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Siebenzehntes Kapitel.

Huttens Entwurf auf das deutsche Volk und Sickingens Bewegung.

Nicht der gemeine Mann allein, fast Alles fühlte sich unbehaglich zu dieser Zeit. Der Zustand des Reichs war zu sehr darnach. »Alle Stände sind gebrechlich, sagt Hieronymus Emser in seiner Flugschrift »»wider das unchristliche Buch Martin Luthers, des Augustiners!«« Der Zustand der Dinge ist so arg, daß der jüngste Tag kommen muß, wenn sie nicht eine ernstliche Reform ändert.« So sprachen selbst die Gegner der Neuerung, die jetzt des religiösen und politischen Lebens sich zu bemächtigen anfing.

Besonders unbehaglich fühlte sich die Reichsritterschaft. Diese Tage des Uebergangs aus der Welt des Mittelalters in die anbrechende neue Zeit wiesen sie in eine höchst sonderbare Stellung. Es stritten sich in ihr der Geist der neuen Zeit, und der kecke, selbstherrische, faustrechtliche Geist des Mittelalters.

Es hatte sich der bedeutendste Theil des oberdeutschen höheren Adels mit den Städtebürgern im schwäbischen Bunde vereinigt, um die Gewaltthätigkeit einzelner Glieder des Adels niederzuhalten, welche auf ihre alte Freiherrlichkeit pochten, und in die gesetzliche Ordnung sich nicht fügen wollten.

Die mächtigen Fürsten im Reich hatten die Wahl des spanischen Königs Karl zum deutschen Kaiser benützt, um ihrer eigenen Macht noch mehr Ausdehnung im Reiche zu geben. Der neue Kaiser Karl V., der Beherrscher so vieler weit auseinander gelegener Länder, war genöthigt, oft aus dem deutschen Reiche weg, und zwar lange und weit weg zu sein. Dann hatten die mächtigen Fürsten die Reichsregierung. Besonders, wenn der schwäbische Bund, der ablief, nicht erneuert wurde, waren sie die Herren im Reich.

Im November 1521 trat nach der Abreise des jungen Kaisers, 147unter dem Vorsitze des kaiserlichen Statthalters, des Pfalzgrafen Friedrich, das Reichsregiment in Nürnberg zusammen, wo auch das Reichskammergericht in neue Thätigkeit trat. Das Reichsregiment aber blieb schwach. Besonders waren die Städte dagegen und der ganze niedere Adel des Reiches, weil beide von aller Theilnahme am Reichsregiment ausgeschlossen waren, und den kleineren Fürsten war es auch nicht angenehm. So war trotz dieser neuen Centralgewalt wenig Ordnung und Einheitlichkeit im Reiche, und die Verlängerung des schwäbischen Bundes, die hauptsächlich durch die Herzoge von Baiern betrieben wurde, war um so wichtiger.

Dieser Bund von Fürsten, Städten und einem Theile des Adels, der im Jahre 1521 verlängert wurde, war jedoch selbst ein lebendiges Zeugniß, wie sehr die Rechtsordnung im Reich in Auflösung war. Früher war er ein Bund zu Schutz und Trutz gegen Gewaltsamkeiten von Innen und Außen unter der obersten Reichsgewalt; er vollzog die Rechtssprüche, welche diese für Mitglieder des Bundes erließ. Seit länger aber schritt der Bund mit den Waffen ein, als Kläger, Richter und Urtheilsvollstrecker in Einer Person, wo er es immer für gut fand, unbekümmert um die Sprüche von Reichsversammlungen, Reichsregiment und Reichskammergericht. Von 1521 an war der schwäbische Bund die eigentliche höchste Macht im Reich, die er namentlich diejenigen Edelleute fühlen ließ, die den Landfrieden nicht hielten.

So thaten sich die Abtsberge, die Rosenberge, die Schotte, die Berlichingen und Andere zusammen, um das Fehde- und Raubwesen ganz im alten Styl zu handhaben, Göz von Berlichingen sah in einer Zahl Wölfe, die in eine Schafheerde fielen, ganz naiv seine »lieben Gesellen,« sein ganz natürlich Ebenbild. Solche verwegene Herren und ihre Spießgesellen machten alle Straßen in Franken, Schwaben und am Rhein unsicher, und fehdeten gegen Städte und geistliche Fürsten. Sie behaupteten, Fug und Recht zu solchem Thun zu haben. Da Fürsten und Städte sie immer mehr einengen, und der Kaiser sie nicht schütze, müssen sie selbst zu einander schwören, sich bei ihren alten Freiheiten und Rechten zu handhaben, und sich gegen Jeden zu wehren und zu setzen, der sie daran irren, engen und kränken würde.

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Es war dem wirklich so: die wachsende Fürstenmacht engte die kleinen Selbstherren auf ihren Burgen sehr ein: die Tausende von kleinen Königen im Reich sollten alle unter ein paar Fürstenhüte gebracht werden, und sie achteten sich doch so frei und so gut wie diese Fürsten, die ihre Freiheit beschränken und Gehorsam von ihnen verlangen wollten. Bei dieser Ansicht ihrer Stellung mußte es sie verletzen, daß das Verbot der Selbsthülfe nur gegen den niedern Adel, nicht aber gegen die Fürsten geltend gemacht werde; es mußte sie dieses noch mehr auch darum verletzen, weil auf dem Rechtsweg gegen Eingriffe und Widerwärtigkeiten von Seiten der Fürsten der Arme von Adel so wenig Recht bekommen konnte, als der Bauer. So schädigten sie unter dem Vorwande, sich selbst und Andern zu Recht zu helfen, Fürsten und Städte.

Es gewann jedoch dieses Wesen bei Einzelnen einen großartigeren Styl. So einer war Franz von Sickingen.

