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Achtzehntes Kapitel.

Der Zug von Schönthal an den Neckar. Florian Geyer und Göz von Berlichingen.

Als der Orenbacher Haufe nach dem Schüpfer Grunde zog, fanden sie unterwegs einen tüchtigen Anführer. Sie kamen nicht weit von der starken Burg Giebelstadt vorüber, die dem edlen Geschlechte der Geyer von Geyersberg gehörte. Einer dieses Geschlechtes legte, wie einst Graf Rudolph von Werdenberg unter den Appenzellern, den Rittermantel ab und trat zu den Bauern, freiwillig, als ihr Bruder. Es war Florian Geyer, der schönste Held des ganzen Kampfes.

Sein Schicksal hat nur wenige Züge von ihm in die Geschichte übergehen lassen; aber diese wenigen reichen zu, seine Gestalt zu beleuchten. Es war viel von dem Geiste jenes Ulrich Hutten in ihm; die neue Zeit hatte ihn ergriffen mit ihren religiösen und politischen Trieben: er gehörte nicht mehr seinem Stand, er gehörte dem Volke, der Freiheit an. Was er vorher war und trieb, liegt im Dunkeln. Daß er in Kriegsdiensten seine Jugend verlebt hatte, erfahren wir daraus, daß er einer von denen war, welche Göz von Berlichingen in den Diensten des schwäbischen Bundes zu Möckmühl gefangen nahmen. War Florian eine Zeit lang vielleicht Hauptmann von Landsknechtsfähnlein? Sein Haufen unterscheidet sich wesentlich von den andern durch kriegerische Haltung und Uebung; man sieht, es ist eine Kriegsschaar, dieser »schwarze Haufe« unter Florian, wie er sich selbst nannte, und Herr Florian war auch stolz auf seine schwarze Schaar, und sprach von den Odenwäldern als zusammengelaufenem Gesindel. Daß er bei der Sickingen'schen Unternehmung war, und unter den geächteten fränkischen Rittern, ist fast gewiß. Auch er war mit nach Schönthal gezogen.

Zu Schönthal kam auch noch ein anderer Edelmann freundlich ins Lager der Bauern, ein weit herum bekannter Rittersmann, Herr Göz von Berlichingen.

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Zu Hornberg am Neckar saß Göz von Berlichingen auf seiner Burg, einer der kecksten Wegelagerer seiner Zeit; er hatte nur Eine Hand von Fleisch und Blut, die andere war von Eisen; er haßte die Pfaffen, er haßte die den freien Rittersmann einengenden Fürsten, er haßte die Ordnung des schwäbischen Bundes, und schmierte gern, wie er sich ausdrückte, einen Bundesrath ein wenig über den Kopf; den reichen Herren in der Stadt war er auch nicht hold; im Munde des Volks war er, da er wie Franz von Sickingen gerne einen Rechtshandel, oder sonst eine Sache des gemeinen Mannes, der mit seinem Recht nicht aufkommen konnte, zu der seinigen machte und davon Gelegenheit nahm, die großen Herren zu befehden. Man sieht, Herr Göz vereinigte in sich mancherlei Beziehung, welche ihn den Bauern angenehm machte, und diese ihm nahe brachte. Herr Göz ritt auch, als seine Brüder von ihnen bedrängt wurden, sogleich ins Bauernlager. Die Hintersassen seiner Brüder waren zu dem Bauernheer getreten. Sein Bruder Hans saß auf seinem festen Haus Jaxthausen, eine Stunde von dem Kloster Schönthal: zu Schönthal war auch das Erbbegräbniß der Berlichingen. Göz brachte es bei den Bauernhauptleuten leicht dahin, daß sie seinen Bruder ungestört ließen. Göz's Lebensbeschreibung von ihm selbst.

