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Neuntes Kapitel.

Hans Müller und die evangelische Brüderschaft.

Schon fing der gemeine Mann wieder an, nicht nur allwärts »zu fragen, von wannen der Teufel so viel Servitut, Zehnten und Frohnen hergeführt habe,« Seb. Frank. sondern da und dort, sich thätlich wider die Leistungen zu setzen. Im Bisthum Augsburg war eine 224Dorfschaft schon im Jahre 1515 so ungehorsam, daß deßwegen beim schwäbischen Bund Anzeige geschah. Akten des schwäb. Bundes im Stuttg. Archiv. Der Bund selbst war der Ansicht, »die vielen Kriegsaufgebote und Steuern, wozu die Bundesstände ihre Leute anhalten müssen, haben den Unwillen derselben erregt.« Nach der Stillung der Forchheimerbewegung war es im Bambergischen noch immer unheimlich. Der Bischof setzte am 4. August 1524 einen Preis von 50 fl. auf die Anzeige eines jeden Bauern, dem Brandstiftung erwiesen werde. Denn eine Reihe Zehntscheuern ging Nachts in Flammen auf; den Weltlichen wie den Geistlichen wurde um Nürnberg herum der Zehnten auf dem Felde weggebrannt; ebenso um Bamberg. Man wußte nur, daß Bauern es gethan; der Thäter wurde man trotz allem Fahnden nicht inne. Ebenso hatten der Bischof von Bamberg und der Rath von Nürnberg Kunde, daß »etliche geheime und unbekannte Personen« im Stifte hin und wieder ziehen, und die armen Leute in den Dörfern aufreizen, sie sollen nicht gestatten, den Zehenten bei ihnen einzulegen. An alle Amtleute erging der Befehl, diese »fremden und unbekannten Personen« einzufangen. Sie entgingen der Nachforschung. Auch im Bisthum Trier und in der Pfalz, um Heidelberg, wollten die Bauern keinen Zehnten mehr geben, schon im Juli 1524. Erlasse des Bischofs von Bamberg vom 5. und 14. August 1524. Schreiben des Hans von der Planitz vom 26. Juli 1524 an den Kurfürsten von Sachsen. Bei Förstemann »Neues Urkundenbuch« I., 209. Noch früher als hier, in Franken und am Rhein, und thätlicher, traten einzelne Bauerschaften in Oberschwaben auf, zumal an der Donau. Im Jahre 1523 übten die Bauern in den Klöstern Elchingen und Schussenried Gewaltthätigkeiten. Urk. des Weingarter Archivs ebendas. Anfangs April des Jahres 1524 weigerten sich die Bauern des Abts von Marchthal, ihm zu steuern und zu reisen. Abschied des schwäb. Bundes v. 10. April. Im Mai kündeten die Unterthanen der Abtei St. Blasien ihrem Herrn, dem Abte Johann, die Entrichtung aller Leibeigenschaftgebühren ab, und wollten frei gehalten werden, wie andere Landschaften. Aus dem oberrhein. Provinzialarchiv in H. Schreibers Taschenbuch. Im Juni brachte Ludwig Conradter, Bürgermeister zu Memmingen, auf dem Städtetag zu Ulm vor, daß dem 225dortigen Spital der Kirchensatz, Zehnten und alle Obrigkeit im Flecken Steinheim zugehöre, daß aber die Bauern weder großen noch kleinen Zehnten geben wollen. Seine Herren seien ferner in Sorgen, es möchten die aufrührerischen Mönche im dasigen Augustinerkloster heute oder morgen aus dem Kloster laufen, und Kelche, Geschmeide und andere Kirchenornate mitnehmen. Auch die Frauen in den Klöstern seien »wägig und aufrührerisch,« eine von ihnen habe erst neulich einen Karthäusermönch von Buchsheim geheirathet; auch diese Klöster könnten geplündert werden; der Rath bitte also die Städte um ihr Gutachten. Die Antwort war: Der Rath solle gegen die Bauern erst die Güte gebrauchen, und nur dann, wenn diese nichts vermöge, mit der That vorfahren; sei es ihm aber zu schwer, so möge er es an den ganzen Bund gelangen lassen. Die Ornate sollen sie sorgfältig verwahren. Laufen Mönche oder Nonnen davon, so müssen sie ihr Abenteuer darum bestehen. Aus d. Pflummernsch. Annal. Biberac. Manuscr.

An so vielen Orten Oberschwabens zuckten schon in der ersten Hälfte des Jahres 1524 Flämmchen aus dem Boden: was anfangs August in der Landgrafschaft Stühlingen ausbrach, war schon ein kleines Feuer. Bald war es ein großer Brand.

Da wo sich der Schwarzwald südöstlich gegen das obere Rheinthal streckt, in dem alten Alpegau, den die Wutach vom Klettgau scheidet, lag die Landschaft Stühlingen; oberhalb Stühlingen die österreichische Grafschaft Hauenstein; unterhalb desselben die Landgrafschaft Fürstenberg mit den Quellen der Donau in der Baar, welche Alles in sich schloß, was zunächst an der Südseite des Schwarzwaldes lag. Weiter östlich dehnte sich das Hegau, zwischen dem Rhein, der Donau und dem untern Bodensee, und noch weiter östlich schloß sich daran der Linzgau, der westlich an den Hegau, nördlich an den Federsee, südlich an den Bodensee und östlich an das Flüßchen Schussen gränzte; die Grenzen des Linzgau's und des Rheingau's flossen in einander. Das Rheingau hieß das Thal diesseits und jenseits des Rheines. Das große Algäu beschloß diese Reihe von schönen Landschaften, jenes Hochland, das sich unmittelbar an die Alpen lehnte.