Man hat diese imposante Gestalt auf der Scheide zweier Zeitalter mit Recht den letzten altdeutschen Freiherrn genannt. In ihm glänzte die Herrlichkeit eines Ritters, wie er Anarchist und König auf seinen Burgen war, noch ein Mal, das letzte Mal blendend auf, ehe sie ganz und für immer erlosch. Ein Held, voll der Kraft und Biederkeit der alten Zeiten, mit der sich nach adeliger Ansicht das Faustrecht und Raubritterthum wohl vertrug, kühnen Muthes und hochfliegenden Geistes, glücklich in manchem Kriegsunternehmen, hatte er seinen Reichthum wie seinen Ruhm auf eine hohe Stufe gebracht. Ein einfacher Freiherr, hatte er sich sieghaft nicht bloß mit Seinesgleichen, sondern mit großen Reichsstädten, mit Fürsten und Churfürsten gemessen. Als König Franz von Frankreich sich um die deutsche Kaiserkrone bewarb, wandte er sich unter Anderen, durch deren Mitwirkung er zu seinem Zwecke kommen zu können glaubte, namentlich auch an Sickingen, ganz so, wie an die Fürsten und Churfürsten. Sickingen war eine Macht im Reich: in wenigen Tagen vermochten sein Name und sein Gold ein für die damalige Zeit beträchtliches Heer unter seine Fahne zu sammeln. Der ganze niedere Adel sah in ihm sein Haupt und seinen Stimmführer, und der neugewählte Kaiser Karl V. schätzte sich glücklich, als Sickingen in seine Dienste trat und sein Feldhauptmann wurde.

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Dieser Ritter, so faustrechtlich er war, war ein Freund der Gelehrten. An seinem Hofe – denn er hielt eine Hofhaltung, wie ein Fürst – herrschte jene freie Denkart, welche im Kreise des Genius und der Wissenschaft immer sich einzufinden pflegt, und sein Hof war wirklich wie eine Art kleiner Akademie. Mit Ulrich von Hutten und Reuchlin war der Geist der römischen und griechischen Classiker auf der Ebernburg und dem Landstuhl, wo Sickingen am liebsten weilte, eingekehrt. Und unter den vielen gelehrten Männern, welche er theils zu sich berufen, theils aufgenommen hatte, lebten zu gleicher Zeit neben Hutten, Hartmuth von Kronberg, dem edeln Ritter, der in der einen Hand die Bibel, in der andern das Schwert hielt, und Dietrich von Dalberg, bei ihm Johannes Hausschein (Oekolampad), Martin Bucer, Casper Aquila, Johann Schwebel, lauter in der Reformationsgeschichte glänzende Namen. Oekolampad berief er ausdrücklich, um sein Hofgesinde und seine Hausgenossen, »ein allbereits in der christlichen Lehre unterrichtetes Völklein auf der rechten grünen Aue göttlichen Worts zu weiden.« An seinem Hofe auf der Ebernburg wurde zuerst, noch ehe es selbst in Wittenberg geschah, die neue Form des evangelischen Gottesdienstes eingeführt. Es sei, meinte Sickingen, mit dem gemeinen Volke daran, daß der gemeine Brauch verändert werde.

Den meisten Einfluß aber auf Sickingen übte Ulrich von Hutten, jener kühne, freie Jüngling mit der großen glühenden Seele, worin Raum für eine Welt war.

Entsprossen aus einem mächtigen, reichen und reichsfreien Adelsgeschlecht in Franken, im Jahre 1488, war er in seinem elften Jahre in ein Kloster geschickt worden, weil ihn sein Vater nach seines Bruders Rath, der erster Minister am Würzburgischen Hofe war, und besonders in den württembergischen Angelegenheiten lange eine bedeutende Rolle spielte, dem geistlichen Stande bestimmt hatte. Aber der Geist der neuen Zeit war in dem Knaben. In seinem sechszehenten Jahre entzog er sich durch die Flucht dem unerträglichen Zwange, im Jahre 1504, kurz ehe er eingekleidet werden sollte. Er, der Erstgeborene seines edeln Hauses, fühlte sich für andere Dinge als die Kutte geboren.

Dieser Schritt erbitterte seinen Vater so, daß er ihn von nun 150an nicht mehr als Sohn betrachtete, und entfremdete ihm seine ganze Familie; sie that, als ob er nicht zu ihr gehörte. So sollte es sein: ausgestoßen von seinem vornehmen Geschlechte, ohne Verhältnisse, ohne Rücksichten, sollte er von nun an ganz ungetheilt seinem Vaterlande, seinem Volke angehören. Genial-leichtsinnig zuvor, wurde er ernst.

Allein stehend in der Welt, in solcher Jugend, hatte er nichts als seinen guten Kopf, seine Feder und sein Schwert. Er sollte alles Elend seines armen Volkes an sich selbst erfahren. Aber das heilige Feuer der Idee, das in ihm war, hob ihn über alle diese Gemeinheiten des Lebens. Und wofür er im Innersten glühte, was er am heißesten liebte, das waren, wie er es selbst ausspricht, »die göttliche Wahrheit, die allgemeine Freiheit.«

Hutten hatte gegen das Jahr 1519 auch die Bekanntschaft des berühmten Ritters Franz gemacht und war bald in vertrautes Verhältniß mit ihm getreten. Um diese Zeit war Hutten längst mit sich ganz im Reinen, was er wollte und sollte: die Wiedergeburt seines Volkes war die Idee, die sein ganzes Wesen einnahm.

