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Dreizehntes Kapitel.

Erste gemeinsame Maßregeln der Herren.

Sobald die Kunde von dem Anfange unruhiger Bewegungen an die Fürsten, Herren und Städte, die den schwäbischen Bund bildeten, kam, schickten sie Graf Wilhelm von Fürstenberg an die Bauern, um durch gütliche Worte sie zu beruhigen und sich genauer über die Dinge zu unterrichten. Diesen erklärten sie, »sie seien nicht evangelisch, und sie haben sich nicht des Evangeliums wegen zusammenrottirt.« Gerbert aus den Paralip. ad calc. chronici Abb. Ursperg. Dem Grafen von Lupfen und dem von Sulz mußte es, als die Versuche mit guten Worten nichts fruchteten, um so unheimlicher werden, als die Unterthanen beider im Schweizerkriege die Partei der Eidgenossen genommen hatten, Urkdn. in der Sammlung des Prl. v. Schmid. und sie wegen ihrer »schweizerischen« Gesinnungen von ihnen nach dem Kriege hart mitgenommen worden waren.

Die Bauern im Klettgau, worin Graf Rudolph von Sulz Landgraf war, waren zuerst nichts weniger als geneigt, mit denen von Stühlingen gemeine Sache zu machen und gewaltsam vorzugehen. Sie suchten vielmehr aus Furcht vor den empörten Nachbarn, die sie neckten und beunruhigten, Schutz und Hülfe bei den Zürichern. 244Ihr Graf, Rudolph von Sulz, Erbhofrichter des Hofgerichts zu Rottweil und erster Rath der österreichischen Regierung zu Innspruck, hatte seit einem Jahre Hans von Heidegg zu seinem Statthalter im Klettgau gesetzt. Auch dieser schickte mit den Abgeordneten der Bauern auf Bitte derselben einen von Landrichten, Namens Peter, nach Zürich, und bat sie um ihre Vermittlung zur Wiederherstellung des Friedens und der Sicherheit. Die Bauern legten 44 Klagartikel und Wünsche gegen ihre Herrschaft dem Rathe zu Zürich vor. Als dieser fragte, ob sie sich nach seinen Verordnungen richten, und Zwingli's Meinung annehmen wollten, antworteten die Bauern mit Ja, Heidegg's Abgesandter aber sagte, er habe hierüber keinen Auftrag. Zugleich erklärte der Rath, wenn sie glauben, daß der Graf und seine Amtleute dem Evangelium nicht zuwider seien, noch die Unterthanen zu den alten Kirchengebräuchen zwingen würden, so wolle er an Hans Müller von Bulgenbach und seine Gesellen schreiben, daß sie im Klettgau, das der neuen Lehre nicht zuwider sei, nicht mehr schädigen. Der Rath schrieb auch dem Bauernobersten des Schwarzwalds, und mit gutem Erfolge. Aus dem Archiv zu Thiengen in der Sammlung des Prl. v. Schmid.

Die Züricher suchten den Anlaß der Unruhen allein in religiösen Gründen: nach der Bauern eigener Aussage waren es aber vorerst und vor Allem rein weltliche Ursachen, und damit stimmen die Aussagen von Zeitgenossen jeder Farbe überein. »Weil gegenwärtige Aufruhr der Unterthanen wider ihre Obrigkeiten mehrentheils in ihren vermeinten Beschwerden, in Reichung Hauptrecht, Handlohn, schuldiger Dienstbarkeit, auch kleinem Zehnten beruhen.« – Schreiben einer Reichsstadt an die Stadt Ulm, Urkdn. in der Sammlung des Prl. v. Schmid. Das Manuscript der Weissenhorner Chronik sagt: »Ihr erstes Vornehmen ging gegen die Obrigkeiten, von der sie mit Diensten, Gült und Leibeigenschaft beschwert waren, wovon sie frei sein wollten.« Der gleichzeitige Holzwart gibt als Hauptursache »die allzugroßen Abgaben und allzuschweren Dienste, und die verschuldeten Bauern« an.