Göz trug sich schon hier den Bauern an. Er vermöge, sagte er, die Edelleute zu ihnen zu bringen; denn sie seien ebenso von den Fürsten bedrängt, als die Bauern. Er machte schon hier den Abschied mit ihnen, wenn sie nach Gundelsheim zu seinem Hause kommen, wolle er zu ihnen kommen. Urgicht des Bauernraths Dionysius Schmid von Schwabach, in der Sammlung des Prälaten von Schmid. Hätte Bensen Gelegenheit gehabt, dieses Aktenstück selbst einzusehen, er hätte es gewiß für vollgültig anerkannt. Die Geständnisse, obwohl durch die Folter erpreßt, sind ihm nicht in den Mund gelegt, und sehr ins Einzelne gehend. Daß er nachher widerrief, was er gegen Göz ausgesagt, dafür lagen Gründe genug vor; daß Göz es nachher anders darstellte, war nur natürlich. Göz und seine Brüder erließen auch ein Ausschreiben an die fränkische Ritterschaft, sich in 14 Tagen wohlgerüstet zu einer allgemeinen Versammlung einzufinden. Es lag der Gedanke nahe, die Volksbewegung gegen die geistlichen Fürsten zu benützen, und Sickingens Plan wieder 489aufzunehmen. Daran dachte wohl auch Göz. Von Seiten der Regierungen fürchtete und erwartete man auch, Göz werde sich an die Spitze der Bewegung stellen. Schon am Mittwoch nach Ostern berichtete der württembergische Obervogt von Schorndorf an die österreichische Regierung nach Stuttgart: »Göz von Berlichingen sei der Bauern oberster Hauptmann, wiewohl man den offen nicht dafür ausgeben dürfe.« Schreiben im Stuttgarter Staatsarchiv. Zu Herzog Ulrich stand Göz in altem Verhältniß

Zu Schönthal wurde nun von den versammelten Hauptleuten und Räthen der verschiedenen Gemeinden ein Operationsplan besprochen und entworfen. Es vereinigten sich hier alle einzelnen Haufen und Fähnlein in dem » hellen Haufen Odenwalds und Neckarthals.« Hell ist so viel als ganz, vereinigt. Es ist ein auch bei regulirtem Kriegsvolk üblicher Ausdruck. So sagt Sebastian Schertlin in seiner Lebensbeschreibung, »bei Heilbronn machte man mich (im Bauernkrieg) alsbald zum Wachtmeister über die Fußknecht des schwäbischen Bundes, über den »hellen« (d. i. ganzen) Haufen.« So erklärt Eitel-Hans, der Hauptmann des Seehaufens, dem Kloster Salem, nachdem er dieses lange in Ruhe gelassen: Jetzt müsse er auch sie huldigen lassen; denn er habe Befehl »vom hellen Haufen« erhalten, d. h von der Versammlung aller Haufen.

Während dem traf die schriftliche Antwort der Grafen von Hohenlohe zu Schönthal ein. Die Grafen schrieben, was die Artikel der Bürger zu Oehringen betreffe, so werden die Grafen ein gnädiges Einsehen haben, so weit es zulässig erkannt würde. Den Bauern schrieben sie, sie möchten sich nicht auf die gedruckten zwölf Artikel berufen; denn diese seien von den Hochgelehrten der heiligen Schrift als ungegründet erkannt worden. Sie wollen den Bauern zu Gnaden gewähren, was von den Ständen des römischen Reichs, oder in den Kreisen Rheinland, Franken, Baiern und Schwaben geordnet würde. Sie wollen alle aus der Grafschaft Ausgetretenen wieder aufnehmen, wenn sie vor den zu Oehringen aus beiden Parteien niederzusetzenden vierundzwanzig Männern zu Recht stehen würden; gegen sie, die Grafen, sollen sie das Recht nach dem Reichsgebrauch suchen; sie wollen Alles vergessen, wenn sie sich unterwerfen.

Vielen Bürgern gefiel diese Sprache ihrer Herren; so hatten 490sie sie nie reden hören. Sie waren der Ansicht, man solle die Vorschläge annehmen, doch so, daß, wenn in zwei Monaten nichts entschieden wäre, sie befugt wären, sich wieder zu versammeln. Den Bauern mißfiel die Antwort der Grafen sehr. Wendel Hipler und die Hauptleute der Bauern sahen auch in den Vorschlägen an die Bürger nur einen Versuch, Zeit zu gewinnen, und sie paßten, selbst wenn sie ernsthaft gemeint gewesen wären, nicht in ihre größeren Plane. Der Bauernhauptmann Wolf Gerber sagte: »Die zwölf Artikel und um was wir sonst geschrieben, sollen angenommen werden, dann sollen die Grafen Frieden haben bis zur Reformation: wo nicht, soll man des Bapeiers sparen.« Die Bauern stimmten bei. Es wurde noch ein paar Mal hin und wieder geschickt, und da die Grafen sich nicht bequemten, zog am Montag den 10. April der ganze Haufen nach Neuenstein, wo Graf Albrecht saß.

