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Achtes Kapitel.

Kräfte und Zuflüsse der Bewegung.

Außer den Bauern im Lager war noch mancherlei Anderes im Reiche, was dem schwäbischen Bunde, was den Herren überhaupt Furcht machte. Zunächst waren es die Zustände in den Städten.

Nürnberg vor allen wurde mit Mißtrauen betrachtet. Das Reichsregiment hatte aus diesem Hauptherd des neuen Glaubens seinen Sitz nach Eßlingen verlegt. Der Nürnberger Rath selbst konnte nicht in Abrede ziehen, daß im vorigen Jahre die Unruhen in und um Forchheim ihre Ausgangsfäden in der Stadt Nürnberg gehabt haben. Er entschuldigte sich mit der Heimlichkeit, mit der »die Anrichter und Vornehmer« der Bewegung diese von Nürnberg aus angezettelt und geleitet haben. Aber man solle nicht alle Schuld allein denen von Nürnberg aufladen; dieser Sache seien Unterthanen des Markgrafen und anderer Fürsten und Herrschaften ebenso verwandt als nürnbergische. Die Fürsten aber und ihre Räthe hatten geradezu die Beschuldigung ausgesprochen, »die von Nürnberg haben die Empörung und die Versammlungen in und um Forchheim auf die Bahn gebracht.« Schreiben der Ansbach'schen Räthe und des Nürnberger Raths, Jörg 149.

Die allgäuischen Städte Kempten, Memmingen, Lindau, Kaufbeuren und Ißny wurden verdächtigt und beschuldigt als ob sie den Aufstand in Schwaben nicht nur unterstützen mit Rath und That, sondern als hätten sie ihn angestiftet, um auf diesem Wege mit ihren Gebieten in den Verband der schweizerischen Eidgenossenschaft eintreten und die freistaatliche Verfassung über das ganze südliche Deutschland ausdehnen zu können.

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Je weniger der Neid und Haß der Fürsten und des Adels gegen die Städte und den Reichthum ihrer Bürger, je weniger die Absicht, ihrer sich zu bemächtigen oder sie zu unterdrücken, den Städten selbst verborgen war, um so näher lag die Furcht, die Städte möchten zu den Bauern fallen, oder gar an die Spitze der Bewegung sich stellen. Die meisten Städte waren der neuen Lehre anhängig. In den oberländischen Städten hatten gerade diejenigen Prediger Amt oder Aufenthalt, welche am feurigsten und eifrigsten für die politische wie für die kirchliche Umgestaltung sprachen und schrieben. Die Städte selbst hatten für den Fall, daß sie vom Kaiser und den Altgläubigen mit den Waffen wegen des Glaubens angegriffen würden, ein Bündniß unter sich geschlossen, und waren mit den Schweizern und mit den Böhmen um Hülfsvölker in Unterhandlung getreten. Der Vorenthalt gleicher Rechte hatte in den Städten zudem die Gemeine gegen die Ehrbarkeit so sehr erbittert, daß von der Gemeine wenigstens zu fürchten war, sie werde zu den Bauern halten, besonders zu den Bauern des Stadtgebietes, die von den Herren so lang ausgesaugt und mit Verachtung behandelt worden waren. Seit dem Ende des abgelaufenen Jahrhunderts war es sprüchwörtlich unter dem städtischen Volke geworden: »Wenn es so fortgeht, müssen wir Schweizer werden.« Durch die drohende Stellung, welche die Fürsten und der verbündete Adel gegen die Städte seit länger nahmen, durch das unter der Ritterschaft neuumsichgreifende Raub- und Fehdewesen gegen die Städte, waren den letztern durch die Gegenmaßregeln zu ihrem Schutze große Kosten erwachsen. Das hatte die städtischen Auflagen unverhältnißmäßig gegen früher gesteigert. Dazu waren die immer schwereren Reichssteuern, das Sinken des Handels und der Gewerbe, und alle jene früher berührten Uebel gekommen, unter denen das ganze Volk litt.

So hatte sich besonders in den großen Städten des Reiches, und selbst in den kleineren, seit einem Menschenalter eine wachsende Verarmung angesetzt, die sich in jeder Stadt über eine mehr oder weniger beträchtliche Masse ausdehnte, und die gesellschaftlichen Verhältnisse langsam zerfressen hatte, neben den neuen Gedanken und mehreren Mißjahren. Besonders in den Städten, wo die Einfachheit der Sitten und der Lebensweise früher als auf dem Lande 381geschwunden war, vermehrte sich täglich eine überschüssige Bevölkerung, voll Noth und Schulden, die theils leichtsinnig, oft liederlich war, theils, bei allem guten Willen zur Arbeit, oft unbeschäftigt und ohne Verdienst blieb. Ein Theil dieser Bevölkerung wie der andere haßte die Besitzenden und die Regierenden. Sie suchten die Hauptquelle ihres Elends in ihnen, und nicht ganz mit Unrecht, und erwarteten Heilung der Zustände nur von einer Umwälzung, vom Sturz der verhaßten Personen und Einrichtungen. Gerade die wenigen sehr Reichen, in deren Besitz fast alles Geld zusammen geflossen war, hatten die ersten städtischen Aemter wie im Erbpacht, und trieben daneben unchristlichen Wucher. Diese hatte Münzer im Auge, wenn er voll Ingrimm rief: »Ach Gott, wenn anders die Christenheit soll recht aufgerichtet werden, so muß man die wuchersüchtigen Böswichter wegthun.« Diese Wucherer und großen Stadtherren bildeten auch die großen Handelsgesellschaften zu Augsburg, zu Nürnberg, zu Ulm, zu Heilbronn. Durch Darleihen an die Fürsten und durch reiche Verehrungen an ihre Räthe, selbst durch Verschwägerung mit den letzteren, verschafften sich diese Geldleute Monopole. Damit drückten sie die armen kleinen Kaufleute nieder, entzogen Tausenden ihr Gewerb und ihre Nahrung, und der gemeine Mann mußte Manches, was einmal Zeitbedürfniß geworden war, zu so wucherischen Preisen von ihnen kaufen, daß Luther eine eigene bittere Schrift über den Wucher im Jahre 1524 hatte ausgehen lassen. Diese Handelsgesellschaften bestimmten die Preise für viele Artikel ganz willkürlich; binnen vier Jahren hatten sie dieselben in letzter Zeit um das Zwei-, ja Dreifache gesteigert. Sie handelten nicht mit deutschen Erzeugnissen hinaus ins Ausland, sondern sie führten meist nur ausländische Luxuswaaren herein, und zahlten dafür nicht mit deutschen Arbeiten und Produkten hinaus, sondern mit deutschem Gelde. Nahmen sie in Deutschland den Gewerbsleuten der Städte ihre Arbeiten ab, so setzten sie, weil sie die großen Handelsgesellschaften waren, und Handel und Kapital allein in ihren Händen lag, Arbeitslohn und Preis nach ihrem Gefallen an, der Arbeiter war in ihre Hand gegeben. Dabei waren sie im Besitze des Vorkaufs. Sie nahmen den armen Leuten auf dem Lande die Bodenerzeugnisse nur zu den geringsten Preisen ab, häuften in ihren Gewölben und Vorrathshäusern die 382Lebensmittel massenhaft auf, und verkauften sie zu hohen und höchsten Preisen. Sie machten den Markt, und die künstliche Theurung, die sie fort erhielten, hatte seit mehreren Jahren zur Folge, daß der gemeine Mann oft von Losschlagen, Todtschlagen und Theilen sprach. Fürstliche Geldgier theilte sich nicht selten mit diesen Wucherern in den Gewinn. Nach einer Reihe urkundlicher Belege. Jörg 115-118. 96—98.

Diejenigen »Ehrbaren,« welche neben diesen Geldherren in den städtischen Aemtern saßen, und deren Familienvermögen durch den Luxus herabgeschmolzen war, machten sich ihre Ehrenstellen zu Geldquellen. Neben dem, daß sie nichts thaten, die Verhältnisse des gewerbtreibenden Städtebürgers zu verbessern, machten sie sich vielfach der Bestechung und des Unterschleifs schuldig. In mehreren Städten waren solche städtische Beamte gröbster und größter Veruntreuungen überführt worden, und der gemeine Bürger hatte sich gewöhnt, in den ehrbaren Herren auf dem Rathhause, wie zuvor Tyrannen, so jetzt »Spitzbuben« und »Blutegel« zu sehen; auch da, wo er mit diesem Argwohn Unrecht hatte.

In dieser Gesinnung und Ansicht flossen die zwei Theile der städtischen Gemeine, die man sonst im Gange der Dinge sehr auseinander halten muß, die besitzenden, aber nicht ehrbaren Bürger, und die, welche Schulden oder nichts zu verlieren hatten, ganz zusammen.