Nur einen Augenblick hatte er geschwankt. Sein Vater war gestorben, ein schönes väterliches Erbe war von ihm anzutreten, seine Krankheit, an der er lange litt, geheilt, seine fromme Mutter drang in den Sohn, sich auf seinem Erbgut zu setzen und sich zu verheirathen. Aber Hutten schwankte nicht lange. »Der Würfel ist gefallen, ich hab's gewagt!« rief er, verzichtete auf sein väterliches Erbe, sagte, um frei in allen seinen Schritten und ohne Rücksicht zu sein, sich von seiner Familie los, die in seinen Kampf und sein Verderben nicht verflochten werden sollte, ließ die weinende Mutter, alle Ansprüche auf irdisches Glück hinter sich, und griff wieder und entschlossener, kühner, als zuvor, wie in freiwilliger Todesweihe, zu den Waffen, für die Wahrheit und die Befreiung seines Volkes. Er hätte es sich nie verziehen, jetzt, in diesen Tagen, unter diesen Umständen zu feiern. Er hätte erröthen müssen, so oft vor ihm Luthers Namen genannt worden wäre.

Der Geist seines Volkes war in Hutten wach; der Genius des Bergmannssohns zu Wittenberg war dazu getreten, und hatte ihn so gestärkt, daß er mehr als je Hoffnung und Glauben faßte an » die Zukunft Deutschlands

»Wache auf, du edle Freiheit!« war das Motto seines ersten 151Schreibens an Luther. »Wir haben dennoch, fuhr er fort, hie Etwas ausgerichtet und fortgesetzt; der Herr sei fürder auf unserer Seite, und stärke uns, um dessen willen wir uns jetzt hart bemühen, seine Sache zu fördern und seine heilsame, göttliche Lehre wiederum lauter und unverfälscht hervorzubringen und an den Tag zu geben. Solches treibt Ihr gewaltig und unverhindert; ich aber nach meinem Vermögen, so viel ich kann. Seid nur keck und beherzt und nehmet gewaltig zu und wanket nicht. Ich will Euch in Allem, es gehe, wie es wolle, getrost und treulich beistehen; deßhalb dürft Ihr mir hinfort ohne alle Furcht alle eure Anschläge kühnlich offenbaren und vertrauen. Wir wollen durch Gottes Hülfe unser aller Freiheit schützen und erhalten, und unser Vaterland von allem dem, damit es bisher unterdrücket und beschwert gewesen, getrost erretten. Ihr werdet sehen, Gott wird uns beistehen. So denn Gott mit uns ist, wer ist wider uns?«

Zu Anfang des Jahres 1520 ließ er mehrere Gespräche ausgehen. »Zu deinen Gezelten, Israel! rief er Deutschland zu. Muth, Muth, ihr Deutschen, hindurch, hindurch! Es lebe die Freiheit!«

Es war sein schönstes Jahr; seine Stirne leuchtete von den Hoffnungen, von den Entwürfen, die in ihm glühten.

Zunächst war es ihm um die Trennung Deutschlands von Rom zu thun. Für diese seine Idee suchte er die bedeutendsten politischen Persönlichkeiten zu interessiren, zu entzünden. Alles hoffte auf den jungen Kaiser, der im Anzug war, auch Hutten. Aber Karl hatte keine Empfänglichkeit für Huttens Ideen, kein Verständniß für den in der deutschen Nation erwachten Geist. Die Enttäuschung vollendete sich auf dem Tage zu Worms. »Wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist!« seufzte Hutten mit der Bibel. Sein Freund, Hartmuth von Kronberg, der wie Sickingen in des Kaisers Dienste getreten war, sagte Karl diesen Dienst gleich nach den Wormser Ergebnissen wieder auf, ob er ihm gleich 200 Dukaten trug.

Hutten, so vielfach auch getäuscht in seinen Erwartungen, gab weder den Muth, noch seine Entwürfe auf: ja er ging weiter. Zur Verjüngung der Nation, zur Hebung des Reiches glaubte er, müsse mit der Herrschaft der Geistlichkeit auch die Vielherrschaft der Fürsten beseitigt, und ein einiges Deutschland voll unmittelbar freier 152Männer unter Einem Haupte, dem zu neuer Herrlichkeit erhobenen Kaiser, gewonnen werden.

Nicht ohne Blut, nur auf dem Wege der Umwälzung war dies möglich. Er war kein Herr von Land und Leuten, er hatte kein Heer, keine eigenen materiellen Hülfsquellen, er war, wenn auch ein geschickter Demagog, doch kein Feldherr. Aber er hatte einen Freund, der diese vier Stücke in sich vereinte, und dieser Mann war es seit Jahren, auf dem sein Auge, auch während es sich auf höher gestellte Häupter wendete, als auf der letzten Hoffnung seines Volkes haftete. Das war Franz von Sickingen.

Sickingen, Luther, der deutsche Adel, die Reichsstädte, und das unterdrückte deutsche Volk aller Provinzen, das waren die Kräfte, auf die er rechnete. Der schwankende zerrissene Reichszustand, das Reich so zu sagen ohne Verfassung, ohne Regierung, ohne Finanzen, ohne geordnete Kriegsmacht, das Reich, worin alle Elemente, die einst zum großen Leben zusammengefügt waren, auseinanderfielen, oder sich bekämpften, die Zeit, die in den Wehen großer neuer Dinge lag, und mit Bewußtsein darin lag, versprachen einen günstigen Boden für die Verwirklichung seiner Idee, für ein nationales, zeitgemäßes, mit Geist und Muth begonnenes Unternehmen.

