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Siebentes Kapitel.

Der Bundschuh im Bruchrain zu Untergrumbach.

Unter den Bisthümern, deren Verwalter nicht alle evangelisch, deren viele sogar alle Tage wie der reiche Mann herrlich und in Freuden lebten, zeichnete sich besonders Speyer aus. Vertheidiger des Priesterthums haben es erzählt und beurkundet, wie der Speyrer Bischof Matthias mit den Bürgern der Stadt und mit kaiserlicher Majestät seinen fürstlichen Scherz zu treiben sich nicht scheute, und der Gegenstand dieses fürstlichen Scherzes war ein Menschenleben, das Leben eines schuldlosen, vom Kaiser empfohlenen, von den Bürgern als der Würdigste für die offene Domkapitularstelle bezeichneten Mannes. Hier, im Bisthum Speyer, war es auch, wo unter dem Nachfolger des Matthias, Ludwig Helmstädt, die erste Spur der Fortpflanzung des Elsaßer Geheimbundes offenbar wurde.

Im Bruchrain zu Untergrumbach zunächst an Bruchsal, zum 37Gebiete des Bischofs von Speier gehörig, unternahmen es einige kühne Männer, ihre Mitbrüder vom Druck des Priesterthums und des Adels zu befreien. Schon im Jahre 1502 hatte der Hof zu Speyer Spuren und Anzeigen von einer neuen, der Aristokratie gefährlichen Bewegung im gemeinen Manne. Die Aufmerksamkeit der Behörden aber machte die Verbindung vorsichtig, und die Fäden derselben gingen der Regierung wieder verloren.

Die Verschworenen aber arbeiteten im Geheimen nur um so zuversichtlicher fort. Bald waren es über 7000 Männer, die zum Bunde geschworen hatten, und gegen 400 Weiber, welche des Bundes wissend waren. Ueber alle Gaue am Rhein hinauf und hinab, bis zur Mitte, am Main und am Neckar zogen sich die Fäden der Verschwörung hin. Es galt nicht eine theilweise, sondern weitkreisende Bewegung, in welche der gemeine Mann des ganzen Reiches nach und nach hinein gezogen werden sollte. Der Zweck war Umsturz der geistlichen und weltlichen Aristokratie.

Deutlich sprach das schon die Losung aus, an welcher sie sich erkannten. »Loset, fragte der Eine, was ist nun für ein Wesen?« Und der dazu gehörige Antwortsreim war: »Wir mögen vor Pfaffen und Adel nit genesen!« Ihre Hauptartikel waren: Alles Joch der Leibeigenschaft von sich zu schütteln, mit dem Schwert sich selbst, wie die Schweizer, frei zu machen, die geistlichen Güter einzuziehen und unter das Volk zu vertheilen, als Herrn und Haupt aber Niemand anzuerkennen, als den römischen König.

Die Aufnahme in den Bund geschah unter religiösen Ceremonien, der Eintretende mußte knieend fünf Vaterunser und fünf Ave Maria beten, und alle Tage als Bundesglied das Gleiche thun. Es war dies ein religiöser Anstrich, welcher politischen Bewegungen zu allen Zeiten so förderlich war, und zugleich den weit zerstreuten Bundesgliedern überall ein Erkennungszeichen, das Niemand verdächtig auffallen konnte.

Jeder übernahm auch die Pflicht, den Bund nach Kräften zu mehren und unter seinen Umgebungen auszubreiten. Die Artikel, welche davon handelten, daß kein Zins oder Zehenten mehr gegeben werden sollen, weder an Fürsten, noch Edle und Pfaffen, kein Zoll, keine Steuer mehr bezahlt, Jagd, Fischerei, Weide und Wald, wie sie Gott 38für Alle erschaffen, für Alle offen und frei sein, und die Klöster und Kirchengüter, eine kleine beizubehaltende Zahl von Klöstern ausgenommen, eingezogen und vertheilt werden sollten, mußten den gemeinen Mann aller Orten, der so über die Maßen beschwert war, daß die vierte Stunde der Arbeit nicht sein war, an sich ziehen.

Zuerst sollte die Stadt Bruchsal, wo mehr als die Hälfte der Bürger im Einverständniß war, überfallen und besetzt werden, als vorläufiger Mittelpunkt der Bewegung. Der große Haufen aber sollte dann unverweilt in die Markgrafschaft Baden vorrücken, und dann fort und immer fort weiter ziehen, und an keinem Orte länger als vierundzwanzig Stunden verweilen, bis daß sie alle Lande in ihr Bündniß gebracht, die ursprüngliche Freiheit und damit die Gerechtigkeit Gottes auf Erden eingeführt hätten; alle Bürger und Bauern im Reich werden ihnen auch, hofften sie, ungezwungen, aus Liebe zur Freiheit, zufallen.

»Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes!« war auch die Inschrift ihrer Bundesfahne. Diese war halb weiß halb blau, in der Mitte das Bild des Gekreuzigten, wie er dem heiligen Georg erschienen, vor dem Kreuz ein knieender Bauersmann und ein großer Bundschuh, und ringsum die erwähnte Inschrift.

Klüglich hatten die Häupter nur die Dörfer, Weiler und kleinen Städte in den Bund gezogen, welchen ihre Sache als ihre eigene erscheinen mußte; und dennoch wurde der Plan vor seiner Ausführung verrathen. Nicht ohne wohlberechnete Vorsicht hatte ein Artikel der Elsaßer Verbindung die Beichte verboten. Diese war es, welche den Plan vereitelte. Einer der Verschworenen, Lukas Rapp, vertraute das Geheimniß in der Beichte einem Geistlichen, und der Geistliche verrieth es den Regierungen. Geistliche und weltliche Fürsten und Herren, selbst der schwäbische Bund, welcher einen Zusammenhang der Bewegung mit den Schweizern fürchtete, eilten, ihre Maßregeln zu ergreifen.

Die bisherigen Grundlagen des deutschen Reiches und Thrones waren gewichen oder morsch: in der Freiheit des gemeinen Mannes und in der unvermittelten Einheit deutscher Nation boten sich die Grundlagen eines neuen und herrlicheren Kaiserthums.

Aber Maximilian – der römische König, als geborener Habsburger, und durch die Vorgänge in seinen Niederlanden und der 39Schweiz, jeder Volksbewegung im Innersten gram, vergaß jetzt, wo er Gelegenheit dazu gehabt hätte, es zu verwirklichen, daß er als Jüngling sich gewünscht hatte, ein König des Volkes zu werden. Statt des Volkes sich anzunehmen, den Beschwerden der Bauern abzuhelfen, und auf ihre Liebe und auf ihre Arme seine Macht zu stützen, befahl er die grausamste Verfolgung und Bestrafung der verbundenen Bauern, sobald er die erste Kunde von ihren Planen vernahm. Wer in den Bund geschworen und das gesetzliche Alter erreicht hätte, dessen Vermögen sollte eingezogen, hätte er Weib oder Kinder, so sollten diese aus dem Lande vertrieben, er selbst, wenn er ergriffen würde, lebendig geviertheilt, die Häupter und Unterhändler der Bewegung aber an den Schweif eines Pferdes gebunden zur Viertheilung geschleift werden.

Zu Schlettstadt traten Abgeordnete der Fürsten, Herren und Städte auf die erste Mittheilung der drohenden Bewegung des gemeinen Mannes zusammen; auf drei Tagsatzungen beriethen sie die gemeinsamen Gegenanstalten; es waren dabei Räthe kaiserlicher Majestät, Gesandte des Pfalzgrafen, des Bischofs und der Stadt Straßburg, des Herzogs zu Württemberg, der Grafen zu Hanau, Bitsch, Rappolstein, auch der Stadt Colmar und anderer Städte und Herren, in deren Gebiet die Bewegung Verzweigungen hatte, oder welche Ursache hatten, solche zu fürchten.

Bis aber, den Beschlüssen gemäß, das Kriegsvolk der Fürsten und Herren in die Hauptsitze der bäurischen Verbindung einbrach, hatten die vorzüglichsten Beförderer derselben Zeit zu entweichen. Bei der Unreife des Anschlags zu längerem Widerstande noch nicht gerüstet, war ein Kampf fruchtlos. So retteten sich die Meisten der bäurischen Häupter glücklich durch die Flucht. Nur im Allgemeinen Betheiligte wurden in den Dörfern von dem Kriegsvolk aufgegriffen, auf die Folter gebracht und auf den Richtplatz. Doch war derer, welche hingerichtet wurden, eine kleine Zahl: Maximilians Blutbefehle waren unausführbar: wollten die Fürsten und Herren alle Theilnehmer nach ihnen bestrafen, so ruinirten sie sich selbst; denn in vielen Ortschaften hatten alle Bauern in den Bund geschworen. So wurden Wenige verstümmelt, die Andern mit Geld gestraft. Die Verschwörung selbst aber war so gut angelegt, daß die geheimen Leiter, wie erzählt wird, theils 40unangefochten zurückblieben, theils, wenn sie flohen, sogar in den kaiserlichen Landen und im Gebiete der zu Schlettstadt zusammengetretenen Stände unerkannt und ungestört Jahre lang Wohnsitz oder gar Anstellung fanden.


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