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Achtes Kapitel.

Der Bundschuh zu Lehen. Aus den von Heinrich Schreiber bekannt gemachten Aktenstücken neu bearbeitet.

Auf den Schlag, der den Bundschuh im Bruchrain auseinander warf, folgte eine Todesstille von mehreren Jahren unter den Bauern; aber nicht, weil die Bauern muthlos geworden waren oder an ihrer Sache verzweifelten, sondern weil sie die Herren sorglos machen wollten. Die Gesinnungen waren, wie die Verhältnisse, die alten geblieben. Die meisten Flüchtlinge hatten in die freie Schweiz, viele auf den Schwarzwald, in den Breisgau, in das Württembergische sich begeben. Sie hatten und fanden allenthalben Freunde. Wo sie hinkamen, fanden sie das gleiche Elend, dieselbe Sehnsucht nach Aenderung. Tief in's Herz von Württemberg hinein hatte sich schon 1503 dieser Bruchrainer Bundschuh verzweigt: im Jahre 1514 sagte ein Gefangener des »Armen Konrad's« aus, ihre Verbrüderung im Lande habe schon vor elf Jahren begonnen, und zuerst Bundschuh geheißen. Urgicht im Stuttgarter Staatsarchiv, Malefiz-Akten.

Und es waren Manche darunter, deren Sache nicht Wortemachen und Klagen war, sondern die That; die, weil die ersten Entwürfe, ehe sie reiften, durch Verrath scheiterten, nicht gesonnen waren, das Ganze aufzugeben.

Unter diese gehörte Joß Friz, geboren und seßhaft in Untergrumbach, und einer der »rechten Ursächer« des dortigen Bundschuhs. – Auch ihm war es gelungen, der Gefangennahme und dem gewissen und qualvollsten Tode, der ihn unter Henkershand erwartete, durch die Flucht sich zu entziehen. Jahrelang trieb er sich unerkannt 41in den oberen Landen um; aber auch in der Verbannung und auf der Flucht verlor er sein Ziel und seine Hoffnung nicht. Wer weiß, was er will, der hat etwas Unbezwingliches in sich, der legt, wenn es ihm zehnmal fehlgeschlagen, das elfte Mal in Muth und Hoffnung Hand an ein Geschäft. So trug auch Joß Friz seinen ersten mißlungenen Anschlag immer lebendig in der Ferne mit sich herum; aber er wußte seine Gedanken in sich zu verschließen, bis er den rechten Augenblick und Ort und die rechten Leute vor sich zu haben glaubte.

Es war ihm von der Natur ein günstiges Aeußeres gegeben, welches er durch eine gewählte Kleidung zu heben wußte. Er erschien bald in schwarzem, französischem Rock und weißen Hosen, bald kleidete er sich roth und gelb, bald ziegelfarb und grün. Auch sein Auftreten und Benehmen zeichnete ihn vor dem gemeinen Manne aus. Er hatte Feldzüge und Schlachten mitgemacht, und daher war ihm auch die äußere Haltung und Würde eines Kriegsmanns eigen. Er besaß überdies die Gabe der Ueberredung und der Verstellung, und jenes Etwas, von welchem sich unwillkürlich die Menschen beherrschen lassen. Er verstand es, dem Unglaubigen Glauben und Hoffnung, dem Zaghaften Muth und Zuversicht einzuflößen, seine Rede dem Charakter eines Jeden, zu dem er sprach, anzupassen, und diesen von der materiellen, jenen von der religiösen Seite für seine Gedanken zu gewinnen. Nicht Wochen und Monate, Jahre ließ er sich nicht ermüden, um die abgerissenen Fäden seines Planes da und dort wieder anzuknüpfen zu einem neuen Gewebe.

Am See, zu Lenzkirch und Stockach, wo er sich mit Else Schmid verheirathete, auf dem Schwarzwald hin und her, zu Villingen, zu Horb nahm er abwechselnd längern Sitz oder kürzern Aufenthalt.

