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Abu Nowas und Zeineddin ibn al-Wardi, zwei der berühmtesten Hofdichter des Kalifen, unterhielten sich eines Tages zusammen von Gespenster- und Satansgeschichten. Nachdem sie lange darüber in Prosa gesprochen hatten, dichtete der erste die Erzählung des folgenden Abenteuers aus dem Stegreif:
Es kam in einer Nacht zu meinem Bette – Fürst Satan, wie er lebt und leibt.
Er sagte: Ei! hast du ein liebes Mädchen, – Mit dem man sich den Schlaf vertreibt?
Ich sagte: ja. Er sprach: Hast du ein Weinlein – Von Adams Zeiten eingelegt?
Ich sagte: ja. Er sprach: Hast einen Sänger, – Der Steine durch Gesang bewegt?
Ich sagte: ja. Er sprach: Hast einen Tänzer, – Dem Alkohol die Wimpern schwärzt?
Ich sagte: ja. Er sprach: Hast du ein Knäblein, – Das willig mit dir kost und scherzt?
Ich sagte: ja. Er sprach: So schlaf, ich will dich weihen – Zum Tempel, zur Kaaba aller Schelmereien.
Zeineddin ibn al-Wardi entgegnete:
Ich schlief, da kam zu meinem Bett der Teufel – Mit tief durchdachter Höllenlist.
Er sprach: Hast du vielleicht ein Opiatchen, – Das süßen Schlaf in Glieder gießt?
Ich sagte: nein. Er sprach: Hast du kein Weinchen, – Das Feuer durch die Adern sprüht?
Ich sagte: nein. Er sprach: Hast keinen Sänger, – Des Lied die Herzen nach sich zieht?
Ich sagte: nein. Er sprach: Hast du kein Mädchen, – Mit einem hellen Mondgesicht?
Ich sagte: nein. Er sprach: Hast keine Leier, – Um die ein Blumenkranz sich flicht?
Ich sagte: nein. Er sprach: So schlafe fühllos fort, – Du Block von Holz und Stein verdienst kein ander Wort.
Ein andermal befand sich Asmai beim Kalifen an einem der längsten Winterabende, um ihm die Zeit zu kürzen. »Wer ist deine Bettgefährtin?« fragte der Kalif. »Ich habe keine, o allergnädigster Herr, und bringe meine Nächte allein auf meinem kalten Lager zu!« »Das ist nicht, wie es sein sollte, der Himmel schickt dir an einem dieser Tage gewiß eine Bettgenossin, unterdessen kannst du für heute schlafen gehen!« Asmai empfahl sich und ging nach Hause. Aber kaum hatte er sich niedergelegt, als ein großes Getümmel vor seiner Tür entstand: Sänften und Fackeln und Sklavinnen und Träger. Er wußte nicht, was das zu bedeuten hatte, und machte die Türe auf, und siehe da, es war die erste Favoritin, von Sängerinnen und Tänzerinnen begleitet, die da kam, um auf Befehl des Kalifen dem Dichter für diese Nacht Bettgesellschaft zu leisten.
Asmai fühlte sich beim Anblick so vieler Schönheiten von Entzücken durchbebt, wußte aber nicht, wie er sich benehmen sollte bei ihrem Empfange. Die Favoritin riß ihn sogleich aus der Verlegenheit, indem sie ihren Sklavinnen Musik zu machen und das Nachtmahl zuzubereiten befahl. Asmai mußte trinken, und zwar von den besten Weinen aus dem Keller des Kalifen. Nach dem Nachtmahle ließ sie Brautgewänder bringen für sich und für Asmai, bekleidete sich mit dem verführerischen Nachtgewande und winkte den Sklavinnen, sich zu entfernen. »Komm,« sprach sie, »o Asmai«, indem sie zuerst ins Bette stieg.
Der arme Asmai stieg hinein, von Begier und von Furcht zugleich ganz außer sich. Denn wie sollte er solchem Reiz widerstehen, und wie sollte er seinen Kopf retten, wenn er sich vermäße, des Kalifen Kleinod zu berühren. Er legte sich an das äußerste Ende des Lagers, ohne sich zu rühren. Die Favoritin ließ nichts unversucht an Liebkosungen, um ihn aus seiner Fassung zu bringen. Es war umsonst, er blieb wie erstarrt, ohne sich zu regen und zu bewegen, halbtot vor Lust und Furcht. Die Favoritin wurde böse, daß ihre Reizungen fruchtlos blieben, und fing an, ihn mit Schimpfworten zu geißeln, die aber nicht mehr Wirkung taten als ihre Liebkosungen. Gegen Morgen klatschte sie in die Hände, um ihre Sklavinnen zu rufen. »Bringt mir«, sprach sie, »eine Badkufe und Wasser und Leintücher!« Asmai zitterte, rührte sich aber nicht. Als die Sklavinnen zurückgekommen waren, befahl sie: »Nehmt die Totenwaschung vor und verrichtet das Grabgebet, denn Asmai ist eine Leiche!« Die Sklavinnen verstanden den Wink, fielen über Asmai her, warfen ihn in die Kufe, rieben und rauften ihn unter dem wehmütigsten Klagegeheul. Umsonst wehrte er sich nach Kräften. Endlich gelang es ihm, sich aus ihren Händen zu retten und mit dem Leichentuche, das sie über ihn geworfen hatten, davonzulaufen. In diesem Aufzuge stellte er sich dem Kalifen vor, der vor Lachen bersten wollte, als er die Geschichte vernahm, zugleich aber die Höfischkeit des Dichters, der die Favoritin nicht hatte berühren wollen, sehr gut zu würdigen wußte. Er kaufte sie um fünfzigtausend Dinare los.
Asmai erzählt: Ich war eines Tages ausgezogen in die Wüste, um seltsame Abenteuer aufzusuchen. Weiße Mauern blinkten mir entgegen, wie das weiße Gefieder einer Taube, und ich ging hinein und fand ein leeres Gebäude, wo nur Raben und Schakale hausten und der Wind durch Fenster und Türen heulte. Endlich glaubte ich eine menschliche Stimme zu vernehmen, aber sie kam mir so wild und fürchterlich in die Ohren, daß ich mein Schwert zog, weil ich sonst nicht sicher zu sein glaubte, und mit gezogenem Schwerte herumging. Ich fand einen Mann auf der Erde sitzen, der in einer Hand einen Stab, in der andern ein Bildwerk hielt. Er schlug mit seinem Stabe die Erde und weinte und sagte aus dem Stegreife:
Messias! gib mir Wunderkraft – Zu bändigen die Leidenschaft!
Denn wenn ich nicht den Tod erflehe – Ich wie der Rauch im Wind vergehe.
Ich trat dann schnell vor ihn hin, ohne daß er es gewahr wurde, und grüßte ihn; er hob den Kopf auf und gab mir den Gruß zurück und fragte: »Woher bist du? und wer hat dich an diesen Ort gebracht?« »Allah der Herr«, sprach ich. »Da hast du recht,« antwortete er, »denn auch Gott der Herr hat mich in dieser Einsamkeit von den Menschen abgesondert.«
»Was machst du denn«, fragte ich ihn, »mit dem Bildwerke in deinen Armen?« »O, meine Geschichte ist seltsam und mein Abenteuer wunderbar!« Ich bat ihn, mir das Ganze zu erzählen und keinen Umstand zu verheimlichen. »Wisse,« fing er seine Erzählung an, »ich bin aus dem Stamme der Banu Tamim, und zwar aus dem, der sich zur christlichen Religion bekennt. Dieses Bildnis hier stellt meine Base dar, mit der ich von zarten Kindesjahren an auferzogen wurde. Wir liebten uns, ihr Vater aber, der nichts von unserer Liebe wissen wollte, verwahrte sie unter strenger Aufsicht.
Desungeachtet fand ich Mittel, sie zu sehen. Als ich mich nun eines Tages allein bei ihr befand, klopfte mein Oheim an der Türe. Sie versteckte mich schnell unter ein Ruhebett, ging und machte die Türe auf. ›Wo ist mein Neffe, der Diener des Messias?‹ donnerte der Onkel. ›Ich habe ihn wahrlich nicht gesehen.‹ ›Ich aber habe seine Stimme bei dir gehört.‹ ›Du hast geträumt, o mein Vater.‹ ›Bei Gott! bekenne die Wahrheit und lüge nicht, sonst soll dich der Allmächtige in Stein verwandeln.‹ ›Ja, wenn ich lüge.‹ Mein Oheim hob nun die Augen und Hände zum Himmel auf und sprach: ›O Gott, der du der Herr bist der Vor- und Nachzeit, wenn du weißt, daß meine Tochter lügt, so verwandle sie in harten Stein!‹ Sogleich, schrecklich zu erzählen, erstarrten ihre Glieder. Dies ist die Statue, die ich Tag und Nacht seit vierzig Jahren in meine Arme schließe. Ich nähre mich von den Kräutern der Wüste und trinke von ihren salzigen Quellen. Des Samums brennender Odem ist kühlender Hauch im Vergleich des Flammenhauches meiner Seele, und der Sand, der dir unter den Füßen glüht, scheint mir erfrischender Tau.
Dann sagte er weiter aus dem Stegreif:
Bei Gott, der Herzen enget und erweitert – Der heitre Tag trübt und trübe heitert,
Der Lebende zur Erde tot hinstrecket – Die Toten in das Leben auferwecket,
Bei Gott! dem Ewigen! es macht die Liebe – Das Trübe heiter, und das Heitre trübe,
Sie tötet und erwecket dann zum Leben – Der Herr hat seine Allmacht ihr gegeben.
Hierauf stand er auf und lief wie rasend umher, seine Kleider warf er von sich, und die Augen rollten wild in seinem Kopfe herum, dann kam er auf mich zu und sprach:
»O Sohn des Weges, dir will ich nun drei Verse sagen, und wenn ich entschlafen bin, so sollst du mich und diese Statue begraben und die drei Verse als Inschrift auf mein Grab setzen:
Ihr, die nicht glaubt, daß Liebe tötet – Kommt her zu meiner Grabesstätte,
Ich wandelte in diesem Dom – Durch vierzig Jahre, ein Phantom,
Bis in des Lebens leerer Wüste – Der Tod mich endlich freundlich grüßte.
Als er ausgesprochen hatte, sank er mit der Statue nieder, die er fest mit seinen Armen umklammerte.
Und er tat einen großen Schrei und gab den Geist auf. Ich nahm aber meinen Mantel, um ihn damit statt eines Leichentuches zu umwickeln, und begrub ihn samt der Statue. Auf das Grab schrieb ich die oben angeführten Verse und besuche es noch jährlich einmal, nicht ohne tiefe Rührung.
Asmai erzählt: Auf meinem Wege nach der Wüste des Stammes Banu Saad kam ich nach Bassorah in den Tagen der Herrschaft Khalids, des Sohnes Abdallahs al-Kapseri. Und ich fand den Palast angefüllt mit einer Menge Volkes, die sich um einen Jüngling von schöner und edler Gestalt drängte. Und fragte, was der Auflauf bedeute, und man sagte mir, es sei ein Dieb, der die vorige Nacht eingebrochen habe. Khalid, der Statthalter, heftete die Augen auf ihn mit Wohlgefallen und befahl dem Haufen, abzutreten, um ihn allein über seine Schuld auszuforschen. »Die Sache ist,« antwortete der Jüngling, »wie sie sagen, und verhält sich, wie sie es angeben.« »Und was konnte dich denn zu dieser Tat bewegen, dich, dessen edle schöne Gestalt die Ankläger Lügen straft?« »Die Begierde nach Reichtum und das von Allah dem Herrn verhängte Schicksal brachte mich zum Falle.« »Dein Aussehen, deine Sitten, alles spricht für dich und bestärkt mich in der Meinung, daß du durch irgendeinen außerordentlichen Notfall dazu gezwungen worden bist, zu außerordentlicher Hilfe Zuflucht zu nehmen.« »Suche mich nicht zu retten, o Fürst, und vollstrecke das Gesetz des Herrn. Richte mich nach den Werken meiner Hände, Allah, der Herr, ist nicht ungerecht gegen seine Diener.« Khalid schwieg, lange nachdenkend, und sagte dann: »Dir steht frei, deine Aussage im Angesichte der Zeugen umzuändern, denn ich halte dich für keinen Dieb. Vertraue mir deine Geschichte an, und du darfst meines Stillschweigens gewiß sein.« »Laß dir, o Fürst, nichts anderes in den Sinn kommen, als was ich bereits bekannte und gestand; ich habe dir nichts anderes zu vertrauen. Ich brach in das Haus, man ergriff mich und schleppte mich vor dich, um meine verdiente Strafe zu empfangen.« Khalid befahl der Wache, ihn zu ergreifen, und ließ den Gerichtsausruf ergehen. Da schrien die Ausrufer durch ganz Bassorah: »Wer schauen will, was das Gesetz verhängt über die Diebe, finde sich morgen am Richtplatze ein, wo die Hand fallen wird, die fremdes Gut entwendet hat.«
Als der Jüngling in Ketten gelegt war, hörten ihn die Wächter im Kerker singen:
Khalid wollte mich erschrecken – Mit dem Drohn, die Hand mir abzuhauen.
