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Ebaseid Eleshedi erzählt: »Ich ging eines Tages zu dem Kalifen Sulaiman, dem Sohne Abd al-Maliks. Er saß in einem Saale, dessen Wände mit rotem Marmor, dessen Boden mit grünem Sammet belegt war. Vor den Fenstern des Saales, der mitten im Garten lag, rauschten Flieder und Quellen ins Lied der Nachtigallen und ins Gekose der Turteltauben. Am Kopf und zu den Füßen des auf ein Ruhebett hingestreckten Kalifen standen Mädchen, eine schöner als die andere. Die Sonne sank eben unter, und Rubinenglut durchfloß den smaragdenen Schmelz der Bäume, deren Äste sich zum Wohllaut der Vögel wiegten.

›Heil dir!‹ sprach ich, ›o Fürst der Rechtgläubigen, o Nachfolger des Propheten, Allahs Barmherzigkeit und Segen komme über dich!‹ Der Kalif hob sein Haupt auf und sprach: ›O Ebaseid, wünsche mir Frieden und Ruhe in solcher Zeit.‹ ›Allah möge dir Frieden und Ruhe schenken und ihren Preis dazu!« ›O Ebaseid, und was wünschest denn du dir?‹ ›O Herr, ich wünsche mir nichts als einen rubinroten Trank in spiegelndem Kristall; aber kredenzt müßte er mir werden durch das schönste und leicht geschürzteste Mädchen von Bagdad, und ich möchte ihn aus ihrer hohlen Hand trinken und dann den Mund an ihrem Arme abwischen.‹

Sulaiman schwieg, aber Funken des Zornes sprühten aus seinen Augen. Grimmig rollten die, und die schönen Sklavinnen zitterten. Endlich hob er das Haupt empor und sprach: ›O Ebaseid, deine letzte Stunde ist gekommen, und ich lasse dir wahrlich den Kopf vor die Füße legen, wenn du mir nicht sogleich in Wahrheit gestehest, wie du zu diesem Wunsche gekommen bist, der gewiß nicht ohne außerordentliche Veranlassung deinem nüchternen Gehirn entdampfte!« ›Deine Erhabenheit hat es erraten. Ich saß am Throne deines Bruders Saad, des Sohnes Abd al-Maliks, als sich die Pforten öffneten und ein Mädchen aus dem Palaste trat, das war zart und luftig wie eine Gazelle, die dem Netze des Jägers entwischt. Es war gekleidet in ein feines durchsichtiges Hemd von alexandrinischer Seide, das den schönen Busen weder drückte noch schmückte, sondern Form und Farbe gleich verriet. Goldene Fußbänder aber klirrten an den Knöcheln, deren Weiße vom roten Saffian der Pantoffeln wie weißer Sammet abstach. Ihre Brauen hatten Bogen gespannt über den mit Zauberei erfüllten Augen. Die Wangen waren aus weißen und roten Rosenblättern aufgehaucht, und der Mund schien ein aufgeschnittener Pfirsich, aus dem Blut träufelt.

Sie sprach für sich im Gehen: ›Was klaget die Laute, was lärmet das Tamburin? Was flötet die Nachtigall, was seufzet die Rose? Ach! Liebe und Leben, wie bitter und kurz! Das Herz pocht, der Verstand grollt, der Geist ermattet, die Kraft erstirbt. Ein langer Schlaf senkt sich herunter auf die Müden. Allahs Segen über die, so getrennt leben, aber doch vereint sterben! Ach wie schön, wenn sich das Glück durch List und die Liebe nach Wunsch fände; wie glücklich wäret ihr nicht alsdann, o ihr Männer! o ihr Frauen! Doch wer hat Anka gesehen auf dem Gipfel des Gebirges Kaf?‹

Als sie ausgesprochen hatte, redete ich sie an: ›O Mädchen, bist du eine Menschentochter oder eine Dschinnijah? Ein irdisches oder ein himmlisches Geschöpf? Dein hoher Geist, dein tiefes Gefühl haben mir Herz und Sinne geraubt!‹ Sie verhüllte dann ihr Gesicht mit den Ärmeln ihres Hemdes, als ob sie mich nicht vorher schon gesehen hätte. ›Verzeih,‹ sprach sie, ›o du Schönredner, traurig ist die Stunde, allwo sich das Herz allein ergießt und kein Vertrauen als die Luft anspricht!‹ Sie kehrte um und entfloh. Und bei Gott, o Fürst der Rechtgläubigen, seitdem schwebt mir ihr Bild in jedem Augenblicke vor den Augen. Ich kann nichts Gutes genießen, ohne mich an sie zu erinnern, ich kann nichts Schönes sehen, ohne ihrer eingedenk zu sein.‹

›Deine Beschreibung, o Ebaseid,‹ sprach der Kalif, ›hat meinen Unwillen versöhnt, und ich fühle mich dir wieder in Gnaden gewogen, wiewohl sich mein gefaßter Verdacht mit Gewißheit bestätigt hat. Ich dachte sogleich, es müßte ein außerordentliches Geschöpf gewesen sein, dem es gelang, einen Kopf wie deinen, o Ebaseid, in helle Flammen zu setzen. Ich dachte, dies müßte nur meiner Delfa möglich sein, und so ist es, Delfa ists, die du gesehen hast, mein Liebling Delfa, von der mit Recht der Dichter gesungen:

Delfa, du bist ein einziger Rubin aus Bedachschans Minen – Der aus dem Säckel das Geld fürstlichen Käufern entlockt.

Tausendmal tausend und mehr geb ich für dich mit Vergnügen – Liebst du nur immer auch mich, den, der am teuersten zahlt.

Immer von Liebe beseelt wird dir ein ewiges Leben – Denn der Haß allein wird von dem Grabe gedeckt.«


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