Um das Jahr 1512 etwa begab er sich in die Nähe von Freiburg im Breisgau und machte sich in dem eine Stunde von der letzten Stadt entfernten Dorfe Lehen seßhaft, welches dem Edeln Balthasar von Blumeneck zugehörte. Hier wußte er sich sogar die Stelle eines Bannwarts zu verschaffen. Der Boden schien ihm gut, die Zeit günstig.

Zuerst ließ er sich nur in allgemeinen Klagen über die sittliche und materielle Verschlechterung der Zeit vernehmen, wenn er in den Schenken oder vor ihren Hütten mit seinen Mitbürgern ins Gespräch kam. Wenn sie so bei einander saßen, die armen Bauersleute, 42aufmerksam um ihn her, dem neuen, viel und weit herumgekommenen Bannwart Joß Friz und seiner Rede lauschten, wußte er gar schön es vorzutragen, wie Rechtschaffenheit und Gottesfurcht immer mehr aus der Welt verschwinden und Gotteslästern, Wuchern, Ehebrechen, Zutrinken und Uebelthaten aller Art so merklich über Hand nehmen, ohne Einsehen und Strafe von Seiten der Obrigkeiten. Dann ließ er vom Religiösen und Sittlichen aus den Faden seiner Rede in die Politik hineinlaufen, und Anfangs nur leise sich verlauten, wie der arme Mann doch gar sehr von seiner Herrschaft beschwert wäre, und wie es, wenn es so fortgehe, zuletzt ein schweres Ende nehmen und der gemeine Mann selbst darein sehen müsse. Es war weit, das Feld der herrschaftlichen Sünden, auf dem er sich so ergehen konnte, und da er nur freimüthig heraussagte, wovon Jeder die bittere Wahrheit an sich selbst verspürte, und da sie fühlten und sahen, wie er nicht nur in dem, was er rügte und abgestellt wissen wollte, vollkommen Recht hatte, sondern wie es ihm auch aus dem Herzen kam, hingen nicht nur ihre Augen, auch ihre Herzen sich an ihn. Er hatte nicht nöthig, aus Anhang nur bei Denen zu rechnen, »welche ihre Güter höher als sie ertragen mögen, versetzt, und dazu ihre Gemüther allweg auf viel Zehrung und wenig Arbeit gestellt hatten.« Er mußte Anklang finden bei Allen, welche nicht mit dem Muthe das Gefühl ihrer Lage verloren hatten.

Mit großer Klugheit wußte er das Gefährliche dessen, auf was er hinaus webte, im Hintergrunde zu halten. Lange und oft sprach er von nichts, als nur von dem Drückenden ihrer Lage, von der Schlechtigkeit der Zeit. Erst als er den Boden sondirt, aufgelockert und bereitet hatte, säete er, ein Korn nach dem andern, den Samen seiner Entwürfe vorsichtig darein. Als er das Bewußtsein ihres Elends und das Vertrauen in ihnen lebendig sah, rückte er heraus: sofern sie ihm geloben zu schweigen, so wolle er ihnen etwas sagen, das ihnen zu Nutz und Gut kommen möchte.

Dann redete er einzeln mit Jedem, so, wie er dessen Art und Weise kannte. War es einer mit ängstlicherem Gewissen, der ihn fragte, ob die Sache, die er zu verschweigen geloben solle, ehrlich sei, denn, sei sie unehrlich, so wolle er nichts davon hören: so redete er zu ihm »einfältiglich,« »so süß, daß Jeder meinte von 43Stund an selig und reich zu werden,« »wie aus argem Einsprechen des Teufels,« wie die Untersuchungs-Akten sich ausdrücken. Das, sprach er, was er ihnen sagen wolle, sei eine ehrliche Sache, eine Sache, die für ihn und viele fromme Leute wäre; es handle sich um ein Vornehmen, welches göttlich, ziemlich und recht sei. Und wenn dann der Bauer das Stillschweigen gelobt hatte, so entwickelte er seine Gedanken zu einem Verein aller Gedrückten, und wie schon Viele sich mit ihm vereint haben, und wenn sich der Angegangene noch nicht entschließen wollte, versicherte er ihn, sie wollen nichts Anderes handeln, als was die heilige Schrift enthalte und auch für sich selbst göttlich, billig und recht sei. Und mit dieser Rede ging er hinweg, und überließ vorerst Jeden sich selbst.

