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Achtes Kapitel.

Gewaltthätigkeiten von Herren in Oberschwaben.

Die Abgaben und mancherlei Lasten, schwer nach Zahl und Art, die gerade gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts und im Anfange des sechzehnten durch Reichs- und Bundeslasten und durch die Willkür und Bedürfnisse der Herren sich gemehrt hatten, wurden jetzt noch mehr gefühlt, seit die freie Predigt und die Presse so thätig waren. Noch immer litt der arme Mann unter dem Conflicte der Gerichtsverfassung; noch immer hatte er über einseitige und über theure Rechtspflege, und zwar mehr als je, zu klagen; mehr als je kamen die Doktoren des römischen Rechtes und spitzbübische Sachwalter den sich steigernden Bedürfnissen der Herren entgegen, schoben den altgermanischen Rechtsverhältnissen römische Rechtstitel unter, und verwirrten alle Rechtsbegriffe, Alles zur Uebervortheilung und Aussaugung des gemeinen Mannes. Luxus und Verarmung der Herren, unter denen es im Fürstenmantel und unterm Ritterhelm tief verschuldete, »verdorbene Leute,« in großer Zahl gab, fuhren miteinander fort, jede Art von Einkünften künstlich zu steigern; gesteigert wurden die Steuern unter allen möglichen Titeln, durch neue Zölle, durch Erhöhung alter Zölle, durch drückende Umgeldserhebungen, durch Herabsetzung der Geldsorten und andere Münzspekulationen, durch willkürliche Erhöhung der Strafgelder, ja durch gewaltsame Verwandlung der Strafen in ewige Abgaben. Das Gotteshaus Kempten führte es in die Strafpflege ein, daß jeder Zinsbauer, der wegen eines Vergehens zur Strafe gezogen wurde, mit der Verpflichtung zu Fall- und Hauptrecht gestraft wurde. Viele Urkunden des Stiftes. Haggenmüller 414. Bei den deutschen Bauern galten die sächsischen Fürsten als milde vor andern; und den Mildesten darunter, den Kurfürsten Friedrich den Weisen, verleitete sein ungewöhnlich hoch besoldeter Plusmacher Pfeffinger zu einer Tranksteuer, welche große Unzufriedenheit im Volke erregte. Seckendorf I. S. 67.

Der allgemeine Rechtszustand im deutschen Reiche war so traurig als je. Das Reichsregiment war eine Null, ohne Geld, ohne Macht, 213ohne Gehorsam. Es machte viele Unkosten; der Kaiser war ferne in Spanien; sein Statthalter und Bruder Erzherzog Ferdinand war blutjung und stand ganz unter dem Einflusse eines jüdischen Finanzmannes aus Spanien, des verrufenen Salamanka; der schwäbische Bund beanspruchte für sich geradezu eine Ausnahme, Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Reichsregiments; die mächtigeren Landesherren kümmerten sich wenigstens thatsächlich um das Reichsregiment und seine Sprüche nichts, und unter ihren Gewaltthätigkeiten, unter ihren und des Adels Fehden, unter den Räubereien der Ritter vom Stegreif, unter den Plünderungen und dem mannigfachen Unfuge der Landsknechte, hatte das Volk nach wie vor zu leiden. Es mußte die Söldnerwirthschaft und die neuen Staatseinrichtungen des Reiches theuer zahlen und hatte doch keinerlei Schutz vom Reiche. Das Volk war es, das die Kosten des schwäbischen Bundes und anderer Einungen zahlen mußte, welche die Herren zu ihrem gegenseitigen Schutze schloßen. Diese Kosten blieben eine stehende Auflage des Volkes, und doch war dadurch Alles eher sicher, nur nicht der gemeine Mann auf dem Lande, nicht der Bürger auf der Handelsstraße, nicht einmal in seiner Stadt vor der Willkür der Aristokratie. Das Volk war es, dem von den Landesherren die Mittel abgeschweißt wurden, um die Landeshoheit auf Kosten der Reichsmacht, das Kleinfürstenthum zum Nachtheil des Kaiserthums zu stärken. Nicht immer sprach der schwäbische Bund so zu Gunsten der Bauern wie in der Herrschaft Ochsenhausen, weder in Kempten, noch anderswo. Und die herrschenden Geschlechter in den Städten fuhren fort, die Herren zu spielen und zu drücken, wie die auf den weltlichen und geistlichen Fürstenstühlen, in den Burgen und Abteien: weil man mehr brauchte, legte man mehr auf, weit über das alte Herkommen hinaus. Gerade, was des deutschen Reiches größtes Elend war, der Mangel an Einheit und Kraft unter einer starken Kaiserkrone, und die Vielherrschaft mit allen ihren Uebeln, hatte der gemeine Mann am härtesten zu empfinden; der Lehensbauer, der Bürger der Landstädte, der Gemeinfreie, gleichviel ob er unter der Landeshoheit eines Herzogs oder eines Bischofs, eines Reichsbarons oder einer Reichsstadt saß.

