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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Diplomatische Ueberlistung der Bauern durch den schwäbischen Bund.

Der schwäbische Bund hatte gleich Anfangs, als die Haufen zusammentraten, sie unter dem Scheine gütlichen Entgegenkommens durch Abgeordnete um ihre Begehren befragen lassen. So war zum Baltringer Haufen Graf Hans von Königsegg-Aulendorf und der Bürgermeister Ulrich Neithard von Ulm hinaufgeritten. Sie hatten zur Antwort erhalten, eben das, was der Bauernausschuß schriftlich von sich gab: der Landleute Absicht sei nicht, Jemand zu beleidigen; sie verlangen nur, dem reinen Evangelium und göttlicher Schrift Beistand zu thun. Die beiden Abgeordneten suchten sie zu überzeugen, daß die Herren nichts gegen das Evangelium vorhaben, und wenn sie gegen ihre Obrigkeit und Herrschaft Beschwerden zu haben vermeinen, sollen sie sie vortragen, man werde dann alle billige und gerechte Abhülfe gewähren, und ginge es nicht gütlich, solche durch rechtlichen Austrag vergleichen. Ulmer Rathsprotokoll.

So sprachen die Herren, um die Bauern zu täuschen und sie hinzuhalten. Insgeheim, unter sich zu Ulm, lachten die Bundesräthe der Leichtgläubigkeit der Bauern. Hatte der Kanzler Eck an Herzog Wilhelm von Bayern am 15. Februar geschrieben, wie sie unter dem Scheine des Entgegenkommens die Bauern, diese Bösewichter, hinhalten wollen, bis das bündische Kriegsvolk ankomme, um sie plötzlich zu überfallen; so schrieb er unterm 22. Februar: »Die Bauern sollen gestraft werden nach Nothdurft, sobald uns Gott gegen den unsinnigen Mann von Twiel Glück und Segen gibt.« Die Kunde vom Anzug des Herzogs Ulrich war da; darum schon mußten die Bauern in einen Stillstand hinein getäuscht werden. Am 26. Februar schrieb er: »Wir müssen morgen wieder zu den Bauern hinaus schicken und mit ihnen einen Anstand machen, so leidlich es geht, damit wir mit allem Volk dem Herzog von Württemberg entgegen ziehen können.« Und am 27. schrieb er: »Wir stellen die Bauern auf diesmal an ein Ort (d. h beiseite) und ziehen zunächst gegen den Herzog; 310gelingt es uns mit dem, dann wollen wir auf dem Heimzug den Bauern also abbrennen, daß sie wollten, sie hätten Alles unterwege gelassen.« Und am 2. März, während ein Theil der Bundesräthe, um die Bauern mit Unterhandlungen hinzuhalten, in den Bauernlagern umherritt, schrieb dieser bairische Kanzler an seinen Herrn: »Das bündische Kriegsvolk ist heute allenthalben im Aufbruch. Mit Mühe ist es dazu gekommen; wie, das will ich, wenn ich anheim komme, Ew. fürstlichen Gnaden schwankweise sagen.« So lachte Eck der Ueberlistung der Bauerschaften, unter deren Augen der schwäbische Bund all sein Kriegsvolk wegzog und sie stehen ließ in Unterhandlung und in Hoffnung auf Ausgleichung ihrer Beschwerden. Eck und die Seinen waren mit sich im Reinen, wie auf diese Beschwerden einzugehen sei. »Nur für jetzt still und geheim! schrieb er am 7. März an seinen Herzog; aus den Begehren der Bauerschaft ersieht man, was die lutherische Lehre wirkt. Wildpret und Fische frei, und Niemand nichts zu geben! dieser Teufel ist nicht zu bannen ohne den Henker.« Die Aechtheit dieser Schreiben ist unbestritten. Sie liegen im Münchner geheimen Archiv. Jörg S. 407—417. Während die Bauern auf gütlichen Austrag ihrer Sache durch den schwäbischen Bund warteten, sorgten die Bundesräthe für Kriegsgelder, Pulver und Geschütz, und Eck schrieb am 9. März seinem Herrn: »Wir werden gegen die Bauern bald solchen Ernst gebrauchen, daß ihr höllisch Evangelium in kurzen Tagen erlöschen wird. Die guten, frommen Leute vom Regiment zu Eßlingen möchten im Ernst, daß man den Bauern nachgebe. Das werden wir nicht thun; wir würden dadurch unsere Reputation verlieren wie alte Huren. Der Bauern brüderliche Liebe ist mir ganz zuwider. Ich habe mit meinen natürlichen und leiblichen Geschwistern nicht gerne getheilt; geschweige, daß ich das mit Fremden und mit Bauern thäte.«

So schrieb der Bundesrath Kanzler Eck in denselben Augenblicken insgeheim, in welchen der Bund öffentlich unter seinen Augen mit den Bauern auf einen gütlichen oder rechtlichen Austrag abschloß und dadurch einen Waffenstillstand erhielt.

