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Zehntes Kapitel.

Die Hegauer und Schwarzwälder.

Die evangelische Brüderschaft am Wald (Schwarzwald) ließ zugleich mit den »Zwölf Artikeln« einen » Artikelbrief« ausgehen. Der trägt das Gepräge Münzers an sich, und dieser berief sich auch später auf den Inhalt desselben als eine Richtschnur seines Handelns. Münzers Verhör. Dieser Artikelbrief lautete also: Aus dem Freiburger Archiv bei Schreiber, verglichen mit der Beilage XXII in Walchners Truchseß. Es scheint, Schreiber irrt sich, wenn er den Artikelbrief Hans Müllers für die 12 Artikel nimmt: die dem Briefe beiliegenden Artikeln sind keine anderen als die drei: 1) von dem weltlichen Bann, 2) von Schlössern und Klöstern, und 3) von denen, die den Feinden der christlichen Vereinigung Vorschub thun.

»Dieweil bisher große Beschwerden, so wider Gott und alle Gerechtigkeit sind, dem armen gemeinen Mann in Städten und auf dem Lande von geistlichen und weltlichen Herren und Obrigkeiten auferlegt worden, welche sie doch selbst auch nicht einmal mit dem kleinen Finger angerührt haben, so folgt daraus, daß man solche Bürden und Beschwerden länger nicht tragen, noch gedulden mag, es wollte denn der gemeine arme Mann sich und seine Kindskinder ganz und gar an den Bettelstab schicken und richten. Demnach ist der Anschlag und das Fürnehmen dieser christlichen Vereinigung, mit der Hülfe Gottes sich davon ledig zu machen, und das so viel möglich ohne Schwertschlag und Blutvergießen, was nicht wohl sein mag, denn mit brüderlicher Vereinigung in allen gebührlichen Sachen, die den gemeinen christlichen Nutzen betreffen und in diesen beiliegenden Artikeln begriffen sind.

»Es ist hierauf unsere freundliche Bitte, unser Ansinnen und brüderliches Ersuchen, ihr wollet euch mit uns in diese christliche Vereinigung und Brüderschaft gutwillig einlassen, und freundlichen Willens begeben, damit gemeiner christlicher Nutzen und brüderliche Liebe wiederum aufgerichtet, erbaut und gemehrt werde. Wo ihr das thut, geschieht daran der Wille Gottes, in Erfüllung seines 419Gebotes von brüderlicher Liebhabung. Wo ihr aber solches abschlagen würdet, dessen wir uns doch keineswegs versehen, thun wir euch in den weltlichen Bann, und erkennen euch hiebei darein in Kraft dieses Briefs, so fern und so lang, bis ihr eures Fürnehmens abstehet, und euch in diese christliche Vereinigung günstigen Willens ergebet.

1) Der weltliche Bann enthält diese Meinung: daß alle die, so in dieser christlichen Vereinigung sind, bei ihren Ehren und höchsten Pflichten, so sie übernommen, mit denen, welche sich sperren und weigern, in die brüderliche Vereinigung einzugehen, und gemeinen christlichen Nutzen zu fördern, ganz und gar keine Gemeinschaft halten noch brauchen sollen; daß sie mit ihnen weder essen, trinken, baden, malen, backen, ackern, mähen, noch ihnen Speise, Trank, Fleisch, Korn, Salz, Holz, oder Anderes zuführen lassen, oder gestatten; von ihnen weder etwas kaufen, noch ihnen zu kaufen geben; sondern man lasse sie bleiben als abgeschnittene, gestorbene Glieder, welche den gemeinen christlichen Nutzen und Landfrieden nicht fördern, sondern mehr verhindern wollen. Ihnen sollen auch alle Märkte, Holz, Wunne, Waid und Wasser, so nicht in ihren Zwingen und Bännen liegen, abgeschlagen sein; und wer aus denen, so in die Vereinigung eingegangen sind, solches übersähe, der soll fürohin auch ausgeschlossen sein, mit gleichem Banne gestraft und mit Weib und Kindern den Widerwärtigen oder Spännigen zugeschickt werden.

2) Von Schlössern, Klöstern und Pfaffenstiftern.