Mehr als irgend einer der Fürsten schien ihm Sickingen der Mann dazu. »Wahrlich eine größere Seele gibt es nicht in Deutschland,« schrieb Hutten begeistert an Erasmus. – »Ein Mann, wie ihn Deutschland seit lange nicht mehr gehabt hat. Ich hoffe gewiß, daß Franz unserer Nation große Ehre bringen wird.« Bald hatte Hutten den Ritter Franz so weit, daß dieser ganz in seine Ansicht einging, es müsse der politischen und der religiösen Freiheit zugleich Bahn gebrochen werden. Wiederholt lud er Luther in Sickingens Namen auf die Ebernburg ein, und Luther freute sich zwar, dort für alle Fälle eine sichere Zuflucht zu finden, die Druckerei, die auf der Ebernburg war, und worin die Freiheit athmenden und zur Freiheit fordernden Schriften Huttens, Kronbergs und der andern Brüder gedruckt wurden, zog ihn sehr an, auch er konnte ja dort viel freier ohne alle Rücksicht schreiben und drucken lassen; aber er erschrack vor den gewaltsamen Planen jener kühnen Männer, sobald sie Hutten ihm nur andeutete.

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In den allerersten Jahren hatte Luther sehr revolutionäre Anfälle des Augenblicks. Zu Ende des Jahres 1517 schrieb er: »Wenn ihr (der Römlinge) rasend Wüthen einen Fortgang haben sollte, so dünkt mich, es wäre schier kein besserer Rath und Arznei, ihm zu steuern, denn daß Könige und Fürsten mit Gewalt dazu thäten, sich rüsteten, und diese schädlichen Leute, so alle Welt vergiften, angriffen, und einmal des Spiels ein Ende machten, mit Waffen, nicht mit Worten. – So wir Diebe mit Strang, Mörder mit Schwert, Ketzer mit Feuer strafen: warum greifen wir nicht vielmehr an diese schädlichen Lehrer des Verderbens, als Päbste, Cardinäle, Bischöfe und das ganze Geschwärm der römischen Sodoma mit allerlei Waffen, und waschen unsere Hände in ihrem BlutLuther beschränkt zwar diese Aufhetzung gegen die Bischöfe, welche – Kurfürsten und Fürsten, deutsche Landesherren, waren, ganz hinten, weit von diesen Worten weg, mit dem kurzen Wort: »Aber wir lassen Gott die Rache.« Doch würde ihn schwerlich ein heutiges Gericht trotzdem freisprechen. Fast durch alle Schriften seiner ersten Jahre sind solche, ihm wie bewußtlos entfahrende, revolutionäre Glutfunken zerstreut.

Dieser Luther war der Mann für eine so vollblütige, gewaltsame, auf Entscheidung dringende Natur, und für Entwürfe, wie sie beide bei Hutten sich fanden. Aber dieser Luther war zu Ende des Jahres 1521 schon ein anderer. Zwar hatte er noch im vorigen Jahre in der inhaltschweren Schrift an den Adel deutscher Nation es ausgesprochen, daß die große Noth und Beschwerung, welche alle Stände der Christenheit, zuvor Deutschland, drücke, ihn jetzt zwinge zu schreien und zu rufen, ob Gott Jemand den Geist geben wollte, die Hand zu reichen der elenden Nation; er hatte darin die Aufhebung oder die Umgestaltung der geistlichen Stifter, die Unterwerfung der gesammten Geistlichkeit, auch des Pabstes unter die weltliche Obrigkeit, die Abschaffung aller Abgaben, die bisher der Pabst bezogen, aller weltlichen Macht, die er bisher gehabt, die Verjagung der päbstlichen Gesandtschaften aus Deutschland, gefordert und den christlichen Adel ermahnt, dem Unwesen sich zu widersetzen. »So helf uns Gott, hatte er geschlossen, daß wir unsere Freiheit erretten; es gebe der Pabst her Rom und Alles, was er hat vom Kaiserthum, lasse unser Land frei von seinem unerträglichen Schätzen und Schinden, gebe 154wieder unsere Freiheit, Gewalt, Gut, Ehre, Leib und Seele, und lasse ein Kaiserthum sein, wie einem Kaiserthum gebührt.«

Zugleich hatte aber Luther, als er diese Auflösung der bisherigen geistlichen Gewalten, die Zerstörung der religiös-politischen Elemente, aus denen sie erwachsen waren, forderte, und zum Widerstand gegen ihre Anmaßungen aufrief, verlangt, die Sache Gott zu überlassen, nicht mit eigener Macht dagegen zu wirken. Sonderbar! Als ob die kirchlichen Gewalten ohne Kampf von ihrer, ohne Gewalt von der andern Seite ihrer bisherigen weltlichen Herrlichkeiten sich hätten begeben wollen oder können.

In diesem Sinne nun antwortete Luther auch Hutten auf seinen Antrag, dem neuen Evangelium mit dem Schwerte Bahn zu brechen: »Ich möchte nicht, daß man das Evangelium mit Gewalt und Blutvergießen verfechte. Durch das Wort ist die Welt überwunden worden, durch das Wort ist die Kirche erhalten, durch das Wort wird sie auch wieder in Stand kommen, und der Antichrist, wie er Seines ohne Gewalt bekommen, wird ohne Gewalt fallen.«

Hutten, der Kenner der Geschichte, wußte, daß das Letztere nicht richtig war. Er ging ohne Luther vorwärts, den Versuch einer politischen Reform, einer Umwälzung mit Waffengewalt zu wagen. Ging ihm auch Luther selbst ab, so hoffte er noch immer aus der durch Luther erregten religiösen Bewegung Kräfte genug für seine politische zu ziehen; ging diese doch zunächst gegen die geistlichen Herren, und eben gegen diese konnte er am leichtesten auf dem Evangelium den Beweis für sich holen; es galt, diesen eine Gewalt zu nehmen, welche ihnen das Wort Gottes nirgends verlieh, ja absprach.