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Diese Gegenden, hart an den freien Bauerschaften der Schweiz und Tyrols, waren es, in welchen einst Joß Friz und jener geheimnißvolle Veltlin auf und ab woben, und sie sind es auch jetzt, über welche das Feuer zuerst sich verbreitet; in Stühlingen fing es an. Landgraf von Stühlingen war Sigismund II. Herr von Lupfen, der sich nach seinem Stammschloß Hohenlupfen in der Baar schrieb, der Gemahl Helena's von Rappoltstein. Das Schneckenhäuslein- und Erdbeersammeln am Feiertag und in der Ernte war nicht der tiefere Grund, nur der Anlaß zum Aufstand.

Unbedeutende Dinge und Geschichten haben manchmal schon den Ausbruch großer Staatshändel und Kriege herbeigeführt: das Kleinste führt oft zu ganz unvorhergesehenen Folgen.

Es war wahrscheinlich der Feiertag Johannis des Täufers »Anno 1524 ungefährlich um Joannis – in der Erndt.« Manuscr. der Villinger Chronik. selbst, an welchem die Gräfin die Geduld der Stühlinger überreizte. Das dumpfe Murren des Unmuths wurde jetzt zum Handeln. Die mißvergnügten Bauern hatten in Kurzem es dahin gebracht, daß Stühlingen, Bondorf, Ewatingen, Bethmaringen und andere Bauerschaften ihrem Herrn die Frohnen, Jagd, Fall und Lehenspflicht aufkündigten; es waren in wenigen Tagen ihrer sechshundert. Sie fanden ein Haupt an Hans Müller von Bulgenbach, einem nahe bei Stühlingen gelegenen St. Blasischen Dorfe.

Hans Müller war ein Kriegsmann, der die Feldzüge wider König Franz von Frankreich mitgemacht hatte, und das Waffen- und Kriegshandwerk wohl verstand. Sein Aeußeres, seine natürliche Beredsamkeit, seine Schlauheit und Welterfahrung befähigten ihn zum Bauernobersten und Parteiführer.

Sie machten ein Fähnlein, schwarz, roth und gelb, Weiß hat die Villing. Chronik, gelb hat das Manuscr. der St. Blasischen Chronik. also nach den Farben der Reichsfahne; und schon am Bartholomäustag, den 24. August, zog er an der Spitze von zwölfhundert Bauern nach Waldshut, unter dem Schein des Kirchweihbesuchs; denn die Waldshuter Kirchweih fiel auf diesen Tag. Zu den früheren Sechshundert hatten sich bereits die Bauern des Grafen von Sulz, 227wie die des Freiherrn David von Landeck gesellt, und die Hintersassen von St. Blasien.

Waldshut, die vierte Schwester der österreichischen sogenannten Waldstädte, Laufenburgs, Säckingens und Rheinfeldens, am Hochgestade des Rheins, und im Angesichte der Schweiz gelegen, war gerade gegen Oesterreich wegen ihres Predigers Hubmaier in einer Art Kriegszustand.

Hier machten die Bauern mit den Bürgern Gemeinschaft, tagten und beriethen über ihre Sache, und errichteten einen Bund, den sie die evangelische Brüderschaft nannten. Jeder, der darein treten wollte, der sollte jede Woche einen Batzen in die Bundeskasse einlegen, um davon die geheimen Boten zu beköstigen, welche ihre Briefe nah und fernhin durch Deutschland tragen sollten, um alle Bauerschaften für ihre Sache aufzumahnen und zu gewinnen. Sie schrieben und sandten geheime Botschaften aus in's Hegau, Breisgau, Suntgau, nach Schwaben, nach Franken und nach Thüringen hinein, in's Elsaß, den Rhein hinab und zu den Bauern an der Mosel: »Sie wollen ihren Herren nicht mehr gehorsam sein, keinen Herrn haben als den Kaiser, diesem seinen Tribut geben; er solle ihnen aber nicht einreden: sie wollen alle Schlösser und Klöster, und was den Namen geistlich habe, zerstören.« Manuscr. der Villing. Chronik.

Es mag ohne Zweifel, wie man aus späteren Schreiben des obersten Hauptmanns Hans Müller von Bulgenbach abnehmen kann, in den Botschaften, die sie »in alle Lande« ausgehen ließen, der Plan mit ein bischen andern Worten gezeichnet gewesen sein, als wie ihn kurz und schlicht die feindliche Villinger Chronik gibt: die Hauptsache bleibt, zu Waldshut und in der evangelischen Brüderschaft waren Köpfe, fähig genug für den Gedanken und Versuch, die unter zahllosen Herren zersplitterten Bauernkräfte zu Einem Zweck und Ziel, zur Wiedergewinnung der alten Reichsfreiheit, und zum Umsturz der bisherigen Verhältnisse zu vereinigen, durch das ganze deutsche Reich Brüderschaften zu stiften und zu bewaffnen, und durch regelmäßige Correspondenzen und Boten fortwährend unter sich im Verkehr zu erhalten.

War der Geist Huttens, der diesen Gedanken früher wirklich hatte, und in diesen Gegenden kurz vor seinem Tode war, auf 228die Bauern übergegangen? war gar jener Karsthans, der in diesen Jahre nach dem Berichte der Stadt Freiburg hier herumzog und die Bauern des Schwarzwalds zu einem Bundschuh aufgefordert haben soll, nur ein Nachtreter von Ulrich Hutten selbst, welcher letztere, vielleicht unter dem in seinen letzten Volksschriften so oft gebrauchten Namen Karsthans, von dem Landstuhl sich in diese Gegenden gewendet hatte?


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