»Nachdem aber Verrath, Zwang und Verderbniß aus Schlössern, Klöstern und Pfaffenstiftern erfolgt und erwachsen ist, sollen diese von Stund an in den Bann verkündet sein. Wo aber Adel, Mönch oder Pfaffen solcher Schlösser, Klöster oder Stifter willig abstehen, sich in gewöhnliche Häuser wie andere fromme Leute begeben, und in diese christliche Vereinigung eingehen wollten, so sollen sie mit Ihrem Hab und Gut freundlich und tugendlich angenommen werden, und man soll ihnen alles das, was ihnen von göttlichen Rechten gebührt und zugehört, getreulich und ehrbarlich ohne allen Eintrag folgen lassen.

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3) Von denen, so die Feinde dieser christlichen Vereinigung behausen, fördern und unterhalten.

»Item alle die, so die Feinde dieser christlichen Vereinigung behausen, fördern und unterhalten, sollen gleicher Gestalt abzustehen freundlich ersucht werden; wo sie aber das nicht thäten, sollen sie auch ohne weiteres in den weltlichen Bann erkannt sein.« –

Dieser Artikelbrief fällt in dieselbe Zeit, in welcher Münzer in den obern Gegenden sich umtrieb: die Brüder auf dem Schwarzwald nahmen ihn zu ihrem besonderen Manifeste. Nachdem Münzer vom Oktober 1524 bis zu Anfang Februars 1525 hier verweilt und mit den oberschwäbischen Brüdern Verbindungen und Plane angezettelt hatte, trat er den Rückweg nach Thüringen an, und zwar an der obern Donau hinab, über Franken.

Die Oberschwaben unterscheiden sich sehr von den Niederschwaben. Nüchternheit, zumal Nüchternheit des religiösen Sinnes, ist das Vorwaltende bei den Oberschwaben. Vor Münzers enthusiastischem Wesen sicherte sie diese ihre Natur, daß er sie nicht verführen konnte. So weit vor- und auszuschreiten, war außerhalb ihrer Art. Der ganze Hohn der Herren am Bund gehörte dazu, um diese Leute dahin zu bringen, wohin Münzer sie nie gebracht hätte. Viele seiner Anhänger und Emissäre ließ er in Oberschwaben zurück, und noch unterwegs ließ er eine seiner aufreizendsten und schärfsten Flugschriften im Druck ausgehen. Wahrscheinlich war es eine Ueberarbeitung der früher aus dem Evangelium gestellten Artikel, »wie man herrschen soll«, und weil er vielfach sah, wie sich ein Theil der oberländischen Bauern zu Verträgen verleiten lassen wollte oder ließ, warf er elf feurige Kapitel unter sie, zur Warnung, zur Schreckung. Der Titel heißt: An die Versammlung gemeiner Pawerschaft, so in Hochteutscher Nation und viel anderer Ort, mit empörung und uffruhr entstanden, ob ihr empörung billicher oder unbillicher gestalt geschehn, und was sie der Oberkeit schuldig oder nicht schuldig seind, gegründet aus der heil. göttlichen Geschrift, von Oberlendischen Mitbrüdern guter maynung ausgangen und beschriben. Auf dem Titelblatt ein Holzschnitt, ein Rad, mit der Auf- und Unterschrift: Hie ist des Glücksrads Stund und Zeit, Gott weiß, wer der oberst bleibt; Hie Bauersmann, gute Christen, hie Romanisten und Sophisten. Wer mehret Schwytz? der Herren Gytz.
            Strobel, Beiträge II, 1. Stück, S. 44.