Diese Gährung in den Städten zwischen »Ehrbarkeit« und und »Gemeine« war zwar in den letzten Jahren durch das Hinzutreten der neuen Lehre in ihren mannigfaltigen religiösen und religiös-politischen Spielarten sehr gewachsen. Aber da gerade die religiöse Richtung dieser Gährung zuerst wie ein Ableiter der Wetterwolke von der Ehrbarkeit weg auf die altkirchliche Geistlichkeit sich darzustellen schien, so sah die Ehrbarkeit da, wo sie der neuen Lehre selbst zugethan war, dieses vorerst nicht ungerne.

Solche, welche tiefer überhaupt, oder durch ihre Stellung hinter die Coulissen der fürstlichen Staatskunst blickten, sahen und sagten schon vor 20 Jahren voraus, »was für Trübsale in kurzen Tagen über alle Stände, besonders über den geistlichen Stand gehen werden.« Wenn im Volke die gemeine Sage ging, »St. Peters 383Schifflein werde zu diesen Zeiten an vielen Felsen und Unfällen zerstoßen werden,« so sprach man an den Höfen der weltlichen Fürsten unter sich davon, »daß dies die Zeit sei, da sich nach Gottes Verhängniß die Weltlichkeit mit den Gütern der Kirche befassen solle, und da viele Klöster bis in den Grund verfallen werden.« – Kirchenfreundliche Staatsmänner warnten: »Wenn diese Widerwärtigkeiten über die Geistlichen werden kommen, so sollen sich die weltlichen Herren nicht so sehr freuen. Denn von einem jeglichen Bösen, das über die Geistlichen gehe, werden die meisten Trümmer an die Laien springen, und wenn auch die Geistlichen die Ersten seien, welche den Kelch der Trübsal trinken müssen, so werden doch die weltlichen Herren Alles, was am Grunde Saures bleiben werde, sammt der Heffe austrinken müssen.« Die oben angeführten Worte sind alle aus Grunbecks, des kaiserlichen Geheimschreibers, »Spiegel der natürlichen Sehungen aller Trübsale, die über alle Stände in kurzen Tagen gehen werden.« Gedruckt zu Nürnberg 1508, im Auszug bei Jörg 92.

Seit langer Zeit hatte man auf den Reichstagen Reformen in Kirche und Staat verlangt. Auf dem Reichstage von 1523 wurde eine allgemeine Kirchenversammlung und auf derselben Sitz und Stimme auch für die Weltlichen gefordert. Die Städte, wie die weltlichen Fürsten, hätten gerne ausgeführt, was Sickingen und seine Freunde zunächst im Plane hatten, die Aufhebung der geistlichen Herrschaften, der Bisthümer wie der Klöster, und die Einziehung der geistlichen Güter, zu weltlichem, zu ihrem eigenen Nutzen. Das waren ihre Gedanken, die sie lange hatten, ehe Luther und Münzer nebst ihren Jüngern die Vertilgung des geistlichen Herrenthums predigten; Gedanken und Gelüste, die der altgläubige Erzherzog Ferdinand von Oesterreich und die altgläubigen Herzoge von Baiern mit dem neugläubigen Markgrafen Kasimir und andern Fürsten ganz theilten, und mit den Ehrbarkeiten der Städte. Als in Oberschwaben die Bauernbewegung anhob, »gönnte man den Geistlichen diesen Ehrentrunk wohl; man vermeinte bei ihren Kohlen sich zu wärmen; weil es ja nur die Mönche und die Pfaffen treffe, sah man zuerst durch die Finger.« Herold, Chronik von schwäbisch Hall, Handschrift. In den Reichsstädten ganz besonders war lange schon die Aufhebung 384der Klöster und die Ansichnahme ihrer Güter und Rechte Gegenstand ernster und heiterer Unterhaltung vieler Bürger. Als die Ehrbarkeiten im Fortgange wahrnehmen mußten, daß es nicht allein über die geistlichen Herren gehen solle und gehe, da hatte die Partei des Neuen, aus so verschiedenen Bestandtheilen sie zusammengesetzt war, in den meisten Städten die Oberhand. So sprachen Fürsten und ihre Räthe besorgt von Nürnberg: »Gott gebe nur Gnade; daß es nicht zu den Bauern fällt!« So dachten und sprachen sie von vielen andern Städten des Reiches. Der Rath hat keine Gewalt, die Gemeine ist Herr, schrieben von so vielen Seiten her die fürstlichen Berichterstatter. Der Kanzler Eck schrieb am 7. März an seinen Herzog: »Ich und Andere sind in großer Sorge (und Argwohn) auf etliche Städte.« Am 21. März schrieb er: »Die Bauern stärken sich sehr, und doch sollen sie ihrer Buberei nicht genießen, wenn anders etliche Städte Farbe halten, besonders Ulm.« In Mitte des schwäbischen Bundes mißtrauten die fürstlichen Mitglieder den städtischen so sehr, daß sie sich scheuten, offene Berichte über den Gang ihrer Rüstungen und der Dinge in ihrem Lande an den Ausschuß des schwäbischen Bundes gelangen zu lassen, weil die Vertreter der Städte dabei sitzen und dasselbe mithören, und man müsse sich doch versehen, daß der Aufruhr der Bauern von den Städten herkomme. Wann die Städte hören, daß die geistlichen Fürsten kein Fußvolk aufzubringen wissen, so würden sie, wofern sie etwas im Sinne haben, dadurch in ihrem Vornehmen um so mehr bestärkt werden, und es müßte den fürstlichen Bundesgenossen in ihrem Thun großer Nachtheil daraus erwachsen. Schreiben des Markgrafen Kasimir vom 12. April 1525. Jörg 132-134.

Nur mit der Warnung, die Nachrichten auf das Geheimste zu halten, theilten sich die Fürsten durch vertraute Personen das Nöthige mit; »damit Niemand erfahren möge, daß wir so wenig Trosts bei unsern Fußleuten haben,« sagte Markgraf Kasimir. Die Gemeinen in den Städten sind ganz gut bäurisch, war die allgemeine Rede unter den Herren des Oberlandes.

Ein zweiter Grund zur Furcht der Herren für ihre Sache war die eben berührte Schwierigkeit, Fußvolk für sich aufzubringen.

Die Lanzknechte selbst, die sonst von Jedermann um Sold 385zu haben waren, hatte der Zeitgeist berührt. Diese Söldner gegen die Bauern unter die Fahne zu bringen, war von Haus aus schwer, weil der Lanzknecht aus den Bauern hervorgegangen war. Viele darunter waren zwar durch das lange Kriegshandwerk ihrer Herkunft und ihrer Heimath so fremd und so ganz zum Soldaten geworden, daß sie für Nichts mehr Sinn hatten, als für das Soldatenwesen, für Geld und Beute. Viele auch waren geborene Kinder des Lagers, ohne Heimath; Bauern und Städtern gegenüber ohne irgend einen Anknüpfungspunkt; die meisten waren aus allen Enden des Reiches her zusammengelaufen, und bei einem Theile der Letztern wäre wenigstens die Stammabneigung des Norddeutschen gegen den Süddeutschen zu gebrauchen gewesen. Aber in der allerersten Zeit der Bewegung waren die Lanzknechte überhaupt dem »Evangelium« und der bäurischen Sache, da es ja über die »Pfaffen« ging, mehr zu- als abgeneigt. Freiheit gab es ohnedies mehr im Lager der Bauern, und die reichen Sitze der geistlichen Herren gaben Aussicht auf Beute, wie Nichts sonst. Nur was so unter Landsknechten »verdorbene Buben« waren, deren Lust von jeher die Bauernschinderei und das Placken der armen Leute gewesen war, die ließen sich leicht auch jetzt gegen die Bauern anwerben. Aber selbst diese wollten nur den weltlichen Herren, nicht aber den Bischöfen dienen.

Aber nicht nur neue Knechte gegen die Bauern zu werben, hielt schwer, sondern von denen selbst, die längst im Dienst und Solde des Bundes waren, weigerten sich viele geradezu gegen die Bauern zu ziehen, andere zeigten wenigstens eine bedenkliche Stimmung. Auch die Aufgebote in den Landschaften, wie selbst im baierischen Oberlande, zeigten, daß »die Bauern alle einander anhangen und ihnen die Begehren der Allgäuer gut dünken.« Schreiben des baierischen Hauptmanns von Pfaffenhausen vom 9. März. Zudem waren solche aus den jungen Leuten der Landschaft Aufgebotene in den Waffen ungeübt und ungeschickt neben der Unverläßlichkeit. »Ich wollte, die wären nie aufgeboten worden, noch zu uns gezogen,« klagte der Befehlshaber der Besatzung von Schongau am Lech.