Schon zu Anfang Augusts hatte sich der schwäbische Bund über die überhandnehmenden Unruhen unter dem gemeinen Manne berathen. »Weil sich Gemeinden und Unterthanen in Städten und auf dem Lande an vielen Orten rottiren, empören und dem bisherigen Gehorsam entziehen wollen, ja die Obrigkeiten dahin zu drängen 245suchen, daß solche des Willens und Gefallens der Unterthanen leben;« war beschlossen worden, »für den nächsten Bundestag sollen die Gesandten die Meinung ihrer Herren einholen.« Er berieth sich im Oktober aufs Neue, und versprach den von ihren Unterthanen bedrohten Herren eilende Hülfe.

Erzherzog Ferdinand, an welchen, als seinen Schirmherrn, der Graf von Lupfen sich zu gleicher Zeit wandte, erließ ein Mandat an die Bauern, sich ruhig zu halten, und ihre Beschwerden vor einer von ihm ernannten Commission am letzten August zu Rudolfzell vorzutragen. Wie oft und wie lange hatten diese ihre Beschwerden und Gebreste an das Reichskammergericht gebracht, ohne daß sie Gehör oder gar Schutz gefunden hätten! Jetzt sollten sie Abhülfe von einer erzherzoglichen Commission hoffen, und in diese Commission waren neben Hans von Frundsberg, Christoph Fuchs von Fuchsberg und einigen Abgeordneten des schwäbischen Bundes, namentlich auch gewählt Graf Rudolf von Sulz und Hans Immer von Gilgenberg, der vorderösterreichische Statthalter, der zu Ensisheim saß und dessen Gesinnung die Bauern hatten kennen lernen.

So war es natürlich, daß von den Bauern Niemand vor der Commission erschien. Auch das Mandat des Erzherzogs wurde ebensowenig von ihnen beachtet. Sie blieben unter ihrem Fähnlein versammelt.

Zugleich mit der Anordnung der Commission hatte der Erzherzog 200 Pferde und 1500 Fußknechte mit 4 Stückbüchsen, 6 Schlangen, und 100 Hakenbüchsen nebst 25 Böcken aufgeboten; 200 Reiter dazu hatte Truchseß Georg von Waldburg zugesagt. Da diese nicht sogleich beisammen waren, beschlossen die Herren in einer zweiten Conferenz am 3. Septbr. zu Zell, in den nächsten 8 Tagen noch mit den Bauern in Schaffhausen, welches den Letztern genehmer war, zu unterhandeln; inzwischen sollte jeder der Herren durch »Weibsleute und andere der Sach taugliche Kundschaft« auskundschaften, »wo die Bauern liegen, was ihre Praktik, ihr Fürnehmen und ihre Anschläg, wie stark, und was ihre Hoffnung, Trost und Hülfe wäre.« Auch übernahm die Regierung zu Ensisheim, zu sorgen, daß den Bauern weder Zufuhr noch Zuzug aus dem Elsas käme. Protokoll der Verhandlung zu Zell.

Im Namen des Grafen von Lupfen erschien der Stadtschreiber 246Bollstetter von Zell auf dem Tage zu Schaffhausen, und verlangte, die Bauern sollen ihrem Herrn ihre Fahne ausliefern, knieend ihr Unrecht abbitten, und den verursachten Schaden vergüten. Manuscr. der Villing. Chronik. Da der Graf nichts weiter bot, als daß er dann verzeihen und es beim Alten bleiben würde, hatten sie zu seinen Vorschlägen keine Lust.

Indessen hatte sich nur langsam ein Theil des aufgebotenen Kriegsvolks gesammelt. Um gewiß zu sein, ob die Bauern nicht von den Eidgenossen unterstützt würden, schrieben die Herren unterm 14. September nach Schaffhausen: Kaiserliche Majestät wolle ihre ungehorsamen Unterthanen gebührend strafen; was man sich dabei von den Eidgenossen zu versehen habe? Diese antworteten: mit dem Bauernwesen befassen sie sich nicht; thäten die Ihrigen dergleichen, so wollten sie dieselben ebenmäßig dafür strafen.

Hans Müller von Bulgenbach hatte auch die Bauern ob dem Schwarzwald an sich gezogen, und rückte von Bachen über Löffingen, Lenzkirch, Neustadt, Scholach und Urach am 30. September nach Furtwangen, am 1. Oktober in's Bregthal und nach Bräunlingen, am 2. Oktober nach Hülzingen, wo am folgenden Tage, einem Sonntage, Kirchweih war.

