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Drittes Kapitel.

Die Thätlichkeiten unterhalb Ulm.

In den Lagern zu Langenau und Leipheim mehrten sich indessen die Bauern von Tag zu Tag und ebendamit die Besorgnisse der Bundesräthe in Ulm. Ueber 5000 standen in beiden Lagern; über 4000 zogen ihnen vom Mindelthal zu. Es waren aus dieser Gegend alle Streitkräfte des schwäbischen Bundes hinweggezogen, und bei dem Heere des Truchseß.

Wie in Leipheim und Günzburg, war auch in der Stadt Weissenhorn die Gemeinde für die Bauern. Schon während der ersten Versammlungen der Letztern waren viele Weissenhorner in die Lager der Bauern zu Illertissen, zu Engstetten, zu Leipheim, im Sumpf, hinausgeritten, und der Bauern Beginnen hatte ihnen wohlgefallen. In Weissenhorn selbst kam es zu unruhigen Auftritten bei der neuen Rathswahl, und die Gemeinde setzte es durch, daß Zwölf aus ihr in den äußeren Rath gewählt wurden. Die Gemeinde selbst wählte Sechzehn aus ihrer Mitte, die mit der Herrschaft und mit dem Rathe über ihre Beschwerden handeln sollten, und als diese sich am Sonntag Oculi, den 19. März, noch mit vier Bürgern verstärkt hatten, saß 346der Ausschuß der Zwanziger, und verhörte Alle, die sich beschwert zu sein vermeinten. Als die Bauern wieder in ihren Lagern sich zu sammeln anfingen, ritten wieder Weissenhorner hin und her hinaus und luden die Bauern in die Stadt ein. Es waren zwar Einige, die den Rathsherren riethen, solche zu strafen, man habe ja Gefängnisse genug, man solle sie darin »erkühlen« lassen. Der Rath aber wußte sich nicht zu rathen, das schon früher laut gewordene Geschrei, man solle die Herren über die Läden hinauswerfen, hatte ihn eingeschüchtert. Darum wollte er Walther von Hirnheim nicht in die Stadt lassen, der am 26. März mit einem reisigen Zeug des Bundes Einlaß begehrte: die Gemeinde war dagegen, und erst, als er mit der Drohung hinwegritt, man könne die Stadt auch ohne Schlüssel aufschließen, gewann es der Rath über die Gemeinde, daß sie am 28. März 344 pfalzgräfliche Pferde aufnahm. Während diese in der Stadt lagen, kam von denen zu Leipheim ein Schreiben, worin sie sich beschwerten, daß die Weissenhorner die Feinde der Bauern in ihre Stadt aufgenommen haben; diese haben sie bereits angegriffen und einen bäurischen Posten niedergeworfen. Man höre zu Leipheim, daß es wider Wissen und Willen des gemeinen Mannes zu Weissenhorn geschehen sei. Man versehe sich zu einer guten Antwort, sonst müsse man sie feindlich behandeln.

Es erhellt aus diesem Schreiben, daß auf dieser Seite von den Bündischen die Feindseligkeiten eröffnet worden waren, ehe die Bauern feindlich verfuhren. Wen man unterwegs, sagt der Augenzeuge, von den Bauern kommend oder zu ihnen gehend, antraf, der wurde erschlagen; und erst auf dieses handelten die Bauern ebenso gegen die Bündischen. Niklas Thomanns Handschrift.

Auch aus dem Bauernlager zu Illertissen, wo bei 6000 versammelt standen, kam eine Botschaft nach Weissenhorn, worin die Stadt aufgefordert wurde, der »christlichen Vereinigung« dieser Landschaft beizutreten. »Das, schrieben sie, bieten wir in brüderlicher Liebe und gutem Vertrauen zu wissen, daß ihr mit uns theilen wollet, wie gute Brüder, und nicht mehr; denn Gott sei mit uns Allen.«

Die Boten mußten sich flugs ohne Antwort hinwegbegeben. Am 31. März verließen die Pfalzgräflichen die Stadt, um zu dem 347Truchseß bei Ehingen zu stoßen, da es gerade jetzt gegen den Baltringer Haufen ging. Der reisige Zeug war noch nicht ferne von der Stadt, als in derselben ein Geschrei entstand, die Bauern ziehen über den Galgenberg mit Macht daher. Es wurde Sturm geschlagen, ein Theil der Pfälzischen kehrte in die Stadt zurück, denn in derselben war für solche Fälle nichts angeordnet: Büchsen, Pulver, Alles, was man zur Wehr nöthig hatte, war verschlossen; doch zeigte sich, daß es ein blinder Lärm war.