Ein dritter Grund zur Furcht für die Herren war die niedere Geistlichkeit, die auf dem Lande unter den Bauern zerstreut saß, die Weltgeistlichen der alten Kirche. Davon waren viele so 386»unpriesterlich und unzüchtig,« und so »eigennützig,« daß der Erzbischof von Salzburg im Jahre 1523 in einem Ausschreiben an seine Bischöfe sagte: »die Herzoge von Baiern haben ihm durch eine eigene Gesandtschaft berichten lassen, das Verhalten der niederen Priester in ihrem Fürstenthume begründe die Besorgniß, es möchte sich plötzlich Aufstand, Rumor und Todtschlag gegen die Geistlichkeit erheben.«

Viele Weltgeistliche waren nicht wie diese, sondern rechtschaffene und redliche Männer, aber, vom nationalen und religiösen Geiste der Zeit zugleich berührt, nur äußerlich noch im Dienste der alten Kirche, innerlich dem Neuen anhängig. Sie lehrten bald mehr, bald weniger offen die neue Lehre aus reiner Ueberzeugung, und hatten dabei, als Vaterlandsfreunde, ein Herz und guten Willen für die Verbesserung des Volkes durch Umgestaltung der politischen Verhältnisse der Nation.

Es waren aber auch darunter viele solche, welche durch eine Umwälzung in Kirche und Staat ihre Lage zu verbessern hofften, und auf die Kirchenfürsten böse waren.

Die meisten Bisthümer und Prälaturen des Reiches waren seit lange zu Versorgungsanstalten für Prinzen gemacht. Baierische und österreichische Prinzen bestritten die Kosten ihrer fürstlichen Lebensart damit, daß sie, so lange es ihnen gefiel, und bis sie in andere weltliche Einkünfte einrückten, den Namen und die Einkünfte von Bischöfen und Prälaten annahmen. Zur Pracht und zum Wohlleben dieser prinzlichen Kirchenfürsten reichten die Einkünfte ihrer Stellung, so groß sie waren, dennoch nicht zu. Die Plusmachereien gefälliger und erfinderischer Geheimeräthe griffen zuerst unrechter Weise in den Beutel des Volks, dann, in der Form von Erpressungen, in die vornherein schon karg von den geistlichen Oberen zugemessenen, vom Zeitgeiste noch sehr beschnittenen Einkünfte der niederen Geistlichen auf dem Lande, der Weltpriester.

Gerade weil in der letzten Zeit die gesteigerten Bedürfnisse der Prälatenhöfe und die Finanzkünste ihrer Beamten das Volk auspreßten, blieb für den Landgeistlichen wenig oder nichts mehr am Volke zu ernten; ja das Volk entzog, verkürzte oder verkümmerte, seit dem Aufkommen der neuen Lehre, an vielen Orten den Letzteren nicht nur das althergebrachte Freiwillige an Gaben, sondern selbst 387das, was sie rechtlich zu fordern hatten. Selbst im Baierischen, wo die Maßregeln Leonhard Eck's und seiner Herzoge, das »Gift« der neuen Lehre abzusperren, streng gehandhabt wurden, wollten die Bauern »nimmer opfern, nimmer den Kleinzehnten, nimmer Anderes geben, was bisher üblich war.« Fegfeuer- und Todtenmessen, Gnadenbilder und Wallfahrten, das Brautgeläute und der Kirchgang der Sechswöchnerinnen hörten auf, Gaben einzubringen, und so fielen noch manche zufällige Einkünfte weg. Als im Frühjahre 1525 eine außerordentliche Steuer von den Herzogen auch auf die Landgeistlichen veranschlagt und umgelegt wurde, da lauteten die Berichte der mit dem Anschlag und Einzug Betrauten aus Dachau, Landsberg und andern Gerichten Oberbaierns: »Der Anschlag mußte geringer gemacht werden, als unsre Instruktion lautet; mit Wahrheit zu sagen, die Armuth ist groß unter diesen Priestern. Sie wissen schier nimmer bei den Kirchen zu bleiben.« Johann Egkl's Schreiben an den herzoglichen Sekretär Kölner in München, im baier. geheim. Staatsarchiv; Jörg 192. Die Bestwilligen vermochten nicht mehr zu geben. Reiche das nicht, sagten sie, so wollen sie mit ihrem Leibe gegen die Bauern dienen. Aber die Willigsten waren, im bittern Gefühle ihrer traurigen Stellung und der Erpressungen der reichausgestatteten und wohllebenden hohen Geistlichkeit, so erbost auf diese, daß sie sagten, »sie wollen dem Herzog Wilhelm in München lieber vier Gulden geben, als dem Bischof in Augsburg einen.« Ebendaselbst.

So gab es Tausende von Landgeistlichen, die ihre verzweifelte Lage, wenn auch wider Willen, gegen die Häupter der Kirche, mittelbar gegen diese selbst, erbitterte, und die zuletzt der Hunger auf die Seite der Bauern trieb. An manchen Orten kamen die Bauern geradezu auf das Zimmer des Pfarrers und sagten ihm rund, wenn er nicht »das rechte Evangelium« ihnen predigen wolle, so müsse er von der Pfarre abziehen. Geistliche und weltliche Fürsten gewährten den so Bedrängten keinen Schutz: um bleiben zu können, wurden sie bäurisch.

Durchs ganze Deutschland hin liefen Mönche und Nonnen aus den Klöstern, fingen bürgerlich zu arbeiten an und heiratheten. Ein 388besonders böses Beispiel für den gemeinen Mann gaben Klostergeistliche und Landgeistliche dadurch, daß sie die geweihten, vom Volke bisher für Heiligthümer gehaltenen Kirchengeräthe ganz wie gewöhnliches Metall behandelten und sich daran vergriffen. Zu Schweidnitz schmolzen die Minoriten ohne Weiteres die silbernen und goldenen Kirchenkleinodien ein, theilten sich in die Gold- und Silberklumpen und gingen dann aus dem Kloster hinaus in die Welt, einem bürgerlichen Leben nach. Wuttke, die Entwicklung Schlesiens, Leipzig 1842. I. 109. Dieser Fall steht nicht vereinzelt, und es lag nahe, daß, wenn Priester solches thaten, Weltliche, und zwar Behörden, wie aufgestandene Bürger und Bauern, ohne viel Bedenken Gut und Kostbarkeiten der alten Kirche sich aneigneten; war doch diese Kirche bei der Menge, welche die Religion mit den Verirrungen ihrer Träger zu verwechseln stets geneigt ist, durch hohe und niedere Geistlichkeit lange her in Mißkredit gebracht worden.

An leichtsinnigen Priestern mangelte es nirgends. Der Pfarrer zu Wallmersbach bei Tauberzell versetzte einen goldenen Meßkelch, den die Bauern aus dem Nonnenkloster Frauenthal in Franken, unweit Kreglingen, erbeutet hatten, im Wirthshause zu Uffenheim bei der Wirthin, um auf dieses Pfand ins Haus eines andern Priesters reichlich Wein holen zu lassen. »Hat man schon den goldenen nicht, sagte er, so kann man wohl auch mit einem kupfernen Kelche Messe halten.«

Viele Pfarrer heiratheten und blieben doch im Amt; die meisten davon heiratheten aus Neigung und Ueberzeugung. Es gab aber auch solche, die nur aus Zwang ein Weib nahmen; denn die Bauern in Schwaben und in den Alpen drangen darauf, daß »ein Pfarrer christlich und ehrlich mit einem ehlichen Gemahl nach Lehre des Evangeliums leben solle, damit unter einer Gemeinde kein Aergerniß entstehe.« Bald folgten den Schwaben die Bauern im Elsaß, in Franken, in Thüringen in dieser Forderung nach. Der verheirathete Pfarrer war den Bauern auch darum unverdächtig, weil er durch die Heirath mit der alten Kirche gebrochen hatte. Gar Mancher freilich war vorher schon »vor Gott« in einer Ehe, ehe er »seine Maid zur Kirche führte.« was auch hie und da einer seinen Bauern unumwunden sagte. Jörg 197.

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Unter den Pfarrherren, welche, außer den schon angeführten, freiwillig der Bewegung sich anschloßen oder sie mit anregten und mit leiteten, zeichneten sich gleich zu Anfang derselben aus: Dolling, Mägerlin und Sturmer im Eichstädtischen; Berchthold Scholl zu Niederzenn in der Herrschaft derer von Seckendorf-Aberda, im Gebiet des Markgrafen Kasimir; Andreas Bartholmä, der Kaplan zu Blaufelden; der Pfarrer zu Dachsbach bei Crailsheim und ebendabei der Pfarrer zu Roßfeld; im Amte Stauff im Ansbachischen die zwei Nürnbergischen Pfarrer Nagel und Simon Plank; Thoma, Pfarrer im Spital zu Uffenheim; der Pfarrer zu Hohlfeld; Jobst Hoffmann, der Kaplan zu Ebersberg; der Pfarrer zum Tennlein bei Feuchtwangen; der Leutpriester von Schwäbisch-Hall; Wolfgang Kirschenbeißer, der Pfarrer zu Frickenhofen bei Gaildorf; Anton Eisenhut, der Leutpriester zu Eppingen im Kraichgau, aus einem altadeligen schwäbischen Geschlechte. Diese alle und hundert Andere in Schwaben, Franken und Tyrol traten in die Waffen, mit Schwert und Harnisch, als Hauptleute der Bauern. Bisher war man nur an Bischöfen und Aebten gewöhnt, sie im Harnisch zu sehen, wie den Abt von Schuttern bei Offenburg, den Abt zu Banz im Bambergischen, den Erzbischof Matthäus Lang von Salzburg, die Domherren und die Deutsch-Ordensleute. Diese Pfarrer zeigten auch in ihrem Aeußeren sich als Männer der Bauernsache. Priesterliche Sitte der Zeit war es, »gepüffte und krausgemachte« Haare zu tragen; sie ließen sich die Haare rund am Kopf abschneiden, wie sie die Bauern trugen. Sie sagten den Bauern von ihren Obern Dinge, welche die Leute bewegen mußten.