Zudem fraß die Genußsucht und die Angewöhnung künstlicher Bedürfnisse von oben sich bis unten durch alle Klassen des Volkes 214durch; Völlerei, Müßiggang, Wirthshausleben und Unzucht nahmen im Volk überhand, Alles, was es weltlichen und geistlichen Herren, besonders den niedern Geistlichen zur Lebensart geworden sah. Erschöpft durch die Zahlungen nach Oben und nach allen Seiten hin, hatte das Volk nicht, um seiner eigenen Genußsucht in den neuen Bedürfnissen Genüge zu thun, und wurde um so mißvergnügter. Ein großer Theil der armen Leute aber war nicht muthwillig, sondern in bitterer Noth, bis zum Hunger und bis zur Blöße. Ein junger Bauer rief auf dem Richtplatz: »O mein Jesu, ich soll schon sterben, und habe mich mein Lebtag noch nicht satt Brod gegessen!« Die Herren wußten, daß das keine Lüge war.

Und der Abt von Roth im Allgäu wußte, daß es Wahrheit war, was seine Gotteshausleute bescheiden zu ihm sprachen: »Wir sind Ew. Gnaden und des Gotteshauses Unterthanen und arme Leute; es ist um und um nichts, denn große Armuth, womit wir früh und spät umgegangen; und nichts als unsere große Armuth liegt am Tag.« Vortrag der Abgeordneten der Gotteshausleute vom 14. Februar 1525.

Im Jahre 1522 schrieb Luther: »Das Volk ist aller Orten in Bewegung und hat die Augen offen; es will nicht, es kann nicht mehr sich so unterdrücken lassen.«

Es war nicht bloßer Vorwand, wenn einzelne Reichsstände neue Reichssteuern mit den Worten ablehnten, der gemeine Mann sei schon so hoch beschwert, daß eine neue Auflage besorgen ließe, es möchte eine allgemeine Empörung werden. Das Volk fühlte in allen Gliedern wie viel in den öffentlichen Zuständen faul war. Dieses Gefühl steigerte sich stündlich zur Sehnsucht, zur Ungeduld nach Verbesserung. Diese Sehnsucht erhielt vielseitige Nahrung von Außen gerade um diese Zeit.

Es wurde manche Verordnung da und dort gegeben, wodurch das Zusammentreten und Verabreden der Bauerschaften abgeschnitten werden sollte. Die uralte Freiheit, Gemeinden zu halten, wurde mannigfach beschränkt oder ganz entzogen. Die Volkslustbarkeiten, Hochzeiten, Kirchweihen, Wallfahrten, Freischießen, Zunftgelage und Anderes, hatten sonst vielfachen Anlaß geboten, zusammenzukommen, und durch Freude und Herzensergießung sich die Last zu erleichtern. 215Aber war schon durch die gewaltthätige Unterdrückung des Rechtes, durch Wegziehen seine Lage zu verändern, dem gemeinen Manne der Fuß an die Scholle gebunden, so sollten ihm durch fast allseitige Beschränkung seiner Volkslustbarkeiten auch die Gelegenheiten vollends genommen werden, unter sich davon zu reden und zu klagen, was jeder leide. Dennoch griff die Gährung um sich.

