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Fünftes Kapitel.

Die Schweizer.

Viele waren zu den Schweizern geflohen. Bei den Schweizern fanden sie Gastfreundschaft und Sympathie. Die Schweizer waren noch immer, ja immer mehr, den Herren aller Lande ein Dorn im Auge, und den Geist der Freiheit, »die Büberei,« wie sie es nannten, nicht über den Rhein kommen zu lassen, hatten dieselben wiederholte Verbindungen geschlossen, und selbst die wilden Raub- und Mordhorden der Armagnaken in die Schweiz gelockt; die Schweizer aber hatten diese »armen Gecken,« wie die deutschen Herren, welche sie befehdeten, schimpflich heim gewiesen. Die Schweizer verachteten auch über alle Maßen die Herren als »muthwillige freche Gassenjunker, welche rauben und zehren, und ganz verrucht huren, spielen und prassen, und das leben heißen, wie es in der Welt Brauch sei; und sie vermeinten, es werde von Niemand getrauert, wenn sie solchen Junkern solche Ritterschläge geben, daß sie davon zu Tod geschlagen würden.«

Die Herren aber verachteten noch mehr die Schweizer Bauern. Das zeigte sich in dem Schweizer- oder Schwabenkriege, im Jahre 1499. Wären auch nicht besondere Streitigkeiten über Abgaben und Gebietstheile dazu getreten, der Krieg wäre zum Ausbruch gekommen; denn Herzen und Zungen der Schweizer und der schwäbischen Aristokratie lagen mit einander im Krieg, lange ehe dieser erklärt wurde. Der adelige Uebermuth gefiel sich in Aeußerungen der aufreizendsten Art. »Wir wollen,« sagten sie, »den Schweizern den Kuhschwanz im Busen suchen!«

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Oder auch: »Wir wollen in der Kuhmäuler Land dermaßen brennen, daß Gott auf dem Regenbogen vor Rauch und Hitze blinzeln und die Füße an sich ziehen soll!« Aber fast allenthalben zogen die Herren den Kürzern, ja eine Niederlage war immer schmählicher als die andere.

Von schweizerischem Geiste angesteckt war ein großer Theil ihrer Leute, und schon beim ersten Vordringen der Schweizer ins Hegau war der ganze Bregenzer Wald, der ganze Walgau ihnen zugefallen. Eine lange Reihe von Schlössern und Burgen, darunter Randek, Steißlingen, Homburg ob Stahringen, eines der am reichsten ausgestatteten Schlösser, Friedingen, Staufen, Oberstaad, Rosenek, Blumenfeld, Heilsberg, Mägdeberg, Worblingen, wurde von den Bauern zerstört. Hätten sie nur Burgen, des Adels Sitze, gebrochen, und nicht auch die Dörfer der Unterthanen verwüstet und zerstört, überall, wohin sie kamen, wäre der gemeine Mann ihnen zugefallen, und hätte sie als Befreier empfangen. So aber brachten sie die Freiheit durch brennende Flecken und Dörfer, durch verwüstete Felder ins Land herein und erbitterten den gemeinen Mann, der es im Herzen mit ihnen hielt und halten mußte, wider sie für den Augenblick, weil sie ihm Hütte und Brod raubten, ohne die ihnen die Freiheit nicht schmecken konnte. Freilich reizte der Adel die Bauern dazu durch die grenzenlosen Grausamkeiten, die er sich erlaubte. Als Fürsten und Adel das Dorf Thayingen, bei Schaffhausen, verbrannten und, was ihnen begegnete, erstachen, warfen sich dreißig Bauern in die feste Kirche. Der Adel aber legte Feuer an den Thurm und an die Kirche, daß die darin erstickten. Ein Bauer, sein Kind auf dem Arm, flüchtete zum Giebel des Thurms, und als die Flamme auch da hinaufstieg, warf er sich von dem Kranz hinab mit seinem Kinde. Die Ritter streckten ihre Spieße entgegen und spiesten den Bauer, das Kind aber nahm keinen Schaden.

Unter die Bauern aller Grenzen umher waren durch diesen letzten großen Sieg schweizerischer Freiheit ein kecker Geist und verwogene Gedanken gekommen. Während am Frieden zu Basel gehandelt wurde, zog ein Bauer aus dem Leinenthal, genannt Bitterle, der Unterthan eines Edelmanns, durch die Stadt, mit dem langen Mantel, den seidenen Schuhen und dem Federbusch des von den Schweizerbauern in diesem Krieg erschlagenen Grafen von Fürstenberg, hinter sich eine 24Rotte Bauern als seine Trabanten. Auf die Frage des Bischofs von Worms, wer sie doch seien? antworteten sie: »Wir sind die Bauern, die den Adel strafen!«

Hätten die Schweizer Bauern ihren Sieg zu gebrauchen gewußt, so hätten sie Land und Leute ringsum gewonnen, und die »Büberei« weithin über den Boden des Reichs getragen. Allenthalben schweizerte es in den Bauerschaften, und Grundsätze und Bestrebungen, wie die des Bundschuh von Schlettstadt, wurzelten immer tiefer und verzweigten sich immer weiter. Es war kein Geist der Meuterei, es war das tiefe und allgemeine Gefühl der politischen Erlösungsbedürftigkeit, das die unermeßliche Mehrheit des Volkes, welche von einer Minderheit Bevorrechteter unterdrückt war, von den Quellen des Rheins bis zu seinen Mündungen, vom Bodensee und den Tyroler Alpen bis an die Küsten der Ostsee durchdrang. Es trieb und gährte politisch und religiös zugleich in der Masse. Schon waren für die Volksbefreiung Einige geviertheilt, Einige verbrannt, Andere enthauptet oder eingekerkert, Viele in Verbannung und auf der Flucht. Die Sache des gemeinen Mannes zählte schon ihre Märtyrer, und die, welche sich mit der Flucht gerettet, ließen sich weder durch das Mißlingen des ersten Plans, noch durch die blutigen und grausamen Maßnahmen schrecken, im Stillen fortzuarbeiten.

Als Maximilian ans Reich kam, hatte der gemeine Mann schöne Hoffnungen gefaßt, was dieses Haupt für das Volk zu thun entschlossen sei, und Max und seine Freunde hatten selbst Anlaß gegeben zu diesen im Volk umlaufenden Sagen, wie er Jedem, auch dem Geringsten, Recht schaffen und der Unsicherheit und den Erpressungen ein Ende machen wolle. Von all dem aber war nichts eingetroffen, ja als das Reichsgerichtswesen neu geordnet wurde, war von dem Bauernstande gar nicht die Rede, und der arme Mann hatte nirgends einen Gerichtshof, vor welchem er gegen seine eigene Herrschaft hätte Recht finden können. Und doch hausten viele Herren, geistliche und weltliche, als ob Keiner über ihnen im Himmel und auf Erden wäre. Der arme Mann sah nicht aus, woher ihm Hülfe kommen sollte, wenn er sich nicht selbst hälfe, und die gescheiteren Köpfe arbeiteten darum auch dahin, Verbrüderungen zu stiften, und die vereinzelt unmächtigen Zornblitze des armen Mannes zu einem Gewitter zu sammeln.



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