Denn der von dem Bund ausgegangene Vorschlag zu gütlicher Verhandlung wurde von den Bauern angenommen. Die Städte Ravensburg und Kempten vermittelten zwischen dem schwäbischen Bund und 311zwischen den Bauerschaften einen Waffenstillstand, und die vorhin von uns mitgetheilte Bundesordnung der Bauern zeigt, wie es ihnen Ernst war mit ihrem Versprechen, während der Verhandlungen sich friedlich zu halten. Die Gesandten der drei Haufen im Allgäu, am Bodensee und im Ried, welche unter sicherem Geleit des schwäbischen Bundes nach Ulm gingen, um ihre Sache vor den Bundesständen zu führen, hatten von der allgemeinen Versammlung der Bauern die Weisung, zunächst fleißig anzuhalten, daß es bei dem Vorschlag gütlicher Handlung bleibe; würde aber Solches von den Bundesständen nicht angenommen, sondern auf rechtlichem Austrag bestanden, so sollen die Gesandten die Richter nennen, welche die Bauern zu Erklärung des göttlichen Rechts ihres Vertrauens werth achten. Diese Richter, welche in der Instruktion der Gesandten genannt waren, bestanden aus folgenden Namen: Erzherzog Ferdinand als Statthalter des Kaisers mit zwei christlichen Lehrern, Herzog Friedrich von Sachsen mit Martin Luther, Philipp Melanchthon oder Pomeran (Dr. Bugenhagen); die Städte Nürnberg mit den christlichen Lehrern Osiander und Dominikus Schleupner, Straßburg mit einem oder zwei christlichen Lehrern, ebenso Zürich und Lindau. Würden diese, hieß es in der Instruktion, nicht als Richter angenommen, so sollen die Gesandten vorschlagen, die Bundesstände mögen selbst Richter auserlesen, doch sollen die Gesandten die von den Bundesständen dann Vorgeschlagenen nicht annehmen, bis die allgemeine Versammlung der Bauern ihre Zustimmung gegeben haben würde.

Für die gütliche Handlung wurden von den Bauern vorgeschlagen, vom Unterallgäuerhaufen: die zwei Bundesstände Gordian Seutter, Bürgermeister zu Kempten und Heinrich Besserer, Bürgermeister zu Ravensburg; der Bürgermeister von Memmingen und der Rath daselbst in eigenem Interesse; der Prediger zu Memmingen, Dr. Christoph Schappeler; vom Bodenseehaufen: Hans Schultes, Bürgermeister, und Zollner, Zunftmeister zu Konstanz, Hans Farnbuchler, Bürgermeister zu Lindau, und Hans Bodenmaier ebendaher; vom Baltringer Haufen: Bürgermeister Springer zu Riedlingen, Veit Maurer, Bürgermeister zu Saulgau, Herr Leopold Dick, Lizenziat von Babenhausen, Doktor Hans Zwick, Pfarrer zu Riedlingen, Ulrich Roggenburger, Lizenziat zu Kempten, Doktor Fuchssteiner, Meister Bartholomä, Prediger zu Biberach, Konrad Stark 312von Biberach und der Bürgermeister zu Kaufbeuren; Dieser wird Konrad Frey in der Instruktion der Bauern genannt. Nach den Archivakten zu Kaufbeuren gab es aber nie einen Bürgermeister dieses Namens daselbst: die Bauern irrten sich im Namen der Person, oder in der Würde und im Wohnsitz des bekannten K. Frey. vom Oberallgäuerhaufen: Heinrich Seltmann, Bürgermeister zu Kempten, Hans Heistung, Zunftmeister daselbst, Martin Lohinger, Bürgermeister zu Leutkirch, Kaspar Eberhard, Bürgermeister zu Isny, der Stadtschreiber von Isny, der Bürgermeister zu Reuthin im Ehrenberger Gericht, Herr Amman Welser zu Tanckweil und Herr Amman Erhard aus dem Bregenzer Wald.