Es gab wohlmeinende Lehensherren neben harten. Wo man zu rechter Zeit dem gemeinen Manne billig oder gerecht wurde, da blieb er ruhig. Die von Ochsenhausen rührten sich nicht mehr. Das spricht unwiderlegbar.

Heinrich von Einsiedel hatte von seinen Voreltern eine Dorfschaft ererbt, die ehemals dem Kapitel zu Altenburg zugehört hatte. Ueber die auf diesem Gute haftenden Frohnen entstand in seinem Gewissen die Bedenklichkeit, ob sie nicht ehemals viel leidlicher gewesen, folglich unbillig seien. Zwar war er in langwierigem Besitzstande von seinen Voreltern her; zwar war es gewiß, daß die Bauern, auch da sie noch dem Kapitel zugehörten, Frohndienste leisten mußten, und seine Vorfahren mit diesen Rechten die Dorfschaft erkauft hatten; zwar wurden sie mit dem Leibgeld verschont, und der Dienst selbst, für den Pferdner in 15 Tagen mit den Pferden und 12 Tagen Handlohn, und für den Hintersassen in 18 Tagen Handlohn bestehend, war nach der Ansicht des Zeitalters gering; zwar hatte er seit dem Beginne der unruhigen Bewegung unter dem gemeinen Manne eine churfürstliche Entscheidung für sich, welche die Bauern auch angenommen hatten, und die Aufhebung dieser Frohnen wäre, da sie mit andern Dorfschaften gemeinschaftlich geleistet wurden, mit mancherlei Anstößen verknüpft gewesen. Dennoch wandte der edle Mann sich an Luther, der ihn zu beruhigen suchte: die Frohnen seien zuweilen zur Strafe auferlegt oder durch Verträge erlangt worden, er könne sie also mit gutem Gewissen beibehalten, und seinen Leuten sonst in andern Sachen guten Willen erzeigen. Anfangs genügte ihm diese Belehrung Luthers, allein die Gedanken, daß die Frohnen etwas Unrechtes seien, schlichen sich wieder ein. Er wandte sich also an Spalatin mit der Bitte, noch einmal darüber mit Luther zu sprechen. Luther wiederholte seine erste Meinung, daß er die alten Frohnen, wenn er selbst sie nicht aufgebracht habe, beibehalten dürfe; es sei 216nicht einmal gut, Rechte abgehen zu lassen, »denn der gemeine Mann müsse mit Bürden beladen sein, sonst werde er zu muthwillig.« Spalatin stimmte damit überein. Aber Einsiedel fühlte sich dadurch nicht beruhigt. Ebenso wenig wurde er es durch ein neues Gutachten Spalatins: »Die Ordnung, welche erhalten werden müsse, erfordere es, den gemeinen Pöbel im Zaum zu halten; er habe ja diese Frohnen nicht aufgebracht: Joseph habe in Aegypten sogar den fünften Theil des Ertrags eingefordert, und Gott habe sich diese Anordnung gefallen lassen. Wenn er je sein Gewissen nicht stillen könne, so möge er zuweilen den Unvermögenden nachsehen, aber doch die ererbte Frohne nicht ganz abthun, weil dieses den Pöbel nur verwöhnen und frecher machen würde. Denen, die nicht darum bitten würden, solle er sie nicht erlassen; alle Neuerung bringe Beschwerung mit sich, und alle Beschwerungen soll man nicht in Bewegung bringen. Dergleichen Lasten seien auch anderwärts, und ihre Abschaffung sei nicht nur unmöglich, sondern würde auch große Zerrüttung verursachen; ja sie seien an manchen Orten viel größer. Bei solchen Gewissensbeschwerungen soll er einen Trostpsalmen zur Hand nehmen; so rein werde es hie auf Erden nimmer zugehen, bis wir in die Grube kommen.« Das Alles aber beruhigte einen so edeln und uneigennützigen Charakter, wie Einsiedel war, nicht. Freilich, da man ihm die Frohnen als der heiligen Schrift nicht widerstreitend dargestellt hatte, schrieb er die neuen Beunruhigungen seines Herzens nun den Eingebungen des Teufels zu, gegen den er mit Gebet und Sakrament kämpfen müsse: indessen handelte er doch so, als wären es Eingebungen des guten Geistes; denn er bestimmte in seinem Testamente einige seiner Einkünfte zu dem Zwecke, daß davon, wenn Steuern und Dienste auferlegt würden, den Armen geliehen werden soll »zur Gegenschatz, ob etwas zu viel geschehen wäre.« Spalatin bezeugte sein Mißfallen über die neuen Auflagen und billigte dieses Vermächtniß, doch rieth er ihm, es jetzt nicht laut werden zu lassen, damit er die Leute nicht muthwillig, noch sich verdächtig mache. Manuscript in der Manuscriptensammlung des verstorbenen Prälaten v. Schmid, im K. Staatsarchiv zu Stuttgart. Andere Herren handelten anders.