Einen Andern trat er an, indem er ihn in seinem Hause besuchte: »Du siehest, wie es uns geht, daß wir heute um Dies und morgen um das Andere kommen, und daß man uns nicht bleiben lassen will bei unsern alten Bräuchen, Rechten und Herkommen. Willst du uns auch helfen zu der göttlichen Gerechtigkeit, so mußt du schweigen und davon Niemand was sagen.« Sprach dann dieser, wo er wisse zu helfen, dazu sie Glimpf, Fug, Ehr und Recht haben, das wolle er gerne thun; so redete Joß weiter: »Wir wollen allein Dem leben, was göttlich und billig ist, und die großen Wucherer, und was nicht göttlich noch billig ist, abthun, und so einer gezinst und die bezahlten Zinse dem Kapital gleich kommen, fürder nicht gedulden, daß sie weiter gegeben werden sollen. Sodann soll auch keiner seinen Herren und Obern künftig mehr denn zum Jahr einen Frohntag thun, und wir wollen es uns unterstehen, uns selbst bei unsern Bräuchen, Rechten und altem Herkommen zu handhaben, aus welchen wir bisher von unsern Junkern gewaltiglich und ohne Recht gesetzt und gedrungen sind. Denn du weißest wohl, wie wir der Wirthschaft halb mit unserem Junker lange Zeit bei kaiserlicher Regierung zu Ensisheim gerechtet und daselbst mit Urtheil und Recht erlangt haben, daß jeder Hintersaße im Dorfe Lehen möchte Wirthschaft halten und treiben frei und ohne alle Beschwer; wie aber unser Junker wider Brief, Siegel und erlangtes Recht uns dies gewehrt, uns aus unserem guten Recht gedrungen und die Wirthschaft an Andere um Geld verliehen hat. So und anders mußten wir seither Gewalt und Hochmuth erleiden!« Damit schied er auch von diesem, ohne ihm für diesmal weiter zu entdecken.

44

Solche hingeworfenen Worte gruben sich tief in das Gewissen der Zuhörer, sie trugen sie in sich herum und kamen wieder zu Joß. Jetzt ging dieser weiter heraus und sprach davon, wie eine ganz andere Verfassung des Reiches nothwendig sei, und wie, wenn sie zur bestimmten Stunde, am bestimmten Orte sich einstellen wollten, sie ihn und Andere finden würden, und Manches hören und besprechen könnten.

Da, wo die Straße von Lehen nach Munderhofen sich hinzieht, den Wald entlang, jenseits der Dreisam, liegt ein einsamer Wiesengrund, die Hartmatte genannt. Hieher bestellte Joß die Einzelnen zur geheimen Versammlung. Die Stunde, die er dazu wählte, war der Uebergang der Abenddämmerung in Nacht. Hier sprach er nun davon, wie es, wenn es besser gehen solle, nöthig sei, daß sie künftig keinen Grundherrn mehr haben, überhaupt keinen andern Herrn, als Gott, den Kaiser und den Pabst, daß Jeder an dem Ende, da er gesessen sei, um Schuld vor dem Richter vorgenommen werden sollte, und nicht da und dort in weiter Ferne herumgezogen. Darum müssen die rottweilischen Gerichte abgethan und die geistlichen Gerichte allein auf geistliche Sachen beschränkt werden. Auch müsse dem Pfründenunwesen der Geistlichen gesteuert und Jedem, der zwei oder drei Pfründen habe, nur eine gelassen, und mit den andern ein solcher, der keine habe, ausgestattet werden. Auch seien sie unbillig mit Steuern und Zöllen belastet, und die ewigen Fehden seien des Volkes Verderben; es müsse darum ein beständiger Frieden in der ganzen Christenheit aufgerichtet werden, jeder gemeine Mann aber seine alte ursprüngliche Freiheit wieder erlangen, und Wald, Weide, Wasser und Jagd allen gemein, von dem Ueberfluß der Klöster und Stifter aber der Armuth aufgeholfen werden.

