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Drittes Kapitel.

Die Rechtswahrung der Kemptener am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts.

In derselben Zeit, in welche das Käse- und Brodspiel am Niederrhein fiel, standen die Bauern der Abtei Kempten wieder gegen ihren Landesherrn. Durch Auswanderung in die Schweiz hatten sich manche Bauern den Bedrückungen zu entziehen gesucht. Die zurückgebliebenen Bauern des Stiftes aber sahen sich trotzdem nach wie vor so behandelt, daß die Unzufriedenheit immer mehr zur Gährung, zuletzt zum allgemeinen Widerstand wurde. Durch den Trotz und Uebermuth der Stiftsherren waren viele Leute des Gotteshauses ins Verderben gestürzt worden.

Abt Johannes II., der zu Ende des Jahres 1481 den Hirten- und Fürstenstab übernahm, that, als suche er, behutsam und klug durch Milde die Wunden seines Volkes zu heilen. So hoffte wenigstens dasselbe in der ersten Zeit. Aber in Kurzem »verwandelte sich, wie die Chronik des Stifts sich ausdrückt, das Schaf in einen Wolf.« Alle Dienste und Steuern, früher schon ungerecht und drückend, wurden unter ihm noch gesteigert. Er trieb das Unterdrückungssystem in größerem Styl und Umfang, als wollte er den letzten freien Bauern in seinem Bereich zu seinem Zinsmann, die Zinsleute zu seinen Leibeigenen herab drücken. Wer das sich nicht gefallen lassen wollte, wurde wochenlang vor dem geistlichen Gericht herumgezogen, oder in Block und Thurm gelegt, zur Bürgschaft genöthet, oder von seinen Gütern vertrieben; die Länge und Vielheit der Plackereien machten wohl auch den Beharrlicheren und Stärkeren mürbe, daß er auf Urfehde gelobte, keinen fremden Schirm zu nehmen und mit Steuern, Reisen, Diensten, 15Faßnachthühnern, Todfall und Hauptrecht gehorsam zu sein. Die freien Weiber und Kinder der Zinsbauern wurden ohne Ausnahme dem Gotteshause verwandt. Die gleichen Lasten wie die Zinsbauern mußten auch freie Leute übernehmen, wenn sie ein Gut des Gotteshauses pachteten. Die Leibeigenen mußten überdies für den Fall ihres Absterbens die Hälfte ihrer Verlassenschaft dem Abt verschreiben. Vater- und mutterlose Waisen wurden ihres Erbes beraubt, Kinder unter Vormundschaft gezwungen, durch Verschreibungen sich als Leibeigene zu erklären. Die Ungehorsamen wurden mit Geldstrafen bestraft, bis auf hundert Gulden, ja bis auf den dritten Pfennig alles Vermögens, und diese Strafen wurden als ewige Zinse in die lehenfreien Güter geschlagen. Die Zinse aus den Gütern und die Steuern der Zinsleute, welche nur zwei Schillinge zu geben hatten, wurden nach dem Umfang ihrer Güter gewaltsam auf zwei, drei und vier Gulden erhöht. Mit Steuern und Reisegeldern Gemeinden doppelt zu belegen, und den herkömmlichen Betrag der gerichtlichen Strafgelder zu steigern, galt noch als das Geringste, und den Klagen wurde entgegengehalten: »Nicht bloß die Bauern seien mit Steuern und Anderem allzusehr belastet, auch Fürsten und Edle halten sich jetzt für beschwert, und selbst Kaiser und Könige seien zu dieser Zeit gegen ihren Willen zu Manchem gezwungen; warum da mit den Bauern eine Ausnahme gemacht werden sollte?«

Ja der Abt und seine Vertheidiger führten geradezu für seine Rechtfertigung an, »er mache es nur, wie andere Herren auch!«

Es ist ein fürchterliches Zeugniß, dieses Rechtfertigungswort des Abtes, gegen den Herrenstand, und Niemand widersprach ihm, Niemand verwies es ihm. Die Wahrheit des Wortes mußte, wenn auch nicht für alle Herren, doch für den Stand im Durchschnitt treffen und passen. Es kam im Jahre 1489 jene große Theuerung, welche von den obern Landen bis in die Niederlande sich erstreckte, so daß das Malter Roggen acht Pfund Heller an manchen Orten kostete; und ungeachtet dieselbe in den folgenden zwei Jahren bis zur Hungersnoth stieg, legte der Abt eine neue Steuer auf die Unterthanen um.