Von diesen geistlichen Bauernführern mit Schwert und Harnisch unterschieden sich diejenigen Pfarrer, die bloß predigten, wie Dr. Mantel in Stuttgart, der auf der Kanzel von dem Freiheitsjahre predigte, in welchem, wie einst im Halljahre der Juden, alle Gefangenen ledig, alle Knechte frei und alle Schulden aufgehoben werden müßten. O lieber Mensch, rief er, o armer frommer Mann, wann die Jubeljahre kommen, das wären die rechten Jahre! Gegen den Zehnten predigten um Memmingen der Pfarrer Nikolaus Schweickart; in Straßburg Otto Braunfels; in Tyrol die Doktoren Urban, Rhegius und Jakob Strauß, ein Priester von Berchtholdsgaden; in 390Rothenburg an der Tauber Dr. Deuschlin; zu Lauda im Würzburgischen Dr. Leonhardt Beys; Konrad Saam zu Ulm, und viele andere. Ihre Predigt war zunächst gegen die geistlichen Fürsten und Herren gerichtet; aber sie stellten solche Sätze auf und erläuterten sie so, daß die Folgerungen daraus zum Aufstande gegen das Bestehende überhaupt, zur Umwälzung führen mußten.

Sie waren mit ihren klaren, scharfen Auseinandersetzungen, mit ihren bündigen Schlüssen und mit ihrer Kunst der Rede, mit ihrer pfarramtlichen Besonnenheit, die Bibel in der Hand, unendlich tiefer wirkend, als die Wiedertäufer und die Laienprediger.

Ihre biblische Weisheit, so sehr sie oft genug in Feuereifer überging, war doch nur wie ruhiges Licht gegen die Lohe und Hitze wiedertäuferischer Schwärmerei, die in mystischen Formen und Anschauungen das tausendjährige Reich und das Gericht Gottes über die Welt verkündete. Jene städtischen Pfarrer mit ihrer mehr den Reformer als den Revolutionar zeigenden Thätigkeit wirkten vorzugsweise und zunächst auf die Mehrheit des städtischen Bürgerthums. Die Wiedertäufer waren die Leute nur des gemeinen Mannes, der nichts zu verlieren und durch eine Umwälzung Alles zu gewinnen hatte; sie konnten nur verlocken, aufregen und verführen, die widertäuferischen Gleichheitsjünger; theils durch die in Aussicht gestellte Gütergemeinschaft und ihr Fluchen über die Ungleichheit der Menschen, theils durch ihre entzündliche Einbildungskraft, durch das Träumerische, durch die Offenbarungen und »Stimmen« des »innern Geistes,« durch die dunkle Gefühlsverschwommenheit ihrer Reden. Dieses religiöse Element, in der Form des fantastischen Fanatismus, konnte nur da packen und hinreißen, wo der gemeine Mann noch wundergläubig, gefühlsverschwommen und träumerisch war, wie in Thüringen, wie in Franken, wie im Altwürttembergischen der arme Mann: der Tuchknappe, der Leineweber, überhaupt der vom Elend gedrückte Kleinbürger und Arbeiter in Städten, der Hörige und der Leibeigene, der Bergknappe, der Holzhauer und der durch fortgesetzte Fehljahre verkommene Weingärtner auf dem Lande. Weniger in die Breite und Tiefe vermochte darum dieses Element, trotz der vielen daselbst umherschweifenden Wiedertäufer, in Oberschwaben Wurzeln zu treiben, wo der Bauer wie der Stadtbürger von jeher 391mehr Verstandes- als Gefühlsmensch, und darum mehr praktisch war; wo der Bauer althergebrachte Rechte, Freiheit und Eigenthum besaß, die man ihm nur verkümmert hatte oder verkümmern wollte.

Die Reformprediger stachelten nicht zum Aufstand, sie warnten davor, Schappeler voran; die Einen, weil sie Alles auf dem Wege der Reform durchzuführen hofften; die Andern, weil sie von einem verfrühten Ausbruch keinen Erfolg erwarteten und jedes vereinzelte Losschlagen fürchteten. Es sollte Alles, nach ihrer Ansicht und ihrem Willen, erst sich vorbereiten und reifen, alle Mittel zum allgemeinen Zwecke, Dinge und Menschen. Sie wollten in den Leuten die religiöse Kraft erst schaffen, bilden und großziehen, die ihnen für den politischen Kampf Begeisterung, Stärke und Ausdauer gäbe, neben klarem Bewußtsein des Zweckes. Selbst Münzer theilte vorerst diese Ansicht und diesen Plan mit ihnen.

Eigentliche Revolutionäre und für sofortigen Ausbruch waren die zahlreichen Laienprediger, solche, die niemals Geistliche gewesen waren, sondern Laien, die auf einmal zu predigen anfingen; sie hatten sich aus der Bibel selbst gelehrt und zogen von Ort zu Ort als Reiseprediger umher; einige davon hatten sogar kurz zuvor noch nicht lesen können; ergriffen von der lutherischen Predigt dieses oder jenes Predigers lernten sie lesen, dann kauften sie ein neues Testament, lasen sich in dasselbe hinein, und fingen an daraus zu predigen. Urgicht des Laienpredigers Hans Häberlin, eines allgäuischen Bauern. Es waren auch unter den Laienpredigern solche, die zuvor geistlich gewesen waren, aber den Bauern- oder Bürgerrock anzogen, Feldarbeit oder ein Handwerk ergriffen, und daneben predigten.

An und für sich ist die Laienpredigt nicht etwas geradezu Ungereimtes, und man hat mit Unrecht sie lächerlich zu machen gesucht. In den ersten Zeiten des Christenthums waren es auch Wollenarbeiter und Schuster, Gerber und Färber, und bäurische, ungelehrte Leute, welche die eifrigsten Verkündiger des christlichen Glaubens machten. Während die Gelehrten des neuen Glaubens sich unter sich stritten über Glaubenssätze und ihre Fassung; während sie in allerlei spitzfindigen Streitigkeiten glänzten, hielten sich diese Laienprediger der Reformationszeit an das, was ihnen für das deutsche Volk die Hauptsache war: sie suchten die göttliche Gerechtigkeit, d. h. die 392 Urrechte des Menschen und Christen, wie sie das göttliche Wort feststellt, aus den zerstreuten Stellen der Bibel heraus, stellten sie zusammen und predigten darüber, und zwar so, daß sie die Zuhörer stets am Ende aufforderten, diese göttliche Gerechtigkeit zu » handhaben,« d. h. sie mit Gewalt durchzuführen, und die Welt nach den Anforderungen und Einrichtungen des Christenthums zu verändern. Ihr Thema war immer ein schlichtes, und wenn auch gewaltthätiges, doch rein praktisches. So predigte im Württembergischen einer unter dem, durch Hutten's Flugschriften volksthümlich gewordenen Namen Karsthans, den er annahm; in und um Nürnberg herum und sonst in Franken ein ehemaliger Pfarrer aus Schwaben, welcher in Wöhrd, einer Vorstadt Nürnbergs, Bauer geworden war, und unter dem Namen, »der Bauer von Wöhrd« sich beliebt machte; sein eigentlicher Name war Diepold Peringer, sein Geburtsort Eschenbronnen an der Donau, Günzburg gegenüber; im Eichstädtischen predigten so die Tuchknappen des Meisters Henle; in Pfalz-Neuburg Zacharias Krell, und zu Raunau, im baierischen Landgerichte Krumbach, Simon Lochmeier.

Der Letztere fuhr und predigte auf einem Wagen; bei seiner vierten Predigt lauschten ihm schon an die 7000 Menschen. Er predigte darüber, »Jedermann solle frei sein und keinen Herrn haben, als allein den Kaiser; alle, die im schwäbischen Bunde seien und Jeden, der wider ihre Brüderschaft thue, müsse man todtschlagen, und ihm das Seine verderben, verbrennen und verheeren.« Dieser Lochmeier war ein Bauer, ein Höriger der Wittwe Hans von Freiberg. Er war einer der Ersten, der es von der Predigt zur That übergehen ließ. Er brachte alle Hintersassen im Kreis Schwaben und Neuburg, die des Adels, der Städte und der Klöster, so in Bewegung, daß viele von ihren Herrschaften abfielen und den Winzerer Haufen bildeten. Keiner, beschloß dieser Haufen, solle fortan einem Herrn weder gehorsam noch dienstlich sein. Waldau's Beiträge, 3, 417. Gangauf, im achtzehnten Jahresbericht des historischen Vereins in Mittelfranken S. 81.