Im Sommer 1524 hatte sich die Noth der Einwohner des 217Donaustädtchens Leipheim, das der freien Stadt Ulm gehörte, so gesteigert, daß sie sich gezwungen sahen, um Steuernachlaß flehentlich zu bitten. Ein ehrbarer Rath fertigte die Unglücklichen kurz ab mit der Entscheidung: Denen von Leipheim sollen ihre Steuern nicht nachgelassen werden. Ulmer Rathsprotokoll, Montag nach Luciä. Wie ganze Gemeinden, so sahen sich noch mehr Einzelne mißhandelt. Jakob Ehinger der Aeltere zu Ulm forderte an Hans von Rechberg, den Pfleger zu Kirchberg, daß er ein paar seiner Leibeigenen, die zu Kirchberg saßen, mit Weib und Kind aus der Herrschaft vertreiben solle, weil sie sich weigern, ihm die Leibhennen zu geben. Urkundlich im Stuttg. Staatsarchiv.

Besonders bedrückt waren noch immer und immer mehr, die Bauern des Fürstabts von Kempten. Eine endliche Rechtsentscheidung des Bundes war nicht erfolgt. Jenen kleinen treulosen Tyrannen, Abt Johannes II., sah der Haß seiner Unterthanen im Herbst 1507 mit Vergnügen auf der Todtenbahre. Aber es kam nichts Besseres nach. Der neue Fürstabt war gegen die Zinser und freien Leute so despotisch als seine Vorgänger, ja noch härter. Wer jetzt ein Gotteshausgut bestand, Zinser und Leibeigene, mußten sich verschreiben, die Gülten zu leisten, ohne alle Rücksicht, ob und wie viel sie Schaden von den Elementen erlitten. Ja er erzwang Zins, wo er nicht das geringste Recht dazu hatte. Benz Funk aus der Pfarrei Günzburg hatte zu Rom sich eine Absolution ausgewirkt, daß seine Ehefrau, eine Freie, nicht in seinen Stand herabsinken, sondern frei bleiben solle, und war im Begriff, sein Schloß zu Illerberg an die Stadt oder einen Bürger zu verkaufen. Aus diesen beiden Ursachen legte ihn der Abt gefangen in den Thurm zu Liebentann. Im Gefängniß ließ er ihn durch seine Söldner bedrohen, er solle in Stücke gehauen werden, wenn er dem Fürsten nicht zu Willen sei, und sowohl seine Frau als sein Schloß ihm zu eigen überlasse. Der Schrecken machte den schon gealterten Mann krank; auf dieses hin ließ ihn der Abt aus dem Thurm in eine Kammer legen. Er suchte zu entfliehen, knüpfte seine Bettgurten und Leintücher zusammen und ließ sich an dem Schloß herab, verunglückte aber so, daß er ein halb Jahr darauf an den Folgen des Sturzes starb. Der 218Abt nahm gleich am Morgen nach dem Fluchtversuch das Schloß zu Illerberg mit Gewalt ein, legte auf Kosten Funks eine Besatzung darein, warf die freie Frau des Schlosses in's Gefängniß, und zwang ihrem gefangenen kranken Mann eine Verschreibung ab, daß er seine Frau in seinen Stand bringen und das Schloß Illerberg an Niemand als an das Stift verkaufen wolle, um einen durch vier Schiedsmänner zu bestimmenden Kaufpreis. Aber nicht einmal diese Uebereinkunft hielt der Abt, sondern zog nach Funks Tode die Sache hin und brachte seine Erben in großen Schaden. Zu Bodenwalz saß der Müller frei auf seiner Mühle. Der Abt forderte von ihm einen Zins daraus, der Müller weigerte sich, zu zahlen, was er nicht schuldig war. Da drohte ihm der geistliche Fürst, bei längerer Weigerung die Mühle niederbrennen zu lassen, und der Unterdrückte, Schutzlose mußte zahlen. Die unter dem Namen Reisegelder laufenden Kriegssteuern erhob er nach Willkür von den Unterthanen und achtete sich Alles für recht, um die Rechte und Besitzungen des Stiftes zu vergrößern! Nach Haggenmüller, Gesch. v. Kempten, aus stiftischen und städtischen Urkunden und landschaftl. Acten im Münchener Archiv.