Zahlen konnten sie nicht, und doch wurde von ihnen gefordert. Am 15. November 1491 war die ganze Bauerschaft an der alten Malstatt zu Luibas beisammen, tagte und berieth über eine »Vereinigung, einander bei ihren alten Briefen und Rechten zu schützen.« 16Sieben Tage darauf standen sie schon zusammen in einem Lager unweit Durach, und schwuren einander, Keiner vom Andern zu lassen, und vorerst die Herren und Städte des schwäbischen Bundes um Recht in ihrer Sache wider den Abt anzugehen. Sie wählten einen Hauptmann, Jörg Hug, von Unterasried. Er war ihr Sprecher vor dem schwäbischen Bunde. Bedeutsam nannte der Fürst-Abt diesen Bauernhauptmann Hug »den Huß von Unterasried.«

Die Herren und Städte aber sahen in des Abtes Sache ihre eigene; denn die Aufregung pflanzte sich bereits auch über ihre Gebiete fort, und schon war ihm bewaffneter Beistand zugesagt, die »meuterischen« Unterthanen zur Pflicht zurückzuführen; nur die Stadt Nördlingen sprach dagegen und verlangte eine rechtliche Untersuchung der Klagen der Bauern. Auf dieses traten die Botschafter des Bundes auf dem Rathhause zu Kempten zusammen unter dem Vorsitze des Ritters Hans von Frondsberg zu Mindelheim, dem Oheim des berühmten Georg.

Auf den Knieen riefen hier die Abgeordneten der Bauern das Recht an: wären sie im Irrthum, so solle man sie zurecht weisen; ja, fände sich, daß sie Unrecht begehrten, so wollen sie ihre Köpfe hingeben. In den Herren des Schwabenbundes fand aber die Stimme des Rechtes vor der Stimme des Eigennutzes kein Gehör. Das Einzige, was sie thaten, war, daß sie den Fürst Abt von blutiger Rache an den Bauern abhielten. Auf dem Schlosse Liebenthann brachten sie eine Vermittlung zu Stande, ganz zu Gunsten des Abtes. Darum wollten die Bauern sich an den Spruch nicht kehren, wiewohl sie die Waffen niederlegten, und sandten ihre Klage nun unmittelbar an den Kaiser. Heinrich Schmid von Luibas wählten sie, um ihre Sache wegen ihrer Freiheitsbriefe vor diesem höchsten Haupte zu führen, das durch den Krönungseid verpflichtet war, die Freiheit und die Armen zu schützen. Der Abt aber ließ diesen Botschafter der Bauern, als er auf dem Wege zum Kaiserhof war, meuchlings niederwerfen; er kam nie mehr zum Vorschein.

Ein zweiter Botschafter des Landvolkes, Sebastian Becherer von Kempten, war glücklicher. Als man schon auch an seiner Wiederkehr verzweifelte, kam er, und mit ihm die Nachricht, daß der Fürst vor den Kaiser werde vorgeladen werden, um auf die Klagen der freien Zinser und der armen Leute des Stifts sich zu verantworten.

17

Auf die Gewaltthätigkeiten hin, welche sich der Abt gegen ihren Botschafter und gegen sie selbst in mancher Weise fortwährend erlaubte, hatten die Bauern sich aufs Neue zusammen gethan. Der Abt wandte sich abermals an den schwäbischen Bund um Hülfe gegen seine widersetzlichen Unterthanen. Der Bund mahnte die Bauern drohend zur Waffenniederlegung und zum Gehorsam. Diese ließen sich noch einmal treuherzig machen, ihre Klagen vor einem Bundestag zu Eßlingen vorzubringen. Aber der Entscheid, den sie auch hier erhielten, war natürlich wieder der Art, daß ihn die Bauern verwerfen mußten.

Jetzt beschloß der Bund: »weil bei längerer Nachsicht alle Ehrbarkeit und Obrigkeit in Gefahr wäre, die Bauern mit Gewalt zum Gehorsam zu zwingen; vorerst die Rädelsführer aufzuheben und zu strafen; würden die Bauern dann noch nicht ruhig und gefügig, diese mit Krieg zu überziehen.«

Das Kriegsvolk des Bundes sammelte sich zu Günzburg, zu Mindelheim standen die Soldknechte des Abts. Doch wagten sie noch immer keine Gewalt. Wochen, Monate verstrichen. Die Bauern sollten sicher gemacht werden, und sie wurden es. Plötzlich, am Michaelis Abend, sahen sie sich von den Kriegsknechten des Bundes zu Roß und zu Fuß in ihren Dörfern überfallen, verwundet, verstümmelt, viele auf den Tod, ihr Hab und Gut ausgeraubt, ihre Wohnungen in Flammen. Ueber dreißig tausend Gulden wurde der Schaden geschätzt. Die Rädelsführer, der man habhaft wurde, wurden aufgehoben und ins Gefängniß weggeschleppt; einige hundert Bauern wanderten aus in die Schweiz.

