Vaters Namen und nach deiner Besoldung erkundigen; was willst du ihm antworten, wenn er nun danach fragt? Wenn du antwortest: Mein Name ist Basem, der Grobschmied, wird er da nicht ausrufen: O du Spitzbube, wer machte dich zum Bildar? Wer bist du, der du es wagst, meinen Palast zu verunreinigen, indem du dich unter meine Bildare mischest? Wehe mir, hier gibt es keinen Trost und keine Hilfe als bei Allah!‹ Der Kalif beobachtete fortwährend Basem in seiner Angst und hatte Mühe, sich nicht zu verraten; mehrmals mußte er gar sein Schweißtuch in den Mund stopfen, um sich das Lachen zu verbeißen, oder sein Gesicht abwenden, um sich nicht zu verraten.

Der letzte der Bildare war nun gemustert; alle standen beisammen auf einer Seite, und Basem blieb allein auf der anderen in Furcht und Zittern und mit gesenkten Augen und ganz verstörtem Wesen. Nur mit äußerster Anstrengung konnte der Kalif das Lachen zurückhalten, als er ihn vortreten hieß. Der Befehl mußte dreimal wiederholt werden, denn Basem stand wie erstarrt am Boden angenagelt da. Der erste der Bildare weckte ihn schließlich durch einen Rippenstoß und sagte: »O du Kerl, antworte dem Beherrscher der Gläubigen!« Basem fuhr wie aus dem Traume auf und fragte hastig: »Was soll es denn?« Der Kalif fragte: »Wie heißest du?« Basem erwiderte ganz bestürzt: »Meinst du mich, o Herr ?« »Jawohl, dich meine ich!« Basem wollte hierauf vortreten, aber seine Glieder versagten ihm fast den Dienst, er tat einen Schritt vorwärts und wieder einen zurück, bis er nahe genug herangeschlottert war, um Rede zu stehen. Seine Gesichtsfarbe war ganz gelb geworden, seine sonst so bewegliche und scharfe Zunge zitterte; und er stand völlig ratlos da und wußte nicht, was er sagen sollte, starrte zu Boden und kratzte sich, wo es ihn nicht juckte.

Der Kalif aber, der Basems Zustand merkte, mußte sich alle Gewalt antun, um nicht laut aufzulachen; und während er mit Basem redete, mußte er sich zu often Malen umdrehen und sein Tuch vor den Mund halten. Und der Kalif fragte ihn nun nach seinem und seines Vaters Namen und seiner gegenwärtigen Besoldung und wie er zu seinem Amte gekommen war. Basem fragte: »Sprichst du zu mir, o Hadschi Kalif?« Der antwortete ruhig: »Ja!«