Das mißfiel den Versammelten nicht; es waren Arme, Leibeigene, Heruntergekommene oder Mißvergnügte, welche auf die Hartmatte kamen. Als er ihnen aber einen neuen Bundschuh als das einzige Mittel zur Verwirklichung dieser Gedanken vorschlug, wurde die Sache Manchem bedenklich. Sie wandten sich an den Pfarrer ihres Ortes, den Pater Johannes, und befragten sich, was er von dem durch Joß vorgeschlagenen Bundschuh halte. Herr Johannes aber, längst im Einverständniß mit Joß, sagte seinen Beichtkindern: »Es sei ein göttlich Ding darum; denn die Gerechtigkeit werde 45dadurch einen Fortgang gewinnen; Gott wolle es; man habe es auch in der heiligen Schrift gefunden, daß es einen Fortgang haben müsse.« Die, welche sich unter den Bauern zu Lehen zuerst und eng an Joß anschlossen, waren Augustin Enderlin, Kilian Mayer, Hans Freuder, Hans und Karius Heitz, Peter Stüblin und Jakob Hauser, dazu namentlich Hans Hummel, ein Schneider, der aus Feuerbach bei Stuttgart im Württembergischen gebürtig war, und sich seit vielen Jahren im Elsaß und Breisgau aufhielt. Diese seine ersten Anhänger, warben in ihren Kreisen weiter für den Bund, wo sie mit Ihresgleichen zusammen kamen, im Hause und auf dem Felde, in den Schenken und auf den Kirchweihen. Der aber zu Lehen für den Bundschuh am thätigsten und geschicktesten in Joß Friz's Namen wirkte, war, wie Joß selbst, ein Fremder, Hieronymus, ein Bäckerknecht aus dem Etschlande, der in der Mühle zu Lehen im Dienste, in vielen Ländern herum gekommen und ein geschickter Sprecher war.

Diese Vertrauten verstanden auf ihre Weise ihre Bekannten für den Anschlag zu gewinnen. Sie bereiteten die Neugeworbenen im Allgemeinen vor und wiesen sie dann an Joß, um von ihm tiefer in die Sache eingeweiht zu werden. Joß selbst erklärte ihnen dann, wie durch den Bundschuh der Gerechtigkeit ein Beistand gethan, und das heilige Grab gewonnen werden sollte. Er meinte aber das heilige Grab, darinnen die Freiheit des Volkes begraben lag. Zaghaftern wußten die Verschworenen dadurch Muth zu machen, daß sie ihnen von den großen Verzweigungen sprachen, welche der Bund bereits in allen Ständen und Gegenden habe, wie bereits Edle und Unedle, Pfaffen, Bürger und Bauern darin seien, und er sich bis hinab nach Cöln erstrecke.

Ganz ohne Grund war es nicht mit den Verzweigungen des Bundes. Ehe Joß Friz in Lehen mit seinem Anschlag hervortrat, hatte er in den letzten Jahren zuvor weit umher auf beiden Ufern des Rheins, im Schwarzwald, in der Markgrafschaft Baden und im Württembergischen die alten Fäden der Speyrer Verschwörung wieder aufgenommen, neue angeknüpft.

Im engsten Verein mit ihm wob ein anderer leitender Oberer, welcher bald Veltlin, bald Stoffel von Freiburg genannt wird, an dem geheimen Gewebe. Dieser hielt sich meist zu Waldkirch im Wirthshause vor der Stadt, unweit der Probstei, auf. Er erschien 46wie ein Ritter im Aeußern, war reich an mancherlei Kleidern und Kopfbedeckungen, besonders aber zeichnete ihn ein weißer, mit schwarzem Sammet belegter Mantel aus, im Barett ein silberner Strahl, und ein weißes Roß, auf welchem er in den Landen umritt, am obern Rhein, im Kinzigthal, im Schwarzwald, an der Donau hin bis Ehingen in Schwaben, in welch letzterer Stadt er namentlich häufig sich zeigte.