Falls ich sollte nicht entdecken – Was mir niemand darf im Herzen schauen.
Mögen sie den Spruch vollstrecken – Rett ich nur hierdurch die Ehr der Frauen –
Man hinterbrachte die Worte dem Statthalter, und dieser ließ den Jüngling spätabends noch zu sich rufen, um sich mit ihm zu unterhalten. Er fand, daß seine geistige Bildung seiner Gestalt entsprach und daß er in allen schönen Künsten bewandert war.
»O junger Mensch,« sprach Khalid, »ich bin überzeugt, du bist kein Verbrecher, und es hat mit deinem Diebstahl eine andere Bewandtnis. Morgen, wenn die Ankläger zum letzten Male auftreten und die Richter zum letzten Male sprechen werden, kannst du dich noch retten, wenn du nur eine wahrscheinliche Ausflucht vorbringst, die dem Gesetze ausbeugt; sagt doch selbst der Prophet: Beugt den Strafgesetzen durch Zweifel aus!« Hierauf sandte er ihn ins Gefängnis zurück.
Am folgenden Morgen versammelte sich ganz Bassorah auf dem Richtplatze, um die Vollstreckung des Urteils zu schauen. Khalid und die Vornehmsten der Einwohner kamen zu Pferde, die Richter folgten ihnen auf schön gezäumten Mauleseln. Der Jüngling wurde vorgeführt in Ketten, und kein weibliches Auge blieb bei seinem Anblick trocken. Rundum erscholl Weinen und Wehklagen; Khalid sah sich gezwungen, Stille zu gebieten, und redete dann den Jüngling folgendermaßen an: »Diese Leute klagen dich aus Irrtum an, du habest gestohlen; was sagst du hierauf?« »Ich sage, sie haben recht, o Fürst! Ich brach in ihr Haus ein mit dem Vorhaben, zu stehlen.« »Vielleicht hast du gerechte Forderungen an die Eigentümer des Hauses?« »Ich habe keine.« »So hattest du wenigstens Helfer?« »Mitnichten, ich trage die ganze Schuld allein.« Der erzürnte Khalid gab dem Jüngling einen Backenstreich und rief den Henker, daß er durch das Abhauen der Hand die gesetzmäßige Strafe vollzöge. Schon lag die Hand ausgestreckt auf dem Blocke, schon war der Arm des Henkers zum Streiche erhoben, da brach mit Jammer und Zetergeschrei aus den Reihen der Frauen ein junges Mädchen hervor und warf den Schleier zurück und erschien wie der Vollmond in Regenwolken. Es erhob sich ein allgemeines Geschrei bei ihrem Anblicke. »Halt ein, halt ein, o Fürst!« rief sie, »mit der Vollstreckung des Urteils, halt ein, und lies zuvor diese Bittschrift!« Mit solchen Worten reichte sie ihm ein Papier dar, auf dem die folgenden Verse geschrieben waren:
Halt! Khalid, halt! du bist betrogen – Es kam von meiner Brauen Bogen
Der Pfeil des Unheils angeflogen; – Lies hier, was sonst verborgen bliebe,
Es machte ihn die reinste Liebe – zum Ehrenretter – nicht zum Diebe.
Khalid las die Verse mit Rührung und ließ das Mädchen sogleich vor sich kommen, um ihm die ganze Geschichte ausführlich zu erzählen. Sie gestand, der Jüngling brenne schon seit langem von Liebe, die sie nicht unerwidert lasse. Vorgestern habe er sich ins Haus gestohlen, und mit Steinwürfen habe er das abgeredete Zeichen gegeben. Vater und Brüder hätten es gemerkt und sogleich eine Untersuchung vorgenommen. Da der Jüngling nicht mehr entfliehen konnte, griff er nach einigen Stücken Zeuges, die ihm unter die Hände kamen, weil er lieber als Dieb ergriffen und bestraft werden, als den guten Namen seiner Geliebten ins Geschrei bringen wollte. Khalid war entzückt ob des hohen Sinns und der edlen Großmut des Jünglings, küßte ihn auf die Stirne, ließ den Vater des Mädchens vorrufen und sprach zu ihm: »O Scheich! ich war nahe daran, an diesem Jüngling ein ungerechtes Urteil vollstrecken zu lassen. Allah, der Herr, hat mich davor bewahret; ich habe ihm zehntausend Dirhems bei der Schatzkammer angewiesen und ersuche dich nun um die Erlaubnis, ihn mit deiner Tochter vermählen zu dürfen!« »Von ganzem Herzen, o Fürst«, antwortete der Vater des Mädchens. Khalid dankte ihm dafür und nahm sogleich die Vermählung vor mit aller Feierlichkeit und nach der gewohnten Formel: »Ich vermähle dich mit diesem Mädchen nach ihrem und ihres Vaters Willen; sie bringt dir zehntausend Dirhems mit.«
Und der Jüngling antwortete nach dem Brauche: »Ich nehme das Mädchen zur Frau an mit dem genannten Hab und Gut.«
Khalid ließ sogleich das gezählte Geld in silbernen Geschirren in das Haus des Jünglings bringen. Ganz Bassorah war im Taumel der Freude. Wo das beglückte Paar vorüberzog, regnete es aus allen Fenstern Zuckerwerk und Mandeln auf sie, und der Tag endete ebenso freudig, als er traurig begonnen hatte.
Asmai, der gern jede Gelegenheit benutzte, von den Beduinen etwas Lustiges zu erzählen, erzählt auch das folgende Geschichtchen:
Die Oberhäupter eines angesehenen Stammes hatten mich zu sich in die Wüste geladen, um mich nach Vermögen zu bewirten. Man trug ganz in Fett schwimmende Mehlklöße auf. Ein Beduine kam, kauerte sich auf die Erde nieder und fing mit solcher Hast an zu fressen, daß ihm die Mehlklöße das Maul stopften und die Butter von dem Barte herabrann. Um mich über ihn lustig zu machen, sagte ich:
Lieblich bist du anzuschaun, harthäutige Saubohn – Sieh! Die Kamele der Heid laufen sich müde nach dir.
Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, sprach er: »Ei! Ei! Die Rede ist weiblich, aber der Gegensatz ist männlich. Höre ihn nun aus meinem Munde:
Saubohn selber bist du, und zwar in dem Hintern des Bockes, wenn er in der Herd schwänzelnd nach Ziegen sich dreht.
»So,« sagte ich, »du verstehst dich also auch auf das Dichten?« »Wie sollte ich nicht, die Dichtkunst ist mein Schoßkind, und du siehst in mir ihren leibhaften Vater und ihre lebendige Mutter.« »Nun,« entgegnete ich, »möchtest du mir nicht ein paar Reime auffinden?« »Recht gerne, sag an, auf was?« Ich dachte lange auf den schwersten Reim der arabischen Sprache und fand endlich keinen schwereren als den folgenden:
Weißt du, daß Gott, der Herr, erschuf – Im Paradies den reinsten Suff?
»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn ein Suff?«
Er antwortete:
Ein Suff ist jeder Trunk, es sei – Aus Weinglas oder Wasserkuff.
»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn eine Kuffe?«
Er antwortete:
Daran zu denken, macht mich kalt, – Mich friert! He! Gebt mir einen Muff.
»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn ein Muff?«
Er antwortete:
Es wärmt der Muff im Winter dich – Wenn du vor Kälte zitterst. Uff!
»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn dies Uff?«
Er antwortete:
Uff ist der Ausbruch des Gefühls – Wenn es voll Langerweile wird stuff.
»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn dies stuff?«
Er antwortete:
Stuff heißet stumpf; die Stumpfen reizt – Die Kastagnette und das Duff.
»Sage mir,« sprach ich, »was ist denn ein Duff?«
Er antwortete:
Duff heißt die Trommel, die man schlägt; – Zum Beispiel so: piff paff, piff puff.
Und indem er dies sagte, versetzte er mir zugleich einige tüchtige Stöße, vermutlich aus Furcht, daß ich ihn noch weiter um die Erklärung des Puff fragen könnte, die er mir ungefragt auf das handgreiflichste gab. Seine Laune gefiel mir, und ich lud ihn ein, denselben Abend zu mir zum Essen zu kommen. Er nahm die Einladung an, und ich führte ihn in mein Haus.
Ich, meine Frau, meine beiden Söhne und meine beiden Töchter, in allem sieben, setzten uns zum Mahle nieder. Es wurde ein Rebhuhn aufgetragen. »Mache du die Austeilung, o Bruder Beduine«, sprach ich zu meinem Gaste. Er sprach: »Der Kopf gebührt dir, als dem Haupte der Familie, die Flügel den Mädchen, als den Fittichen, und die Füße den Söhnen, als den Schenkeln des Hauses, der Steiß der Hausfrau, aus guter Ursache, und das Gerippe dem Beduinen!«
Hierauf kam eine Tracht von fünf Hühnern, und ich redete abermals meinen Gast um die Austeilung an. Er fragte mich, ob er dieselbe in gleichen oder ungleichen Zahlen machen sollte. »In gleichen«, sprach ich. »Nun, da kommt auf dich und dein Weib ein Huhn, eines auf deine zwei Söhne, eines auf deine zwei Töchter, und zwei auf mich.« »Nein,« sprach ich, »diese Austeilung gefällt mir nicht, mach dieselbe lieber in ungleichen Zahlen.« »Nun also, da kommt auf dich und deine zwei Söhne ein Huhn, eines auf deine zwei Töchter und ihre Mutter und drei auf mich. Weißt du eine bessere Austeilung, so mach sie.« Ich aber wars zufrieden, ließ ihm die drei Hühner und schämte mich, von einem Beduinen zu Mittag in der Dichtkunst und beim Nachtmahl in der Arithmetik übertroffen worden zu sein.
Ein ehrwürdiger Greis mit langem Silberbarte, in ein weißes Tuch gewickelt, kam im Galopp auf einem schön aufgezäumten Rappen angeritten. An der Brücke hielt er stille und fing an, Trauer und Lobgedichte zu Ehren der Barmekiden aufzusagen, deren Freigebigkeit und andere Tugenden er bis in den Himmel erhob. Die Wache bemächtigte sich seiner sogleich und führte ihn dem Kalifen vor, dem er sich mit heiterem und unbefangenem Gemüte darstellte. Der Kalif fuhr ihn mit zorniger Stimme an: »Hast du nicht den öffentlichen Ausruf vernommen, der alles Lob der Barmekiden verbietet, und weißt du nicht, daß es sich um dein Leben handelt?« »Ich weiß es, o Kalif, deswegen habe ich mir auch dies Lobgedicht zum Schwanengesang gewählt. Ich bin gekommen, um zu sterben; sieh hier meine Reisegeräte!« Er schlug das weiße Tuch auseinander, das er um den Leib gewickelt hatte; es war ein Leichentuch, mit dem er sich zu seinem Begräbnisse im voraus versehen hatte.
