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Fünfzehntes Kapitel.

Anfang im Limpurgischen und die Gottwoltshäuserposse im Hallischen.

In der Landschaft der Reichsstadt Hall, durch die der Kocher fließt, zeigten sich schon frühe Spuren von einer Hinneigung zum Aufstand, und als an andern Orten die Bauern wirklich aufzustehen anfingen, hörte man hallische Bauern es laut aussprechen, daß sie ihnen des Evangeliums wegen beistehen möchten. In Hall selbst predigte nicht nur seit mehreren Jahren der berühmte Reformator Johannes Brenz evangelisch, sondern insbesondere seit Anfang des März »vom Gehorsam der Unterthanen gegen ihre Obrigkeit,« und die reichen Bürger in der Stadt, die Herren hörten ihn gar gerne: dagegen hatten die Hörigen, die leibeigenen Bauern, die armen Leute, auch ihre Prediger, die ihnen vortragen, was ihnen mehr gefiel. Da war Johann Molz, ein junger Präceptor im Barfüßerkloster der Stadt; der predigte schon im vorigen Jahre draußen auf den Kirchweihen den Bauern von der christlichen Freiheit. Da war neben ihm der Pfarrer zu Orlach, der besonders scharf wider den kleinen Zehnten predigte. Diese Beiden waren es auch, durch deren Hände später die zwölf Artikel in diesen Gegenden sich zuerst verbreiteten. In der Mitte März kamen etliche Bauern vor den Rath, unter denen einer anzeigte, wenn es des Rathes Wille und nicht wider Pflicht wäre, wollte er wohl den Bauern, die das Evangelium retten wollen, zuziehen. »Das ließ man eine unnütze, thörichte und unverständige Rede sein.« Gleich darauf erfuhr man, daß sich 468etliche zu Jungolzhausen, Elßhausen, auf dem Grünbühl, besonders aber zu Braunsbach versammeln und verbinden. Der Rath beschickte sie; sie verblümten aber ihre Sache so, daß man sich nichts Böses versah. Sie schoben es auf die hohenloheschen Bauern. Der Rath warnte deßhalb die Brüder Albrecht und Jörg, Grafen von Hohenlohe, die auch darüber Kundschaft hatten, und mit etlichen Pferden in ihrem Gebiet umherstreiften, um der Zusammenrottung zuvorzukommen.

Inzwischen handelte der Rath zu Hall mit seinen Bauern so gütlich, daß sie sich alle friedlich und ruhig erzeigten. Aus der Landschaft wurde verkündigt, wer des Seinigen sicher sein wolle, solle es in die Stadt flüchten, sowohl vor den Bäurischen als vor den Bündischen, welche auch kommen und »Kochfleisch bei ihnen holen könnten.« Alles, was die aufrührigen Bauern anderer Herrschaften erlangten, und ehe mehr, wolle ihnen der Rath angedeihen lassen, wenn sie stille sitzen und handeln, wie es frommen Leuten anstehe. Abgeordnete des Rathes verkündigten das in den Pfarreien herum. Vor und nach der Verkündigung flüchteten viele Bauern das Ihrige in die Stadt; doch wirkte es nicht überall. In der Gemeinstube zu Reinsberg riefen zwei alte Bauern den Abgeordneten in Gegenwart ihres Pfarrers zu: »Wir sind lang unter dem Bank gelegen, wir wollen auch einmal auf den Bank.« In kurzer Zeit nahmen auch die, welche ihre Habe nach Hall hinein geflüchtet hatten, nicht nur diese wieder hinaus, sondern auch ihre Kinder, die in der Stadt dienten.

Der Hauptsitz der Bewegung in dieser Landschaft war Gaildorf, die kleine Residenz der Schenken von Limpurg. Im Gotteshaus zu Gaildorf, auf der Emporkirche, hielten Jörg Bez von Muthlangen, Paul Bader von Rupertshofen, Alt Weberhans von Gschwend, Wekermichel von Welzheim, Schreinerjörg von Gaildorf, der Schneider von Bibersfeld, Jörg Bader von Bebingen und Held der Pfarrherr zu Bühlerthann die ersten Berathungen. Sie veranstalteten zuerst zu Gaildorf, dann zu Mecklingen, Schächingen, Hohenstadt und an andern Orten Bauernversammlungen. Die Art des Verkehrs und der Einberufung war, wie überall, einfach und schnell. Die Häupter schickten ihre Boten in die ihnen nächsten Orte an einen oder den 469andern Mitwissenden, und dieser entbot dann den von ihm schon Eingeweihten auf die Wiese gen Hohenstadt, auf den Anger zu Jeckingen, oder wohin gerade die Hauptleute zur Versammlung einluden; bald wurden alle eingeweihten Bauern, bald nur zwei oder drei aus der Gemeinde erfordert. Bekenntniß des Michel Rupp, genannt Mullmichel von Ruppertshofen, in der Sammlung des Prälaten von Schmid.