Jetzt, nach solchen Vorspielen, setzte der Bund der Bauerschaft einen neuen Tag zu Memmingen zu rechtlicher Verhandlung. Von derselben, die nicht nur ihrer Habe, sondern, was jetzt schwerer für sie war, ihrer Häupter, Führer und Sprecher sich beraubt fühlte, kamen zweihundert und zweiundfünfzig Zinser und Gotteshausleute, aus 22 Ortschaften, als deren Vertreter.

Da ward ihnen gesprochen: Sie, die Unterthanen, haben dem Abte gehorsam, gerichtbar, dienstbar und botmäßig zu bleiben, wie sie ihm bei Anfang der Regierung geschworen; ihr Bündniß abzuthun und kein neues zu machen; jährlich an Steuer, Zins, Gült, Theilfällen, Hauptrecht, und Anderem das zu leisten und zu reichen, was sie 18bisher haben leisten und reichen müssen, so lange, bis sie rechtlich beweisen, daß sie das Eine oder Andere ganz oder zum Theil nicht schuldig seien.

Der Fürst solle seine Klagen wider seine Unterthanen, die Bauern ihre Klagen wider den Abt vor ein Schiedsgericht bringen, zu gütlichem Vertrag oder rechtlichem Spruch, namentlich auch den Streit über die Reise-(Kriegs-)Steuern und Anderes. Jeder solle in seine Heimath zurückkehren, und beide Theile sollen sich Vergessenheit des Geschehenen versprechen; die Gefangenen sollen nach Annahme des Vertrags ihrer Haft, die Gebannten des Bannes ledig, Jeder der Ausgetretenen bis zu einer gewissen Zeit in den Vertrag eingeschlossen werden, Jeder aber auch denselben nicht annehmen können. Gegen die, welche ihn nicht annehmen, soll es in Allem stehen, wie vor dem Vertrag, und das Gotteshaus alle seine Angehörigen bei ihrem Stande lassen.

Von den Ausgetretenen kehrten Etliche in ihre Heimath zurück, stellten sich in dem Stift und schwuren, dem Vertrage nachkommen zu wollen. Ein großer Theil der Bauerschaft aber nahm den Vertrag nicht an: sie hatten nicht ohne Grund das Vertrauen zu den rechtlichen Entscheidungen verloren. So kam es zu keiner Fortsetzung ihrer Klagen und Beschwerden; sie glaubten jetzt die Verhältnisse nicht günstig, ihre Sache fortzuführen. Es war eine Versöhnung zwischen dem Herrn und einem Theile der Unterthanen äußerlich, ein Stillstand für den Augenblick; das Mißvergnügen blieb innerlich, wie die Ursachen blieben, die es veranlaßten. Nach Haggenmüller, Gesch. v. Kempten, Alles nach stiftischen und städtischen Urkunden und landschaftl. Akten; lauter unumstößliche Zeugnisse wider die Herren und für das Volk. I. 408—14. Eine endliche Entscheidung über die Beschwerden der Bauern erfolgte nicht. Der Abt aber setzte seine Bedrückungen bald wieder fort.

In diese Zeit fällt die erste Nachricht vom »Bundschuh.«

Daß die Bauern in der Landschaft Kempten einen »Bundschuh« in ihrem Lager aufgesteckt haben, davon findet sich bis jetzt nirgends etwas erwähnt. Wohl aber wird erzählt, daß während dem der Bundschuh bereits als ein Zeichen des Aufstandes im Volke bekannt war. Dieses Zeichen geht weiter zurück, und man weiß nicht, wann und wo es zuerst gebraucht wurde. Während der Streitigkeiten der Bauern mit dem Fürstabte steckten Bürger in der Stadt bei einer Hochzeit, im 19Uebermuthe des Weines, gegen zweihundert an der Zahl, an einer langen Stange einen »Bundschuh« auf, im Wirthshause zur Glocke in der Vorstadt. Der gemeine Mann lief herzu und sah es gerne. Das Volk wünschte, es möchte einmal dazu kommen, »mit dem Abt abzurechnen.«

Auf die Anzeige beim Rath, in der Vorstadt sei ein »Bundschuh« aufgerichtet, kam der Stadtammann mit den Knechten in die Herberge und trug vor, welch großes Ding es sei, einen Bundschuh aufzustecken. Auf seine Vermahnung wurde der Scherz abgethan. Haggenmüller S. 415. Das war im Jahre 1492.

Das Zeichen des Bundschuh's als Panner hatte seinen Ursprung daher: Der Ritter trug als besondere Auszeichnung – Stiefeln; der Bauer, wenigstens der unfreie, als Zeichen der Unterthänigkeit und Unfreiheit – Schuhe, gitterartig vom Knöchel an aufwärts mit Riemen gebunden. Dieser allgemeingetragene Bauernschuh hieß von dieser Art des Bindens Bundschuh.


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