Und so gelang es nach und nach diesen Beiden, weit hin und her sich einen Anhang zu machen, dessen Theilhaber unter einander so klug gegliedert zusammenhingen, daß jeder nur die in seinem nächsten Ring mit Namen kannte. In der Lage, in welcher sie sich befanden, verschmähten sie es nicht, sich selbst der gewerbsmäßigen Bettler und Landstreicher zu Hin- und Herträgern, Unterhändlern und Beihelfern zu bedienen, und für den Augenblick des Losschlagens dachten sie diesen noch eine besonders gefährliche Mitwirkung zu. Diese damals außerordentlich zahlreiche Volksklasse, welche ungehindert, und gleichsam patentisirt, die Lande durchzog, und eine Art anerkannter Zunft war, hatte ihre besondern Obern und Hauptleute, die sie sich selbst wählte. Mit diesen Hauptleuten der Bettler knüpften Joß und Stoffel Verbindungen an, und die Hauptleute stellten ihre Bettlerrotten zu ihrer Verfügung.

Zweitausend Gulden wurden den Hauptleuten insgesammt verheißen, wenn sie zur bestimmten Stunde in der Markgrafschaft, im Breisgau und im Elsaß Feuer einlegen, und mit einer Zahl von wenigstens Zweitausend der Ihrigen auf den Tag, da zu Elsaß-Zabern Jahrmarkt oder Kirchweih wäre, zu Rosen sich einfinden würden, um die Stadt einzunehmen. Der Wirth in der äußern Stadt, Joß zum Fuhrmann, und sein Sohn und sein Knecht waren auch im Bunde; in der Stadt selbst Georg Schneider, der als Hauptmann der Krone Frankreich gedient, Wülflen Sälzer und Paul Springer. Unter dieser Befehle sollten sie sich auf jenen Tag stellen, und da das gemeine Volk auf diesen Tag sehr zahlreich in Zabern anwesend, und viele Bürger ihrer zum voraus gewärtig wären, müsse es gelingen.

Die Bettler hatten jedoch nur eine sehr untergeordnete Rolle in dem Unternehmen. Ganz anders wirkten die von Gau zu Gau aufgestellten Gesellen der beiden Obern, die ihnen von Zeit zu Zeit 47Mittheilungen machten, wie es in ihren Bezirken stehe, und wie viele Leute sie zum Bunde gebracht. Jedem versprachen sie für jedes neugeworbene Mitglied einen dicken Pfennig. Joß und Stoffel ritten hin und wieder, um sich von den Arbeiten ihrer Gesellen zu überzeugen, und die Mitglieder zu mustern. Die Musterung geschah meist zur Nacht. Vorzüglich waren es auch Wirthe, welche in das Geheimniß gezogen wurden, und deren Häuser zu Verbindungs- und Zusammenkunftspunkten dienten.

Auch Herren waren im Bunde; außer dem Pfarrer zu Lehen werden namentlich angeführt, Herr Jakob Begers zu Niederhinbergen, Thomas Wirth zu Egentzschweiler, der als Hauptmann in Frankreich gewesen, und Stefan, ein Edelmann bei Derdingen, nicht weit von Breiten, der in dem untersten Schlößlein saß, und mit Joß von Bretten, dem pfälzischen Kriegsknecht, dem besondern Vertrauten von Joß Friz, zu Derdingen im Wirthshaus bei dem Kloster, dem Hause Klee-Velten's, zusammen kam.

Die Untersuchung stellte heraus, daß die Verbindung über den ganzen Elsaß, den Breisgau, die Markgrafschaft, den Schwarzwald, Oberschwaben, den obern Kraichgau, wo Bretten, und den untern Kraichgau oder Buchrain, wo Bruchsal die Hauptstadt war, sich verbreitete und sich ohne Zweifel bis über den Mittelrhein hinab absenkte. Im Württembergischen hatte er seine Verbindungen vorzüglich im Zabergau und im Remsthal.