Das waren die Männer der bürgerlichen Aristokratie, auf welche die Bauern Vertrauen setzten. Als die Gesandten derselben zu Ulm mit diesen Mittelsmännern hervorrückten unter der Vormerkung, daß, wenn ein gütliches Uebereinkommen nicht zu Stande käme, solche Handlung beiden Theilen an ihren Rechten unschädlich sein sollte: da wollten die Herren von Ulm nichts davon wissen, sie verwarfen den Vorschlag als zu weitläufig »und zu förderlicher Hinlegung dieses beschwerlichen Handels undienlich.« Am 25. März machten Heinrich Besserer, Gordian Seutter und die Gesandten der drei Haufen einen neuen Vorschlag. Von jeder Obrigkeit und deren Unterthanen, zwischen welchen Irrungen und Gebrechen wären, sollte jeder Theil zwei Schiedsmänner aus weltlichen Personen wählen, und diese vier mit Fleiß daran gehen, sie der Gebrechen halb in Güte zu vereinen und zu vertragen. Und in welchen Artikeln sie die Güte nicht finden würden, über diese sollten sich die Parteien vor denselben vier Schiedsmännern als Zusätzen und einem Obmann rechtlichen Austrags genügen lassen. Ueber diesen Obmann sollten sich die Parteien vergleichen; und wo sie sich darüber nicht vergleichen könnten, sollte jeder Theil zwei oder drei benennen, und daraus einer durch's Loos oder durch die Bundesstände zum Obmann erwählt werden. Was durch diesen Obmann und die Zusätze (Beisitzer) des Gerichts einhellig oder mit Stimmen mehr an dem mündlichen oder schriftlichen Vorbringen beider Parteien als Recht erkannt oder gesprochen würde, das sollte von jedem Theil ohne Widerrede vollzogen werden. Würden diese Vorschläge von beiden Seiten angenommen, so sollten gleich nach der Annahme die Bauerschaften der drei Haufen einander ihres Bündnisses und ihrer 313Verpflichtung ledig zählen, heimziehen und sich hinfür des Zusammenlaufens enthalten. Ihren Obrigkeiten und Herrschaften aber sollten sie, wie vor dem Anfange ihrer Verbrüderung, Gehorsam leisten; und Alles, wie bisher, ohne Widerrede bis zu Austrag der Sachen reichen und thun. Was für unbillig erkannt würde, sollte hinfür abgestellt sein, und solche Sache in einem halben Jahre demnächst, oder wie man sich deß bei Annahme des Schiedsgerichts vergleichen würde, ihre Endschaft erreichen. Jede Obrigkeit und Herrschaft sollte ihre Ungnade und alle Ungunst gegen ihre Unterthanen fallen lassen, und Niemand sich deßhalb eines Argen zu gewarten haben. Alle diese Punkte sollten verbürgt, beschworen und verbrieft werden. Um das Schiedsgericht aufzurichten, sollten die Bauerschaften einen Ausschuß aus sich mit Vollmacht nach Ulm verordnen.

Beide Theile nahmen auf diese Vorschläge acht Tage Bedenkzeit, so daß die allgemeine Versammlung der Bauerschaft längstens auf Sonntag Judica, den 2. April, ihre Antwort nach Ulm mittheilen, inzwischen nichts Gewaltsames vornehmen und Niemand in ihre Verbrüderung nöthigen sollte. Auch der schwäbische Bund versprach, in der Zwischenzeit mit thätlicher Handlung stillezustehen. Publicandum des schwäbischen Bundes, das überallhin gedruckt verbreitet wurde.

Die Gemäßigten und Vertrauenden in den Lagern hatten die Mehrheit. Die Bewegungsmänner und die Klügeren drangen nicht durch, auch der schlaue Fuchssteiner nicht.

So gelang es, die Bauern dieser drei Haufen durch heuchlerische Unterhandlungen hinzuhalten und sie in ihrer Treuherzigkeit die beste Zeit zum Schlagen verpassen zu lassen, während inzwischen eine große Gefahr für den schwäbischen Bund, der Einfall des verbannten Herzogs Ulrich, vorüberging. –


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