Er führte darin sehr anschaulich und greiflich die Art aus, wie 421die Herren regieren, und wie man im Gegentheil regieren sollte; der wahre christliche Glaube wolle keine menschliche Obrigkeit, nur die unchristliche Art erheische eine menschliche Obrigkeit. Dann besprach er die Verpflichtung eines christlichen Amtmanns, er sei Fürst, Pabst oder Kaiser; besprach die selbstvermessene, schrankenlose Willkürgewalt, der man als einer falschen Gewalt gehorsam zu sein nicht schuldig sei; untersuchte die Frage, welche Obrigkeit vorzuziehen sei, die erbliche, oder die auf eine gewisse Zeit vom Volke gewählte; vertheidigte das Recht des gemeinen Mannes über das Wild in Feld und Wald, und handelte darauf von dem Recht einer Gemeinde, ihre Obrigkeit abzusetzen, sowohl davon, daß sie dieses Recht habe, als davon, in welcher Art sie von demselben gegen ihren Herrn Gebrauch machen möge. »Daß eine Landschaft oder eine Gemeinde Macht habe, ihren schädlichen Herrn zu entsetzen, dafür, sagte er, will ich aus der göttlichen Juristerei dreizehn Sprüche einführen, welche die höllische Pforte abermals mit ihrer ganzen Ritterschaft nicht mag zerreissen.« Er citirte hier unter andern die beziehungsvollen und schweren Stellen Jes. 1, 7. 8. 1. Timoth. 5, 8. Apost. 5, 34. 1 Cor. 7, 21. 22. 23. Matth. 7, 6. 12. und fuhr fort: »Nur es kurz gemacht. Alle die Herren, die aus ihres Herzens Lust und ihren eigenwilligen letzten Köpfen eigennöthige Gebote, ich geschweige Vergewaltigung, Steuer, Zoll, Umgeld, aufbringen, die sind rechte und echte Räuber und abgesagte Feinde ihrer eigenen Landschaft. Nur solche Moab, Agag, Ahab, Phalaris und Nero aus den Stühlen gestoßen, ist Gottes höchstes Gefallen: Die Schrift nennt sie nicht Diener Gottes, sondern Schlangen, Drachen und Wölfe.« Dann prüfte er noch den Begriff des Aufruhrs, und wer eigentlich ein Aufrührer sollte gescholten werden. Und zum Schluß ermunterte er die Bauerschaften zur Standhaftigkeit, und wie sie sich durch Nichts von ihrem Unternehmen abthätigen oder abschrecken lassen sollen. Zu diesem Ende malte er ihnen vor, was für Jammer und Trübsal über sie kommen würde, wenn sie sich selber veruntreueten. »Uebersehet ihr, ruft er, das Spiel, so sehet ihr nichts vor euch, als Weh über Weh, und ein greuliches Morden, das über euch kommen würde und über alle Bauerschaft. O Weh und Jammer über eure Kinder, wie werdet ihr ihnen hinter euch so ein 422stiefväterlich Erbe verlassen; sehet zu, müsset ihr jetzt frohnen mit Karst, Haue und Pferden, so müssen eure Kinder hernach selbst in der Egge ziehen; habt ihr bisher mögen eure Güter umzäunen vor dem Wild, so müßt ihr sie nunmehr offen lassen stehn; hat man euch bisher darum die Augen ausgestochen, so wird man euch fürder spießen. Habt ihr bisher Hauptrecht gegeben, seid ihr leibeigen gewesen, so müßt ihr fürderhin völlige Sklaven werden, nichts eigen mehr haben, weder an Leib noch an Gut; ganz nach türkischer Art wird man euch verkaufen, wie das Vieh, Roß und Ochsen. Thut eurer einer nur ein Rümpflein dawider, da wird nichts anders daraus, denn daß man euch peinigt und martert, und es wird des Verhetzens und Vermaledeiens kein Maß haben; dann heißt's, mit euch Verräthersbuben nur flux dem nächsten Thurm zu, und eine Marter über die andere angelegt, darnach mit Ruthen ausgehauen, die Andern durch die Backen gebrennt, die Finger abgehauen, die Zunge ausgerissen, geviertheilt, geköpft.« Zum Schlusse stärkt er sie durch die Erinnerung an die alte Weissagung, deren Erfüllung nun nahe sei; »da ja kein Nachlassens sein will, auch die vermessene Eigengewalt und alle Obrigkeit keine Ruhe haben wollen, bis vielleicht die Prophezeihung und das alte Sprüchwort erfüllt wird, daß eine Kuh auf dem Schwanenberg, im Land zu Franken gelegen, stehen soll, und da luegen und plarren, daß man's mitten in Schwytz höre. Fürwahr es sieht dem Scherz nicht ungleich: mit der Weise möchte dieser Spruch wohl erfüllt werden; und wer mehret Schweiz, als der Herren Geiz?«

Zu Nürnberg wurde diese Flugschrift gedruckt. Den Lettern nach, Strobel, Beiträge II. Bd. 1. St. S. 45. Jedes Wort darin ist Münzers Art und Sprache. Am Ende derselben wird der Aristokratie noch das höhnende Wort zugerufen: »Hierum tummel dich, und kurzum, du mußt rum, und sähst du noch so krumm.«