Erst am folgenden Tage, dem ersten April, erhoben sich, wie an diesem Tage auf so vielen Punkten des Reichs, auch die drei Bauernlager von Langenau, Leipheim und Illertissen zu Thätlichkeiten. Die Leipheimer fielen zuerst über Wilhelm Ritters Schloß zu Bühl, sie nahmen Büchsen, Pulver und alle Vorräthe daraus, und zerrissen und verderbten den Bau. Dann theilten sie sich; Etliche zogen an der Biberach herauf, der große Haufe wandte sich auf Pfaffenhofen. Nach Weissenhorn schickten sie, man möchte sie einlassen, sie wollen für ihren Pfennig essen und trinken; als es abgeschlagen wurde, begehrten sie Herausgabe alles dessen, was der Abt von Roggenburg und andere auswärtige geistliche Herren in die Stadt geflüchtet haben. Auch das schlug der Rath ab. Sie zogen nach Attenhofen. Jakob Wehe war selbst mit ausgezogen, aber er vermochte nicht allen Ausschweifungen einzelner von Wein und Rache trunkener Bauern vorzubeugen. Er war da, um aus dem Beutegelde eine Kriegskasse zu bilden.

Die Leipheimer hatten kein Geld, und die Landsknechte bei ihnen wollten Sold. Bericht eines bairischen Kundschafters vom 31. März. Leben wollten die Bauern auch. Auch aus dem Pfarrhofe zu Attenhofen ließ er Alles wegtragen, was fortgebracht werden konnte: der entwichene Pfarrer war der Sache des Volkes besonders feind, und Meister Jakob wollte das Pfarrhaus selbst umwerfen lassen. Auf Fürbitte und Vorstellung einer Frau, daß es der Kirche zugehöre, unterließ er es. Alle Pfarrhöfe umher standen leer; alle Pfarrer waren nach Weissenhorn geflohen. Die Bauern, die sich in denselben umher zerstreuten, thaten keinen Schaden darin, als daß sie hier einige Maß Wein austranken, dort ein Lamm, anderswo ein Paar Kühe, Kapaunen, Hühner mitnahmen, Fenster 348und Thüren einschlugen, und das that nicht der große Haufen, Niklas Thomann's Handschrift gesteht dies ausdrücklich zu. sondern Einzelne, die sich davon verliefen.

Den großen Leipheimer Haufen führte Meister Jakob, der im Pfarrhofe nichts zu sich genommen hatte, als ein geschmalztes Brod, Thomann's Handschrift. Professor Beesenmaier, der ein Programm über Jakob Wehe herausgab, entblödet sich nicht, zu sagen: »Wehe ließ sich im Pfarrhofe traktiren, und wie er genug gegessen und getrunken hatte, ließ er rein ausleeren,« und wagt sich dafür auf Thomann's Handschrift zu berufen, die das Gegentheil bezeugt. Weissenhorn zu. Er hatte 60 Wagen bei sich. Diese verlängerten den Zug noch mehr, der dem Weissenhorner Rath Angst genug machte. Denn schon waren die ersten Glieder des Zugs hinter den Gärten von Weissenhorn angekommen, als die letzten noch nicht aus Attenhofen heraus waren. Bei dieser Länge zeigte der Bauernzug eine ziemliche Breite, man zählte im Brachfelde 31 Fußtritte, so hoch marschirten sie, und die Furcht der Weissenhorner vergrößerte noch die Zahl, auf die man aus dem Vorhergehenden schließen konnte. Holzwart's Handschrift gibt 20,000 an, Thomann 12,000. Zehn aus der Mitte der Bauern gingen vor die Thore, um noch einmal Einlaß zu begehren; man wollte Meister Jakob selbst unter dieser Gesandtschaft gesehen haben. Sie brachten vor, man habe ja die bündischen Reiter auch eingelassen, man gebe Juden und Zigeunern um ihr Geld Zehrung, und zugleich begehrten sie, der Rath solle sich in ihre Brüderschaft begeben und das heilige Evangelium beschirmen helfen. Der Bürgermeister Diephold Schwarz antwortete, sie haben bisher zu Weissenhorn weder Mangel an Gottes Wort, noch über die Obrigkeit zu klagen gehabt, und bat sie, doch ja gute Nachbarschaft zu halten, die man auch gegen sie beobachten wolle. Zwischen der Verhandlung ließen die Rathsherren viel Wein und Brod herbeibringen. Die Gesandten der Bauern standen auf dem Graben, die Weissenhorner Herren zwischen den Thoren. Man bot den Gesandten einen freundlichen Trunk hinauf, den sie auch in freundlicher Meinung annahmen. Der Sprecher der Bauern, Jerg Ebner von Engstetten, auch der Baier genannt, füllte ein Fläschchen, das er bei sich führte, von dem hinaufgebotenen Wein, und schied mit dem Versprechen, das Beste in der Sache thun zu wollen.