Der sich unbehaglich genug fühlende niedere Adel, die Ritterschaft, war bald in einen großen Bund vereinigt, dessen Mittelpunkt Sickingen war. Der Uebermacht der Fürsten, die auf sie drückte, sich entgegenzustellen, dazu waren die Ritter gleich bereit. Viele waren auch der neuen Religionslehre begeistert zugethan, wie die Kronberge, Schauenburge, Fürstenberge, Helmstätter, Gemmingen, Menzingen, die Landschaden von Steinach und hundert Andere. Die Aufhebung der geistlichen Herrschaften, welche der Einführung der lutherischen Lehre folgen mußte, und die Mediatisirung der weltlichen Fürsten waren zwei Gedanken, die jeden Ritter mächtig anregen mußten. Im 155Frühlinge 1522 sammelte Sickingen einen großen Theil des niedern Adels aus Franken, Schwaben und vom Rhein zu Landau um sich. Auf 6 Jahre schworen sich die Ritter zusammen, angeblich zu gegenseitiger Unterstützung und zu Erhaltung der Ordnung: Sickingen wählten sie zu ihrem Hauptmann. Er aber wollte ein Hauptmann des deutschen Volkes werden, ein deutscher »Ziska;« diesen unüberwindlichen Helden der Hussiten stellte er sich zum Vorbild auf.

Aber die Freunde fühlten wohl, daß ihr Ritterschwert allein nicht stark genug wäre. Darum erließ zu gleicher Zeit Hutten ein Manifest an die freien Städte deutscher Nation, worin er als furchtbarer Kläger wider die Sünden der Fürsten, ihre Anmaßungen, ihre Gewaltthätigkeit und ihre Ungerechtigkeit auftrat, und die Städte aufforderte, mit dem Adel in ein freundliches Vernehmen zu treten und die fürstliche Gewalt zu brechen. Die Städte sollten entweder zum Eintritt in den Adels-Bund, oder wenigstens zur Neutralität in dem nun zu eröffnenden Kampfe zwischen Adel und Fürsten bewogen werden.

Es ist ein großer, wenn auch zu früher Gedanke Huttens, den er in mehreren Schriften aussprach, der Gedanke, Adel und Bürgerthum zu vereinigen, und dem erstern eine ganz neue Stellung zu geben. Zuvor waren hoher wie niederer Adel mit der Geistlichkeit Hand in Hand gegangen, und hatten die Freiheit des gemeinen Mannes mit einander unterdrückt: jetzt sollte der niedere Adel Hand in Hand mit dem Bürgerthum, ja mit dem Volke überhaupt gehen, um sich gegen die Gewaltthätigkeit der Fürsten und der Geistlichkeit die allgemeine Freiheit zu retten. Hutten dachte es sich als möglich, daß der Adel, dessen Mittelalterlichkeit vorbei war, aus seinem Verfall zu einer schöneren, höheren Bedeutung als Vertheidiger der Nationalfreiheit sich erhebe. Nicht in Deutschland, wohl aber in dem germanischen England hat später die Geschichte diesen Gedanken bewahrheitet: Die englische Freiheit ist eine Frucht der Vereinigung des niedern Adels und des Bürgerthums.

Als Hutten in seiner frühesten Jugend in der weiten Welt umirrte, so gut als verstoßen von seinem adeligen Vater und verlassen von seiner Familie, als er die Leiden der Armuth an sich selbst durchfühlte, da lernte er sich erheben über die Vorurtheile 156seines angeborenen Standes, und er hatte Liebe auch für den Geringsten in seinem Volke. Darum suchte er den Bund nicht nur mit dem Bürgerthum der freien Städte, sondern auch mit dem gemeinen Mann auf dem Lande. Er schämte sich eines solchen Bundes um so weniger, als ihm gerade in diesem größten Theile der Nation ein höchst brauchbarer Stoff für seine Zwecke in die Hände fiel; denn gerade die Masse des gemeinen Mannes war es, welche von der politischen Seite noch leichter ins Feuer zu bringen war als von der religiösen. Und wenn die deutsche Nation groß werden sollte, mußte dieser letzte Stand sittlich und geistig gehoben, in seinen äußeren Verhältnissen glücklicher gestellt werden.

Um die rächerische Kraft im gemeinen Manne aufzuregen, ließ er das Gesprächbüchlein »der Neukarsthans« ins Volk ausgehen; mit angehängten dreißig Glaubensartikeln, »so Junker Helfrich, Reiter Heinz und Karsthans mitsamt ihrem Anhang hart und fest zu halten beschworen haben,« tief populär, des furchtbarsten Hasses voll gegen Alles, was auf Gewissen, häusliches Glück und den Beutel des gemeinen Mannes drückte.

Auch lag ein nicht ganz zu verachtendes militärisches Element im gemeinen Mann. Jenes Fußvolk, das die neueren Schlachten entschieden hatte, die Macht der Landsknechte, war aus der Mitte des Landvolks hervorgegangen; viele kriegserfahrene Knechte waren später wieder in ihren früheren Stand zurückgetreten; die Bauern selbst waren an manchen Orten Waffen zu tragen gewöhnt, oder neuerdings bei Gelegenheiten in die Waffen gerufen und darin gebraucht worden; und Hutten hatte ihn fechten sehen, den oberländischen Landmann, den Bauer des Remsthals, unter den Fähnlein der Landsknechte, bei Mailand und Padua, im letzten italienischen Kriege!