Harun al-Raschid verwunderte sich ob des so festen und entschiedenen Entschlusses, dem Tode entgegenzugehen, und war neugierig, die Ursache einer so treuen Anhänglichkeit an das Haus der Barmekiden kennenzulernen, und verlangte, der Greis solle ihm seine Geschichte erzählen; und dieser erzählte sie also:
»Ich bin, o Fürst der Rechtgläubigen, in Bassorah gebürtig, wo ich meinen Vater früh verlor. Er hatte mir eine sehr ansehnliche Erbschaft hinterlassen, von der ich den möglichst besten Gebrauch machte, zu meinem und meiner Freunde Vergnügen. Als ich mich eines Tages mit zehn derselben in einem Garten belustigte, fing einer an, der Stadt Kairo und dem Nile und der Insel Rausah eine Lobrede zu halten. Ein anderer machte eine Beschreibung von Damaskus und seinen herrlichen Umgebungen; ein dritter besang Schiras und die persischen Täler; ein vierter endlich erwähnte Bagdads und seiner Herrlichkeiten. Sogleich vereinigten sich alle zehn im Lobe seiner Paläste und Gärten; sie priesen die Gastfreiheit seiner Bewohner und die Freigebigkeit der Barmekiden. Wir beschlossen einstimmig, nach Bagdad zu reisen, und setzten unseren Beschluß ins Werk. Dort stiegen wir im Safranviertel ab und brachten beiläufig zwei Monate in Ergötzungen aller Art zu, ohne den Khan zu verlassen, wo wir abgestiegen waren. Da sprach ich nun zu meinen Gefährten: ›Aber warum sind wir denn nach Bagdad gekommen, wenn wir immer im Hause sitzen wollen? Ebensogut hätten wir in Bassorah bleiben können; ich dächte, es wäre Zeit, uns ein wenig unter die Leute zu mischen und Bekanntschaften zu machen.‹ Am folgenden Tage ging ich auch wirklich aus, von meinen Sklaven begleitet.
Kaum war ich durch ein paar Straßen gekommen, als ich einem Menschen begegnete, der in ein antiochisches Hemd gekleidet war und einen Stock mit einem großen silbernen Knopf in der Hand trug. Er grüßte mich, und ich erkannte in ihm einen Sklavenhändler, der alle Jahre seiner Geschäfte wegen nach Bassorah kam. Er führte mich in sein Haus, ließ mich auf einen Stuhl, der aus Stahl bestand, niedersitzen und hieß eine Sklavin herauskommen, die an Schönheit alles, was ich je gesehen habe, übertraf. ›Bring ihr das Wiegenkind!‹ sagte der Kaufmann zu einem Sklaven. Dieser ging und brachte einen Sack von Goldstoff, aus dem die schöne Sklavin ihre Laute zog, die sie drückte und herzte und dann auf den Schoß nahm, als ob es ihr Kind wäre. Sie spielte und begleitete sich selbst mit einer Zauberstimme, welche die Toten zum Leben erwecken konnte. Ich kaufte das Mädchen um zehntausend Dinare. Als ich mit ihr in mein Haus gekommen war, sprach sie: ›Ich bin deine Sklavin, o mein Herr und Gebieter, aber habe nur ein wenig Geduld. Ich gehörte der Gemahlin Dscha'afars, des Barmekiden, an, die mich an diesen Sklavenhändler verkaufte, und bin schwanger und flehe dich um die einzige Gnade, mich bis nach meiner Entbindung nicht zu berühren.‹ Nach derselben lebten wir in der größten Vertraulichkeit. Ich hatte ein Schiff auf dem Tigris gemietet, an dessen Bord ich die heißesten Tage in angenehmer Kühlung verlebte.
Eines Tages aber erschien ein Staatsbote, um mich zu Sulaiman ibn Seini, einem der größten Serailbeamten, zu holen. ›Ich höre,‹ sprach er, ›daß du die und die Sklavin besitzest.‹ ›Ja, und ihr Kind obendrein; denn sie wurde bei mir entbunden, und ich habe sie erst nach ihrer Entbindung berührt.‹ ›Schon gut‹, sprach er und hieß mich gehen. Gegen Abend bestiegen fünfzig Sklaven mit gezogenen Schwertern mein Schiff und führten mich ab samt meiner Familie, die aus meiner Mutter, aus meiner unverheirateten Schwester, aus der Sklavin und ihrem Kinde bestand. Man brachte uns in den Palast Dscha'afars, des Barmekiden; die Sklavin wurde weggeführt, ich aber, meine Mutter und meine Schwester mit der größten Achtung behandelt.
Indessen wurde uns die ehrenvolle Gefangenschaft gar bald langweilig. Wir gingen eines Tages bis an die alte Brücke, wo der Garten aufhört. Dort fanden wir eine Karawane, die nach Rahba zog und an die wir uns sogleich anschlossen. Nachdem wir einige Parasangen zurückgelegt hatten, fingen meine Mutter und meine Schwester, die von Müdigkeit erschöpft waren, an zu weinen. Drei Reiter, die sich unserer erbarmten, nahmen uns auf ihre Pferde hinter sich und brachten uns glücklich nach Rahba. Ich durchstrich die Straßen der Stadt, um einen Nahrungszweig zu suchen, und blieb dann vor dem Gewölbe eines ehrwürdigen Greises stehen. ›O mein Vater,‹ sagte ich, ›wie verdienen hier die Fremden ihr Brot?‹ ›Durch Arbeit‹, antwortete er; ›geh nur ins Gewölbe meines Nachbars, des Schmiedes, es wird dir gewiß an Verdienst nicht fehlen!‹ ›Aber ich habe nie einen Hammer angerührt!‹ ›Tut nichts zur Sache, wirst es schon lernen.‹ Er gab mir einen Jungen, der mich zum Schmiede führte und mich im Namen seines Herrn anempfahl. ›Ist gut,‹ sprach der Schmied, ›hier ist Amboß und Hammer; aber es heißt Tag und Nacht arbeiten, und du erhältst dann alle vierundzwanzig Stunden zwei Dirhems.‹ Zwei Dirhems waren viel für mich in der Lage, worin ich mich befand. Abends kaufte ich um einen Dirhem Brot und einen Dirhem Braten und versorgte damit meine Mutter und Schwester. ›Bei Allah! so bist du gar ein Schmied geworden‹, sagte meine Mutter weinend. Nach einem leichten Nachtmahle kehrte ich zur Esse zurück, um meine Schmiedearbeit von neuem zu beginnen. Ich und ein anderer Junge hämmerten Eisen auf dem Amboß.
Mein Mitgeselle, den der Schlaf überwältigte, hob den Hammer nachlässig. Der Meister ergrimmte über seine Faulheit und rief ihm zu: ›O Taugenichts, wirst du wohl arbeiten!‹ und schleuderte einen glühenden Nagel auf ihn zu, den er soeben aus dem Feuer gezogen hatte. Der Nagel traf den Jungen an den Schläfen, und er stürzte zu Boden. Bei diesem Anblick ergriff der Meister die Flucht und ließ mich allein in der Werkstätte zurück. Was sollte ich als Fremdling in der Stadt und mitten in finsterer Nacht tun? Ich verließ die Werkstätte und wollte so gut ich konnte forttappen; da erblickte ich Fackelschein. Es waren die Wachleute, die die gewöhnliche Runde machten; und sie kamen auf mich zu, ehe ich mich flüchten konnte. ›Was machst du hier zu dieser Stunde?‹ ›Ich arbeitete in der Schmiede.‹ ›Laß sehen, was!‹ Sie fanden meinen Mitgesellen tot und ergriffen mich sogleich als den Mörder. Man ließ mich gar nicht zur Rede kommen, und es war mir unmöglich, meine Unschuld zu verteidigen. Ich wurde in den Kerker geworfen und frühmorgens zum Blutgerüste geführt. Meine Mutter und Schwester wußten nichts davon, aber eine Menge Volks, groß und klein, begleitete mich zur Gerichtsstätte.
In dem Augenblicke, als der Scharfrichter das Schwert aufhob und ich in einem kurzen Gebet meinen Geist Allah empfahl, drängte sich der Schmied durch die Menge herzu und schrie laut, daß ich unschuldig und er der Täter sei. Ich erweckte das Mitleiden des Volkes, das mich kurz vorher mit Verwünschungen bedeckt hatte. Der eine gab mir ein Gewand, der andere einen Schal, der dritte einen Ring. Bereichert durch diese Geschenke, kehrte ich zu meiner Mutter und Schwester zurück, die viele Tränen vergossen, als sie die Begebenheit vernahmen. ›Allah sei Lob,‹ sagte sie, ›der dich von der Blutstätte gerettet hat, während wir in den Armen des Schlafes lagen! Aber was sollen wir länger hier tun? Laß uns all diese Geschenke verkaufen und morgen mit der Karawane nach Damaskus abreisen.‹ Der Vorschlag aber war vernünftig, und wir reisten folgenden Morgens ab.
Als wir in Damaskus angekommen waren, schlugen wir wie alle Armen, die keine Wohnung zu bezahlen imstande sind, unser Lager in der Vorhalle einer Moschee auf. Meine Mutter und Schwester weinten. Ich tröstete sie damit, daß wir ja noch nicht alles uns bestimmte Glück genossen und also noch manches Glück zu erwarten haben dürften. Ein Greis und zwei junge Leute, die eben mit ihrem Gebet fertig geworden waren, betrachteten uns mit teilnehmender Miene und fragten uns, wer und woher wir seien. Ich erzählte ihnen ohne Hehl alles, was mir begegnet war. Darob verwunderten sie sich sehr und verließen uns, kamen aber bald darauf wieder, um uns zu sich zu laden. Wir wurden in einen großen Palast mit fünfzehn Pforten aus Elfenbein, die in goldenen Angeln rollten, geführt.
Oberhalb des großen Einganges aber stand mit goldenen Buchstaben geschrieben:
Gastfreundlich Haus! Es soll dir des Raums allein – Zu wenig für die Gäste sein!
Ein herrlicher Garten umgab den Palast; der Greis saß auf einem Sitze zwischen Palmen und Feigenbäumen und befahl seinen Sklaven, uns sogleich ins Bad zu führen. Das Bad war im Hause. Man gab mir seidene, mit den köstlichsten Wohlgerüchen durchduftete Gewänder. Der Greis und seine beiden Söhne baten mich, ihnen noch einmal meine Begebenheiten zu erzählen, was ich gerne tat, und zu ihrer abermaligen großen Verwunderung. Man trug alsdann das Mahl auf, welches das des Kalifen an Verschwendung übertraf.
Nachdem wir die Hände gewaschen hatten, begaben wir uns in einen großen Saal, wo goldene und silberne Trinkgeschirre auf Schenktischen zur Schau standen. Sie waren mit Rosen- und Moschus- und Tamarinden-Scherbetts gefüllt. Andere Gefäße wieder waren gefüllt mit Datteln, die in Zucker eingemacht, und mit vielen Arten von Halwa oder Zuckerwerk. Mir fehlte nichts zur vollkommenen Zufriedenheit als meine Mutter und meine Schwester. Wie groß war meine Freude, als ich sie um Mitternacht, wo ich mich zurückzog, in meinem Zimmer fand. Sie waren in Goldstoff gekleidet und weinten, aber diesmal vor Freude, und erzählten mir, daß bald, nachdem ich fortgegangen, zehn Sklavinnen sie abgeholt, ins Bad geführt und dann wie mich bewirtet hätten. In der Frühe machte ich dem Alten meine Aufwartung; und dieses Leben lebte ich zehn Tage lang. Am elften fragte mich mein Gastgeber zum dritten Male nach meiner Geschichte; und als ich vollendet hatte, sprach er: ›Sei guten Mutes, o mein Sohn, wenn Allah etwas will, so erleichtert er die Wege dazu. Künftighin bleibst du bei mir, betrachte dies Haus als dein eigenes, mich als deinen Vater, meine Söhne als deine Brüder. Gib einem von ihnen deine Schwester zur Frau, und ich werde dir meine Tochter geben!‹ ›Ich bin zu allem bereit‹, war meine Antwort.