Von Zeit zu Zeit waren in den abgelegenen Wirthshäusern, oder in der Nähe derselben, nächtliche Zusammenkünfte, bald nur der Gesellen, bald ganzer Schaaren von Angeworbenen, namentlich auch zu Mittelbergheim im Elsaß, auf dem Kniebis beim Klösterlein, im Walde ob Haslach. Auch die Kirchweihen und Märkte waren Versammlungstage für die einzelnen Gauen des Bundes.

Joß hatte ein eigenes Zeichen, woran sich die Seinen erkennen sollten; es hatte die Form eines lateinischen H; von schwarzem Tuch in einem rothen tuchenen Schildchen trugen sie es alle vorn in die Brusttücher eingenäht; andere in den Bund Eingeweihte trugen dieses Zeichen nicht, dagegen auf dem rechten Arme drei Schnitte kreuzweis in den Kleidern. Auch ein geheimes Wortzeichen hatten sie, das sie, wenn Einer zum Andern kam, sprachen. In einer Versammlung 48auf der Hartmatte hatte Joß ihnen auseinander gesetzt, wie nöthig ein solches sei. Es war dann davon die Rede, das in dem ersten Bundschuh im Speyerischen gebrauchte wieder aufzunehmen, mit Umsetzung weniger Worte, nämlich die Frage: »Gott grüß dich Gesell, was hast du für ein Wesen?« und darauf die Antwort: »Der arm' Mann in der Welt mag nit mehr genesen.« Auch St. Jörg wurde als Losung vorgeschlagen. Aber es blieb bei beiden nicht. Joß erfand eine neue, die aber, wie es scheint, erst kurz vor dem Ausbruch Allen mitgetheilt werden sollte, und vorerst nur im kleinern Kreise, und darum auch ganz geheim blieb und verloren ging. Selbst die Folter vermochte sie nicht den später Gefangengenommenen zu erpressen. Kilian Mayer gestand unter der Pein zu, daß sie ein Wortzeichen gehabt, blieb aber fest dabei, »was dasselbe Wortzeichen gewesen, sei ihm aus dem Gedächtniß gegangen und gänzlich vergessen.« Dadurch rettete er viele seiner Verbündeten. Denn die Losung war es, welche bei früheren Verfolgungen so Vielen als Falle gestellt wurde.

Auf der Hartmatte kamen auch nach wiederholten Zusammenkünften und Berathungen bestimmte Bundesartikel zu Stande, in welchen, was früher Joß vorgetragen, kurz zusammengefaßt wurde:

»Erstens: solle Niemand mehr einen andern Herrn, als Gott, den Kaiser und den Pabst, anerkennen; Zweitens: Niemand anderswo, als an dem Ende, da er gesessen sei, vor Gericht stehen; das rottweilische Gericht solle ab, die geistlichen Gerichte sollen auf das Geistliche beschränkt sein; Drittens: alle Zinse, die so lange genossen wären, daß sie dem Kapital gleich kämen, sollen ab sein, und die Zins- und Schuldbriefe vernichtet werden; Viertens: bei Zinsen, da ein Gulden Geld unter zwanzig Gulden Kapital stände, solle so gehandelt werden, wie das göttliche Recht anzeige und unterweise; Fünftens: Fisch- und Vogelfang, Holz, Wald und Weide solle frei, Armen und Reichen gemein sein; Sechstens: jeder Geistliche solle auf eine Pfründe beschränkt sein; Siebentens: die Klöster und Stifter sollen an Zahl beschränkt, ihre überflüssigen Güter zu Handen genommen, und daraus eine Kriegskasse des Bundes gebildet werden; Achtens: alle unbilligen Steuern und Zölle sollen ab sein; Neuntens: in der ganzen Christenheit soll ein beständiger Friede gemacht, wer sich dawider setze, todt gestochen, wer aber durchaus kriegen wolle, mit Handgeld 49wider die Türken und Unglaubigen geschickt werden; Zehntens: wer dem Bund anhänge, soll es eines Leibs und Guts gesichert sein; wer sich dawider setze, gestraft werden; Elftens: solle eine gute Stadt oder Veste zu Handen des Bundes genommen werden, als Mittelpunkt und Halt des Unternehmens; Zwölftens: jedes Bundesglied solle das Seinige zu den Mitteln der Ausführung beisteuern; Dreizehntens: sobald die Haufen des Bundes sich vereinigt haben, soll kaiserlicher Majestät das Vornehmen geschrieben, und Vierzehntens: wenn des Kaisers Majestät sie nicht annähme, die Eidgenossenschaft um Bündniß und Beistand angerufen werden.«

Das waren die Artikel des Bundes; so ergeben sie sich aus den Aussagen verschiedener Zeugen.