Er war gerade nach Langenburg geritten. Ohne Widerstand besetzten sie das Städtchen und das Schloß. Die Gemahlin des Grafen Albrecht, die in dem letztern war, flehte die Hauptleute, sie in Ruhe zu lassen; sie nahmen aber sie und ihre Diener gefangen. Albrecht Eisenhut, einen Rathsherrn von Oehringen, setzten sie als Hausmeister über das Schloß und die Dienerschaft, und er hielt so einfach Haus, daß die Gräfin sich nachher beklagte; er versäumte, ob er wohl sonst zu Hof gewesen war, »ihrer Gnaden etwa ein gut Bißlein zu geben.« Alle Vorräthe an Frucht und Wein, alles Kriegsgeräthe nahmen die Bauern an sich. Der helle Haufen war gegen 8000 stark. Sie entboten dem Grafen Albrecht und seinem Bruder Georg, sie mögen zu ihnen kommen, und sich mit ihnen vertragen; wo nicht, so würden sie das Städtlein und das Schloß, und was darinnen wäre, auch andere Häuser der Grafen verbrennen. Auf das begaben sich die beiden Grafen des andern Tages, es war der Dienstag nach dem Palmtag, zu den Bauern, nachdem sie von diesen einen mit einem pfälzischen Siegel gesiegelten Geleitsbrief erhalten hatten. Auf dem Grünbühl, einem kleinen Weiler zwischen Waldenburg und Neuenstein, einem der ersten Signalpunkte des hohenlohischen Aufstandes, trafen die Grafen im freien Feld mit den Hauptleuten der Bauern zusammen. Graf Albrecht schlug ihnen manchen Weg zur Ausgleichung ihrer 491Beschwerden vor, und bat namentlich, sie möchten sich an dem Ausspruch eines Schiedsgerichts genügen lassen. Aber er mochte nichts von ihnen erlangen. Wendel Krees von Niedersall trat die Grafen an und sagte: »Bruder Albrecht und Bruder Georg, kommet her und gelobet den Bauern, bei ihnen als Brüder zu bleiben und nichts wieder sie zu thun. Denn ihr seid nimmer Herren, sondern Bauern, und wir sind Herren von Hohenlohe; und unsers ganzen Heeres Meinung ist, daß ihr auf unsere zwölf Artikel, welche von Schönthal euch zugekommen, schwören, und mit uns auf 101 Jahr zu halten euch unterschreiben sollt.« Aus Archivquellen in der Dissertation des Andreas Seyboth, Handschrift in Schmid's Sammlung. In Betracht, was für Schaden und Verderben ihnen und den Ihrigen aus einer Weigerung entstehen möchte, machten die Grafen einen Anstand und Vertrag mit den Bauern, bis auf eine künftige Reformation, die sie, wie sie sagten, mit andern Bauern zu machen vorhaben. Schreiben der Grafen an Hall, bei Hoffmann, Handschrift. Als die Grafen das Handgelübde auf die zwölf Artikel thaten, mußten sie ihre Handschuhe ausziehen, während die Bauern die ihrigen anbehielten. Aussage des Claus Salw. Solches und Aehnliches mußten die Grafen hören, sehen und leiden, »so daß ihro Gnaden die Augen übergingen.«

Als beim hellen Haufen bekannt wurde, daß die Grafen in die christliche Brüderschaft eingetreten seien, feierte er das Ereigniß mit 2000 Flintenschüssen. Dem Vertrage gemäß mußten die Grafen alle Die sogleich ledig lassen, welche sie wegen des Anstandes gefänglich eingezogen hatten.