Dscha'afar jedoch, der neben seinem Gebieter stand, sagte zornigen Tones zu Basem: »O du Lump von Bildar, antworte dem Beherrscher der Gläubigen auf der Stelle und rede ehrfurchtsvoller, oder mein Schwert soll dir alsobald in den Nacken fahren!« Grenzenlos war jetzt Basems Bestürzung; sein Gesicht wurde noch fahler als zuvor und seine Zunge zitterte. ›Bei Allah,‹ sprach er bei sich selbst, ›das Mißgeschick weicht nicht von mir, um auch einmal jemand anders heimzusuchen. O du Unglückseliger, alles hast du zu erwarten, außer dem Leben; denn nun ist der Augenblick gekommen, in dem du entlarvt wirst, und sicher wird dir der Kalif den Kopf herunterschlagen lassen. Allah allein bleibt mir, und in ihm allein ruht meine Hoffnung!‹ Nach einer Weile sprach er zu dem Kalifen, der inzwischen seine Fassung wiedergewonnen hatte, und antwortete ihm hastig: »Ja, ja, o Hadschi Kalif, ich bin ein Bildar, der Sohn eines Bildars, und meine Mutter war Bildar vor mir!« Weder der Kalif noch sein Wesir noch irgendeiner der Anwesenden konnte sich bei solch toller Antwort ein Lachen verkneifen. »Du bist also ein Bildar, der Sohn eines Bildars, und dein Sold beträgt zwanzig Golddinare und fünf Pfund Hammelfleisch, und das ist dein jährliches Einkommen?« Basem antwortete: »Ja, ja, o Beherrscher aller Gläubigen, der Himmel verleihe dir dafür seinen Segen!« »Diese Besoldung, die sich von deinem Großvater und Vater auf dich vererbte, hast du nun. Schön. Jetzt wähle dir drei andere Bildare aus, die dir nach dem Blutturme folgen sollen, und bringe mir sogleich vier Straßenräuber her, die darin sitzen und schon ihre Schuld eingestanden haben!« Hierzu riet der Wesir, es würde wohl besser sein, den Wali, den Oberaufseher des Gefängnisses, zu beauftragen, die Gefangenen vorzuführen; und der Kalif stimmte dem zu. Nach einiger Zeit trat der Wali mit den vier Gefangenen herein, denen die Arme auf den Rücken gebunden und die Köpfe entblößt waren. Es waren dies aber nicht nur Straßenräuber, die auf der Heerstraße geraubt, sondern dabei auch wider Allahs Gebot gemordet hatten. Als sie; nun vor dem Kalifen standen, fragte er sie, ob sie zu jener Bande gehörten, die sich solcher Freveltaten schuldig gemacht habe. Die aber sagten: »O Beherrscher der Gläubigen, wir waren von Allah verlassen und vom Bösen besessen und sind Mitschuldige ihres Verbrechens; aber wir erscheinen hier voll Demut und Reue vor dem Gebieter der Gläubigen!« Der Kalif erwiderte: »Ihr seid Verbrecher solcher Art, für die es kein anderes Mittel als das Schwert gibt!« Und er befahl hierauf den drei von Basem bestimmten Bildaren, jeder solle einen Gefangenen greifen und ihm das Gewand aufschlitzen, dann die Augen verbinden, das Schwert ziehen und der weiteren Befehle warten. Die drei Bildare verneigten sich und sprachen: »Wir sind bereit, Allah und dir zu gehorchen!« Und jeder von ihnen ergriff einen von den Gefangenen und ließ ihn mit gebundenen Armen und verhüllten Augen in einiger Entfernung niederknien. Darauf stellten sich die Bildare mit gezückten Schwertern hinter die Gefangenen und sagten: »O Beherrscher der Gläubigen, sollen wir zuhauen?« Während nun die drei Bildare, jeder mit seinem Gefangenen, also dastanden, stand Basem in angstvollen Erwägungen versunken. ›Solches fehlte noch,‹ sprach er bei sich selbst, ›jeder neue Unfall ist immer noch schlimmer als der vorige. Bei Allah, nun ist der Tod unvermeidlich!‹ In diesem Augenblicke rief der Kalif ihm zu: »Du da, bist du nicht meiner angestellten Bildare einer? Warum führst du deinen Gefangenen nicht fort, wie es deine Gefährten getan haben?« Basem mußte nun notgedrungen gehorchen, legte Hand an den vierten Gefangenen, band ihm die Hände auf den Rücken, schlitzte ihm das Gewand auf und band ihm ein Tuch vor die Augen; danach trat er, ohne freilich das Schwert zu ziehen, hinter ihn. ›Ich bin verloren,‹ dachte er bei sich, ›wie kann ich mein Schwert gebrauchen? Alsbald wird es als ein Palmholzstab erkannt werden, ich werde ein Spott aller Leute, und der Kalif läßt mir den Kopf herunterschlagen. In welch unseliger Klemme sitze ich!‹ Er löste hierauf sein Schwert von dem Gürtel, faßte den Griff mit der rechten Hand und hielt das Schwert mit der Scheide im linken Arme. Der Kalif ergötzte sich gar weidlich an diesen Gebärden und rief ihm dann zu: »O Bildar, warum ziehst du dein Schwert nicht aus der Scheide, wie es deine Genossen getan haben?« Basem erwiderte: »Es ist nicht gut, daß ein blankes Schwert dem Beherrscher der Gläubigen die Augen blende!« Der Kalif schien sich mit dieser Antwort zu begnügen, wandte sich gegen den ersten Bildar und befahl ihm, den Streich zu tun; augenblicklich lag das Haupt vom Rumpfe getrennt. »Gut getroffen, Achmed«, sagte der Kalif und ließ ihm gleich ein Geschenk reichen und seinen Sold erhöhen. »Jetzt, Othman,« sprach er zu dem zweiten Bildär, »richte du deinen Missetäter!« »Ich bin bereit zu gehorchen«, antwortete ihm Othman, schwang mit auswärts gebogenem Arme sein Schwert, und mit einem Hiebe flog der Kopf eine Strecke von der Schulter weg. Der Kalif lobte seine Geschicklichkeit und sprach ihm die gleiche Belohnung wie dem vorigen zu. Dann wurde der dritte Übeltäter enthauptet, und der Bildar empfing dieselbe Gnadenbezeigung wie seine Genossen.