Nach einer Weile hielten ein Maulesel und vier Pferde im Hofe still. Es waren ein Kasi und vier Zeugen zur Abfassung der Eheverträge. Die wurden nun aufgesetzt und unterschrieben und die zweifache Hochzeit drei Tage hernach vollzogen. So lebte ich fünf Monate lang in Damaskus. Als ich eines Tages eben durch die Stadt spazieren ging, bemerkte ich eine außerordentliche Bewegung und Tätigkeit auf den Straßen. Ich erkundigte mich nach der Ursache und hörte, Jahja, der Sohn Khalids, der Vater Dscha'afars, des Barmekiden, sei nach Damaskus gekommen. ›Weh mir!‹ dachte ich, ›er ist gewiß gekommen, um mich wegen der Sklavin hinrichten zu lassen.‹
Ich fragte überall nach der Ursache seiner Ankunft und vernahm, er sei der Luftveränderung wegen gekommen, die ihm von den Ärzten angeraten sei; er hätte seine Zelte vor der Stadt aufgeschlagen, und alles hätte sich hinbegeben, um ihm aufzuwarten und an den gewöhnlichen Proben seiner weitberühmten Freigebigkeit teilzunehmen.
Ich verfügte mich in mein Haus und erzählte den Frauen meines Harems, was ich soeben gehört hatte, und machte ihnen den Vorschlag, auszugehen, um Jahja, den Barmekiden, kennenzulernen. Sie begleiteten mich, und als wir ins Zelt traten, fand ich dort meinen Schwiegervater mit seinen Söhnen, die dort ihre Aufwartung machten. ›Wer bist du, o mein Sohn?‹ fragte Jahja. ›Ich bin‹, antwortete ich, ›ein armer Fremdling und bin der Mann aus Bassorah, der deinem Sohne nicht unbekannt ist.‹ Bei diesen Worten stieß Jahja einen großen Schrei aus. ›Allah sei gelobt!‹ rief er, ›der uns die Gelegenheit an die Hand gibt, das dir zugefügte Unrecht wieder gutzumachen. Deine Sklavin ist mit einem Sohne von dir entbunden worden, den der meinige aufzieht und mit Geschenken überhäuft!‹ Diese Nachricht machte das Maß meiner Freude voll. Jahja blieb vierzig Tage in Damaskus. Am einundvierzigsten zog ich mit ihm nach Bagdad. Die Großen der Stadt aber kamen uns entgegen, und wir stiegen in Jahjas Palaste ab.
Abends begaben wir uns alle nach dem Palaste des Wesirs Dscha'afar. Der fragte seinen Vater, wer ich sei. ›Ein Mensch,‹ antwortete er, ›der sich über dich zu beklagen hat und am Tage des Gerichts von dir Kechenschaft fordern wird.‹ ›Allah sei mein Zeuge,‹ sprach der Wesir, ›daß ich mein Lebtag gegen niemand wissentlieh unrecht getan, als gegen den Mann von Bassorah, dem ich seine Sklavin weggenommen habe.‹ ›Nun, das ist derselbe!‹ Dscha'afar tat einen lauten Schrei, nahte sich mir alsdann und sprach: ›Deine Sklavin, die von dir schwanger war, als sie zu mir kam, ist unberührt geblieben, du sollst sie sogleich mit ihrem Kinde sehen!‹
Man führte mich in einen abgesonderten Flügel des Palastes, wo ich meine Sklavin, von zirkassischen und nubischen Mädchen umgeben, fand, die das Kind besorgten. Sie selbst, von Edelsteinen strahlend, saß auf einer Art von Thron. Sie flog in meine Arme und bestätigte die Wahrheit der Worte Dscha'afars und erzählte mir tausend Züge der größten Freigebigkeit und Großmut, womit er sie behandelt hatte. Der Wesir selbst überhäufte mich an diesem Tage mit Geschenken an Gewändern und Pferden und Sklaven von zehntausend Dinaren Wert. Desgleichen überhäufte er mit Geschenken meinen Schwiegervater und seine Söhne und erlaubte uns nicht, Bagdad zu verlassen. Er ließ mir Rechnung ablegen über die Verwaltung meiner Güter in Bassorah, über die er seit dem Tage, wo ich unsichtbar geworden war, einen eigenen Verwalter gesetzt hatte; und seit jenem Tage bis zu seinem Tode habe ich seiner innigsten Freundschaft genossen!
Glaubst du wohl, o Fürst der Rechtgläubigen, noch länger, daß dein Verbot mir Furcht einflößen und die Stimme der Dankbarkeit in meinem Herzen ersticken kann?«
Der Kalif war gerührt und blieb lange Zeit in tiefes Nachdenken versunken, die Reue über Dscha'afars Hinrichtung aber fiel schwer auf sein Herz.
Er befahl, dem Greis ein Ehrengewand zu geben und zehntausend Dinare auszuzahlen. »Nicht wahr, o Fürst der Rechtgläubigen, wenn ich dir diese Geschichte nicht erzählt hätte, würdest du mir das Lob von Dscha'afars Freigebigkeit nach seinem Tode nicht verziehen haben? Und siehe, das Geschenk selbst, das ich von dir erhalte, ist nichts als eine Wirkung der Freigebigkeit Dscha'afars, weil ich es sicherlich ohne die Erzählung seiner schönen Tat nicht erhalten hätte.« Der Kalif weinte und ließ den Leib Dscha'afars begraben. Sein Grab wurde nicht weniger besucht als sein Palast, da er noch lebte.
Einige Zeit nach der Hinrichtung des Barmekiden und dem Erlöschen seiner Familie befand sich Asmai, der Lieblingsdichter Harun al-Raschids, mit ihm auf einem Jagdausflug. Sie kamen bei einem halbverfallenen Palaste vorbei, der den Barmekiden zugehört hatte, an dem sich diese Inschrift befand:
Freundliches Haus! es spielet die Welt mit ihren Bewohnern;
Sind sie einmal verstreut, werden sie nimmer vereint.
Die, so Gutes getan, sind längst zu den Vätern versammelt,
Und es lebt nur noch, wer nichts nützet der Welt.
Den Kalifen rührte der Sinn der Inschrift, und er befahl seinem Begleiter Asmai, ihm einige Züge von der Freigebigkeit des Barmekiden zu erzählen. »Ich horche und gehorche auf Kopf und Augen, das ist so viel, als von ganzem Herzen gerne«, antwortete Asmai. »Zuerst will ich dir, o Fürst der Rechtgläubigen, einen Zug erzählen, mit dem mich Ali ibn Saher bekannt gemacht hat. Ich will ihn selbst reden lassen und mich seiner Worte bedienen.
›Da ich‹, sprach er, ›in Bagdad ein sehr lustiges Leben auf sehr großem Fuße führte, so hatte ich in wenig Jahren für fünfzigtausend Dinare Schulden gemacht. Unvermögend, dieselben zu bezahlen, sollte ich von meinen Gläubigern im Tigris ertränkt werden, nach dem Gesetz, das diese Strafe über mutwillige Verschwender verhängt. In dem Augenblicke, wo ich in den Fluß gestürzt werden sollte, ging Dscha'afar, der Barmekide, vorbei. Er erkundigte sich nach meinen Umständen und trug meinen Gläubigern ein Kapital von hunderttausend Dinaren an, mit dem sie nach Kum und Kaschan in Seidenwaren Geschäfte machen und sich nach und nach von den Interessen des Kapitals (dessen Eigentumsrecht sich Dscha'afar vorbehielt) bezahlt machen könnten. Meine Gläubiger nahmen den Vorschlag an und verdoppelten die Summe gar bald durch den Erfolg ihrer Geschäfte.
Sie behielten die Hälfte, und die andere Hälfte überließ Dscha'afar mir, so daß ich sie als Kapital neuen Unternehmungen zugrunde legen und dann den Gewinst mit ihm teilen sollte. In weniger als vier Jahren aber hatte ich siebenmalhunderttausend Dinare gewonnen, die ich Dscha'afar brachte und ihn bat, mir davon nach seinem Gutbefinden zu geben. Er schenkte mir das Ganze und setzte hinzu, er habe sich das Eigentum des Kapitals nur in der Absicht vorbehalten, um mich zu neuen Unternehmungen anzuspornen und mir einen besseren Wirtschaftsgeist einzuflößen.‹
»Dies«, fuhr Asmai fort, »erzählte mir Ali, der Sohn Sahers; von dem folgenden Vorgange aber war ich selbst Zeuge.
Ich befand mich mit Al-Fasl, dem Sohne Jahjas, des Barmekiden, auf einem Jagdausfluge, als wir von ferne einen Beduinen auf uns zureiten sahen. ›Der kommt zu mir‹, sagte Al-Fasl. ›Wieso,‹ fragte ich, ›und wie weißt du das?‹ ›Dieweil‹, antwortete er, ›ihm sonst niemand zu essen geben würde als ich.‹ Als der Beduine die Zelte sah und den Lärm des Gefolges hörte, glaubte er, dies könne kein andrer als der Kalif sein. Er stieg ab und stellte sich dem Barmekiden vor.
›Heil dir, o Fürst der Rechtgläubigen, und Allahs Segen und Barmherzigkeit über dich!‹ ›Zuviel, zuviel,‹ sprach der Fürst, ›kürze deine Rede.‹ ›Also, Heil dir, o Fürst!‹ ›Nun hast dus getroffen, setze dich.‹ Der Beduine setzte sich, und Al-Fasl fragte ihn: ›Woher kommst du, o Bruder Araber?‹ ›Von der äußersten Spitze Kosaas.‹ Al-Fasl wandte sich gegen mich und fragte mich nach der Entfernung zwischen Irak und der äußersten Spitze Kosaas. ›Es sind‹, antwortete ich, ›achthundert Parasangen.‹ ›Und warum, o Bruder Araber, kommst du von so weit her?‹ fragte Al-Fasl weiter. ›Ich komme, um die Großen und Edlen und Freigebigen aufzusuchen, deren Ruhm sich bis in unser Land verbreitet hat; ich meine die Barmekiden.‹ ›O Bruder Araber, die Barmekiden sind eine große Familie, deren jegliches Glied sich durch Züge von Freigebigkeit auszeichnet. Du mußt, wen du suchst, näher bestimmen.‹ ›Meine Wahl ist getroffen, ich komme zum großmütigsten und freigebigsten von allen, zu Al-Fasl, dem Sohne Jahjas, dem Sohne Khalids; denn wie ich höre, ist er stets von einer Schar Dichter und Redner und Gelehrten umringt.‹ ›Bist du denn ein Dichter?‹ ›Nein.‹ ›Ein Redner?‹ ›Nein.‹ ›Ein Gelehrter?‹ ›Nichts weniger.‹ ›Wie kannst du denn auf Al-Fasls Freigebigkeit rechnen, ohne eine einzige Eigenschaft zu haben, die dir hierauf einiges Recht geben könnte?‹ ›Ich habe mein ganzes Vertrauen auf einen Doppelvers gesetzt, den ich ihm zu Ehren verfertigte!‹ ›Nun, laß hören, und ich will dir im voraus sagen, ob du dir damit etwas bei Al-Fasl verdienen kannst!‹
Siehe, es war schon längst verloren auf Erden die Großmut.
Die Verlorene nahm Al-Fasl als Gast bei sich auf.
›Aber, o Bruder Araber, wie, wenn Al-Fasl dir sagte, er habe dies Distichon schon irgendwo gelesen oder gehört?‹ ›So würde ich ihm auf der Stelle das folgende hersagen:‹
Seinen Kindern empfahl der Vater der Menschen die Großmut,
Aber Al-Fasl allein hat sie von Adam geerbt.
›Aber wie, o Bruder Araber, wenn Al-Fasl auch wider diesen Doppelvers, als gestohlen, Einwendungen macht?‹ ›So würde ich ihm aus dem Stegreife hersagen:‹
Jahjas Sohn, es gebührt dir vor allen Ehre und Lobpreis,
Denn die Tugend hast du dir aus dem Himmel geholt.
