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Dem Herrn Geheimenrath
F. C. Schlosser
in Heidelberg
verehrungsvoll gewidmet
von
dem Verfasser.

 

Die hoch hervorragenden Männer, welche mächtige Charaktere und Geister zugleich sind, werden seltener in Deutschland. Nur da und dort steht auf dem Boden unserer Literatur noch ein Eichbaum, der aus einem gewaltigeren Zeitalter deutschen Geistes herstammt, ein Bild der Mannheit und der Freiheit. Schwarz und moosig durch Jahre und Stürme sind seine Aeste; aber sie schafft noch fort in ihm Jahr für Jahr, die ihm inwohnende unsterbliche Lebenskraft

Als eine dieser Eichen unserer Nationalliteratur stehen Sie da, hochverehrter Meister.

Lassen Sie mich so Sie nennen. Im wörtlichen Sinne bin ich nie Ihr Zuhörer gewesen; ich habe nie Ihr Angesicht gesehen. Durch die Macht des Geistes, in weite Fernen zu wirken, haben Sie mich, ohne es zu wissen, gelehrt, und es soll mein schönster Stolz sein, wenn Sie in mir einen Ihrer würdigen Schüler anerkennen.

Es waren Tage, in welchen die meisten deutschen Geschichtsschreiber die Wahrheit zu sagen nicht wagten, und die Unwahrheit zu sagen sich nicht scheuten; in diesen Tagen waren Sie es, welcher treu blieb dem Gesetz der Alten für Geschichtschreibung, niemals aus Geschmeidigkeit etwas Unwahres zu sagen, und niemals aus Furcht die Wahrheit zu verschweigen. Sie waren es, der ein scharfes und helles Licht fallen ließ auf jedes Unrecht in der Geschichte, auf Unrecht von oben wie von unten; auf das sittlich Hohe und Edle, wie auf das Niedere und Gemeine im Leben.

Da lernte ich an Ihnen verehren die Gewissenhaftigkeit, die Redlichkeit des Inhalts, und die unbefangene, reine Anschauung des Aeußeren und Inneren der Personen und Begebenheiten; verehren in Ihnen den Mann, der das Geschäft des Geschichtschreibers als eine heilige Pflicht nahm, als einen Beruf von Gott, Sucher und Finder, Hüter und Erhalter der Wahrheit für die Welt zu sein. Gleich zu Haus im Wissen und im Leben, hatten Sie nicht nur den Fleiß und Reichthum des Sammlers und des Quellenforschers; Sie hatten dabei den Verstand des Staatsmannes und des Kritikers; die ausgebildete Vernunft, die in den Begebenheiten die Ideen, in Allem den inneren Zusammenhang fand und aufzeigte; Sie hatten zudem das religiöse Gemüth, das den höheren Geist, der die Menschengeschichte lenkt und aus ihr redet, verstand und auf ihn hinwies; Sie hatten Liebe zur Freiheit und zur Tugend; den Muth, des Rechts der Unterdrückten sich anzunehmen; und das Auge des rückwärts und vorwärts gewandten Propheten, welcher verglich, warnte, ermahnte und weissagte. So schrieben Sie Geschichte, mit Klarheit und Kraft, in großem Sinn. – Das ist es, was ich an Ihnen verehren lernte und verehre.

Sie sind vor 7 Monaten in Ihr achtzigstes Jahr eingetreten, und nicht nur Ihr Geist, auch Ihre Hand schreibt noch. In Ihrer gütigen Zuschrift nennen Sie die Zueignung meines Buches eine Ehre für Sie. Die Annahme dieser Zueignung ist eine Ehre, welche Sie, der Meister, mir und meinem Werke erwiesen haben.

Leonbronn, den 16. Juni 1856.

W. Zimmermann.


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