Cammerarius, der Vertraute Melanchthons, schreibt: »Hätte es dem Entwurf und Wagniß Huttens nicht an den materiellen Hülfsmitteln gefehlt, Alles wäre jetzt anders, die Umwälzung des ganzen Reiches wäre erfolgt.«

Wie weit Huttens Entwurf auf die freien Städte und auf den gemeinen Mann von Seiten dieser beiden Theilnahme fand, kann nicht mehr ermittelt werden. In dem Feuer, worin die Briefschaften der Ebernburg verbrannt wurden, und mit Hutten selbst gingen alle 157Documente des Unternehmens zu Grabe. Aus Huttens überdauernden Schriften selbst kann man nur entnehmen, was er gewollt, nicht wie weit er kam. Wahrscheinlich sollte der gemeine Mann erst nach begonnener Waffenerhebung der Ritterschaft und der Städte in den Kampf mit fortgerissen werden. Daß die Straßburger zugesagt hatten und andere der Reformation zugethane Städte, geht aus Sickingens Aeußerungen hervor; der Schreckschuß, der gegen Luthers Feinde auf dem Reichstag zu Worms geschah, dürfte auf eine verwirklichte oder erst zu verwirklichende Sympathie der Ebernburg und des gemeinen Mannes hinweisen; ich meine jenen Maueranschlag, wo von angeblich 400 verbundenen Rittern und 8000 Mann Kriegsvolk die Rede ist, welche Luther zu vertheidigen geschworen haben, und der mit den Worten schließt: Bundschuh, Bundschuh, Bundschuh.

So viel scheint ausgemacht, Sickingen brach früher los, ehe er seiner Streitkräfte gewiß war. Ein Jahr später: und die große Bewegung von 1524 und 25 hätte in ihm, dem längst gefeierten Liebling des Volks, einen Mittelpunkt und eine Seele, eine regelmäßige Kriegsmacht und einen Feldherrn, er selbst das deutsche Volk zu seiner Führung gehabt. Es war sein und seines Volkes Verhängniß, das ihn und Hutten vorwärts trieb, daß er den alten Vertrauten und treuen Diener, Meister Balthasar Slör, nicht hörte, der das Gelingen des Unternehmens jetzt noch nicht für möglich hielt.

Mit einem wohlgerüsteten kleinen Heere von 5000 zu Fuß, 1500 Reitern und hinlänglichem Geschütz eröffnete der Ritter von der Ebernburg den großen Kampf, Anfangs September 1522, durch ein Vorspiel, das dem Erzbischof und Churfürsten von Trier, Richard von Greiffenklau, gelten sollte. Diesen sollte der erste Schlag stürzen. Den Vorwand gab, daß der Erzbischof zwei seiner Unterthanen, für die sich Franz verbürgt hatte, von der Leistung ihrer Verbindlichkeiten zurückhielt; im Fehdebrief sagte er jedoch, »er künde ihm vor Allem um der Dinge willen, die der Churfürst gegen Gott und Kais. Majestät gehandelt habe.« In seinem Manifest an die Unterthanen von Trier aber sagte er, »er komme, sie zu evangelischer Freiheit zu bringen.«

Der Großhofmeister des Churfürsten Albrecht von Mainz, Frowen von Hutten, war mit im geheimen Bunde; er soll Sickingen 158heimlich unterstützt haben. St. Wendel fiel durch Sturm in des Letztern Hand. Am 7. September stand er vor Trier. Während er die festen Plätze des Erzbischofs erobern würde, hoffte er, sollten die Verstärkungen ihm zuziehen, welche er in den Niederlanden durch in seine Dienste getretene Ritter werben ließ. Daß bei diesem Vorspiel die fränkischen, schwäbischen und oberrheinischen Ritter nicht mitwirkten, ist ein Beweis, daß der Triererzug nur eine Waffenprobe, ein Intermezzo sein sollte, um das geworbene Kriegsvolk durch die zu erhebenden Brandschatzungen und die Beute zu unterhalten, oder durch das Glück dieses Unternehmens und durch die besetzten Plätze dem nachfolgenden größeren Vorschub zu leisten, und daß der eigentliche große Kampf, an dem diese Ritter und die Städte Theil nehmen sollten, erst auf das nächste Jahr festgesetzt war.

Aber den Fürsten entging nicht, auf was Hutten und, von ihm getrieben, der kühne Ritter Franz umgingen. Man hörte seltsame Reden von Franzens Reisigen: »Bald werde ihr Herr Churfürst, ja vielleicht mehr sein.« Der Angriff auf Trier schreckte die Fürsten aus ihrer Ruhe auf. In viel hundert Jahren, sagte man sich am Hofe Herzogs Georg von Sachsen, sei nichts so Gefährliches wider die Fürsten des Reichs unternommen worden, als womit Sickingen umgehe. Es gehe darauf, sagten Andere, daß man bald nicht mehr wissen solle, wer Kaiser, Fürst oder Herr sei.

»Sickingen wird, schrieb der bairische Kanzler Leonhard Eck an seinen Herzog, einen Pöbelaufstand erheben. Täglich kommen Kundschafter, daß es einem Bundschuh gleichsieht. Sollte dann ein Bundschuh erstehen und der gemeine Mann überhandnehmen, so würden die rheinischen Fürsten das Morgenmahl, die andern Fürsten das Nachtmahl, und der gemeine Adel den Schlaftrunk bezahlen.« So schrieb er am 8. September 1522. Schon am 8. März hatte er ihm geschrieben: »Wollen Ew. Gnaden den Händeln, die jetzt aller Orten empor sind, nachdenken. Man hat ein Büchlein gedruckt an den gemeinen Mann, darin derselbe aus vielen Ursachen ermahnt wird, die Dienstbarkeit, darin sie bisher durch der Könige, Fürsten und Herren Tyrannei geängstigt sind, von ihm zu werfen, und daß sie daran ein gutes Werk thun. Das Alles kommt von dem Bösewicht, dem Luther, und Franzens Anhang. Ist ein gewaltiger Bundschuh 159und Aufruhr wider die Fürsten in vielen Jahren vorhanden gewesen, so ist es jetzt.« –

Luther seinerseits erklärte offen, als Sickingen den Kampf gegen die deutschen geistlichen Fürsten eröffnet hatte: »Ich weiß es, man wendet mir ein, es sei Gefahr, daß ein Aufruhr gegen die geistlichen Fürsten erregt werde. – Darauf antworte ich: Aber wenn das Wort Gottes vernachlässigt wird und das ganze Volk untergeht? – Wenn die geistlichen Fürsten nicht hören wollen Gottes Wort, sondern wüthen und toben, mit Bannen, Brennen, Morden und allem Uebel, was begegnet ihnen billiger, denn ein starker Aufruhr, der sie von der Welt ausrotte? Und dessen wäre nur zu lachen, wo es geschähe.« Luther »Wider den falsch genannten Stand der Geistlichen.« Luthers Werke Jena-Ausgabe II. Fol. 120.