Diesen Gedanken kleidete der Beduine drei- bis viermal in verschiedenes Silbenmaß ein, worauf sich Al-Fasl zu erkennen gab und dann weiter fragte, was er von ihm wünsche. ›Zehntausend Dirhems‹, sprach der Araber. Der Fürst antwortete: ›Du sollst ihrer zehnmalzehntausend haben!‹ Und er befahl seinem Schatzmeister, das Geld auszuzahlen. Dieser machte Einwendungen wider die Anweisung und stellte vor, es sei eine gar zu große Verschwendung, einem Beduinen hunderttausend Dirhems für ein Distichon auszuzahlen, das vielleicht obendrein noch gestohlen sei. Man müßte prüfen, meinte er, ob der Araber wirklich aus dem Stegreife zu dichten imstande sei, und er riet daher dem Barmekiden, dem Beduinen mit dem Tode zu drohen, wenn er nicht sogleich etwas aus dem Stegreif dichtete. ›Ist ers nicht imstande, so schwöre ich,‹ sagte der Schatzmeister, ›daß ich ihm, ungeachtet deines Befehls, o Fürst, nur einen Teil der hunderttausend Dirhems auszahlen werde.‹ Der Barmekide nahm seinen Bogen und Pfeil und drohte, den Beduinen auf der Stelle zu durchbohren, wenn er ihm nicht etwas aus dem Stegreife hersagte. Dieser entgegnete mit dem Verse:
Kühn entschwirrte der Pfeil dem goldenen Bogen der Großmut,
Immerhin durchbohr meine Armut damit.
Al-Fasl konnte sich des Lachens nicht enthalten und befahl seinem Wesir, dem Araber zweimalhunderttausend Dirhems auszuzahlen.
Der Araber konnte nichts weiter als vor Rührung und Dankbarkeit weinen. ›Sind das Freudentränen,‹ fragte Al-Fasl, ›die dir der Glanz des Goldes auspreßt?‹ ›Nein, wahrlich nicht,‹ antwortete der Beduine, ›sondern es sind die Tränen, die mir der Gedanke abzwingt, daß Menschen wie du in die Finsternis des Grabes steigen, wo das Licht der Großmut nicht leuchtet.«
Einer der gewöhnlichen Gesellschafter und Vertrauten Harun al-Raschids erzählte: »An einem umwölkten regnerischen Morgen gab uns Al-Raschid den Bescheid, fortzugehen und drei Tage in unserem Hause zu bleiben. Die andern Gesellschafter gingen jeder ihren Weg, und ich verfügte mich nach der Wohnung meines Meisters, Ibrahim von Mosul. ›Was macht dein Herr?‹ fragte ich den Türhüter. ›Geh nur hinein,‹ sprach er, ›wenn du es wissen willst.‹ Ich ging hinein und fand ihn, im Vorsaale sitzend, mit einer Flasche Wein und einer Kanne Wasser vor sich.
›O Meister,‹ sprach ich, ›laß den Vorhang des Harems kein Hindernis sein, der uns den Genuß der schönen Stimmen deiner Sängerinnen entziehe.‹ ›Nun, so setze dich,‹ sprach Ibrahim, ›du findest mich ganz verstört. Ich erwachte, wie du siehst, um des Morgentrunks zu genießen, als ich vernahm, eine fremde Sängerin sei gekommen, die meinigen zu besuchen. Ich gab mir alle mögliche Mühe, sie zu besitzen, aber fruchtlos. Umsonst habe ich ihr bis jetzt hunderttausend Dirhems geboten.‹ ›Ei, so gib, was du geboten hast, und biete noch mehr, du bringst es ja bald wieder auf einer andern Seite ein.‹ ›Du hast recht,‹ sprach er, ›mich verdrießt es aber der Mühe, diese Summe jetzt von allen Seiten aufbringen zu sollen, ich möchte sie mir auf eine leichtere Art verdienen. Geh, nimm den Griffel und schreibe, was ich dir ansage:
Kummer und Gram vertreiben den Schlaf von den süßen Augen,
Jahjas Großmut allein senket denselben ins Aug.
Mit diesem Vers verfüge dich zu Jahja, dem Barmekiden, erzähle, was du gesehen hast, und begehre, daß er den Vorhang des Harems lüften lasse, auf daß du den Gesang dieser Worte seiner Sklavin Demanir lehren könntest, die dessen allein würdig ist!‹
Ich tat, wie mir befohlen, und sang die Worte der genannten Sklavin einigemal vor, bis die sie auswendig wußte. Jahja befahl sogleich, für mich zehn- und für Ibrahim hunderttausend Dirhems auszuzahlen. Da es schon spät war, ging ich nicht mehr zum Meister, sondern nach meiner Wohnung, wo ich mit meinen eigenen Sklavinnen lustig war. Am Morgen aber trug ich die hunderttausend Dirhems zu Ibrahim, den ich, wie am vorigen Tage, beim Morgentrunk fand. Er hieß mich andere Worte und andere Musik schreiben, die ich wieder zu Jahja trug und dafür das Doppelte des gestrigen Lohnes erhielt.
Maamun, der Kalif, ging eines Tages an Subaidah, der verwitweten Gemahlin des Kalifen Harun al-Raschid, seines Vaters, vorbei. Sie murmelte etwas zwischen den Zähnen. »Wie? fluchst du mir vielleicht noch, o Fürstin,« fragte der Kaliif, »weil ich deinen Sohn, Mohammed al-Amin, hinrichten ließ?« »Nein, wahrhaftig nicht, o Fürst der Rechtgläubigen!« »Nun, was war es denn, das du hermurmeltest?« Subaidah weigerte sich lange, endlich sprach sie: »Ich wiederholte nur mein gewöhnliches Sprichwort: Allah verdamme die Zudringlichen!« »Und warum das?« forschte der Kalif weiter. »Dringe nicht in mich, o Fürst der Rechtgläubigen, du möchtest hören, was dir mißfiele.« Aber je mehr sich Subaidah zu sprechen sträubte, desto zudringlicher wurde der Kalif.
»Ich spielte«, fing Subaidah endlich an, »eines Tages mit deinem Vater, dem Kalifen, Schach, wir zankten uns, wer es besser spiele. Er schlug mir vor, daß, wer die erste Partie verlöre, sich zu allem, was ihm der Sieger auflegen würde, bequemen sollte. Ich ging darauf ein. Der Kalif, dein Vater, gewann. Er befahl mir, mich nackt auszuziehen und dreimal die Runde des inneren Palasthofes zu machen. Ich mußte mirs gefallen lassen, so hart die Buße auch war. Wir erneuerten dieselbe Verabredung für die zweite Partie. Dein Vater verlor. Ich befahl ihm, der häßlichsten Küchenmagd für eine Nacht meinen Platz auf seinem Lager einzuräumen. Er sträubte sich aus allen Kräften und bot mir den Tribut von Syrien und Ägypten an, um sich von der Strafe loszukaufen. Es half nichts, ich blieb taub gegen alle seine Vorstellungen, und je mehr er sich wehrte, desto zudringlicher wurde ich. Er mußte mir in die Küche folgen, und ich selbst wählte die letzte und verworfenste Küchenmagd aus, um sie ihm in sein Schlafgemach zu führen. Bald hernach wurde sie Mutter, und du, o Fürst der Rechtgläubigen, bist die Frucht dieser Umarmungen. Wäre ich minder zudringlich gewesen, so hätte dein Vater nicht Schach gespielt, und du wärest nicht zur Welt gekommen und hättest deinen Bruder und rechtmäßigen Thronerben nicht aus dem Wege geräumt. Von der Zudringlichkeit alles Unglück! Allah verdamme die Zudringlichen!« »Allah verdamme die Zudringlichen«, rief der Kalif und begab sich fluchend und mit Schande bedeckt von hinnen.
Ibrahim, der Sohn Al-Mahdis, lebte nach erhaltener Verzeihung Maamuns beständig im Palaste des Kalifen. Eines Tages, als er in den Straßen von Bagdad allein herumstrich, erblickte er an einem halbaufgemachten Fenster eine kleine, weiße und runde, allerliebste Hand, in die er auf der Stelle verliebt wurde. Nun sann er auf eine List, sich ins Haus hineinzustehlen. Er fragte beim Nachbarn nach dem Namen des Hausherrn und auch nach dem Namen zweier
Gäste, die eben ankamen, um an einem Feste, zu dem sie geladen waren, teilzunehmen.
Ibrahim grüßte sie ganz unbefangen, und indem er sie nach ihrem Befinden fragte, ging er mit ihnen ins Haus. Der Gastgeber glaubte, der Fremde sei ein Freund seiner Freunde, und grüßte ihn als solchen, wies ihm einen Ehrenplatz an und überhäufte ihn mit Aufmerksamkeitsbezeigungen sowohl beim Mahle als im Gesellschaftssaale, wohin man sich nach beendigtem Mahle begab.
Eine Sklavin, die schön war wie der volle Mond, kam mit einer Laute in der Hand und sang:
Liebend hangen meine Augen – An dem schönsten Ideal.
Ach! ich fürchte, daß sie saugen – Blut aus ihrem Schönheitsmal.
Ohne sie zu sehn und kennen – Geb ich ihr mein Herz als Pfand.
Ach! um ewig zu entbrennen – Ist genug die schöne Hand.
Ibrahim, dem diese Worte aus der Seele gesungen waren, konnte sein Entzücken nicht bergen. Indessen war die Sängerin keineswegs die Schönheit, deren kleine, weiße und runde, allerliebste Hand einen so tiefen Eindruck auf sein Herz gemacht hatte. Er dachte, daß die Sängerin ihn vermutlich beobachtet haben müsse, als er auf der Straße, in Liebe zur kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand versunken, unbeweglich nach dem Fenster hinstarrte, und daß sie diesen Umstand glücklich benutzte, um die schönen Verse aus dem Stegreif zu dichten, die, durch den Zauber ihrer Stimme und der Laute gehoben, alle Zuhörer zur einstimmigen Bewunderung hinrissen. Ibrahim, der selbst ein sehr guter Tonkünstler war, nahm die Laute und entlockte ihr melodische Töne, welche Seele und Verstand bezwangen. Den Hausherrn entzückte die Begabung seines neuen Bekannten, und er bat ihn, allein zurückzubleiben, nachdem sich die Gäste nach Hause begeben hätten. Als sie nun allein waren, fragte ihn der Hausherr um seinen Namen und hörte nicht auf, in ihn zu dringen, bis er sich ihm zu erkennen gegeben hatte. »Träume ich, oder wache ich«, rief der Hausherr; »welches unerwartete Glück für mich, o mein Prinz! Wenn du mich würdigst, den Rest der Nacht mit mir zuzubringen, so will ich wahrlich alles aufbieten, sie dir so angenehm zu machen, als es in meinen Kräften steht!« Ibrahim dankte ihm für seine Güte; und in der Folge der Unterredung erzählte er ihm die Begebenheit mit der kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand. Der Hausherr klatschte dreimal in die Hände und wandte sich dann gegen die Seite, wo der Vorhang des Harems war, und rief: »Kleidet euch an und kommt heraus!« Alsbald erschienen vierzig Schöne in dem reichsten Schmucke. Eine nach der andern ließ ein Paar Hände sehen, eines schöner als das ändere, und deren natürliche Schönheit durch den Glanz der Diamanten und Smaragden und Rubinen, mit denen sie beringt waren, ungemein erhöht wurde. Aber die kleine, weiße und runde, allerliebste Hand, die das Herz Ibrahims erobert hatte, war nicht darunter. Er teilte diese für ihn so traurige Entdeckung dem Herrn des Hauses mit. »Meinen ganzen Harem«, sprach er, »haben wir gemustert, nur meine Schwester ist zurückgeblieben; sie soll aber gleich kommen!« Sie kam und war die Schönheit mit der kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand, in die Ibrahim sich so sterblich verliebt hatte. Sogleich wurden zehn Zeugen gerufen, in deren Gegenwart der Hausherr seine Schwester als Frau verschrieb an Ibrahim, den Sohn Al-Mahdis, mit einem Heiratsgut von zwanzigtausend Dirhems.