Hier kamen neue Schaaren der evangelischen Brüderschaft mit ihm zusammen, aus dem Hegau und dem Höri, d. h. aus dem Gebiete des Bischofs von Konstanz und aus den Dörfern der Abtei Reichenau, mit ihrem Hauptmann, Hans Maurer, und es wurden weitere Verabredungen getroffen. Schon am 11. Oktober standen über vierthalbtausend Mann unter der schwarzrothgelben Bundesfahne. Hans Müller zog sich mit ihnen in eine sichere Stellung bei Ewatingen und Rietheim zurück, als er vom Anzuge der Herren hörte. Seine Leute waren großentheils noch erst bloß mit Gabeln, Sensen und Aexten bewaffnet.

Dennoch hatten die Herren eine gewisse Scheu, sie anzugreifen. Sie hatten in dem Städtchen Hüfingen und um dasselbe her nicht über 800 Fußknechte und 200 Pferde beisammen, und der Aufstand setzte sich mit jedem Tage weiter fort. Eine Niederlage im jetzigen Augenblicke wäre von den gefährlichsten Folgen gewesen. Dazu kam, daß die Stadt Schaffhausen die 247nachdrücklichsten Vorstellungen gegen eine Ueberziehung des Alpegaus und Klettgaus machte.

Schaffhausen hatte namentlich in der Landgrafschaft Stühlingen viele Besitzungen, welche beim Ausbruch eines Kampfes von dem Kriegsvolk der Herren wie von den Bauern starken Beschädigungen ausgesetzt waren. Darum sprach dieser Kanton ernstlichst dagegen; die Herren mußten ohnedies nichts mehr fürchten als jetzt mit den Eidgenossen in einen Krieg verwickelt zu werden, oder nur sie zu beleidigen, und so nahmen sie aus mehrfacher Rücksicht das Anerbieten Schaffhausens gerne an, daß der Kanton gemeinschaftlich mit den Commissarien der Regierung den Weg der Vermittlung einschlagen wolle. Als aber Schaffhausen die Vergleichsvorschläge im Einzelnen machte, erklärten die Herren, sie können ohne Wissen des Erzherzogs Ferdinand und des schwäbischen Bundes, die Bauern, sie können ohne Vorwissen und Willen aller Bauerschaften, die mit ihnen im Bunde seien, dieselben nicht annehmen.

Der Winter war vor der Thüre; es war für das Kriegsvolk nicht die Zeit, wo es gerne zu Felde lag. Ein Stillstand erschien den Herren als das Wünschenswertheste.

Da gingen Hans von Friedingen, des Bischofs von Konstanz Hofmeister, Werner von Ehingen, der Vogt zu Bohlingen und zwei des Raths von Ueberlingen in das Lager der Bauern zu Ewatingen, und handelten mit diesen dahin, daß sie sich mit ihren Herren entweder in Güte vertragen oder ihre Sache einem Vermittlungsspruch überlassen sollen. Auch Graf Sigmund von Lupfen solle die gleiche Einladung erhalten, und seine Entschließung abgewartet werden. Das Landgericht zu Stockach solle die Beschwerden untersuchen, und die Bauerschaft sich indessen ruhig verhalten. Schreiben des Bürgermeisters Freiburger von Ueberlingen. Die Bauern nahmen den Vorschlag an, und wie das Kriegsvolk der Herren abzog, gingen auch sie auseinander.

Es war aber allerlei Volk unter dem Bauernhaufen. Lag dem größten Theile seine Befreiung oder Erleichterung an, so hatten doch auch viele, zumal die Landsknechte darunter, an dem Müßiggehen und Umherschweifen ein Gefallen. Eine solche umschwärmende Schaar Hegauer und Klettgauer kam der schweizerischen Grenze zu 248nahe. Die von Schaffhausen und Zürich ließen sie durch Abgeordnete bedeuten, ihr Gebiet nicht zu betreten, und die Ihrigen nicht unruhig zu machen, sondern sich ihrer zu müßigen.

Als die Abgeordneten sie nach dem Zweck ihres Streifzugs fragten, sagten sie, »sie ziehen herum wie die Krähen in der Luft, wohin sie das Gotteswort, der Geist und ihre Nothdurft weise.« Auf das Verlangen, keine Gemeinschaft mit den Bauern beider Städte zu suchen, und sogleich umzukehren, meinten sie, sie können das ohne ihre Brüder nicht zusagen; doch gingen sie zurück. Eidgenoss. Abschied. Auch Anshelm VI. 299.


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