Neben ihm wirkte der schon genannte Zacharias Krell. Dieser vermittelte den Verkehr und die Berührung zwischen Baiern, Pfalz-Neuburg und dem Bisthum Eichstätt einerseits, und zwischen 393denjenigen Bauernhaufen, welche unter Jakob Wehe und seinen Freunden rechts und links von den Mauern Ulms sich gebildet hatten, und theils zu Leipheim und Günzburg, theils oberhalb Ulms auf den schon genannten Punkten ihre Häupter und ihre Sammelplätze hatten. Zacharias Krell war ein Rechtsanwalt aus München, den der Geist der neuen Zeit ergriff, der von München darum entfloh, ehe er verhaftet wurde, und den Hauptleute und Räthe gemeiner Bauerschaft zu Leipheim und Günzburg zu ihrem Mitbruder der evangelischen Wahrheit aufnahmen. Er ging mit Vollmacht dieser Hauptleute in die Umgegend, Andere »für das Evangelium« in die Waffen zu rufen, und sie nach der gemeinschaftlichen Ordnung in einem Lager zu halten. Diese Vollmacht erhielt er am 21. März 1525.

Krell schaffte der Erhebung »für das Evangelium« im Neuburgischen auf folgende Art Boden und Fortgang.

Er ritt zu dem Pfleger nach Welheim, einem Bergschloß, das dem Grafen Ulrich von Helfenstein gehörte. Er wies und gab dem Pfleger Jörg Huber einen Brief des Grafen. In diesem Briefe stand: »Lieber Pfleger, unser Befehl ist, daß du Gegenwärtigem, Unserem alten Diener, dem Vorzeiger dieses Briefes, in Unserem Schlosse, das in deiner Verwaltung ist, um sein Geld Unterhalt gebest und Alles, was er bedarf, ihm und seinem Knecht, auch denen, die er ungefähr brauchen wird. Doch, daß du weder dem Pfarrer noch Jemand Anderem etwas davon sagest.«

Der Pfleger ließ ihn ins Schloß ein. Bald kam ihm Argwohn, und er zeigte das Schreiben des Grafen dem Pfarrer. Das ist meines Herrn rechtes Schreiben nicht, sagte dieser. Der Pfleger nahm einige Bauern hinauf in's Schloß, um den Fremden zur Rede zu stellen; mit Büchsen bewaffnet gingen sie hinauf. Da Krell das sah, ließ er keinen zu sich ein. Sie wollten ihn mit guten Worten bewegen, das Schloß zu verlassen. Er aber warf sich in den festen Thurm. Sie schoßen ihre Büchsen auf ihn, und er warf mit Steinen auf sie und trieb sie ab. Sie versperrten den Thurm, er aber verrammelte sich darin und schrie herab: »Wer evangelisch ist, mache sich herzu; denn ich bin von Gott da, und ich will euch das Wort Gottes predigen.«

Viele Bauern liefen herzu, bis an zweihundert, und hörten 394seiner Predigt zu. Ein Theil blieb über Nacht da, und die Herren der Gegend fürchteten, die Eichstädtischen und ihre eigenen Bauern möchten in ein Lager zusammen treten, und Schloß und Markt Welheim zu ihrem Waffenplatz machen. Seine Predigt aus dem Thurm herab wirkte so, daß der Zulauf wuchs, und sie trugen schon seine Briefe ins Ries, die Riesbauern herbeizurufen, mit ihnen »das Evangelium zu verfechten.«

Wenn es so fortgeht, sagten die Herren, so hat er in zwei Tagen tausend bewaffnete Bauern bei sich. Die Landgerichte Greisbach und Höchstädt waren schon in Bewegung, zu dem Anhang Krells zu fallen. Die Bauern des Bischofs von Eichstädt fischten ihrem geistlichen Herrn mit der Gemeinde zu Eichstädt ein Bannwasser aus, und der Waldbrand bei Kipfenberg, den sie dem Bischof anzündeten, sollte den Bauern leuchten auf dem Zuge nach Schloß Welheim. Doch ehe sie dahin kamen, hatte Adam von Torring, der Statthalter zu Neuburg, es mit seinen Reisigen und mit Bürgern besetzt: ein Neuburger Bürger hatte den Prediger im Thurme unterm Fenster mit einer Büchse durch den Hals geschossen, daß er auf der Stelle todt war.

Bei dem so aus dem Wege Geräumten fanden die Herren Papiere; darunter ein Verzeichniß sämmtlicher Reichsstände, einen Plan zur Befestigung und Ausrüstung des Schlosses mit Waffen und Mundvorrath. Schreiben des Wolfgang von Wildenberg zu Neuburg vom 27. März. Schreiben der Gräfin Elisabeth von Helfenstein vom 30 März. Schreiben Jobst's von Berlichingen aus Rain vom 4. April. Schreiben Adams von Torring vom 31. März.

Solcher Prediger, welche keine Geistlichen waren, gab es aller Orten viele. Dieser Art lauschte sogar das Volk besonders gern. Doch sind mit den predigenden Bergknappen, Tuchmachern und Badern Leute wie Zacharias Krell nicht zu verwechseln: Krell gehörte zu denen, welche planmäßig handelten, und den Aufstand zu ordnen und zu leiten suchten.

Jene Laien mit ihrer Evangeliumspredigt wären ein vierter Grund zur Furcht der Herren gewesen, hätten die Herren, zuerst noch, alles Volk nicht gar zu sehr verachtet, und weil sie zum Volke 395gehörten, auch die Laienprediger verachtet. Es waren diese jedenfalls ein nicht zu verachtendes Element der Bewegung, das im Fortgange derselben selbst den geheimen Leitern und Förderern über den Kopf wuchs, welche theils wirklich Männer von Geist und großen Gaben waren, theils wenigstens Kriegskenntniß, Muth und den Ruhm oder Ruf gedienter Kriegsleute hatten. Diese geheimen Leiter aber, die am meisten von den Herren zu fürchten gewesen wären, waren den Herren als solche ganz unbekannt, so nahe sie ihnen zum Theil standen.

Diese schwebten und webten im Hintergrund. Einige davon arbeiteten seit lange auf eine Revolution hin; Andere derselben betheiligten sich daran erst, als sie in Fluß kam. Die Einen waren von ganz lautern, vom Feinde nach ihrer Niederlage geachteten Triebfedern bewegt; bei Andern waren die Beweggründe getrübt durch Menschliches, das sich ansetzte; bei Einigen waren die selbstsüchtigen Triebfedern vorherrschend. Die Zahl der frühe, vor dem Ausbruch, in das Werden und in die Vorbereitungen Eingeweihten war unzweifelhaft eine kleine; die Zahl der später erst Eingeweihten und Mitleitenden war ebenso gewiß viel größer, als man gewöhnlich glaubt.

In großen nationalen Bewegungen findet es sich, daß Männer, von der mächtigen Strömung des Zeitgeistes ergriffen, zu den tiefer Eingeweihten und zu den Mitleitenden gehören, von welchen es die Geleiteten selbst, so lange die Bewegung dauert, nicht ahnen, und von welchen es geheim bleibt, selbst nach dem Mißlingen der Bewegung. Weil sie nie in den Vordergrund traten, bleiben sie sogar oft in ihrer amtlichen oder bürgerlichen Stellung, wie aufgespart vom Schicksal, die geheimen Fäden des Fortschrittes weiter zu führen, welche sie aus der erkalteten Hand derer nehmen, die dafür Hof und Haus, Amt und Heimath, oder das Leben ließen. Ungeahnet und ungeahndet bleibt das Frühere an Manchem auch darum, weil der Verlauf und Ausgang ihn dahin brachte, daß er sich umdenkt oder wenigstens absieht, Ideale zu verwirklichen. In der Bewegung des Bauernkrieges treten von diesen höheren Begabungen nur wenige namentlich hervor, und diese treten leise auf, so tief ihre geistige Kraft eingreift, wie Weigand von Miltenberg, wie Wendel Hippler, wie Schappeler, wie der Fuchssteiner, wie mehr als ein Rathsglied im 396Schooße der freien Städte; und, unter den Fürsten, wie der Henneberger und Markgraf Kasimir.

Thöricht wäre es, die Männer, welche von der Idee ausgingen, vom großen Gedanken einer Umgestaltung des deutschen Reiches, zusammenzuwerfen mit denen, die nicht uneigennützig waren und von jener Idee nicht ausgingen. Eine Revolution wischt mit rauher Hand im Fortgang an einem Mann oft selbst das ab, was an ihm und seinen Gedanken ursprünglich schön war, wie die Wirklichkeit das Ideale abstreift, Sturm und Wetter den Schmelz der Rose, und wie eine wüste, befleckte Hand selbst den weißen Mantel im Angreifen verunreint, den einer trägt, oder wie dieser ihn selber befleckt an unsauberem Orte. Nie geht einer aus einer Revolution hinaus, so, wie er in dieselbe hineintrat.

