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Zwölftes Kapitel.

Die Bamberger und ihr Bischof.

Der Tumult zu Bamberg, von dem der Bischof an den Markgrafen Kasimir unterm 12. April berichtete, wurde schnell zu einem Aufstand des ganzen Bisthums. Damals saß auf dem bischöflichen Stuhl Weigand von Redwitz. Dieses, seit Kaiser Heinrich dem Heiligen reiche Stift war in den letzten Jahren, unter dem geistreichen Georg III., einem Herrn von Limpurg, eine Zuflucht des in Deutschland verfolgten Geistes gewesen, wie die Ebersburg sie war, wie der Mainzer Hof sie bot. Hier war einst Ulrich von Hutten, hier so mancher Streiter der neuen Ideen freundlichst aufgenommen worden. Hier waren die tapfersten Ritter am Hofe, theilweise selbst gelehrt, warme Anhänger des evangelischen Glaubens; hier wurde in vielen Pfarren seit lange im Lichte des neuen Geistes gepredigt. Mit dem Tode Georgs III. im Jahre 1522 war es anders geworden. Weigand von Redwitz hatte kurz vor seiner Wahl eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht. Die früheren Räthe gingen oder wurden entfernt. Das Volk hatte viel gelitten unter dem halb tausendjährigen Wohlleben der geistlichen Herren groß und klein; aber Georg III. war bei seinem Aufwand geliebt, der finstere Weigand gehaßt.

Auf Markgraf Kasimirs damaliges Ansuchen beim schwäbischen Bund um Hülfe wider seine Bauern, hatte dieser die Bamberger angewiesen, dem Markgrafen das dritte Dritttheil seines Bundescontingents zuzuführen. Der Bischof, der aus seinem Hofgesind und den 437Knechten seiner Amtleute nicht so viel Reisige aufbrachte, wandte sich an seine Ritterschaft, um mit ihr Dienstags nach dem Palmtag über das zu stellende Contingent sich zu vereinigen. Noch predigten zwei Prädikanten der neuen Lehre, Johann Schwanhäuser und der Carmelitermönch Eucharius evangelisch in der Stadt Bamberg: des Erstern Geist und Gelehrsamkeit und der unbegrenzte Beifall des Volkes hatten ihn der Stadt erhalten, so sehr er dem Bischof mißfiel. Auf jenen Dienstag war gerade eine Predigt Schwanhäusers angesagt. Ein Zufall brachte ein solches Schreiben, das sich auf die Einberufung der Ritterschaft bezog, in die Hände eines der eifrigsten Anhänger Schwanhäusers, er theilte es Andern mit, und aus dem ihnen nicht klaren Inhalt zog ihr Argwohn den Schluß, es sei auf einen Ueberfall der Evangelischgesinnten abgesehen. Es verbreitete sich unter Allen, die in die St. Gangolfskirche, wo Schwanhäuser predigte, zu strömen pflegten, der Bischof wolle, während sie zur Predigtstunde versammelt wären, sie durch die Ritterschaft überfallen lassen. Am Morgen zwischen acht und neun Uhr den 11. April sammelten sich die Anhänger Schwanhäusers am Markt. Da waren die Freunde des neuen Evangeliums, die Bürger Cleslein, Schwartz, Hans Spitzwinkel, Hans Hartlieb; ihr Eifer für dasselbe und ihre sorgliche Liebe für Schwanhäuser, für ihre eigene Sicherheit übertrieb laut die Gefahr. Die Versammelten wurden eins, die Ritterschaft und ihre Reisigen nicht in die Stadt zu lassen, Hans Neudörfer sprang an die Sturmglocke und zog sie an, Andere eilten nach den Stadtthoren und sperrten sie, die Bürgerschaft trat in die Waffen und wählte Hauptleute aus ihrer Mitte. Der Rath der Stadt, erschrocken über die unvorhergesehene Bewegung, berichtete an den Bischof. Der schickte drei seiner vertrautesten Räthe, Emeran von Redwitz, Hans Braun und Hieronymus Kammermeister an die Bürgerschaft, mit dem Erbieten, allen billigen Beschwerden abhelfen zu wollen, sie möge solche nur vorbringen. Das Volk, oder vielmehr die Bewegungspartei in der Stadt, hatte kein Vertrauen zu des Bischofs Erbieten, die Volksmänner gaben sich vielmehr alle Mühe, sich zu verstärken; sie ließen alle Bürger sich angeloben; wer sich weigerte, wurde genöthigt; in die benachbarten Dörfer gingen bürgerliche Abgeordnete hinaus, welche sie zum Anschluß und zum Beistand aufforderten. Der Bischof entfloh aus der 438Stadt, ihm nach die meisten seines Kapitels, auf die Altenburg, das altfeste Schloß, dem es aber gänzlich an Vertheidigern und Vorräthen fehlte. Daß der Bischof diesen Zufluchtsort so gar nicht auf den Kriegsfuß gesetzt hatte, beweist, wie ahnungslos er von dem Ausbruch der Bewegung überrascht wurde: es fand sich auf dem Schlosse nichts vor, als der Vogt, ein Fußknecht, ein Thurm- und ein Thorwärtel, ein Kellner und ein Koch, an Lebensmitteln gar nichts; was die droben bisher brauchten, das hatte jeden Morgen ein Knecht den steilen Hügel aus der Stadt hinaufgetragen. Und jetzt wurde die Stadt schnell auf allen Seiten von den Bürgern abgesperrt. Die Aufforderungen an die Dörfer führten schon des andern Tags Tausende von Bauern in die Stadt herein, und die Bürger wetteiferten, sie in Vertheidigungsstand zu setzen, für den Fall, daß Fürsten und Herren einen Angriff auf sie wagen wollten; die Straßen wurden mit Ketten gesperrt, Barrieren errichtet, tiefe Gräben rings umher gezogen, Wege und Stege verlegt, Alles ohne Unterschied mußte arbeiten und Dienste leisten: da sah man die adeligen und die geistlichen Herren in der Stadt an der Frohnarbeit und auf der Wache am Graben, an der Thorhut, so sauer es sie ankam.

