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Sechzehntes Kapitel.

Der Ausbruch im Hohenloheschen.

Im Gebiete der Grafen von Hohenlohe, der geheimen Werkstatt Wendel Hiplers, brach die Verschwörung, wie an andern Orten, am Abend des Sonntags Judika, am 2 April, aus.

Wendel hatte namentlich in Oehringen einen Club gebildet, worein viele seiner früheren Bekannten gezogen wurden. Sie hielten ihre Zusammenkünfte im Hause eines Mezgers, Claus Salw, in der Stadt. Salw selbst, einst ein reicher Mann und voll Ehrgeiz, aber in seinem Vermögen zurückgekommen, in seinem Ehrgeiz zurückgesetzt, bot leicht die Hand, um sich in beiden Hinsichten durch eine Veränderung zu heben. In diesem Hause wurden Personen in die gewaltsamen Plane eingeweiht, deren Beweggründe zur Theilnahme sehr verschieden waren. Es waren darunter Manche aus sehr angesehenen Familien, nichts weniger als Proletarier; es waren solche, deren Vermögensumstände zerrüttet waren; solche, die in gutem Wohlstand sich befanden, aber zum Theil die Stellen und Aemter nicht erhalten konnten, die sie wünschten oder auch verdienten, theils von den Grafen oder von der Geistlichkeit der Stadt an Ehre oder Gut, oft an beiden zugleich gekränkt waren. Die jungen Grafen Albrecht und Georg, griffen gerne weit aus; sie verachteten das Volk; und die Stiftsherren erlaubten sich Dinge, die manchen Ehrenmann empören mußten. Vergeblich hatten sich die Gekränkten an den bischöflichen Stuhl zu Würzburg um Recht gewandt; sie hatten keine Bestrafung der Schuldigen auszuwirken vermocht. Da nirgends ihnen Recht und Hülfe wurden, mußte die Gelegenheit, sich selber zu helfen, für sie verführerisch sein. Und Wendel Hipler bot sie ihnen nicht nur so ins Blaue hinein; er zeigte sie ihnen als etwas ganz 475Wahrscheinliches, Zuverlässiges, leicht Ausführbares; er zählte ihnen die Fäden des geheimen Bundes auf, und wie er mit den Häuptern im Odenwald und am Neckar die Verabredung getroffen, daß sie mit ihren Haufen im Hohenloheschen zusammentreffen und den dortigen Mißvergnügten zum Anschluß- und Stützpunkt dienen, um sich zu befreien, Alles zu ändern.

Es kam ihnen Botschaft vom Zusammentritt der Odenwälder mit der Rottenburger Landwehr, von den Aufständen in andern Orten; endlich vom Anzug der erstern. Sie feierten diese Nachrichten durch ein Gastmahl im Hause Leonhard Stahls, am Abend des Sonntags Judika. Sie thaten ganz evangelisch, die Fasten existirten für sie nicht mehr; trotz der Fastenzeit verzehrten sie ein Kalb. Diese Ketzerei und seltsame Reden, die sie hören ließen, wurden dem hohenlohischen Keller Hans Sigginger und dem Schultheiß Wendel Hohenbuch hinterbracht; sie hatten unter Anderem verlauten lassen, man werde den Keller im Bett erwürgen. Am andern Morgen nahmen sie das herrschaftliche Mehl weg, und ließen Brod davon backen. Der Keller und der Schultheiß berichteten an die abwesenden Grafen, die ihren Sitz auf dem Schloß Neuenstein hatten. Bei Anbruch der Nacht wollten sie den Boten absenden, Sigginger selbst öffnete ihm das Thor; in diesem Augenblick fühlte er sich von den Verschworenen ergriffen, die Schlüssel sich abgenommen, unter Mißhandlungen sich mit dem Tode bedroht. »Lieben Bürger,« rief seine Frau herbeispringend, »laßt mir meinen Mann gehen! tobt nicht also! ich will euch die Schlüssel zum andern Thore geben.«

So waren die Verschworenen im Besitz der Thore. Während sie den Keller und den Schultheiß in einen Schweinstall sperrten, zwangen sie den Thürmer, Sturm zu blasen, zogen selbst die Sturmglocke und sandten in alle umliegenden Orte Boten mit Fackeln, welche die Bauern zur Theilnahme auffordern mußten, unter der Drohung, wer sich weigere, dem werde Hab und Gut geplündert und verbrannt werden. Nach Mitternacht entließen sie die beiden Herren aus dem Kofen und nahmen ihnen einen Eid ab, als Gefangene in Oehringen bleiben zu wollen. Gegen Morgen schon strömten aus allen Dörfern schaarenweise Bauern in die Stadt; 476viele waren durch die Versammlungen auf dem Grünbühl und an andern Orten längst vorbereitet. Die Verschworenen nahmen den Chorherren des Oehringer Stifts die Schlüssel zu ihren Kästen und Kellern, und bewirtheten die Bauern im Ueberflusse mit dem neugebackenen Brod, mit Wein und Anderem.