Gleich darauf verlangte Georg Mehler Geschütze und Pulver von den Grafen. Diese weigerten sich dessen, weil im Vertrage nichts davon gesagt sei. Die aus der Haller Landwehr hatten die Haller bei dem hellen Haufen verklagt, und Georg Metzler schrieb von Oehringen aus, wohin der helle Haufen aufbrach, an die Gemeinde zu Hall, als seine lieben Brüder und guten Freunde, wie sie zu Erleichterung und Milderung etlicher hoher und großer bedränglicher Beschwerden einen freundlichen, brüderlichen und christlichen Zug mit einem versammelten Volke vorgenommen haben, wie 492ihnen dazu Büchsen und Pulver nöthig seien, und wie sie nun die Haller Gemeinde freundlich ersuchen wollen, zu Vollendung solches Zuges ihnen vier gute Nothschlangen und vier Tonnen Pulvers zum Haufen zu schicken. Schreiben bei Hofmann, Handschrift. Zu Oehringen ließen sie sich auch eine neue Fahne machen, von Seide, gelb, braun und grün gestreift. Während sich beim Abzug aus Oehringen viele Fähnlein der von dem Taubergrund nach Schönthal gekommenen Abtheilung von dem hellen Haufen trennten, und dem verabredeten Plane gemäß nach der Tauber zurück gingen, zog die »schwarze Schaar« unter Florian Geyer, die er aus dem Kerne der Franken, den gedienten Kriegsknechten, gebildet hatte, mit dem Hauptheer unter Georg Metzler und Jäcklein Rohrbach dem Neckarthale zu. Noch zu Schönthal hatten sie Wendel Hipler zum Kanzler des hellen Haufens erwählt.

Zunächst ging unter Jäcklein eine Abtheilung von 400 nach dem Frauenkloster Lichtenstern, von dem sie 500 Gulden Brandschatzung forderten, »dann wollten sie das Kloster freien.« Der Konvent aber war schon nach Löwenstein geflohen. Der helle Haufen zog ins Weinsberger Thal, plünderte Waldbach und verstärkte sich mit den Bauern der württembergischen Dörfer in diesem Thal. Von dem einen Theile der Einwohner wurde er mit Furcht, von dem andern mit Freuden empfangen. »Was reich, was ehrbar war, wurde voll Furcht vor dem mit Geschützen und gegen dreitausend Handbüchsen heranziehenden Haufen: dem verlorenen Volk aber, das nicht viel hatte, war wohl dabei und es lief dem Haufen zu.« Bericht des Kellers von Weinsberg im Stuttgarter Staatsarchiv.

Jäcklein plünderte indessen Lichtenstern, und zog dann nach Löwenstein, um die beiden Grafen von Löwenstein, Ludwig und Friedrich, in die christliche Brüderschaft zu zwingen. Die Grafen waren entflohen, und sie wurden unter Bedrohung der Verwüstung aller ihrer Güter aufgefordert, sich in diesen Tagen persönlich im Lager der Bauern zu stellen.

Der Punkt, den der helle Haufe zunächst ins Auge faßte, war das deutschordensche Städtchen Neckarsulm. Jäcklein Rohrbach hatte viele deutschordensche Unterthanen in seiner Schaar, und diese 493waren lustig, die Güter der Ordensherren in Besitz zu nehmen; überhaupt galt es, die Bauerschaften des Neckars an sich zu ziehen, dann ins Zabergäu sich zu wenden, und das offen liegende Land, Württemberg in den Bund aufzunehmen, ehe man nach Franken zurück ginge, um dort den Hauptschlag auszuführen. Der Zug war etwas Leichtes; sie hatten hier kein Bundesheer vor sich, wie es die Bauerschaften in Oberschwaben hatten.

Während der Haufen noch im Weinsberger Thale lag, verbreitete sich das Gerücht, Reisige der Grafen von Hohenlohe streifen umher und fangen einzelne Bauern auf, welche dem Haufen zuziehen wollten; auch daß die Grafen die verlangten Feldstücke noch nicht nachgeschickt hatten, schien auf Feindseligkeit zu deuten. Es verlautete ein Geschrei im Haufen, man solle umkehren, Neuenstein verbrennen, die Grafen todtschlagen. Wohlmeinend ritten Albrecht Eisenhut der Rathsherr und Hans Wittich von Ingelfingen zu den Grafen, warnend und bittend, zwei Nothschlangen wenigstens den Bauern zu leihen. Jäcklein setzte es durch, daß es vorwärts auf Neckarsulm zuging. Er hatte dort unter den Bürgern längst Verständnisse; so wurde das Städtchen leicht besetzt. An Weinsberg waren sie vorüber gezogen, ohne es anzugreifen, am 14. April.


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