Der aus Bürgern und Landleuten gewählte Ausschuß, der auf dem Rathhaus seine Sitzungen hielt, leitete das Ganze. Der Bischof hatte sich um Hülfe an die benachbarten Fürsten und den schwäbischen Bund gewendet. Die zu Neustadt versammelten Würzburgischen, Brandenburgischen und Eichstettischen Räthe machten ihm Hoffnung auf Hülfe, hatten aber in ihren eigenen Landen genug zu thun. Der schwäbische Bund entschuldigte sich mit der Unmöglichkeit, ihm jetzt beistehen zu können. Anspacher Archiv. I, 50. 51. 53. 54. Verlassen von Fürsten und Herren, sah der Bischof auf der Altenburg sich genöthigt, die von dem Ausschuß in der Stadt an ihn ergangene Einladung anzunehmen und unter sicherem Geleit desselben in die Stadt am Gründonnerstag hinab zu kommen, um die Irrungen zwischen ihm und dem Volk durch gütliche Unterhandlung beizulegen: er war bereit in geistlichen und weltlichen Dingen vorerst Zugeständnisse zu machen.

Bei dem Carmeliterkloster wartete ein bewaffneter Volkshaufen, um den Einreitenden zu empfangen. Die Sprecher dieses Haufens 439trugen ihm ihre Bitte vor, alle Beschwerden abzustellen, und besonders die geistlichen und adeligen Güter einzuziehen; sie wollen nur Einen Herrn haben, den Bischof. Herr Weigand, überrascht durch diese Forderung, suchte sich, so gut er konnte, hinaus zu winden: ohne Verhör, sagte er, Jemand sein Gut einzuziehen, habe er nicht Macht. Bauern und Bürger machten drohende Gebärden, der Bischof hörte einige Büchsen neben sich knallen, mit diesen Schreckschüssen ließen sie ihn weiter reiten. In der Hofburg wurde er von einer Zahl geharnischter Bürger empfangen und auf den Markt geleitet. Der ganze Markt stand in Schlachtordnung. Da sah er sie, die waffenfähigen Bürger aus allen Städten seines Bisthums, in Reih und Glied aufgestellt in voller Waffenrüstung. Er sprach sie aufs Freundlichste an, erhielt aber von ihnen nichts als die Antwort, auf dem Rathhaus werde der Ausschuß mit ihm unterhandeln. Seine Geleitsmänner führten ihn weiter durch die lange Gasse; hier standen Bauern aus allen Dörfern des Stifts in langen Reihen unter den Waffen. Mitten durch sie hin ward er auf das Rathhaus geleitet. Hier vernahm er denselben Antrag, den er beim Carmeliterkloster hatte hören müssen. Der Ausschuß erklärte ihm, sie seien entschlossen, künftig keinen Herrn anzuerkennen als ihn allein. Alle Güter der Geistlichen und des Adels müssen zum Besten des Landes eingezogen, die Schlösser des Letztern, durch welche Freiheit und Eigenthum der Bürger und Bauern gefährdet werde, gebrochen werden; anders könne der gemeine Mann nicht gestillt werden. Das sei, erwiederte der Bischof, gegen kaiserlichen Landfrieden, gegen Recht und Billigkeit; er könne und wolle so etwas nicht vornehmen. Der Ausschuß bat, drohte; der Bischof blieb dabei, so weit nicht gehen zu können. So blieb diese Zusammenkunft ohne Erfolg für den Frieden, der Ausschuß entließ den Bischof unter Geleit auf die Altenburg, und das Volk ging daran, seinen Beschluß über die Güter der geistlichen Herren selbst zu vollstrecken, sie einzuziehen, abzuthun. Hunderte von Edelleuten hatten bisher als Domherren und Diener des Bischofs, ohne Theilnahme an bürgerlichen Lasten und Gaben, in Wohlleben auf Kosten des Volks gelebt, ohne Nutzen für das Land. Dem wollte das Volk ein Ziel setzen. Noch auf dem Wege zur Altenburg hinauf hörte der Bischof die Sturmglocke hinter sich läuten, und alles Volk 440war in Bewegung, den alten Kaisersitz auf dem Domplatze, den die Bischöfe zu ihrer Hofburg gemacht hatten, zu plündern und zu zerstören, ebenso die Höfe der Domherren, die Abtei auf dem Michelsberg, die Häuser aller Geistlichen. Nur zwei verschonte das Volk, den des Daniel von Redwiz und den des Weitbrecht von Seckendorf, die bei den Bürgern beliebt waren. In der Kanzlei des Fiskus stürzte sich das Volk auf die alten Register und Akten, zerriß diese Beweise seiner Knechtschaft, diese Papiere, mit so manchem Blutstropfen und dem Schweiß des armen Mannes beschrieben, und streute die Fetzen in den Wind. Auf dem Michelsberg waren die Bauern, auf dem Domplatz die Bürger thätig. Zwei Tage dauerte das Plünderungsgeschäft und der Lärm in der Stadt, bis zum Osterabend. Daß der schöne Dom keinen Schaden litt, dafür sorgten die Bürger; eine Anzahl derselben bewachte ihn vor jeder Hand, die sich hätte daran vergreifen wollen.