Zu gleicher Zeit ließ er drucken: »Alle, die dazu thun, Leib, Gut und Ehre daran setzen, daß die Bisthümer verstört und der Bischöfe Regiment vertilgt werde, das sind liebe Gotteskinder und rechte Christen, sie streiten wider des Teufels Ordnung. – Es sollte ein jeglicher Christ dazu helfen mit Leib und Gut, daß ihre Tyrannei ein Ende nehme, und fröhlich den Gehorsam gegen sie mit Füßen treten, als Teufelsgehorsam. – Das sei meine, Doktor Luthers, Bulle, die da gibt Gottes Gnade zur Lehre Allen, die ihr folgen. Amen.« Ebendaselbst S. 122.

Das Reichsregiment, dessen Seele die Fürsten waren, rief alle benachbarten Landesherren zum eiligen Zug wider den gefährlichen Ritter. An ihn selbst schickten sie abmahnende Boten. »Nun ich soll des Regiments alte Geigen noch einmal klingen hören!« sagte dieser, als der Reichsherold in sein Lager ritt. Mit Spott und Trutz empfing er die Boten. Er wisse fürwahr, antwortete er auf ihre Abmahnungen, sein Herr, der Kaiser, werde nicht zürnen, ob er den Pfaffen ein wenig strafe und ihm die Kronen eintränke, die er von Frankreich gewonnen habe. Unter Anderem sagte er auch, er wolle sich eines Thuns unterstehen, dessen sich kein römischer Kaiser unterstanden habe; er selbst werde eine neue Ordnung im Reich einführen; von einer Entscheidung des Kammergerichts zwischen ihm und dem 160Erzbischof wolle er nichts wissen; er habe ein Gericht um sich, besetzt mit Reisigen, wo man mit Büchsen und Charthaunen distinguire.

Er hatte auf Einverständnisse in der Stadt Trier, auf die reichen Vorräthe des Klosters St. Maximin sich verlassen. Das letztere hatte der Erzbischof mit eigener Hand angezündet, Herr Franz traf nur noch den rauchenden Schutt. Die Volksstimmung in der Stadt, die sich unter der niedern Klasse für ihn aussprechen wollte, drückten der Erzbischof und seine Reisigen, die er noch zu rechter Zeit hineingeworfen hatte, so nieder, daß von da aus nichts zu hoffen war, und die Vasallen und Söldner des Letztern vertheidigten die Mauern und Thürme aufs Beste. Und während Sickingen, der auf eine Ueberrumplung Triers gerechnet hatte, hier nicht vorwärts kam, konnten die Zuzüge, die er erwartete, ebenfalls nicht vorwärts. In Cleve und Jülich, wo Ritter Renneberg für ihn warb, drohte der Herzog des Landes den Angeworbenen mit Verlust von Lehen und Leben, wenn sie Sickingen zuzögen. Im Gebiet von Cöln, wo der Bastard von Sombreff für Letztern Reiter gesammelt hatte, verbot der Cölner Erzbischof unter gleichen Drohungen jedem den Ausritt. Von Braunschweig her zog ihm Michel Minkwitz mit 1500 Knechten zu: der Landgraf Philipp von Hessen überfiel den Zug, bekam den Führer und alle seine Papiere in seine Gewalt, und vermochte die Knechte, daß sie in seinen eigenen Dienst übertraten. Ebensowenig vermochten die Zuzüge aus dem Limpurgischen, Lüneburgischen und Westphälischen zu ihm zu stoßen; wohl aber zogen starke Kriegsschaaren des Landgrafen und des Churfürsten Ludwig von der Pfalz gegen ihn heran. Des Letztern hatte sich Franz nicht versehen; der Pfälzer war sein alter Gönner, durch Pfalz war er zuerst emporgekommen, er hätte eher Alles erwartet, als daß dieser der Erste wäre, der »dem Pfaffen von Trier« gegen ihn zur Hülfe zöge. Die Ankunft so überlegener Streitkräfte wagte er unter den Mauern seines Feindes nicht zu erwarten; er zog sich am siebenten Tage nach seiner Ankunft vor Trier wieder zurück, machte noch unterwegs einen vergeblichen Versuch auf Kaiserslautern, entließ einen großen Theil seines Kriegsvolks, und wandte sich unverfolgt auf seine Burgen; aber am 8. Oktober traf ihn die Reichsacht.

Die Drei aber, die ihre Kriegsvölker vor Trier vereinten, zwei 161Churfürsten und ein mächtiger Landgraf, warfen sich nun auf seine Verbündeten. Zuerst ging es vor Kronberg bei Frankfurt, die Stadt und Veste Hartmuths, des Eidams Sickingens. Ein Gleichzeitiger schätzt das Heer der Fürsten an reisigen Knechten und bewaffnetem Landvolk auf 30,000. Hartmuth entwich, da er sah, daß er die Burg gegen solche Macht und das Geschütz nicht halten konnte, und sie ergab sich am 16. Oktober. Dann zerstörten sie dem Frowen von Hutten sein Schloß Saalmünster, seine andern Burgen besetzten sie; zweien andern Genossen des geächteten Franz, dem Philipp Weiß brachen sie seine Burg Haußen, dem Rudecker sein festes Haus Ruckingen; selbst Albrecht von Mainz schätzten sie um 25,000 Gulden, »weil er einen Trupp sickingischer Pferde habe unverwehrt über den Rhein gehen lassen; das sei der Ursachen eine, die andern stecken in der Feder.« Entfernteren Verbündeten, wie den Grafen Wilhelm von Fürstenberg und Eitelfriz von Zollern, und der fränkischen Ritterschaft, drohte die Rache wenigstens für die nächste Zukunft.