Verdorbene Leute schwammen noch zu jeder Zeit viele mit, sobald es flüssig war, solche mit vornehmer Geburt ebenso wie solche, die in der Mitte oder in der untersten Schichte geboren waren. Deren Auge geht nur darauf, eine Rolle zu spielen bei der Gelegenheit, und im Trüben zu fischen. Viele freuen sich auch nur der bloßen Bewegung, daß etwas los ist, und die Welt wieder im Fluß.

Von allen diesen Arten ist viel Raum eingenommen in der Bewegung des Jahres 1525, auch von solchen, welche vornherein entschlossen waren, so sich zu halten, daß, wenn es mißlang, sie sich eine Stellung retteten. Daher die viele Zweideutigkeit in der Haltung von Herren in Städten wie draußen in Schlössern auf dem Lande. Das ist überall noch und immer die Mehrheit gewesen, was den Grundsatz und die Berechnung hatte, stets nur mit der siegenden Partei gehen zu können und sich das Einlenken offen zu halten.

Da es seit mehr als dreißig Jahren im Reiche gährte, und es auf einer Reihe von Punkten im Zwischenraum von wenigen Jahren immer wieder zu einzelnen Ausbrüchen gekommen war, so bedurfte es dessen nicht, was man Verschwörung heißt, um die Revolution vorzubereiten. Die Luft der Zeit war mit revolutionären Stoffen geschwängert, und durch alle Stände des Reiches, vom Fürsten bis zum Bettler, ging die Ansteckung. Es ist Unkenntniß, die da meint und sagt: dieser und jener, oder diese und jene haben die Revolution gemacht. Nie hat ein Mensch, nie haben Menschen eine 397Revolution, zu der es wirklich kam, gemacht; Revolutionen machen sich selbst, wie Gewitter aus aufsteigenden Dünsten, wie Krankheiten aus verdorbenen Säften und aus Verwahrlosungen sich machen. Sind einmal die Elemente der Unzufriedenheit da, so ist es der gewöhnliche Gang, daß man verkehrte Maßregeln dagegen ergreift, und sie dadurch stärkt, statt beseitigt. Dann kommen Einzelne, welche diese vorgefundenen Elemente ausbeuten, eigennützig oder uneigennützig, je nachdem es Selbstsüchtige oder Idealisten und Patrioten sind. Bricht es dann los, dann verlieren die, welche in Amt und Gewalt sind, den Kopf. Die Feigheit, die Begleiterin des bösen Gewissens, verwirrt den Verstand. Falsche Schritte, dadurch vermehrte Gefahr, Davonlaufen derer, die zu bleiben die Pflicht haben, oder Schwanken derer, die entschieden sein sollten und rathlos oder schwach sind, folgen sich rasch aufeinander unter den Blitzen und Donnerschlägen und dem Gewittersturm Gottes, der durch die Welt geht.

Denn jede Revolution ist ein Gerichtstag Gottes über ein Land; Strafe und in der Strafe Wohlthat zugleich; das Letztere, indem unter den Schauern der Bewegung, oft der Anarchie, das überlebte Alte zertrümmert wird, damit neu gebaut werden kann; unter dem Zertrümmerungswerk werden viele der Zertrümmerer mitzertrümmert.

Das deutsche Reich krankte seit lange. Da kam die Revolution, als Folge, nicht als Ursache des kranken Zustandes im Reiche. Durch diese Krise konnte das Reich wieder zur Gesundheit gelangen, wenn das Fieber seinen richtigen Verlauf hatte und nicht unterdrückt wurde, ehe die veralteten Stockungen im Staatskörper gelöst, alle Krankheitsstoffe ausgestoßen, alle alten Mißbräuche und dem Ganzen schädlichen Zustände beseitigt waren. Es unterscheiden sich in jeder Revolution Kräfte, welche neu bauen, und Kräfte, welche zerstören wollen. Den Einen ist es nur um das Zerstören zu thun; die Andern haben das Aufbauen zu ihrem Zweck, und das Zerstören ist ihnen nur ein nothwendiges Uebel, ein Mittel des Durchgangs aus Unhaltbargewordenem zum Besseren, zur Wiedergeburt ihres Vaterlandes.

Solche Epochen und Ereignisse müssen von höherem Standpunkt aus beurtheilt werden, nicht von dem der Parteien. Als die zu Barr versammelten Polen, um ihr Vaterland aus den alten unseligen Zuständen zu retten, das Mittel der Revolution dazu wählten, da 398hörte man Stimmen, welche diese Männer darum bewunderten. Eine solche sagte: »Sie sind die Einzigen in ihrem Lande, welche vom Gefühle der Ehre und der Rechtlichkeit beseelt sind.« Und diese Stimme kam vom Wiener Hofe, und die so sprach und urtheilte, war die Kaiserin Maria Theresia.

So waren im Jahre 1525 viele Männer in Deutschland, welche die Wiedergeburt des großen Vaterlandes, den Neubau eines deutschen Reiches nach dem Umsturz des alten Gebäudes bezweckten, und Jahre lang insgeheim dafür arbeiteten. Und dennoch kamen ihnen die Ereignisse zuvor. Der Ausbruch kam früher, ehe sie alle Mittel vorbereitet, die zerstreuten Kräfte unter die Einheit eines Plans und einer Oberleitung gebracht hatten; die Volksausbrüche überflügelten die Gedanken der Intelligenzen.

Die Untersuchungen haben herausgestellt, daß seit lange her die Volkserhebung berathen und beschlossen war. Wie Münzer und Pfeiffer in Thüringen, wie Wendel Hippler am unteren Neckar und im Hohenlohischen, wie der Ritter Florian Geyer und seine Freunde im Würzburgischen und Rothenburgischen, wie Jakob Wehe an der oberen Donau, so war Weigand im Mainzischen, so Gaismayr in Tyrol, so Hunderte in den Oberlanden und in den Rheinstädten seit lange thätig für eine religiöse und politische Neugestaltung Deutschlands. Diese Männer waren unter sich in Zusammenhang, theils durch die Presse, theils durch Briefwechsel, theils auch zuletzt durch Zusammenkünfte, »an Orten, wo den Herren zu Werk geschnitten wurde,« wie Wendel Hippler sich ausdrückte.

Wie es schon zur Zeit der Plane der Reichsritterschaft Ulrich Hutten versucht hatte, so traten jetzt überall Männer des Geistes und höherer Stellung in Verkehr mit Gewerbsleuten und Bauern. In den Städten bildeten sich Clubs. Von diesen aus trat man mit den Dörfern umher und mit anderen Städten ins Verständniß. Der Handwerker und der Bauer zog Höhergestellte zu Rath, die das Vertrauen des gemeinen Mannes durch ihre bisherige Haltung sich erworben hatten. Bekenntniß des Baders Hartlieb zu Bamberg: »Der Aufruhr sei vor der Zeit und langher berathschlagt worden; auch etliche Gewaltige um Rath gefragt, die vielleicht seiner Meinung in etlichen Fällen auch gewesen sein mögen.«

399

Erst kurz vor dem Frühling 1525 aber wurde die allgemeine Erhebung beschlossen, die Zeit derselben bestimmt, die Sammelplätze und die Wehrzeichen festgesetzt; da erst wurde der Verkehr durch ausgesandte Boten und Aufbieter recht lebendig, von Thüringen heraus zum Niederrhein und in die Oberlande, vom Allgäu in den Schwarzwald und in die Alpenlande; ebenso an der Donau auf und ab, rechts und links ins Bayerische und Oesterreichische.

Wie in jedem Krieg und Aufstande, wurden auch in diesem allerlei Leute, ohne auf ihren Ruf zu sehen, wenn sie nur keck und verschlagen waren, theils zugelassen, theils herbeigezogen, als brauchbare Werkzeuge, theils drängten sie sich selbst herzu und im Laufe der Dinge sogar hervor. So griff der redliche Knopf von Luibas zu Conz Wirt von der Halden, und brauchte ihn zu verschiedenen Sendungen, zu denen es eines Mannes bedurfte, der schlau, aller Wege und Stege kundig, kühn und gewandt war.