Als der Bischof sah, daß es so weit kam, verstand er sich zu einem Vertrag. Am Osterabend kam man überein, daß ein Landtags-Ausschuß gewählt werden sollte, wozu der Bischof neun Abgeordnete aus der Ritterschaft, die Stadt Bamberg drei, die Landschaft sechs Mitglieder zu ernennen hätte. Dieser Landtags-Ausschuß sollte über die Mängel und Beschwerden des Landes austräglich entscheiden, das Volk seine Beschwerden bis zum 19. April schriftlich verzeichnen, und der Landtag am 20. beginnen, bis zu Austrag der Sache kein Zins und kein Zehente gefordert und gezahlt werden, das Kapitel aufhören und der Bischof der alleinige Herr des Landes sein.

Die Geschütze auf der Altenburg und das Geläute aller Glocken in der Stadt verkündeten die Einleitung zur Beilegung der Irrungen, die zwischen dem Bischof und dem Lande obwalteten, und Bürgermeister, Rath und Gemeinde zu Bamberg schrieben voll Freude darüber an die benachbarten Fürsten, namentlich an Markgraf Kasimir. Anspacher Archiv I, 58. Für den Augenblick war auch Alles zur Ordnung in der Stadt zurückgekehrt. In den Osterfeiertagen strömte das Volk wie sonst wieder in die Kirchen zum Gottesdienst. Der Bischof selbst war es, der die Ruhe einen Augenblick wieder störte. Ungeachtet in dem Vertrag ausdrücklich bestimmt war, daß die neun 441Mitglieder, die der Bischof zum Landtag abzuordnen hatte, mit Ausschluß der Geistlichkeit alle aus der Ritterschaft sein sollten, wollte er doch die Hälfte dazu aus seinen geistlichen Räthen nehmen. Das Volk schrie über Vertragsbruch, eine neue Gährung lief durch die Stadt. In Eile beschrieb der Bischof fünf Räthe von benachbarten Fürsten, vier erschienen, und diese und fünf ritterschaftliche traten mit den Abgeordneten der Stadt und der Landschaft auf den bestimmten Tag zusammen. Die Stadt beruhigte sich wieder, da sie der Berathung und Abstellung der Mängel und Gebrechen des Landes entgegensah, die schriftlich eingereicht worden waren. Auf dem Lande aber fuhren die Bauern fort, die Häuser der Geistlichen und Adeligen zu plündern, Wälder auszuhauen, Weiher und Wasser zu fischen, und in anderer Weise thätlich vorzugehen. Darum erschien am ersten Tage ihres Zusammentretens von den »Verordneten der drei Stände, Ritterschaft, Städte und Bauerschaft« und von dem Bischof ein Gebot, von jeder Thätlichkeit abzustehen, den aufgerichteten Frieden zu halten, und Alles von dem Landtag zu erwarten: wer mit Worten oder Werken wider den Frieden handle oder Aufruhr errege, solle an Leib, Leben und Gut bestraft werden.

Die Unterhandlungen des Landtags hatten den Fortgang, daß schon nach acht Tagen der Bischof zugestand, daß das Wort Gottes frei, lauter, klar, rein und unverdunkelt im ganzen Stift Bamberg, so weit es reiche, gepredigt werden solle »kraft der Verfassung, welche zwischen dem hochwürdigen Fürsten und Herrn und dem Landtags-Ausschusse aufgerichtet worden.« Weder bei der Bekanntmachung jenes Gebots noch bei diesem Beschluß und Ausschreiben wurde des Domkapitels mit einer Silbe mehr gedacht; der Priester Zeit betrachtete man in Bamberg als abgelaufen. Bekanntmachung vom 20. April und 4. Mai.

Während in Bamberg die Unruhen die schöne Friedensfrucht einer landständischen Verfassung zu treiben verhießen, waren das benachbarte Stift Würzburg, das Gebiet der freien Stadt Rottenburg an der Tauber und die Deutschordensbesitzungen an allen Enden auf und rege.


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