Diese von Ibrahim dem Kalifen Maamun zu rechter Zeit erzählte Geschichte rettete einem jungen Menschen das Leben, der ein mit zehn Männern besetztes Schiff in der Meinung bestiegen hatte, daß sie zu irgendeinem Feste führen, an dem er ungeladen teilnehmen könnte. Diese Leute aber waren Räuber, welche gefangen vor den Kalifen gebracht und zum Tode verurteilt wurden. Der junge Mensch, der angab, als Schmarotzer mitgefahren zu sein, hätte keinen Glauben gefunden, wenn nicht Ibrahim dem Kalifen aus eigener Erfahrung erzählt hätte, daß solche Stückchen nichts Ungewöhnliches seien. Der Kalif verzieh dem jungen Menschen, und es fand sich, daß es der Sohn Ibrahims und der Dame mit der kleinen, weißen und runden, allerliebsten Hand war.
Einen Menschen, der, ohne geladen zu sein, sich in eine Gesellschaft einzuschleichen und durch seine Gaben gesellschaftliche Unterhaltungen zu verschönen weiß und deshalb die Ehre, daran teilzunehmen, verdient, einen solchen geistreichen, liebenswürdigen Tischfreund, den mancher mit dem unedlen Namen eines Schmarotzers oder Tellerleckers betiteln würde, nennen die Araber Tofail; und da besonders unter der Herrschaft Haruns und Maamuns die Kunst gesellschaftlicher Unterhaltung in höchster Blüte stand, so sind auch aus dieser Zeit verschiedene Anekdoten von solchen ungebetenen Gästen auf uns gekommen.
So lebte in damaliger Zeit zu Kufah ein junger Mensch von äußerst glücklichen Anlagen und sehr feiner Bildung, die ihn zum geistreichsten und liebenswürdigsten Gesellschafter machten. Er besaß ein außerordentliches Gedächtnis und hohe natürliche Beredsamkeit. Die schönsten Stellen arabischer Dichter waren ihm geläufig, und in der Geschichte war er vollkommen bewandert. Es entging ihm keine Gelegenheit, den Reichtum seiner Belesenheit und seines Witzes geltend zu machen, überall fand er die glücklichsten Beziehungen und Anspielungen auf, und über sein ganzes Wesen war eine sich immer gleiche heitere Laune ausgebreitet.
Er hatte seine schönsten Jahre und sein ganzes Erbe in der besten Gesellschaft von Kufah verlebt, und da ihm von seinem Genuß und Reichtum nichts als das immer rege Spiel seiner Geisteskräfte und eine heitere Gemütsstimmung übriggeblieben waren, so beschloß er, nach Bagdad zu reisen, um dort sein Glück zu versuchen. Er stieg in einem der größten Khane ab und mischte sich sogleich in den Kreis von Fremden und Einheimischen, die sich über die Neuigkeiten des Tages unterhielten. Für heute gab es nichts Wichtigeres, als daß der Kalif Maamun beschlossen hatte, diesen Tag mit seinem Bruder Al-Mutasim ganz allein, das heißt: bloß im vertrautesten Kreise des Harems, zuzubringen. Der junge Mann nun faßte schnell den kühnen Entschluß, sich als dritter in die Gesellschaft des Kalifen und seines Bruders zu stehlen und auf diese Art entweder sein Glück zu machen oder den Kopf zu verlieren. Sogleich suchte er von seinen Bekannten, deren er eine Menge in Bagdad antraf, die nötigsten Kleidungsstücke zu einem glänzenden Hofanzug zu entlehnen. Von diesem Unter- und Überkleid, von jenem Schal und Turban, vom dritten Gürtel und Säbel.
Als er sich ausstaffiert hatte, ging er ins Bad, ließ sich scheren und kneten und salben. Von da ab begab er sich, ein wenig vor Sonnenuntergang, gerade nach dem Palaste Mutasims, wo er sich durch den Torhüter als einen Abgesandten des Kalifen ansagen ließ. Er wurde vorgelassen und sprach:
»O Herr, der Fürst der Rechtgläubigen grüßt dich und fragt dich, ob du deines Versprechens, den heutigen Abend allein mit ihm in heitrer Gesellschaft zuzubringen, vergessen habest?« »Nein! wahrlich nein! Ich hab es nicht vergessen; aber mein Nachmittagsschlaf verspätete mich heute ungewöhnlich.« »So eile nun, o Herr, denn der Fürst der Rechtgläubigen hat mir den Auftrag gegeben, nicht von deiner Seite zu gehen, bis ich dich in seine Gegenwart gebracht habe.«
Mutasim befahl, die Pferde vorzuführen, wusch und kleidete und parfümierte sich, und machte sich auf den Weg in Begleitung des Jünglings, den er für einen der vertrautesten Zechgenossen des Kalifen ansah und mit dem er sich sehr gerne unterhielt; so schön und süß war seine Rede, so einnehmend seine Sitten.
Sie kamen bis an das Tor des Palastes, wo der Jüngling mit Mutasim abstieg und mit ihm das innerste Gemach des Kalifen betrat. Dort setzte er sich, als ob er immer da zu Hause gewesen wäre, zwischen Mutasim und dem Kalifen nieder, der ihn für einen der vertrautesten Zechgenossen und Gesellschafter seines Bruders hielt. Das Gespräch begann, der Jüngling aber wußte so geschickt den Ball der Rede zu schlagen, daß der Kalif und Mutasim mit Vergnügen seinem hochschwebenden Fluge zusahen. Vom Größten bis zum Kleinsten, vom Ernstesten bis zum Leichtesten, alles umfaßte sein Geist, über alles goß er das Schimmerlicht seines Witzes aus und ordnete die mannigfaltigsten Einfälle zu einem schönen Ganzen. Seine Worte waren so viele durchbohrte Perlen, die er an dem Faden des Gespräches zum schönsten Hals- und Armschmucke zusammenzureihen wußte. Der Kalif war entzückt ob seines unbekannten Gastes und konnte seinem Bruder, der ihm den mitgebracht hatte, nicht genug Dank wissen und erwartete nun mit Ungeduld die Gelegenheit, ihm den zu bezeigen. Indessen kam die Stunde des Essens heran. Die Gerichte wurden aufgetragen, und nach aufgehobenem Mahle befahl Maamun, daß die Sklavinnen des Harems unentschleiert vortreten sollten.
Sie sangen und spielten. Da war kein Ton und keine Weise, in welcher der Jüngling unerfahren gewesen wäre, was dann die Hochachtung des Kalifen für ihn nicht wenig erhöhte. Endlich kam der Augenblick, wo ein dringendes Bedürfnis den jungen Menschen zwang, sich zu entfernen. Er wußte wohl, daß er, sobald er den Rücken gewandt hatte, auch entdeckt sein würde, und hielt sich für verloren; indessen hatte er doch Mut genug, wieder zurückzukommen. Während seiner Abwesenheit hatten sich Maamun und Mutasim zugleich mit Fragen angefallen; wer denn des andern Freund und Zechgenosse sei? Keiner wußte Bescheid, und nun war der ungeladene Fremdling entdeckt.
Maamun fuhr im ersten Zorne gewaltig auf und schickte die Sklavinnen des Harems sogleich hinweg. Als der Jüngling zurückkam, die Mädchen auf der Flucht und den Kalifen voller Grimm erblickte, wandte er sich mit festem und ruhigem Ton an den Bruder des Kalifen. »O Ebi Ishak,« – dies war sein Vorname – redete er ihn an, »das ist wieder ein gegebenes Wort, so sind wir nicht eins geworden, daß du mir wieder einen deiner gewöhnlichen Streiche spielen und dem Fürsten der Rechtgläubigen der Himmel weiß was für Mücken in den Kopf setzen sollst.« Dann fuhr er fort, sich gegen Maamun wendend: »So macht er mirs immer, o Herr, und stürzt mich durch seine Scherze in Abgründe, aus denen ich mich oft nur mit tausend Nöten rette.«. Dann sprach er zu Mutasim: »So höre doch auf und mache des Scherzens ein Ende; ich beschwöre dich beim Haupte des Fürsten der Rechtgläubigen!« Als Maamun so viel Festigkeit und Zuversicht sah, wußte er selbst nicht, wie er daran war und wer von beiden die Wahrheit redete, der Zechgenosse oder Mutasim. Er beschwor diesen, ihm doch die Wahrheit zu sagen, und Mutasim schwur ihm hoch und heilig, daß er den jungen Menschen heute zum ersten Male gesehen habe. Dieser hingegen strafte ihn mit Beteuerungen und umständlichen näheren Angaben von Orten und Gelegenheiten, wo sie beisammen gewesen sein sollten, Lügen. Maamun mußte lachen und wußte sich nicht anders aus dem Zweifel zu helfen, als daß er dem jungen Menschen Verzeihung verhieß, wenn er ihm die Wahrheit gestehen wolle. Er gestand; und Maamun gefiel sich so gut in seiner Gesellschaft, daß er die Sklavinnen des Harems wieder zurückkommen ließ. Dann begehrte er, er solle ihm ohne Hehl das Merkwürdigste erzählen, was ihm auf seinem Wege von Kufah nach Bagdad begegnet war. Sogleich sagte der Jüngling aus dem Stegreif:
Ich hatte eine lange Nacht – Schlaflos im Khane zugebracht.
Ich dacht über manches her und hin – Ich fand nicht Ruhe noch Gewinn.
Auf einmal öffnet sich das Tor – Ich horchte hin mit leisem Ohr;
Es war des Wärters Weib, sie sprach: – Bist du umsonst die Nacht durch wach,
So brich mir meinen Lohn nicht ab – Und gib mir, was noch jeder gab.
Du läßt die kleine Zelle leer – Die Zeiten leider, sind so schwer;
Drum zahle du auch mir den Lohn – Das übrige versteht sich schon.
Der Kalif lachte, als ob er bersten wollte, und stampfte vor Vergnügen mit den Füßen auf die Erde. »Nun, ist dir kein weiteres Abenteuer begegnet ?« »Ja, o Herr! Kaum hatte ich den Khan verlassen, als ich auch den Weg verlor und mich in die Notwendigkeit versetzt sah, alle, die mir begegneten, um die rechte Straße zu fragen. Dies gab mir ein paar Verse ein, die ich vor mich hin in den Bart brummte:
Beklagenswert ist wohl des Fremdlings Los – Der sich hinauswagt in die Welt, die weite;
Er fragt und fleht umsonst so klein und groß: – Daß jemand ihn die wahre Straße leite.
Ein schönes Mädchen, das eben vorbeiging, antwortete sogleich aus dem Stegreife:
Die Führerin, o Fremdling! will ich sein – Und gerne dich die wahre Straße leiten,
Doch wiss', der Weg ist eng, das Tor ist klein – Es brauchet festen Fuß, nicht auszugleiten.
Zugleich warf sie mir in einem Papier zehn Dirhems zu, mit denen ich in den Stand gesetzt wurde, meine Schuld in dem Khane abzutragen und meine Reise weiter fortzusetzen!« Maamun war so zufrieden mit den gesellschaftlichen Gaben des Jünglings, daß er ihm hundert Dirhems auszahlen ließ und ihn unter die Zahl seiner vertrautesten Zechgenossen aufnahm. Er wurde berühmt unter dem Namen: Tofail Mutasim und verfertigte mehrere kleine Gedichte moralischen und ästhetischen Inhalts, deren eines Maamun auf den Vorhang des Harems sticken ließ.
Maamun liebte vor vielen andern seiner Sklavinnen eine, Nesim oder Zephryne genannt. Sie war beständig in seinem Geleite, sowohl in der Stadt als auf dem Lande. Doch mußte sie zuletzt einer neuangekommenen griechischen Sklavin weichen, die den Kalifen für sich einnahm. Zephryne verzehrte sich in Kummer und Schmerz, aber sie klagte nicht. Am neuen Jahrestage, wo alles dem Kalifen Glück wünschte und Geschenke brachte, erschien auch sie mit einem Becher aus Kristall, der mit einem gestickten Tuche bedeckt war. Im Kristall aber war diese Inschrift eingegraben:
Trinke, mein Freund, in langen Zügen den Becher der Liebe –
Lasse für mich darin nur ein Tröpflein zurück.
Der Kalif war bezaubert vom schönen Gedanken und vom Gefühle, das ihn ausgesprochen hatte, und versprach der Geberin, noch diesen Abend den Becher in ihrer Gesellschaft zu leeren; und hielt Wort.