Jetzt, da die Uebermacht auf Seiten der Fürsten zu sein schien, sah Sickingen sich in dem Falle, wie alle an der Spitze einer Opposition. Hinter ihm wichen sie von ihm ab, oder sie hielten sich passiv. Um so mehr hoffte er auf seine treuen Freunde, auf die Fürstenberge, auf die Hutten, und auf das lutherische Volk. So kam das Frühjahr 1523. Ulrich Hutten war nach Oberschwaben, Frowen Hutten in die Schweiz gegangen, um Hülfe zu werben; Balthasar Slör warb am Oberrhein, der treue Franz Voß in Niederdeutschland; selbst von Böhmen aus kamen Zusagen redlicher Ritterhülfe. Sickingen selbst baute und befestigte fort auf dem Landstuhl, wo er sich einschließen wollte, und sich wenigstens 3 – 4 Monate zu halten hoffte, bis seine Freunde zum Entsatz ankommen könnten.

Gegen Ende Aprils umlagerten die drei Fürsten mit ihrem Heere den Landstuhl, mit trefflichem, wohlbedienten Geschütz. Am 30. begann die Beschießung. Die noch neuen Mauern litten bald sehr von den Kugeln. Als Sickingen nach einer Schießscharte ging, um den Gang des Sturms zu übersehen, traf gerade eine dahin gerichtete Carthaune so gut, daß sie das Vertheidigungsgerüst, daran Sickingen lehnte, auseinander warf, und ihn selbst an einen spitzigen Balken schleuderte: betäubt, tödtlich verwundet fiel er zur Erde.

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Seine Getreuen trugen ihn ins Burggewölbe. Als er wieder zu sich kam, klagte er über die säumigen Bundesgenossen: »Wo sind nun, rief er, meine Herren, und Freunde, die mir so viel zugesagt haben? Wo ist Fürstenberg? wo bleiben die Schweizer? die Straßburger?« Der Bote, den er, als die Fürsten ihn zu bedrängen anfingen, an den entfernten Fürstenberg um Entsatz gesandt, war den Fürstlichen in die Hände gefallen; Wilhelm erfuhr die Noth des Freundes erst mit seinem Tode. In der Schweiz hatte Ulrich von Hutten umsonst gearbeitet: Ulrich von Württemberg, der aus seinem Lande vertriebene Herzog, sein und seines Hauses Todfeind, der bei den Schweizern eingebürgert war, arbeitete ihm entgegen; Hutten hatte den Herzog in der öffentlichen Meinung durch die Anklage seiner Tyrannei aufs Tiefste verwundet, Sickingen das Meiste zu seiner Vertreibung beigetragen.

Franz sah, daß Hülfe, auch wenn sie unterwegs wäre, zu spät käme; er schrieb an die Fürsten wegen der Uebergabe. Sie weigerten ihm freien Abzug. Nun, ich will nicht lange ihr Gefangener sein! sprach er und lud sie an sein Sterbebett. Kaum konnte er die eintretenden Fürsten unterscheiden, so lag schon die Todesnacht über seinem Blick. »Gnädiger Herr, sprach er zum Pfalzgrafen, ich hätte nicht geglaubt, daß ich so enden würde.« Auf Vorwürfe des Trierers und des Hessen sagte er: »Ich habe jetzt einem größern Herrn Rede zu stehen.« Auf die Frage seines Kaplans, ob er beichten wolle, antwortete er: »Ich habe Gott in meinem Herzen gebeichtet.« Und während dieser die Hostie emporhob und die Fürsten um das Bette knieeten, verschied der Ritter, welcher für sich und für welchen Andere die Kaiserkrone nicht zu hoch gehalten. »Nun ist der Afterkaiser todt!« frohlockten bei der Kunde seine Feinde im Reich.

Auf wen hätte sie aber erschütternder wirken können, als auf Ulrich von Hutten? Hülflos irrte er, ein armseliger Flüchtling, von Ort zu Ort in der Schweiz, er war wieder so unglücklich, wie in seiner ersten Jugend. Auch seine Krankheit brach noch einmal aus; aber die Glut für das Höchste, die in ihm war, erhob seinen Geist über die Schmerzen des Körpers; er strömte glühend seinen heiligen Zorn aus in einer kleinen Schrift gegen Erasmus, den er an Wahrheit und Volk, an der Wissenschaft und der Freundschaft zum 163Verräther geworden glaubte; aber es ist, als hätte diese gewaltige Kraftäußerung seines ungebrochenen Geistes sein morsches Gehäus gesprengt; er starb gleich darauf. Nur wenige Monde sollte er Sickingen überleben.

Er starb im Pfarrhof zu Uffnau, einer kleinen Insel im Zürichersee, im 35 Jahre. Zwingli hatte ihn dorthin empfohlen. »Er hinterließ, schrieb dieser, kein Buch, kein Geräth, als eine Feder.«

Kein Denkmal aus Stein oder Erz weist dem Wanderer die Stätte, wo das verglühte Herz des Vaterlandsfreundes, jenes Herz voll freier Menschheit, in der kühlenden Erde ruht; es wäre auch keines seiner ganz werth und ganz in seinem Sinne, als das Denkmal, woran wir Alle bauen können, und das einst auch gewiß noch sein theures Grab umschließen wird: ein einiges, helles, in seiner Freiheit glückliches deutsches Vaterland.


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