Was am Ausgange des Mittelalters die Raub- und Stegreifritter durch ihre verwegenen Streiche, das hatten auch die Anführer der in jener Zeit zahlreichen Diebs- und Räuberbanden für sich: eine gewisse Popularität; der gemeine Mann hatte Respekt vor dem Namen der Waghälse. In den Hochlanden, im deutschen wie im böhmischen und spanischen Gebirge genoß der glückliche Räuberhauptmann noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts weit mehr Renommé, Bewunderung und Zuneigung im Volke, als Abscheu. Das war noch weit mehr der Fall vor länger als vierthalbhundert Jahren. Mit Lazzaronis, Dieben und Räubern und dem durch sie vergossenen Blute der besseren Classen kittete der jetzige König von Neapel sich seinen Thron wieder. In den Vendéekriegen, im Kriege Spaniens gegen Napoleon und in den spanischen Bürgerkriegen dieses Jahrhunderts, ebenso in den preußischen und österreichischen Heeren vor und nach der französischen Revolution war, wie allgemein bekannt, mancher berufene Freibeuter, Räuber und Räuberhauptmann in Waffen, als niederer oder höherer Offizier, als Kundschafter, als Aufwiegler, als Umtriebler thätig, begnadet und ausgezeichnet: das Werkzeug wurde gebraucht, weil es brauchbar und weil es nöthig war.

So war auch Conz Wirt auf der Halden ein Freibeuter aus den Bergen des Oberallgaus; und vor dem Bauernkriege hatte 400Württemberg und manche andere Gegend Schwabens ihm zum Schauplatz seiner Streiche gedient. Er hatte ein Freibeuterleben geführt mit Raub und Diebstahl, und sich als Bauer erlaubt, was die adeligen Ritter von der Heerstraße sich erlaubten, denen er das ausschließliche Vorrecht darin nicht zugestand, so wenig als ein anderes Vorrecht. In allerlei Masken hatte er die Lande am See, im Schwarzwald, auf der württembergischen Alp und an der Donau durchstrichen. Unkenntlich, im Habit des Bettlers, pilgerte er nach Alt-Oetting zu unserer lieben Frau, und erkundete die Gelegenheiten. Einen Todtschlag hatte er nie begangen. Urgicht des Conz Wirt auf der Halden. Jörg 206 u. 7.

Wie in Italien und Spanien, wie in Ungarn und Serbien noch heute, so konnte der Freibeuter Conz Wirt von der Halden, dieser Faustrechtsritter ohne Sporen, sich ohne Anstoß in der kriegerischen Bewegung seiner Zeit an die Landleute anschließen; seine gelungenen Streiche empfahlen ihn mehr in den Augen des gemeinen Mannes und seiner Führer, als daß er darum einen bösen Geruch gehabt hätte. So schickte ihn der Ausschuß der Kemptischen Landschaft, mit Wissen und Willen der Gotteshausleute, namentlich auf den Schwarzwald, die dortige Bauerschaft zu stärken und mit ihnen zu verhandeln; so gebrauchten sie ihn später zum Führer des Zugs, der ausgeschickt wurde, die Wolkenburg zu verbrennen.

Die Zeit bot überhaupt ein breites Lager an revolutionärem Zeug. Es war Ueberfluß an verdorbenen wie an leichtfertigen Leuten, welche in beiden Lagern, um ein Unter- und Fortkommen zu finden, an die übrige Mannschaft sich anschloßen, wie der Koth der Straße sich ansetzt an den Absatz des der Sache seiner Ueberzeugung Nachziehenden. Viel Gesindel fand sich ein im Fürstenlager, wie im Volkslager. Die Kriegsknechte der baierischen Fürsten waren so verrufen, namentlich von dem württembergischen Kriege vor sechs Jahren her, daß man sie in den Donaustädten nirgends einließ, weil »ihre Einlassung bei den Bürgern nur Unrath gebären würde, da sie früher die unschuldigen Bürger lahm und wund geschlagen, dem Eigenthum Schaden gethan und den Leuten im Quartier weder Tag noch Nacht im eigenen Hause Frieden gelassen, weder zu Bett noch zu Tisch, und Geistliche und Weltliche geplündert haben, welche 401keine Feinde waren.« Schreiben des Marschalls Ulrich von Pappenheim und des Günzburger Rathes vom 24. u. 27. Februar 1525. Schreiben des von Rahmeck vom 15. März 1525. So fanden sich auch in den Bauernlagern und in den städtischen Volkshaufen wie ehrbarer Adel, so auch verdorbener Adel, solche Herren, »die das Ihre böslich verthan hatten, und Nichts mehr hatten, aber gerne etwas überkommen hätten.« War Ule von Pegnitz zu Burg, gesessen in Forchheim, der gewesen, der zuerst mit dem Ruf: Es muß sein, Es muß sein! die Sturmglocke anzog, und war er später im Solde der Stadt Bamberg, ein stets voller, leichtfertiger und aufrührerischer Mann: Schreiben des Forchheimer Raths vom 20. Novbr. 1526. so trug im Bauernlager zu Geseß im Baireuthischen der Ritter Thomas Groß, genannt »das Mantelkind«, das Fähnlein voran. Dieser adelige Herr war durch Mord und Straßenraub im Anspachischen so wohl bekannt, als andere berühmte Namen seines Standes in Franken und Schwaben; und doch hatte er von seinem fürstlichen Herrn freies Geleit, »aus Gunst.« Bericht des Anspacher Regiments vom 9. Novbr. 1526.

Er war es, der sich vor die Bauern zu Mistelgäu stellte mit dem Worte: »Wo ihr aufsteht, so will ich euer Hauptmann werden!« der zum Aufstand warb und bot, die Priester plünderte mit seinen eigenen Hintersassen; der mit dem Pfaffen Flederwisch den geflüchteten Gütern der edlen Frau von Wichsenstein auflauerte, und der auch denen von Oberseß antrug, ihr Hauptmann oder Fähndrich zu werden, und ihnen dreihundert gute Gesellen zuzuführen, wenn sie aufstehen. Er sprach: »ich will mich nicht mehr Junker schelten lassen, sondern ich will Thomas Bauer geheißen sein.« Auch seine Vettern, die edlen Herren Hans Groß zu Reitzendorf und Christoph Groß zu Trockau ließen sich nimmer »die Großen« heißen, sondern »Christoph und Hans Bauer.« Ebendaselbst. Solche waren der vierte Grund der Furcht.

Derer vom Adel, welche » verdorbene« oder verarmte Leute waren, gab es so viele im Reich. Die waren wie gemacht zu Anführern des gemeinen Mannes in Städten und auf dem Lande. Und wie vom Adel, so wollten auch aus Bürger- und Bauerschaft lose 402Gesellen, wie sie sagten, »helfen das Evangelium und die Gerechtigkeit handhaben«; und sie fluchten, als Narren, denen die Pestilenz auf den Hals, welche sagten: ob das die Gerechtigkeit sei, daß man den Leuten das Ihre nehme? Verhöre vom 30. Aprl. 1526 mit denen von Geseß.

Man sah viele »trunkene und ungeschickte Leute« in den Haufen; frommer, alter Männer leichtsinnige Söhne; Hausirer, Vorkäufer, Handelsleute, »die viel nach Nürnberg hin und wieder gingen, der neuen Mähre viel brachten und das gemeine Volk aufrührerisch machten;« Verzeichnisse der Rädelsführer im Bambergischen. es waren dabei auch solche, die im Wohlstand saßen, reicher Leute Kinder, wie Georg Horniß von Wachenrode, von dessen Jugend es heißt: »Es ist aus dem ganzen Steiger Wald keine Schlichtung oder Zank gewesen, Georg Horniß hat dabei müssen sein mit seinen Hilpartsgriffen;« wie Peter Metzler zu Kleinwachenrod, der, nach dem Mißlingen des Aufstandes von dem Wachenroder Amt geschildert wird »als ein muthwilliger Bub, mit Worten und Geschäften aufrührerisch, der keinen andern Herrn als Gott haben wollte, Hunderte mit sich aufrührerisch gemacht hat und stets auf dem Vogelfang und beim Weine gelegen ist.« Ebendaselbst Jörg 203. Dabei waren auch aufgeweckte Köpfe, bei denen schon ihr Beruf die Rührigkeit mit sich brachte, Maler, Musikanten, Barbierer, Gold- und Silberarbeiter; reisige Knechte, die lange bei Fürsten gedient hatten und mit Unwillen von diesen geschieden waren; die thaten sich jetzt zu den Bauern, und erhielten niedere und höhere Führerstellen. Diese Reisigen und die zu den Bauern getretenen Geistlichen spielten eine bedeutende Rolle in den Haufen, wenn sie nicht leichtsinnig und liederlich sich benahmen; denn mit den leichtsinnigen Pfaffen und mit den leichtsinnigen Reisigen machten die Haufen kurzen Prozeß in Oberschwaben wie in Franken, wie sich später zeigen wird. Solche von den Bauern ausgestoßene Pfaffen wurden dann als Ueberläufer von dem andern Theil zu Spionen gebraucht.