Diese Inschrift wurde in der Folge berühmt und findet sich daher noch heute auf Bechern, Gläsern und anderen Trinkgeschirren eingegraben.
Ahmed Ibn Mohammed Elrariri erzählt von Dschennet, der Tochter Abdorrahmans, des Haschemiten, daß sie das reichste und wohlerzogenste Mädchen gewesen sei aus dem Stamme der Söhne Haschims. Das Feuer hätte ihre Schätze nicht verheeren, die Steine ihrer Beredsamkeit nicht widerstehen können.
Eines Tages ging sie zum Kalifen Maamun, den sie heimlich auf das heftigste liebte. Maamun saß in einem Saale, den er selbst hatte erbauen lassen, und der an Pracht und Herrlichkeit alle Bauwerke der vorigen Kalifen bei weitem übertraf. Alle Tiere des Meeres und der Erde waren da in Stein gehauen oder in Gold gegossen zu sehen. Die Wände waren gelber Damast und die Vorhänge chinesischer Seidenstoff. Vierhundert Sklavinnen, in die echtesten und reichsten Stoffe gekleidet, waren zum Dienst dieses Saales bestimmt. Gleicher Wuchs, gleiche Haare, gleiche Kleidung; alle schienen nach demselben Vorbilde geformt. Zweihundert standen zur rechten und zweihundert zur linken Seite.
»O Dschennet,« redete Maamun die Tochter Abdorrahmans an, »hatte dein voriger Gemahl oder dein Vater oder irgendein anderer Kalif einen Saal, gleich diesem an Pracht und Schmuck und Dienerschaft?« »O Fürst der Rechtgläubigen,« antwortete sie, »der Himmel friste dir dein Leben und den Genuß dieser Herrlichkeit! Alles entspricht deiner Würde und Erhabenheit; doch, möchtest du dich eines Tages herablassen und deine Dienerin Dschennet eines Besuches würdigen, so würde sie dich in einer Gesellschaft empfangen, wie du noch keine gesehen, und dir einen Wein darbieten, wie du noch keinen getrunken hast!« »O Dschennet,« antwortete Maamun, »ich nehme deine Einladung an, doch unter der Bedingung, daß ich den Kasi Jahja, den Sohn Ektems (der eben gegenwärtig war) mitbringen darf, denn ohne ihn, wie du weißt, genieße ich kein gesellschaftliches Vergnügen.« »Schon recht, o Fürst der Rechtgläubigen.« Dann zog sie eine goldene Dose hervor, die mit dem reinsten Moschus gefüllt war, und reichte sie dem Sohne Ektems mit den Worten hin: »Nimm, o Jahja! dies sei dein Lohn zum voraus für die Mühe, den Fürsten der Rechtgläubigen morgen abend zu mir zu führen.« »Gerne, sehr gerne«, erwiderte Jahja, der Sohn Ektems, und Dschennet verließ den Saal des Kalifen.
Am folgenden Tage saß Maamun zu Gericht in feierlicher Versammlung. Als die Sonne sich zum Untergang neigte, trat Jahja vor den Thron und sprach: »Erinnere dich, o Fürst der Rechtgläubigen, des gestern gegebenen Versprechens!« Alsogleich hob Maamun die Versammlung auf.
Sie verkleideten sich beide als Kaufleute, bestiegen zwei große nd schöne ägyptische Esel und machten sich auf den Weg nach dem Hause Dschennets. Sie klopften leise an das Tor, und Dschennet, die sie sogleich an ihrem Klopfen erkannte, kam selbst, um ihnen das Tor zu öffnen.
Sie ging vor ihnen her und führte sie durch den Garten in ein Lusthaus, das von vier Säulen aus rotem Granit getragen wurde. Die Gesimse waren aus Gold. Über dem Eingange war die folgende Inschrift mit Perlen ausgelegt:
Mein Inneres erfüllet sich, mit reiner Lust – Mein freundliches Gespräch bewegt die süße Brust.
Das Gold der Söhne Haschims strahlt mir vom Gesicht; – Vielleicht gefällt es dir, vielleicht gefällt es nicht.
Wohlredenheit, o Fremdling, ist der Geist – Der in mir lebt und mich zu dir hinreißt.
»O Jahja,« sagte Maamun, »hast du irgendeines Kalifen Lusthaus gesehen, das sich mit diesem vergleichen könnte?« Die Fußteppiche waren mit Perlen gestickt, die Deckenwölbung aus einem Zelte von Goldstoff geformt. Auf dem Boden standen große japanische Gefäße, aus denen Moschus, Ambra, Kampfer, Safran und Sandelholz ihre Wohlgerüche sandten, so daß man keinen einzelnen Geruch zu unterscheiden vermochte, sondern in einem Meere von Blütengerüchen zu schwimmen glaubte. Dschennet führte sie hernach an eine Balustrade, wo alle wohlriechenden Blumen des Morgenlandes dufteten und blühten. Maamun wähnte sich in ein Zauberland versetzt. Bald hierauf brachte man den Tisch aus jemenischem Onyx. Jeder Fuß war aus einem einzigen Stück gearbeitet. Der Tisch wurde gedeckt mit Speisen der mannigfachsten Farben und des köstlichsten Geschmackes, zu gleicher Lust der Augen und des Gaumens. Sie aßen; und Maamun schwur, er habe nie so vortrefflich gespeist, und seine Küche vermöge nichts Ähnliches zu liefern.
Nun wurde das Wasser zum Händewaschen in goldenen Kannen und Waschbecken gebracht, und nach beendigtem Mahle erschien der Wein. Schöne Jünglinge aber kredenzten ihn in Gefäßen aus syrischem Kristall. Es war der köstlichste Rebensaft, leicht wie die Luft, rot wie Rubin, brennend wie Ingwer. Dschennet nahm die Becher aus den Händen der Jünglinge und setzte sie ihren Gästen vor, die gar nicht aus dem Taumel des Vergnügens kommen wollten. »Wahrlich,« sagte Maamun, »so hab ich noch nie getrunken!« Dann kamen zwei Sklavinnen, in Seidenzeug von Kufah gekleidet, mit goldenen Gürteln und ägyptischen Schleiern und persischen Kronen auf dem Haupte. In ihrem Schoße hielten sie zwei Lauten, denen sie die süßesten Töne entlockten, die sie mit noch süßeren Gesängen begleiteten. »O Dschennet,« rief Maamun, »wohl mit Recht trägst du deinen Namen, denn durch dich genießen wir der Freuden des Paradieses.«
»O Fürst der Rechtgläubigen,« sagte Jahja, »etwas fehlt uns doch noch zur Vollkommenheit der Paradiesfreuden.« »Was denn, o Jahja?« »Das Vergnügen der Jagd.« »Da hast du recht,« sagte Maamun, »Dschennet muß uns auch noch das Vergnügen der Jagd verschaffen.« Dschennet führte sie in den Garten, der im eigentlichsten Sinne ein Paradies genannt zu werden verdiente.
Pfauen, Rebhühner, Turteltauben, Gazellen, alles lebte hier in der größten Vertraulichkeit beisammen. Die Nachtigallen kosten in den Rosengebüschen, und die Quellen murmelten leise ins Flüstern der Winde. Hundert Sklavinnen erschienen, alle zwar gleich gekleidet, jedoch eine schöner als die andere. Goldene Gürtel hielten ihre schwellenden Busen zusammen, und Perlenschnüre, in die schwarzen Flechten des langen Haares geflochten, schleppten ihnen auf dem Boden nach. »Seht hier,« sprach sie zu ihnen, indem sie auf Maamun und Jahja wies, »seht hier die Jäger.«
Die Sklavinnen verstanden den Wink und verstreuten sich ins Gebüsch, wie schüchterne Gazellen sich vor den beiden Gästen flüchtend, die sie aber umsonst verfolgten. »Siehst du, o Jahja, das Wildbret,« sagte Maamun, »ich wollte es wohl erjagen, aber ich müßte einen guten Spürhund haben.« »Den Spürhund«, sagte Jahja, »hast du schon in mir gefunden, bleibe nur am Anstand stehen, so will ich die Fährte des Wildes schon verfolgen.« Jahja lief und erjagte ein Mädchen, das er dem Kalifen als Wildbret zuführte.
»Ei,« sagte Dschennet, »wenigstens mußt du bekennen, o Fürst der Rechtgläubigen, daß ich nicht eifersüchtig bin.« Maamun verstand den Wink und sagte zu seinem Gefährten: »Nun bleibe du als Jäger am Anstand, und ich will als Hund das Wild aufjagen.« Jahja lachte laut und gehorchte. »Wir wollen sehen,« sagte Dschennet, »was du erjagen wirst, o Jahja; was es immer sei, mich wird wenigstens die Eifersucht nicht plagen!« Sprachs und sprang davon wie ein flüchtiges Reh; Maamun hinter ihr her, und gar bald hatte er sie ergriffen.
»O Fürst der Rechtgläubigen,« sprach Jahja, »das Fest würde nicht vollkommen sein, wenn du seine Geberin nicht zur Frau nehmen wolltest. Keinen schicklicheren Begleiter hättest du mitnehmen können als mich, der alsogleich den Heiratsvertrag aufsetzen und ausfertigen kann.« »Beim Propheten«, schwur Maamun, »und bei meinen erlauchten Ahnen aus der Familie Abbas, ich verlasse den Garten nicht eher, bis ich sie zum Weib genommen habe. Setze nur gleich den Vertrag auf; ich gebe ihr als Morgengabe eine Million Dinare und hundert Ortschaften obendrein als Nadelgeld!«
Jahja, der Sohn Ektems, setzte als Oberkasi den Vertrag auf der Stelle auf und erhielt dafür von Dschennet zur Belohnung zehntausend Dinare. Die Vermählung wurde noch selbigen Abends vollzogen, und die Frucht der Hochzeitsnacht war Abbas, nicht unwert des Namens seines Geschlechts und seiner Eltern.
Isaak, der Sohn Ibrahims, der bekannte Lautenspieler des Kalifen, erzählt: »Beständig an die Gesellschaft des Kalifen gekettet, fing ich an, sie lästig zu finden, und suchte mich eines Tages aufs Feld hinaus zu retten, um wenigstens einige freie Augenblicke zu genießen.
Meinen Dienern befahl ich, daß, wenn ein Bote vom Kalifen oder jemand anderem käme, sie antworten sollten: sie wüßten nicht, wo ich hingegangen wäre. Der Tag war heiß, und ich legte mich bald unter eine Laube, um auszuruhen. Es kam ein Sklave, der einen Esel führte, auf dem ein schönes Mädchen saß. Schön gewachsen, schön angezogen; ich dachte, es müsse eine Sängerin sein. Sie ritt an mir vorbei in ein benachbartes Haus; ich stand auf und ging vor dem Tore auf und nieder. Zwei schöne junge Leute kamen und grüßten mich; ich gab ihnen den Gruß zurück; sie gingen ins Haus und ich mit ihnen, sie in der Meinung lassend, als sei ich wie sie geladen worden, während der Hausherr glaubte, sie hätten mich mitgebracht. Man setzte uns zu trinken und zu essen vor, und das schöne Mädchen, das ich gesehen hatte, trat mit einer Laute in der Hand aus dem Harem heraus. Sie sang und begleitete ihr Lied mit zauberischen Akkorden. Der Hausherr fragte seine beiden Freunde, wer ich wäre, sie ihn. Es fand sich, daß ich ein ungebetener Gast war; nichtsdestoweniger behandelte man mich sehr freundlich aus
Rücksicht auf die geistvolle Art, mit der ich die Gesellschaft zu unterhalten versuchte. Der Becher ging im Kreise herum, und die Sängerin sang:
Deiner denk ich, Ommi Schasi – Seh dich nah vorüberziehn,
Während die Kamele trinken – An dem Brunnen in der Wüste.
Deine glatten Zähne glänzen – Wie des Sandes Spiegelkörner;
Und von deinem Angesichte – Strahlt des Mittags Flammenhitze.