Zu Hauptleuten wählten sie Benderhans von Gaildorf, Wekermichel von Welzheim, Jörg Bez von Muthlangen, Jörg Bader von Böbingen, Jörg Rauber und Brändlin von Alfdorf. Ihr Schreiber oder Kanzler war Wolfgang Kirschenesser, der Pfarrherr zu Frickenhofen. Waibel und Zugmeister waren Mullmichel, Paul Bader, Engel Schneider von Muthlangen und Anchter Adam von Schächingen. Ihr Prädikant in den Versammlungen zu Gaildorf, der ihnen von der evangelischen Freiheit predigte, war Leonhard Rupp, Mullmichels Bruder. Bald hatten sie vom Limpurgischen aus über das Ellwangische und Hallische und viele kleine Herrschaften ihre Verbindungen ausgebreitet. Mullmichel und Kapfhans von Thierhausen gehörten zu den Wildesten: dieser wollte den Schenken Wilhelm von Limpurg erschießen; jener hing zuerst einen Hut an einen Halbspieß und schrie, man müsse vorwärts ziehen, den Adel und die Städte zwingen, daß sie zu ihnen schwören, das heilige Evangelium zu handhaben; wo sie das nicht thun, müßte man die alle erschlagen. Diejenigen Bauerschaften, die nicht gleich sich ihnen anschloßen, zwangen sie durch Drohungen und durch Gewalt. Dahin, dorthin, zog je ein Hauptmann mit seiner Schaar in ein Dorf, einen Weiler, die noch Unschlüssigen »zu fahen:« so Brändlin von Alfdorf mit denen von Herlikofen, Zimmerbach, Thann und Spreitbach, nach Ruppertshofen; so wurden die Bauern zu Eschach und Holzhausen unter Beiwirken des Mullmichel in die Verbrüderung gedrungen; Bekenntniß des Mullmichel. so wurden Hintersassen des Balthasar Adelmann von Adelmansfelden zu Schächingen aus ihren Betten gerissen und mit zum Haufen gewaltsam geschleppt; wollten sie wieder heimkehren, hielt man sie mit Gewalt zurück. Balthasar Adelmann selbst wurde ungewarnt aus seinem Schlafbett gezogen und zu einer Zusage 470gedrungen; Schreiben Adelmanns an den Schwäb. Bund, Ulmer Archiv. so zogen die Hintersassen Wolfs von Rechberg zu Hohenrechberg nur durch Drohung und Zwang zu dem Haufen. Schreiben des Rechbergers an den Schwäb. Bund, ebendaselbst. Den hallischen Bauern zu Ottendorf am Kocher schrieben sie: Wir entbieten euch evangelische und brüderliche Liebe und bitten Euch, daß Ihr auf Bescheid Peter Grüns zu uns unverzüglich treten und bei uns in dem hellen Haufen erscheinen wollet, evangelische Liebe und Brüderlichkeit zu erobern. Wo Ihr solches thun werdet, wird es uns eine große Freude sein; wo nicht, werden wir Euch dermaßen suchen, daß zu besorgen ist, es werde Euch nicht wohl kommen. Darum versehen wir uns zu Euch, daß Ihr auf Mittwoch zu Morgen zu uns kommt. Peter Grün wird Euch weisen.

Die Ottendorfer verlangten von dem Rath zu Hall Anweisung, wie sie sich hiebei verhalten sollen. Dieser rieth ihnen, ihre beweglichen Güter nach Westheim zu flüchten, und versprach ihnen Schutz. Sie fanden es für gerathener, sich an den Gaildorfer Haufen anzuschließen. Indem kam Botschaft, daß in der befreundeten Reichsstadt Rottenburg die Gemeinde aufgestanden war. Der Rath zu Hall fragte seine Bürger Mann für Mann, was sich der Rath zu ihnen zu versehen habe, und alle antworteten, daß sie ihrer Pflicht getreu bei ihm leben und sterben wollen. So sah sich der Rath im Innern der Stadt sicher. Hermann Hofmanns, gleichzeitigen Stadtschreibers zu schwäbisch Hall, Beschreibung des Bauernkriegs um Hall, Handschrift in der Sammlung des Prälaten von Schmid.