Münzer war voll Zuversicht: er hatte es mit Augen gesehen, wie schwach an Streitkräften, wie wenig gerüstet, wie rathlos, wie verlegen, wie voll Schrecken sie waren, die großen und kleinen Herren: die Niedergeschlagenheit, die Furcht der Letzteren muß besonders über alles Maß gewesen sein. »Die Bauern sahen, daß männiglich, auch die hochpochenden Bauren-Schinder und Fresser selbst einen so furchtsamen Schrecken ob ihnen empfangen hätten, daß nichts denn Fliehen und Flehen vor Augen war, daß auch die eisenbeißenden Junker, deren einer zehen Bauren in einem Pfeffer wollt' gefressen haben, ihrer Zehen jetzt einen Bauren kaum durften ansehen.« Anshelm VI. 283. »Die Herren und Junker, die aus Löwen zu Hasen worden.« Ebendaselbst 285. So spricht ein Zeitgenosse, zwar ein Schweizer, aber ein Herr und Aristokrat. Er sah, wie der Aufstand von einer 423Landschaft zur andern fortlief, und während er sich wieder nach dem mittlern Deutschland wandte, waren die Bewegungsmänner aller Farben thätig; die Predigt und die Volksrede spielten; selbst Geldversprechungen wurden angewandt, den gemeinen Mann aller Orten in die Waffen zu bringen: Sold that, was Furcht oder Lust nicht thaten.

Wie Eitel Hans Ziegelmüller, der oberste Hauptmann des Seehaufens, stattlich mit einer Schaar Trabanten wie ein Heerfürst auftrat, so zeigte sich Hans Müller von Bulgenbach, der oberste Hauptmann im Schwarzwald in rothem Mantel und rothem Barett mit Federn, und hinter sich her ließ er den Zierwagen fahren, der mit Laubgewinden und Bändern geschmückt war, und die Haupt- und Sturmfahne trug. Vor ihm ritt ein Zierhold, mit dem gedruckten Artikelbrief und den zwölf Artikeln. Der Zierhold bot durch das Zierholdengeschrei die Gemeinden auf und verlas die Artikel. So zog Hans Müller über den Schwarzwald. Mit den ersten Tagen des Frühlings waren auch die Schwarzwälder in den Waffen, und, wie sie, zu gleicher Zeit auch die Hegauer. Schon am 9. April vereinigte sich der Haufen der Hegauer, deren Hauptmann jetzt Hans Bänkler war, mit dem großen Haufen aus dem Fürstenbergischen, aus der Baar, aus dem Klettgau und aus dem Schwarzwald. Zu Bondorf geschah die Vereinigung. Beim Auszug von Bondorf zählte er nur 4000 Mann. Von da zog er über Löffingen nach Deckingen, Hüfingen, Pforheim. Bräunlingen und Hüfingen öffneten ihre Thore, das letztere am 13. April; hier ließ er eine Besatzung zurück, schickte einen Absagebrief nach Villingen, theilte seinen jetzt verstärkten Haufen in mehrere Abtheilungen, welche schnell nach einander die Schlösser Altfürstenberg, Donaueschingen, Lupfen, Wartenberg eroberten und das beste Geschütz daraus nahmen, ebenso die Städte Möhringen und Geissingen. Die Städte Aach und Engen 424öffneten die Thore. In allen genommen festen Plätzen ließ Hans Müller bäurische Besatzung und wandte sich dann nach Radolfszell, wo die Commissäre der drei österreichischen Regierungen von Ensisheim, Innspruck und Stuttgart, ein großer Theil des hegauischen Adels mit ihren Familien und ihrer besten Habe lagen, und schloß es von allen Seiten ein. Der Ort war wegen seiner Lage für die Bauern sehr wichtig, weil er die Verbindung mit der Schweiz so sehr erleichterte, wenn sie ihn in ihre Gewalt bekamen. Für jetzt gingen die Bauern noch nicht an eine förmliche Belagerung, sondern sie schnitten der Stadt nur alle Zufuhr ab; selbst die von Constanz her kommenden Schiffe fingen sie auf dem See auf und verwüsteten die Umgebungen der Stadt. Seidler, Handschrift. Villinger Chronik, Handschrift.


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