Hierauf zerstreute sich die Gesellschaft, um das Gebet zu verrichten, dessen Stunde eben ausgerufen worden war. Während sie sich entfernt hatte, nahm ich die Laute und stimmte sie auf eine ganz andere Weise nach sonst ungewöhnlichen Tonverhältnissen. Als die Sklavin zurückkam und das Instrument in die Hand nahm, fragte sie sogleich: ›Wer hat es gestimmt?‹ ›Nicht, daß ich wüßte‹, antwortete ich. ›Ei wohl,‹ sagte sie, ›ein Meister der Kunst hat die Saiten geregelt.‹ Ich gestand, daß ich es getan hatte. ›Nun,‹ sprach sie, ›so spiele du auch.‹ Ich spielte einige meiner besten Weisen zum Entzücken der Gesellschaft. ›Ich schwöre bei Allah, dem Lebendigen,‹ rief der Hausherr aus, ›du bist ein Meister in der Kunst, entdecke uns nun deinen Namen.‹ Ich nannte mich und bekannte zugleich, daß, während der Kalif meiner harrte, ich mich weggestohlen und bloß um des schönen Mädchens willen den Eingang ins Haus versucht hätte. ›Wohlan,‹ sprach der Hausherr, ›ich mache dir einen Vorschlag: bleibe eine Woche bei uns, um die Vermählung mit der Sängerin, die du verlangst, zu feiern.‹
Ich blieb eine Woche bei ihnen, während mich der Kalif Maamun aller Orten suchen ließ, ohne meine Spur zu entdecken. Nach sieben Tagen verließ ich das gastfreundliche Haus und nahm die Sklavin mit mir. Dann ritt ich in das Serail, wo mir der Kalif ein ›Weh dir!‹ zurief. Ich erzählte ihm aber meine Geschichte vom Anfang bis zu Ende, und sie gefiel ihm so gut, daß er meinen freigebigen Gastfreund mit hunderttausend Dirhems beschenkte.
Erzähl mir eine Geschichte wider den Schlaf und wider die Langeweile«, sagte der Kalif eines Tages zu Masrur, dem obersten Aufseher des Harems. »O Fürst der Rechtgläubigen,« antwortete Masrur, »für jetzt fällt mir nichts bei, was deiner Erhabenheit würdig wäre; doch bringe ich dir einen alten Sklaven vom Serail deines Vaters, in dessen Gesellschaft dir die Zeit nicht lang werden soll!« Der alte Diener wurde vorgeführt, küßte dreimal die Erde vor den Füßen des Kalifen und begann folgende Erzählung:
»Der Vater deiner Erhabenheit, weiland Kalif Harun al-Raschid, glorreichsten Angedenkens, war ein großer Liebhaber der Jagd. Und den ganzen Tag über gings über Stoppel und Moor, bergauf, talein, in vollem Rennen. Ich hinter ihm her; oft vor der Hitze des Tages, vor Müdigkeit und Hunger verschmachtend. Eines Tages gab mir einer der Palastbeamten drei in Honig eingesottene Datteln, ein treffliches Mittel sowohl wider Hunger als Durst, des wurde ich froh und bewahrte meine Datteln wie einen Talisman wider das Ungemach der Jagd. Und ich erspähte den Augenblick, wo der Kalif ein wenig voranritt und mich nicht zu bemerken schien, um eine der Datteln zum Munde zu bringen. Aber kaum hatte ich sie über die Lippen gebracht, als mich der Kalif rief. Ich spie die Dattel aus und gab meinem Esel die Sporen, um den Kalifen zu erreichen. ›Sage mir,‹ sprach er, ›hat dein Esel schon alle Zähne, oder fehlt ihm vielleicht noch einer?‹ ›Er hat sie alle vollzählig, o Fürst der Rechtgläubigen!‹ war meine Antwort.
Eine kurze Zeit danach blieb ich wieder zurück und versuchte mein Glück mit der zweiten Dattel. Aber kaum hatte sie den Mund berührt, so rief mich der Kalif. Ich war gezwungen, die Dattel wegzuwerfen, und gab meinem Esel die Sporen. ›Ist dein Esel arabischer oder ägyptischer Abkunft?‹ fragte Harun. ›Er ist aus Jemen, o allergnädigster Herr‹, erwiderte ich mit verbissenem Unmute und kehrte auf meinen Platz zurück.
Hunger und Durst, nicht gestillt, sondern nur durch des Honigs Süßigkeit gereizt, plagten mich mehr denn zuvor, und ich versprach mir, wenigstens die dritte Dattel glücklich hinabzubringen. Doch der Versuch mißglückte. Kaum hatte ich sie zwischen den Zähnen, so rief mich auch schon wieder der Kalif, und ich mußte im vollen Trab zu ihm reiten. ›Um wieviel hast du deinen Esel gekauft?‹ fragte Harun. Verdammt, dachte ich bei mir selbst, sei mein Esel und sein Verkäufer! und dann mit dem abgemessensten und ehrfurchtsvollsten Tone: ›Er kostet mich gerade acht Dinare, o Fürst der Rechtgläubigen!‹ Der Kalif konnte sich des Lachens nicht erwehren, und ich kam abends hungriger und durstiger als jemals in den Palast zurück.
Nachdem ich mich durch Speise und Trank gelabt hatte, wandelte ich umher in den Galerien des Palastes und in den hohen Gängendes Harems, aus denen schon der letzte Schimmer der Abendröte verschwunden war. Lieblicher Gesang ertönte aus einem der Frauengemächer. Ich ging der Stimme nach und sah durch das Schlüsselloch den Kalifen, der seinen Arm um den Nacken der schönen Sängerin gelegt hatte. Der Kalif war zudringlich, sie aber bat ihn, sie zu verschonen, weil, wenn Subaidah, die Gemahlin Haruns, den geringsten Verdacht hegte, sie auf ewig unglücklich sein und den
Genuß des Augenblicks mit tausend Martern bezahlen würde. Harun bot all seine Beredsamkeit auf, die schöne Sklavin zu beruhigen; besonders habe; es heute keine Gefahr mit Subaidah, denn sie sei in der Frühe auf ein nahegelegenes Lusthaus verreist. In diesem Augenblicke schlug ich mit einem großen Knotenstocke an die Tür. Die Sklavin fuhr erschrocken auf: ›Um Allahs willen, das ist die Fürstin!‹ Der Kalif suchte sie erst zu beruhigen und fragte dann: ›Wer da?‹
›Es ist‹, antwortete ich, ›Ibad, der allergetreueste Sklave deiner Erhabenheit. Ich hatte heute früh auf die Frage, ob mein Esel alle Zähne habe, geantwortet, er habe sie vollzählig; nun aber, bei ganz genauer Untersuchung seines Maules, fand ich wirklich, o Fürst der Rechtgläubigen, daß ihm noch zwei fehlen.‹ ›Verdammt sei dein Esel, und du,‹ rief der Kalif, ›laß mich in Frieden!‹
Die schöne Sklavin war äußerst furchtsamer Natur und wollte lange nichts von des Kalifen Anträgen hören. Endlich ließ sie sich doch nach und nach herbei. Das Gespräch würde lebhafter, dann einsilbig, und sie waren auf gutem Wege, als ich wieder und weit stärker als das erstemal an der Türe klopfte. ‹O Subaidah! Subaidah!‹ rief die schöne Sklavin und sprang erschrocken auf. Der Kalif hielt sie beim Saum des Gewandes zurück, zog sie zu sich aufs Lager nieder, und nachdem er sie ein wenig beruhigt hatte, fragte er: ›Wer da?‹
›Dein allergetreuester Diener Ibad, o Beherrscher der Rechtgläubigen. Du fragtest mich, ob mein Esel arabischer oder ägyptischer Abkunft sei? Ich sagte nun, er sei aus Jemen; aber nach den genauest eingezogenen Erkundigungen ist er aus Oberägypten gebürtig!‹ ›Verflucht sei der Esel‹, schalt der Kalif, ›scher dich fort!‹
Die schöne Sklavin zitterte noch lange, und es brauchte vieler Mühe und Zeit, bis sie sich wieder den Liebkosungen Haruns hingab. Endlich wich die Furcht der Begier, und der Augenblick war da, wo Harun glücklich werden sollte; da schlug ich zum drittenmal mit Gewalt an die Türe. Die Sklavin konnte sich nicht fassen vor Schrecken. Mit Mühe hielt sie der Kalif in seinen Armen zurück. ›Das ist die Fürstin, ganz sicher‹, rief sie; und der Kalif fragte: ›Wer da?‹
›Dein allergetreuester Diener Ibad‹, antwortete ich. ›Ich hatte gesagt, mein Esel koste acht Dinare; nun habe ich: mich gar sehr geirrt, denn ich finde soeben in meinem Ausgabenbuche, er kostet nur sieben und einen halben.‹ ›Geh zur Hölle, du und dein Esel‹, fluchte der Kalif; ›daß weder du noch sein Verkäufer jemals hätte leben mögen!‹
Nun wollte die schöne Sklavin von nichts mehr hören. Harun al-Raschid verschwendete lange seine Beredsamkeit, bis er sie wieder in Fassung brachte. Endlich gab sie seinen Worten Gehör und war daran, seine Wünsche zu erfüllen. Da ertönte mit der ersten Morgendämmerung von dem Türme der Moschee des Serails der Gebetsruf. Dies war das Zeichen für den Kalifen, den Harem zu verlassen und das Morgengebet zu verrichten. So begab er sich denn unverrichteterdinge von der schönen Sklavin hinweg und bezahlte mir auf solche Weise die drei in Honig gesottenen Datteln.
Wer da suchet, der findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan, sagt ein arabisches Sprichwort. »Das will ich versuchen«, sagte ein junger Mensch, der es oft genug von seinem Lehrer wiederholen gehört hatte, und machte sich auf nach Bagdad und stellte sich dem Wesir vor. »O Herr!« sprach er, »ich habe lange genug ein stilles und abgeschiedenes Leben geführt, dessen ich nun überdrüssig bin, und habe stets meinen Willen bekämpft und mir nie etwas ernstlich zu wollen erlaubt. Weil mein Lehrer mir aber gar zu oft wiederholt hat: ›Wer da suchet, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan‹; so habe ich mir in den Kopf gesetzt, etwas recht ernstlich zu wollen, und zwar nichts Geringeres, als die Tochter des Kalifen zum Weibe.«
Der Wesir glaubte, der arme Mensch sei verrückt, und hieß ihn ein andermal wiederkommen. Er kam alle Tage, ohne sich abweisen zu lassen. Einmal traf es sich, daß sich der Kalif selbst unbekannterweise beim Wesir befand, als der junge Mensch wiederkam. Er hörte nun sein sonderbares Begehren mit Erstaunen an; weil aber seine Erhabenheit eben nicht in der Laune war, ihm den Kopf abschlagen zu lassen, so sprachen Höchstdieselben: Eine Prinzessin sei keine Kleinigkeit, wer sie nun verdienen wolle, müsse sich ihrer auch durch irgendeine außerordentliche Gabe oder Unternehmung würdig zeigen. Vor undenklichen Jahren sei ein Kristall in den Tigris gefallen: wer ihn brächte, dem sei die Hand der Prinzessin bestimmt. Der Jüngling nahm des Kalifen Zusage und ging an das Ufer des Tigris.
Er hatte nichts als ein Geschirr, mit dem er Wasser ausschöpfte, das er am Ufer ausgoß; danach verrichtete er sein Gebet. Dies tat er vierzig Tage lang. Die Fische, die ihn alle Tage wiederkommen und dasselbe tun sahen, fingen an, unruhig zu werden. Sie hielten Staatsrat darüber. »Was will der Mann?« fragte der Altvater der Fische. »Den Karfunkel, der seit so vielen Jahren im Schlamme des Tigris liegt.« »Ich rate euch,« sagte der Altvater, »liefert ihn ihm aus, denn wenn er den festen Willen und ernstlichen Vorsatz hat, ihn zu finden, so wird er, das sag ich euch, eher den Tigris ausschöpfen, als von seinem Vorhaben abstehen!« Die Fische fürchteten aufs Trockene zu kommen und warfen den Karfunkel ins Geschirr des Jünglings, der alsbald die Tochter des Kalifen zur Frau erhielt. Es kann viel, wer ernstlich will.