Am Sonntag Judika 2. April war es, als der Haller Rath der Treue der Stadt sich so versicherte. Aber in derselben Nacht standen die Bauern in der hallischen Landwehr auf. Zu Braunsbach in der Mühle waren den Tag über sieben Bauern, lauter Verbrüderte und Eingeweihte, beim Glase gesessen. Abends erhoben sie sich, »die göttliche Gerechtigkeit zu beschirmen.« Sie liefen durch den Flecken, riefen die andern Bauern in die Waffen und zogen noch in derselben Nacht vorwärts. Sie zogen nach Orlach, von da nach Haßfelden. Nachts um 10 Uhr umstellten sie schon zu 200 Mann den Kirchhof zu Reinsberg, wurden vom Pfarrherrn Herold 471eingelassen, ließen sich von ihm mit Brod und Wein bewirthen, und nöthigten ihn, mitzuziehen; »oder, riefen sie, Alles genommen und todtgeschlagen!« Um Mitternacht kamen sie nach Altenberg. Der Pfarrer entlief im Hemde. Sie machten sich daran, »die Kisten zu fegen.« Seine drei Pferde zogen sie hervor, zwei spannten sie an den Wagen, den sie mit dem Brodkasten und Speisbehälter aus der Pfarrküche beluden; auf das Reitpferd setzte sich der Hafen-Stephan aus Aspach und ritt lustig dem Schwarm vor, der jetzt Ilshofen heimsuchte. Hier fingen sie den Schultheißen. Dieser mußte als Gefangener mit, wie Hans Herold, der Pfarrherr von Reinsberg. Damit dieser als Prediger bei ihnen bleiben und nicht entspringen könnte, ging ein Bäuerlein mit der Büchse und der brennenden Lunte hinter ihm her. Zu Enslingen schloß sich der Leutpriester freiwillig ihnen an: »Er wolle das lieber thun, sagte er, als am Altar beim Wein possiren.« Zu Gelbingen und Hagenbach schloßen sich viele Bauern lustig an. Ueberall, wo sie durchkamen, leerten sie die Opferstöcke und die Wohnungen derjenigen Pfarrherren, die entflohen waren; auf den Landhäusern und Thürmen nahmen sie die Hacken- und andere Büchsen, Pulver, Blei, Stein und was sie habhaft werden konnten. Auch hallische Bürger, die von Nürnberg kamen, zwangen sie zu ihrem Zuge, und hallische Mezger, die ihrem Gewerbe nachgingen. Montags frühe war der Schwarm auf 400, Montag Abends auf 2 bis 3000 angewachsen. Als Rudolph von Eltershofen der Jüngere zu Hall vernahm, daß die Bauern den Weg nach Eltershofen eingeschlagen haben, eilte er seinem Hofe zu. Die Eltershöfer waren durch ihren Adelsstolz bekannt und unbeliebt; Rudolph der Aeltere hatte im Jahre 1512 mit andern Edeln Hall verlassen, weil er mit keinem aus den Zünften, keinem Mittelburger und Handwerker auf der Rathsbank der Stadt sitzen wollte. Ehe der jüngere Eltershofen sein Haus erreichen konnte, waren die Bauern schon da, und er war nur gekommen, um von ihnen zum Mitzug gezwungen zu werden. Des Nachts kamen sie nach Gailenkirchen, leerten den Opferstock und plünderten den Pfarrer, der nicht daheim war, rein aus: Pfarrhäuser überhaupt leerten sie mit besonderem Behagen.

Es war eine possierliche Heerschaar, diese hallische. Außer 472dem Hafenstephan waren jetzt noch zwei andere Hauptleute bestellt, Hädle von Enslingen, der Hammenstricker, und Leonhard Seitzinger aus Geislingen, am Zusammenfluß des Kochers und der Biber. Ihre Kriegskenntnisse zeigten sich dadurch, daß sie die Hacken- und andern Büchsen auf Wagen hinten nachführten, wie Scheiter Holz; Leute auszusuchen und dabei zu bestellen, die sie hätten bedienen können, daran dachte keine Seele, so wenig als an einen möglichen Angriff von Seiten der Haller. Sie behandelten die Sache als einen Spaziergang von Ort zu Ort bis nach Hall; unterwegs wollten sie mitnehmen, was sich bot, zuletzt die Stadt selbst. Zu Westheim im hallischen Rosengarten lagen besonders viele hübsche Sachen bei einander; dorthin war viel geflüchtet worden; auf diese freuten sie sich. Sie näherten sich noch Montag Nachts der Stadt Hall, und während die Beutemeister, »die Kistenfeger und Seckelleerer,« nach Werkershofen entsendet wurden, lagerte sich der kriegerische Haufen über dem Landthurm, über Gailenkirchen, Gottwoltshausen zu, jenseits der Klinge, und verschlief die Nacht vom 3. auf den 4. April in Träumen von der Beute im Rosengarten.