Jetzt wandte sich der Kalif zu Basem und sagte: »Nun, mein bestallter Bildar, jetzt richte du deinen Missetäter hin, wie es deine Genossen taten, und verdiene dir die gleiche Belohnung.« Doch Basem stand in Gedanken versunken, oder vielmehr in einer Art Betäubung da, bis Masrur zu ihm trat und ihn in die Seite stieß und ihm ins Ohr flüsterte: »Antworte dem Beherrscher der Gläubigen und vollstrecke seinen Befehl, oder dein eigener Kopf soll dir alsbald vom Eumpfe fliegen, wie die Köpfe der Wegelagerer!« Basem schreckte aus seinem Hinbrüten auf, richtete den Kopf hoch und sagte: »Ja, ja, o Beherrscher der Gläubigen!« Da rief der Kalif abermals: »Schlage deinem Gefangenen den Kopf herunter.« Basem sagte darauf: »Bei meinem Kopfe und meinen Augen, es soll geschehen.« Dann näherte er sich dem noch lebenden Übeltäter und sprach zu ihm: »Es ist das Geheiß des Sultans, daß ich dir den Kopf herunterschlagen soll. Bist du gefaßt, dein Glaubensbekenntnis herzusagen, so tue es, denn dieses ist die letzte Stunde, die dir Allah noch zu atmen vergönnt!« Der Missetäter sagte hierauf vernehmlich sein muselmännisches Glaubensbekenntnis her.

Basem aber streifte seinen rechten Ärmel bis zum Ellenbogen auf, rollte seine Augen fürchterlich und ging so dreimal um den Missetäter herum, während er ihn aufforderte, seinen Glauben zu bekennen, und ihn damit tröstete, daß es so Allahs Fügung und dieser Tag von der Vorsehung zu seinem Scheiden aus der Welt bestimmt sei. Und er fügte hinzu: »Wenn du hungrig bist, will ich dich satt machen; bist du durstig, will ich dir zu trinken geben; bist du aber unschuldig, so sage mit lauter Stimme: ich bin unschuldig!« Der Kalif beachtete genau alles, was Basem vornahm, und ergötzte sich weidlich an seiner Unbefangenheit. Der Übeltäter rief jedoch mit lauter Stimme: »Ich bin unschuldig!« »Du lügst,« entgegnete Basem, »doch habe ich ein Geheimnis, welches ich nur dem Kalifen offenbaren will!« Und er trat hierauf zu dem Kalifen, küßte den Boden und sprach: »O Beherrscher der Gläubigen, höre nur zwei Worte von mir an: ich führe beständig einen Schatz bei mir, der schon lange in meiner Familie ist. Mein Vorfahr erbte ihn von seinem Vorfahr, und mein Vater von seinem Vater; meine Mutter erbte ihn von meinem Vater, und von meiner Mutter kam er an mich. Es ist dieses Schwert« – und damit legte er es vor dem Kalifen nieder–, »in dem ein Zauber verborgen ist. Die Macht dieses Zaubers aber ist höchst wunderbar, o Hadschi Kalif«, redete er weiter; »ist dieser Mann unschuldig, so verwandelt sich dieses Schwert, wenn es gezückt wird, in Holz, ist er aber schuldig, so fährt ein Feuerstrahl daraus hervor, der seinen Hals zerschmettert, wie wenn er ein Rohr wäre!« »Nun denn, so laß uns die Probe des Wunders sehen,« sagte der Kalif, »schwinge dein Schwert gegen den Übeltäter!« Basem antwortete: »Ich bin bereit und gehorche!« Dann trat er wieder zu dem Missetäter, nahm eine Stellung an, als wenn er den letzten Befehl vollstrecken wollte, und sprach: »Befiehl, o Hadschi Kalif!« Der Kalif wiederholte: »Schlag dem Missetäter den Kopf herunter!« Basem zog jetzt sein hölzernes Schwert aus der Scheide und rief mit frohlockender Stimme zur Belustigung und Verwunderung aller, die anwesend waren, aus: »Unschuldig! o mein Gebieter.« Als sich das Gelächter gegeben hatte, das er erregt hatte, wandte sich Basem gegen den Kalifen und sprach: »O Hadschi Kalif, dieser Mann war unschuldig verurteilt, laß ihn in Freiheit setzen!«

Nachdem der Kalif befohlen hatte, den Gefangenen zu befreien, rief er den Ersten der Bildare vor sich und sprach zu ihm, indem er auf Basem hinwies: »Laß diesen Mann sogleich mit der üblichen Besoldung auf die Liste deiner Leute setzen!« Danach befahl er, daß Basem mit einem vollständigen Amtsgewand ausgestattet werden sollte, und ließ ihm ein Geschenk von hundert Golddinaren reichen. Auch Dscha'afar und Masrur machten ihm Geldgeschenke, so daß sich Basem, der Grobschmied, auf einen Schlag in einen reichen Mann verwandelt sah. Er wurde auch bald des Kalifen Genosse bei seinen besonderen Belustigungen und stieg mit der Zeit bis zur Würde des Ersten der Bildare des Kalifen empor.


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