Die Gemeinde der Stadt ging unverweilt daran, die vieljährigen Gebrechen der städtischen Verwaltung einer Untersuchung und Heilung zu unterwerfen. Auch hier bildete sich ein Ausschuß von vierundzwanzig Männern, dem diese Untersuchung oblag, und das Heillose der bisherigen Rathswirthschaft beweisen schon höchst billige Forderungen, welche Gemeinde und Ausschuß stellten; wie die, daß die Zölle, welche sie auch fortbezahlen wollen, wirklich zu dem verwendet werden, wozu sie bestimmt seien, zu Straßen und Brückenbau, und daß darüber ein dem Rathe an die Seite zu setzender Bürgerausschuß die Controle führe, und bei allen wichtigen Dingen, besonders bei städtischen Finanzsachen, von dem innern Rathe beigezogen werde. Zugleich forderten sie Freigabe des Salzhandels; Gleichstellung aller Geistlichen, welche Bürger werden müßten, mit andern Bürgern in Tragung aller Lasten, Herabsetzung des Umgelds, des Waggelds, der Nachsteuer und anderer Abgaben, bis auf eine künftige Reformation; wenn solche allgemein dem Evangelium gemäß im Reiche gemacht würde, sollte sie auch bei ihnen eingeführt werden. Das waren die Forderungen der Städter.

Die öhringischen Bauern forderten mehr. Sie verlangten Wald und Weinlese frei, Aufhebung des Weinzehentes und aller Zölle bis auf den Wegzoll; sie beriefen sich schon auf die »zwölf Artikel.«

Bereits waren von Georg Mezler im Schüpfergrunde auch die zwölf Artikel der schwäbischen Bauerschaften als allgemeines Manifest proklamirt und von allen Verbrüderten, die dort beisammen waren, angenommen worden.

Bauern und Bürger zu Oehringen schickten ihre schriftlich aufgesetzten Beschwerden und Forderungen, welche im Tone größter Mäßigung abgefaßt waren, an die Grafen nach Neuenstein. Diese verwiesen ihren Unterthanen ihren Aufruhr durch ihren Obervogt Caspar Scheut von Winterstetten. Die Bürger antworteten: Sie 477achten die Grafen stets als ihre erblichen und natürlichen Herren, wenn nur ihren Beschwerden Abhülfe geschehe, und sie bitten darum, ihre Gnaden wollen solche gnädigst beherzigen und bedenken, damit sie als arme Leute bei ihren Gnaden bleiben mögen.

Die jungen Grafen in ihrem hochfahrenden, auf das Volk herabsehenden Sinne sahen die Sache schon wie abgemacht an; sie meinten, der gemeine Mann habe sich einen Augenblick vergessen und sich jetzt schon wieder unterthänig auf seine Pflicht besonnen; es gehöre nichts dazu, als etwas Ernst und einige Verheißungen zu zeigen, und Alles werde in Ordnung sein. Die Mäßigung eines zweiten Schreibens der Oehringer Bürger und Bauern, worin sie die gnädigen Herren baten, auf ihre Wünsche ohne Verzug einzugehen, sonst vermöchten sie die anrückenden Bauern fremder Herrschaften nicht länger zurückzuweisen, bestärkte sie nur in ihrer vorgefaßten Meinung. Sie ahnten nicht, daß der von ihnen schwer gereizte Wendel Hipler im Hintergrunde stand; sie kannten nur die gewohnte Scheu ihrer armen Leute vor der gnädigen Herrschaft. So schickten sie bloß ihren Obervogt Caspar Schenk mit dem Bedeuten an die Bürger und Bauern, ihm die Thorschlüssel einzuhändigen, und als gehorsame Unterthanen heim zu gehen und ihre Eide zu halten; der Vogt setzte bei, er habe von seinen gnädigen Herren so viel erbeten, daß, was in benachbarten Landschaften Bürgern und Bauern bewilligt werden würde, auch ihnen zu gut kommen sollte.

Jetzt erst gab Wendel Hiplers geheimer Einfluß den Unterthanen eine stärkere Sprache. Sie beschloßen, bei dem zu halten, was alle Verbrüderten bestimmen würden, und forderten von dem Grafen eine schriftliche besiegelte Urkunde, worin Gewähr ihrer Forderung zugesichert wäre: Abhülfe ihrer besonderen Beschwerden; Freiheit, alles Wild auf ihren Feldern zu schießen, doch so, daß sie es den Beamten abliefern; ein Schiedsgericht zur Entscheidung von Forderungen der Grafen, wozu jede Partei zwölf Männer zu ernennen hätte; zuletzt allgemeine Amnestie ohne Ausnahme: dann wollen sie die Thorschlüssel zurückgeben. Diese Beschlüsse trug der Vogt nach Neuenstein zurück.

Um der Bewegung auch hier die entscheidende Richtung zu 478geben, hatten Wendel Hiplers Freunde und er selbst, der bis jetzt in Oehringen war, nur den längst verabredeten Zuzug der Neckarthaler abgewartet: diese kamen, als eben die Verhandlungen mit dem Vogt geschlossen wurden. Wibel, Hohenlohe'sche Reformationsgeschichte. Vorzüglich ist für Hohenlohe zu vergleichen Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkriegs in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden, nach Akten des Oehringer Archivs.


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