Im Jahre 1523 raffte die Pest auch diesen kleinen geistlichen Tyrannen weg. Sein Nachfolger, Sebastian von Breitenstein, in der Politik des Stiftes aufgewachsen, trat in die Fußstapfen des Verstorbenen, ungeachtet die Unzufriedenheit um ihn her immer größer, der Geist des gemeinen Mannes immer drohender wurde.

Statt daß das Gotteshaus den Entscheid von 1492 gehalten und alle seine Angehörigen bei ihrem Stande gelassen hätte, hatte es bloß seit Menschengedenken Hunderte von Personen um die Freiheit oder die Rechte freier Zinser mit Gewalt und Treulosigkeit gebracht. In den bei den landschaftlichen Acten vorhandenen Rotteln sind vierhundert Fälle dieser Art aufgezählt. Nicht zufrieden damit, häufte der neue Abt die Lasten, Ungerechtigkeiten und Gewaltthaten, als wollte er in einem Vierteljahre mehr thun, als alle seine Vorgänger zusammen.

Die Landsteuer, welche als Schirmgeld erhoben wurde, und früher achthundert Pfund Heller betrug, erhöhte er auf 1266 Pfund Pfennige, und legte zudem den Unterthanen eine Kriegssteuer auf; 219so mußte ein Bauer, der zuvor fünf Schillinge gegeben hatte, jetzt fünf Pfund oder fünf Gulden, also das Zwanzigfache des früheren geben. Höfe, die urkundlich lehenfrei waren, wurden als Lehen eingezogen, von Gütern, die nie mit einem Zehnten belastet gewesen waren, der Zehnten erpreßt, und den Gutsbesitzern die alten Briefe, die ihre Zehntfreiheit bewiesen, abgenommen. Die Beständer von Gotteshausgütern mußten Reverse ausstellen, daß sie bei Strafe des Heimfalls der Güter und aller Zugehör nicht flüchtig noch ungehorsam werden, auch keinen fremden Schutz annehmen wollten. Von freien Zinsern wurde der dritte Pfennig als Nachsteuer, und beim Pacht von Gotteshausgütern das Gelübde abgenommen, dem Gotteshaus gericht-, dienst-, strafbar und botmäßig sein, Steuer, Reisegeld, Faßnachthennen, Fall- und Hauptrecht, Gülten, Grasgeld und Ehrschatz geben zu wollen. Schulden, die das Gotteshaus an Bauern schuldete, zahlte der Abt auf eine ganz besondere Weise. Forderten sie die Heimzahlung, so sagte er diese ihnen zu, sobald sie sich an das Gotteshaus verschrieben. Thaten sie dies aus Noth, um zu ihrem Gelde zu kommen, hatten sie die Verschreibung ausgestellt und war diese in das Archiv des Gotteshauses sicher niedergelegt, so erhielten sie doch Nichts, der Abt zahlte das ihnen Schuldige nicht, und sie waren doppelt betrogen. Wollte sich einer mucksen, so wurde er mit Gefängniß und Ketten, mit Ausschließung von Kirche und Sakrament so lange mürbe gemacht, bis er einen Eid ablegte, weder bei dem Kaiser, noch bei andern Gerichten klagen und Recht suchen zu wollen.