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Bei dem großen Haufen gab es ein Geschrei, als die Weigerung der Weissenhorner kam: es wurde beschlossen, die Stadt zu stürmen. Zwei Fähnlein Jettinger Bauern wollten sich hierauf von dem Haufen trennen, man drohte ihnen, man wolle sie ansehen, wie die von Weissenhorn; da vereinigten sie sich wieder mit den Andern. Der Baier wurde an die Stadt zurückgeschickt mit der Antwort, da man sie nicht gutwillig einnehmen wolle, so wollen die Bauern in dieser Nacht die Stadt einnehmen. Damit sagte er der Stadt förmlich ab. Nun, rief Bürgermeister Schwarz, so hüte jeglicher Fuchs seines Balg, das walte Gott und der Ritter Sanct Jörg!

Die Bauern machten bereits alle Zurüstungen zum Sturme, das Schießen aus der Stadt und in die Stadt begann, selbst die aus der Nachbarschaft hereingeflüchteten Priester nahmen Theil an der Vertheidigung. Das Schießen hatte etwa eine Stunde gedauert, die Bauern hatten sich in den Häusern der Vorstadt gesetzt, es dunkelte, und man machte auf beiden Seiten einen Stillstand.

In Weissenhorn fürchtete man am andern Morgen die Erneuerung des Angriffes, die Bauern waren aber in der Finsterniß von der Stadt weg und vor das Kloster Roggenburg gezogen. Die Conventherren waren auf die erste Kunde ihres Anzugs entflohen, und das Kloster war leicht einzunehmen. Unbekümmert darum, daß es Fastenzeit war, ließen sie es sich wohl sein in Fleisch so gut als in Fischen, und in dem trefflichen Weine der Conventherren. Das löste die Bande der Ordnung. Betrunkene Bauern zerschlugen das schöne Orgelwerk des Gotteshauses, stießen das Sakramentshäuslein mit einer Stange zusammen, nahmen das Hochwürdige sammt dem Büchslein, worin der Chrisam und das Oel war, heraus und zerschlugen Alles in der Kirche, die Bibliothek wurde erbrochen, die Bücher und die Akten, worin die Gülten und andere Schuldigkeiten der Bauern verzeichnet waren, wurden zerrissen oder fortgeführt, die Kelche und das andere Geräthe weggenommen, Meßgewande und Fahnen zerrissen, die Bauern machten sich »Hosenbändel« daraus. Die Hauptleute, die das Kloster in Ordnung leerten, fanden große Vorräthe an Korn und Wein, an Zug- und Federvieh und Schafen, an allerlei Geräthe. Jörg Ebner machte sich in dieser Nacht zum Abt von Roggenburg und freute sich mit seinen Bauern des Scherzes.

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Die Bauern waren von vielen Dörfern her nach Weissenhorn und Roggenburg noch viel an Güter und Anderem im Rückstand, und glaubten so auf einmal Alles zu erledigen; es waren an die 12,000 zu Roggenburg thätig gewesen; die von Illertissen, die, 6000 stark, zu ihnen vor Weissenhorn hatten stoßen sollen, hatten sich verspätet und in Babenhausen übernachtet. Aus wenigen Ortschaften hatten sich nur Etliche, aus den meisten Alle dem Bauernhaufen angeschlossen, »so daß in etlichen nur die Goggelhahnen da blieben, den Tag anzukrähen.« Thomanns Handschrift.

In der Frühe des 2. Aprils – es war der Sonntag Judica – zog der größte Theil des Leipheimer Haufens mit der Beute nach Leipheim zurück. An selbem Sonntag kam der Haufe von Illertissen zur Nachlese nach Roggenburg; er nahm oder verwüstete, was die Andern übrig gelassen hatten. Einer wollte sogar das Kloster anzünden, einer der Hauptleute aber versetzte ihm eines mit der Hellebarde und löschte das Feuer aus. Thomann's Handschrift setzt naiv bei: »Da merk', daß die Bauern eine liederliche Liebe zusammen gehabt haben.« Wahrscheinlich war dies Augustin Schlegel von Babenhausen, der sich als Hauptmann auch sonst durch Mäßigung auszeichnete. Auf dem Zug nach Roggenburg waren die auf der Flucht nach Memmingen begriffenen Conventherren den Bauern bei Kettershausen in die Hände gerathen. Das Volk, das gerade in der Kirche war, lief zusammen, und die geistlichen Herren wurden gefangen in die Schenke geführt. Die Bauern rathschlagten, was sie mit ihnen thun wollten. Die Einen stimmten, man müsse sie todtschlagen; die Andern wollten sie frei lassen. Da kam Augustin Schlegel, der Hauptmann von Babenhausen, dazu, entriß sie dem Schwarm, und entließ sie zu den Ihrigen.


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