Von der Stadt her klang das Frühgeläute »Ave Maria.« Plötzlich knallt ein Schuß über die Schläfer hin; ihm folgt ein zweiter, ein dritter, ein vierter, ein fünfter. Schon beim ersten Schuß entsteht »ein Zappeln unter den Bauern, als ob es ein Ameisenhaufen wäre, und ein Daddern, als wäre es ein Haufen Gänse«; Herolt's Hallische Chronik, Handschrift auf der Stuttgarter öff. Bibliothek, hist. fol. 110 u. 569. hier schreit einer, flieht, flieht! dort einer: bleibt, sammelt euch, steht! Und wie wieder ein Blitz durch's Dunkel der Dämmerung leuchtet, heißt es bei den Bauern wörtlich Knall und Fall: sie werfen sich auf den Boden; »hie fallen sechs, da zehn, dort noch viel mehr, daß man meint, sie wären alle erschossen.« Die Einen verstecken sich in Hecken und Hohlwege, Andere laufen, was sie können. Als kein Blitz mehr gesehen, kein Knall mehr gehört wird, stehen auch die Gefallenen wieder auf, »wie die Juden am Oelberg.« In wenigen Minuten ist Alles flüchtig auseinander gestoben, das ganze kriegerische Heer zerstreut – durch eine Handvoll Haller zu Fuß, etliche Pferde und fünf Falkonetschüsse.

473

Auf eingezogene Nachricht von dem Zuge der Bauern hatte sich der innere und äußere Rath zu Hall noch in der Nacht vom Montag auf den Dienstag versammelt und beschlossen, einige Fähnlein ihnen entgegen zu schicken, um den Riegel bei dem Dorf Gottwoltshausen zu wahren. Sie brachten 4—500 Mann zu Fuß mit 40 Pferden, meist Bürger und Handwerksgesellen, zusammen, und ließen sie zwei Stunden vor Tag aus den Thoren abgehen, mit fünf Feldschlangen. Mit erschrockenem Herzen zogen die fünfhundert hinaus; denn das Gerücht hatte die Zahl der Bauern noch größer gemacht, als man sie durch die Kundschafter wußte. Um im Dunkel wenigstens sich orientiren zu können – man wußte nicht einmal die Stellung der Bauern – ließ der Stadtmeister, Michael Schlez, eine der fünf Schlangen abfeuern, und erstaunte über den Erfolg. »Hafenstephan, der erst so freudig war, erzählt der Augenzeuge Hans Herolt, floh am ersten, deßgleichen die andern Heerführer. Es war kein Bauer getroffen; denn das Geschütz ging Alles zu hoch. Nur etliche alte Bauern, die nicht schnell fort kommen konnten, wurden gefangen. Kein größeres Wunder und Laufen habe ich mein Lebtag nie gesehen: es ward keiner geschossen, und waren die Lahmen gerad, die Alten jung, liefen Alle gleich, so sehr sie mochten. Sie hatten die Pfaffen zu hinderst in ein Glied gestellt, bei denen ich als Gefangener auch war.«

Die Haller erbeuteten sechs Wagen mit Proviant und Munition. Da war Frucht, Mehl, Wein, Brod, Hühner, Fleisch, Geschoß und Pulver, Alles beisammen und untereinander. Die Beute wurde vom Rath unter die ausgezogene Mannschaft vertheilt; jeder Bürger bekam noch dazu drei Schillinge, jeder fremde Handwerksknecht vier. Des andern Tags entließ der Rath die gefangenen alten Bäuerlein wieder. Da kam die beiden folgenden Tage eine große Anzahl Bauern nach Hall und bat demüthig um Verzeihung, sie seien gedrungen worden und haben die Sache nicht verstanden. Man entließ sie auch mit einem ernstlichen Verweis, ohne weitere Strafe, doch mußten sie den Beschädigten Ersatz leisten. Die hallische Landwehr war keine Rottenburgische. Hall hatte seit Menschengedenken keine Fehde von irgend einer Bedeutung gehabt; darum waren seine Bauern kriegsunkundig und unkriegerisch geblieben. Die bei der 474Bewegung hauptsächlich Beteiligten flohen in's Hohenlohesche, wo die Oehringer sich so eben erhoben hatten, um mit diesen an das evangelische Heer in Schönthal sich anzuschließen. Handschriften der Augenzeugen Hoffmann und Herolt.


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