Das Gotteshaus that erst noch, als ob Solches alles in Ordnung und in Form Rechtens wäre, als hätte es allen Fug dazu: habe doch vor dreißig Jahren schon Solches bestanden, die Landschaft die Sache zu Gericht gebracht, aber nicht fortgeführt, somit sei diese Dienstbarkeit in der Hauptsache ersessen und verjährt! Nach Haggenmüller und mehreren damit übereinstimmenden, aus dem kemptischen Archiv v. Prälat Schmid copirten Actenstücken im Stuttg. Archiv.

Dem Sturm, der wegen der vielfachen Bedrückungen von der gesammten Landschaft drohte, hatte der Fürst dadurch zu entgehen gesucht, daß er sie nicht, wie es altes Herkommen war, Alle an Eine Mallstatt zur Huldigung berief, sondern die Gerichte einzeln, jedes auf einen besondern Tag. Eine allgemeine Versammlung gebäre mehr 220Aufruhr als Gutes, sagte er. Theilweise gelang es ihm auch, ohne Widerrede die Huldigung zu erhalten; Andere, ehe sie huldigten, baten um Abstellung dessen, wozu ihre Vordern und sie widerrechtlich gedrungen worden seien. Außer den allgemeinen Lasten, womit die gesammte Landschaft beladen war, hatten einzelne Gemeinden noch über ganz besondere Beschwerungen zu klagen: der einen waren alte Berechtigungen, wie die Nutzung von Waide und Holzmarken, willkürlich von dem Abt entzogen, und die Briefe, die sie seit lange darüber bewahrt hatten, mit Gewalt abgenommen worden; in einer andern hatte man Gülten in Fallzinse verwandelt; zu Kümrazhofen, wo die Leute sich widerrechtlicher Anforderungen weigerten, hatten des Vogts Knechte Männer und Weiber mit gespannter Armbrust genöthigt; mehreren Gemeinden war der Beckerschutz aufgedrungen worden; in dem Markte Obergünzburg hatte der Abt das Gericht an sich gerissen, vom Rathhaus die Freiheitsbriefe und Handwerksgerechtsame, die der Ort von Kaisern und Königen seit alten Zeiten hatte, gewaltsam weggenommen, und die Kaufrechtgüter zu Lehen gegeben; endlich überall in der Landschaft das Lehengeld bei der neuen Belehnung so sehr erhöht, daß die meisten Bauern sich weigerten, bei so unerschwinglichem Lehengeld sich wieder mit den Gütern des Gotteshauses belehnen zu lassen.

Der Fürst schwur mit aufgehobenen Fingern bei seinen fürstlichen Würden und Ehren, sie aller widerrechtlichen Beschwerungen entladen zu wollen; thäte er es nicht bis Lichtmeß 1524, so sollten sie durch Huldigung und Eid nicht gebunden sein. So huldigten alle Leute des Gotteshauses.