Es war in der großen Volksbewegung von 1525, wie in allen Volksbewegungen. So wenig es in den Revolutionen Frankreichs, Englands, Nordamerikas, Spaniens und Italiens, Schwedens und 403Dänemarks, so wenig es in der letzten großen deutschen Bewegung lauter »Pöbel und solche waren, welche ihre letzte Hoffnung, als vergantete oder dem Gant nahe Leute, auf eine Revolution setzten;« so wenig waren es »nur arme oder leere Buben,« »abgehauste und unnütze Leute,« welche sich bei der Bewegung von 1525 betheiligten. Wie dort überall Reiche und Reichste mit jeder Art des Volkes, Idealisten und Patrioten mit solchen, die nur das Ihre suchten, in der Bewegung und für die Bewegung waren, Edle und Schlechte neben einander, ganz in der Weise, in welcher es auch in langen Friedenszeiten, in ungestörten Staatszuständen, im Salon und im Wirthshaus, im Fürstenrath, auf dem Rathhaus und auf den Bürgerstuben der Fall war, ist und sein wird, daß sie nebeneinander und zusammen sich finden: so war es auch im Jahre 1525.

Es gab Wohlhabende, es gab Reiche, von welchen es urkundlich ist, daß sie sich nicht betheiligen wollten. Die sprachen: »wenn wir nicht mit großem Drang dazu genöthigt werden, wollen wir nicht mitziehen;« wie manche vermögliche Bauern im Ries. Aber doch ritten zu den Bauern im Ries zwei Bürgermeister von Oetting hinaus, ihnen anzuzeigen, sie sollen nur kommen, sie wollen sie gern einlassen. Jörg, 217.

Ebensowenig wahr und maßgebend ist, was Kanzler Eck schreibt, für das Ganze der Bewegung, wenn er sagt: »Zudem ist eine große Spaltung in den Städten. Die Lutherischen, die arm sind, geben den Bauern Recht; die nicht lutherisch, und die lutherisch aber reich sind, geben den Bauern UnrechtEcks Schreiben vom 2. März 1525. Unter den Letzteren waren gerade solche, die ein böses Gewissen hatten, wegen schlechten Haushalts auf dem Rathhaus, und über welche der gemeine Mann Reime machte, wie der, welchen die zu Geseß im Wirthshaus über ihren Schultheißen an die Wand schrieben: »Die Zudütler haben die Herren lieb, doch stehlen sie so viel als andere Dieb.« Verhör Otto Angers, des conservativen Schultheißen zu Geseß. Jörg 218. In Innsbruck saßen, wie im Lande umher, » viele Bauern, zehen, zwanzig, dreißig und mehr tausend Gulden reich;« die suchten zwar die Bewegung zu mäßigen, aber sie betheiligten sich bei derselben, 404und waren in Hauptsachen eins mit den andern Bauern. Schreiben des bayerischen Gesandten aus Innsbruck v. 3. Juli 1525. Nicht bloß, »weil sie ihres großen Guts besorgten,« wirkten sie in der Landschaft mit; so wenig, als die vielen Edelleute, die sich an der großen Volksbewegung auf allen Punkten von Deutschland betheiligten, alle aus eigennützigen Triebfedern, aus Furcht oder kurzsichtiger Hoffnung, oder aus Zwang dabei waren. Jarcke, in seinen Studien und Skizzen S. 244, mißkennt ebensowohl den Charakter Luthers, als den Charakter des Adels und des Volks jener Zeit, wie den Charakter jeder nationalen Bewegung, sei diese religiös oder politisch, oder Beides zugleich.

Anfangs waren die Berichte der fürstlichen Vögte vom Hochmuth des Beamten und des Adeligen beeinflußt. Sie sahen mit dem Auge, mit dem sie auf das Volk herabzusehen, sie schrieben in der Sprache, mit der sie von den Bauern als »Roßmucken,« von dem Bürger als »Pöbelvolk,« unter sich zu reden gewohnt waren. So berichtete der baierische Hauptmann Erhardt Muckentaler an seinen Herzog: »Auf dem Mössinger Berge liegt nichts als heilloses Gesindel, Diebsleute, Spieler, abgehauste Bauern, verdorbene Bürger, Vaganten, Pfannenflicker, Troßbuben, Deserteure, Soldaten, Musikanten, Heckenschänder und dergleichen.« Solche Bestandtheile waren mitunter in den Haufen, aber sie waren weder der Kern derselben, noch die Mehrheit. Der Haufen zog nur arme Schlucker an; aber diese machten nicht den Haufen.

Fürsten selbst waren es, welche den fünften Grund zur Furcht für die Partei der Herren bildeten, besonders für die geistlichen Fürsten. Zuerst sahen die weltlichen Fürsten und der Adel die Volksbewegung so an, als wäre sie allein gegen die geistlichen Herren gerichtet, und der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, sagte das geradezu, und, daß man den armen Leuten Ursache zum Aufruhr gegeben habe, sonderlich mit Verbietung des Wortes Gottes. Will es, schrieb er an seinen Bruder, Gott also haben, so wird es also hinausgehen, daß der gemeine Mann regieren soll. Ist es aber sein göttlicher Wille nicht, und ist es zu seinem Lobe nicht vorgenommen, wird es bald anders. Schreiben Friedrichs bei Förstemann: Neues Urkundenbuch, I. 259.

405

Der Lehensadel der geistlichen Fürsten, auch derjenige der weltlichen, hoffte sich durch die Gelegenheit der Volksbewegung los und frei zu machen, und die Lehengüter in Eigengüter zu verwandeln, wie Fritz Zobel von Giebelstadt, der Lehensträger des Bischofs von Würzburg, der zu den Bauern wie zu dem Markgrafen Casimir in Beziehungen erscheint, welche, so geheim und verschleiert sie sind, sich von selbst verrathen, wie diejenigen, in welchen Ritter Stephan von Menzingen zu Markgraf Casimir, zu Herzog Ulrich von Württemberg, zu den Bürgern von Rottenburg und zu den Bauern an der Tauber sich zeigt.

Den Aufstand der Bauern zum Sturz aller geistlichen Herren zu benützen, das war ein Gedanke, der, wie in dem Grafen von Henneberg und in dem Markgrafen Casimir, so selbst in den Baierfürsten und in dem Erzherzoge Ferdinand von Oesterreich Platz griff. Gelüstete es den Henneberger nach einem selbstständigen Fürstenthum, ja nach dem Herzogthum Würzburg, und den Markgrafen Casimir nach nicht mehr und nicht weniger Land und Leuten, als so viel er immer davon an sich reißen möchte, so gelüstete die Baierfürsten nach dem Bisthum Eichstädt und nach dem Salzburgischen, und den Erzherzog Ferdinand von Oesterreich ebenfalls nach dem Salzburgischen, nach den Bisthümern Augsburg, Brixen, Trient und allen großen und kleinen geistlichen Herrschaften und Gütern, die zwischen dem Oesterreichischen oder nahe dabei lagen. Schreiben des Grafen von Henneberg vom 10. Mai 1525. Schreiben dts Kanzlers Eck vom 27. Dezbr. 1520. Schreiben des Herzogs Wilhelm von Bayern an den Kanzler von Eck Anfangs Juni 1525. Schreiben des Kanzlers Eck v. 7. Juni 1525. Schreiben des Hanns von Hasenburg an den Herzog v. 22. April 1525. Schreiben des von Käfinger, des Bayerischen Gesandten in Innsbruck vom 24. Juli an Herzog Wilhelm. Jörg 523. 331. 332. 282.

So geheim diese fürstlichen Gelüste und Gedanken gehalten wurden, so sickerte doch hie und da etwas davon durch, und schon die Zeit lag so, daß die geistlichen Fürsten und Herren diesen und jenen ihrer weltlichen Standesgenossen beargwohnen mußten. Fiel es doch selbst an dem Sachsenkurfürsten Manchen auf, daß die Bauern in Spalt beim Anfang des Aufstandes im Eichstädtischen an dessen Hofprediger sich wandten, und dieser mit ihnen in 406Briefwechsel trat. Es ging nämlich die gemeine Sage, Spalatin, der Hofprediger Friedrichs des Weisen, Luthers vertrauter Freund, stehe seit länger in geheimem Briefwechsel mit dem Tuchmacherzunftmeister Heule in Eichstädt, dem Haupte der Volkspartei daselbst, und mit den Bauern. Daß Spalatin seinen Geburtsort Spalt besuchte, und diese sich an ihn wandten, ist etwas Unverfängliches; daraus, daß er gerade jetzt in Spalt sich einige Zeit aufhielt, sog man das Gift des Verdachts, der Kurfürst von Sachsen trachte nach dem Eichstädtischen, oder wenigstens nach dem Sturze der geistlichen Herren, damit die neue Lehre siege. Gangauf S. 87.

So war es, daß es über die geistlichen Herren, und zwar zunächst durch die Bauern, hergehe, vielen Städten, Adeligen und einzelnen weltlichen Fürsten anfangs recht gewesen. Jetzt aber breitete die Furcht sich auch unter diesen aus, mit der Ausbreitung des Aufstandes. Die Bauern hatten bereits eine Fahne, unter der sie vereinigt fochten; vereinigt wenigstens vorerst; und so weit es der Lage der Dinge nach sein konnte. Diese Fahne waren – » die zwölf Artikel


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