Als spottete er der guten Leute und seines Eides, häufte der Fürst noch in demselben Jahre zu den alten Lasten, wovon er ihnen nicht eine abnahm, eine neue schwere Last: er zog von allem Vermögen, das aus der Steuer des Gotteshauses gezogen wurde, den dritten Pfennig ab. Die, welche es zuerst betraf, weigerten sich dieser Nachsteuer. Der Fürst gewann den Kaiser für sich, und dieser sprach, die Unterthanen haben auch diese Last zu tragen. Die mißhandelten Leute betraten den Weg der Unterhandlung, sie besuchten dreizehn Tagsatzungen, um sich mit dem Fürsten gütlich zu vergleichen, es hatte dieses Unterhandeln sie schon in die 4000 Gulden gekostet, und 221noch waren sie so weit als Anfangs: der hohe geistliche Herr spielte mit ihrer Geduld, mit ihrem Vertrauen, und ihrem Glauben, bei einem Gericht gegen einen Herrn Recht zu finden, an welchem lauter Herren als Richter saßen. Glaubten die guten Leute, die Sache sei auf einer Tagsatzung dem Abschluß nahe, und der Fürst werde den vorgeschlagenen Vergleich annehmen, so sprach er: »Ich will es bei dem bleiben lassen, wie ich es gefunden; wollt ihr nicht gehorsam sein, so werd' ich Jörgen von Freundsberg über euch schicken,« stieg auf sein Pferd und ritt von dannen. Gleich darauf (im Jahre 1524) legte er ihnen eine neue Reisesteuer auf. Machte einer seinem Herzen Luft in einem freien Wort über das Thun des kleinen Despoten, der mußte es hart büßen: der gnädige Herr ruhte nicht, bis er ihn geplackt, gethürmt, um die Freiheit oder zum Gant gebracht hatte.

Es war in der Heuet 1524, die Gotteshausleute mäheten auf den Wiesen, und des Abts Sohn Pelagius spazierte an den Arbeitern vorüber. »Der Abt hat doch einen hübschen, geraden Sohn,« sagte einer der Bauern, wie sie ihm nachsahen. »Wohl,« versetzte ein alter Mann, der vor siebzig Jahren in die Welt gekommen war, und noch bessere Zeiten gesehen hatte, »es wäre ein hübscher Junge, wär' er nicht der Sohn eines Mönchs.« Der Abt erfuhr diese Rede, er sandte seine Diener, und sie schleppten den alten siebzigjährigen Mann in den Kerker. Vierzehn Tage lang lag er darin, man hörte nicht darauf, daß er sich zum Recht erbot, nach vierzehntägiger Mißhandlung wurde er auf das Schloß Wolkenberg hinaufgeführt, und dort noch vier Wochen gefangen gehalten. Er erkrankte auf den Tod. Jetzt erst entließ ihn der gnädige Herr, aber nur, nachdem er fünfzig Pfund Heller Strafe erlegt und Brief und Siegel von sich gegeben hatte, sich in den Thurm stellen und sein Leben verwirkt haben zu wollen, wenn er des Abts Sohn wieder einen Mönchssohn schelte. Haggenmüller, Kempten.

Von wie vielen größeren und kleineren geistlichen Herren könnte Aehnliches aktenmäßig nachgewiesen werden. Wenn der Abt zu Ursperg Bauern fand, die sich seine widerrechtlichen Ansprüche nicht gefallen ließen, kerkerte er sie ein. Als so ein Vater entwich, ließ er den Sohn greifen durch seine Söldner. Als andere Bauern mit dem Vater 222diesen befreiten und mit ihm entwichen, zog er die Güter Aller ein, »weil sie sich an Dienern des Gotteshauses vergriffen.« Es war schon viel für die mißhandelten Bauern, wenn der eine oder der andere Herr, dessen Beistand sie anriefen, von dem Abte zu Ursperg verlangte, sie nicht ungehört Rechtens zu strafen. Aktenst. aus d. Montfortschen Archiv in der Sammlg. des Prl. v. Schmid. Auch die größeren geistlichen Herren waren um diese Zeit lauter Edelgeborene, und sie dachten und handelten den Bauern gegenüber meist nicht sehr verschieden von dem weltlichen Adel.

Ein Bäuerlein hatte im Jahre 1494 in einem Bache, der dem Herrn von Eppstein gehörte, einige Krebse gefangen. Der Edelherr ließ ihn greifen und schickte nach Frankfurt hinein, um den Scharfrichter zu erbitten, damit er das Bäuerlein köpfe. Der Rath der freien Stadt meinte: »Der Arme könne des Krebsens wegen den Rechten nach nicht hingerichtet werden,« und schlug sein Gesuch ab. Der Herr von Eppstein aber verschaffte sich anderswoher einen Scharfrichter, und ließ dem Bauern den Kopf abschlagen. Urkundlich aus d. Frankf. Archiv. Kirchner I. 507. So büßten kleine Junker Landleute, der leichtesten Vergehen wegen, mit dem Leben. Als hätte Keiner daran gedacht, daß, wo das Menschenleben so gering geschätzt wird, daß es der gemeine Mann jeden Augenblick um einer Kleinigkeit willen verlieren kann, er es selbst werth zu halten verlernen, und es ihm zuletzt nicht viel kosten muß, seinen Kopf auf einen Wurf zu setzen, der ihm jedenfalls Rache, möglicherweise Sieg und Verbesserung bringen kann. Ja es war, als wollten die Edeln es darauf anlegen, dem armen Mann das Leben recht werthlos zu machen. Neben vielen Stücken, durch die sie gedrängt seien, klagten im Jahre 1524 die Bauern der Grafen von Lupfen und Fürstenberg, »daß sie zudem noch weder Feier noch Ruh möchten haben, vielmehr am Feiertag und mitten in der Ernte müßten sie der Gräfin Schneckenhäuslein suchen, Garn darauf zu winden, und für sie Erdbeer, Kriesen und Schlehen gewinnen und anderes dergleichen thun, den Herren und Frauen werken bei gutem Wetter, ihnen selber im Unwetter, und das Gejägd und die Hunde liefen ohne Achtung einiges Schadens!« Anshelm Bern. Chronik VI. 298. Manuscr. der Villinger Chronik.

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Von frommen Männern, welche die Lage des armen Volkes in den Werktagen mit Augen gesehen hatten, und welche die Furcht Gottes trieb, ihre Mitmenschen zu erleichtern, war einst mancher rothe Tag zwischen die Reihe der schwarzen Tage eingeschoben worden, weil am Feiertag nach dem Kirchengesetze der Leibeigene ruhen oder sich selbst gehören sollte. Aber Helena von Rappoltstein, die Gräfin von Lupfen, kümmerte sich nicht um die Ordnung Gottes weder in der Kirche noch in der Natur. Am Feiertage, am Tage der Erholung von Arbeit und Sorge, befahl sie ihren Unterthanen, für ihren Nutzen, ihren Gaumen zu arbeiten; auch im schönen Sommerfeiertage sollte der Bauer seine Sklavenkette, der Leibeigene seinen Fluch nicht vergessen. Ihr Gemahl war als ein sonderlicher Feind der Bauern berüchtigt, Anshelm a. a. O. und Graf Friedrich von Fürstenberg, nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Wilhelm, stand mit seinen Unterthanen so, daß sie, als er in einem Treffen verwundet wurde, unter sich sagten: »Stürb unser Herr, das Gott wollt', so müßten wir vor Leid rothe Kappenzipfel tragen.« Anshelm a. a. O.

Die sonst so wenig weichen Herren der Stadt Ulm baten die gemeine Versammlung des schwäbischen Bundes »unterthänig und fleißig, wo die Stände hörten, daß die armen Leute tyrannisch oder unbilliger Weise beschwert wären, in demselben ein gnädig und günstig Einsehen zu thun, damit die Armen wider die Billigkeit nicht beschwert werden.« Ulmer Rathsprotokoll.


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