Noch immer scheint es Solche im Bunde gegeben zu haben, welchen die Artikel und das Unternehmen bedenklich vorkamen. Denn auf einer Versammlung auf der Hartmatte sah sich Joß Friz veranlaßt, die Artikel zu vertheidigen, und sich zu erbieten, Alles aus der heiligen Schrift nachzuweisen, und schriftlich aufzusetzen, um es dann ihnen vorzulesen, damit sie sehen, daß er nichts Anderes vornehmen und handeln wolle, denn allein, was göttlich, ziemlich und billig sei. Hieronymus der Bäckerknecht stand ihm hiebei geschickt und eifrig zur Seite. So gelobten endlich alle Versammelten in die Hand Kilian Mayers den Bundeseid, und diesem gemäß, das Geheimniß heilig zu halten, bei einander zu bleiben, und Keiner von dem Andern zu weichen.

Auch hier wieder wurde auf eine Bundesfahne überaus viel Gewicht gelegt. »Sie achteten, heißt es, obgleich wohl am Anfang ihrer nicht Viele wären, sobald sie das Fähnlein fliegen ließen, würden die Armen alle ihnen zufallen.« Darum wurde nichts gescheut, eine solche bedeutsame Fahne herbeizuschaffen.

Die Theilnehmer des Bundes waren so arm, daß es Mühe kostete, das Geld zu der Bundesfahne zusammenzubringen. Sobald Joß das Geld beisammen hatte, eilte er, die Fahne zu bestellen, mit größter Vorsicht. Er wählte aus einer entfernten Gegend einen Bauern, der zum Bunde geschworen, und den in Freiburg und der Umgegend Niemand kannte, und ordnete ihn nach dieser Stadt ab, den Maler Friedrich anzugehen, ihm ein Fähnlein mit einem Bundschuh zu malen. Der Maler aber zeigte den Vorfall zur Stunde dem Rathe der Stadt 50an. Da aber der Bauer verschwunden war und ihn Niemand kannte, wer und woher er war, mithin auch die Gegend verborgen blieb, in der sich »solch bös Feuer« erheben wollte, wußte der Rath von Freiburg für jetzt nichts weiter zu thun, als daß er solches seinen Umsassen insgeheim zu wissen that, um ein gutes Aufsehen hierin zu haben, und daß er seine Stadt in gute Hut und Sorg stellte, auch allenthalben hin geheime Befehle gab, diesem Handel nachzuspüren.

Nachdem der erste Versuch mit dem Fähnlein mißlungen war, machte Joß selbst einen zweiten. Es malte gerade ein anderer Freiburger Künstler, der Maler Theodosius, die Kirche zu Lehen. Zu diesem trat Joß eines Abends mit Hans Enderlin dem Altvogt zu Lehen und Kilian Mayer, und nachdem sie in Fröhlichkeit manches Glas Wein mit einander geleert, eröffnete Joß dem Maler, es sei ein fremder Gesell im Orte, der möchte sich gern ein Fähnlein malen lassen, und fragte ihn, was er dafür nehmen und deßhalb machen wolle. Auf des Malers Begehr, ihm anzuzeigen, was er doch in solches Fähnlein malen müßte, sagten sie ihm: einen Bundschuh. Da erschrack der Maler und antwortete, daß er nicht um aller Welt Gut ihnen ein solches Fähnlein malen möchte. Joß mit den Seinen drang nicht weiter in ihn, aber er bedrohte ihn: diese Rede, die sie hier mit einander geredet, soll Niemand als der Luft und dem Erdreich geöffnet sein, und wo er solches ausschwatze, so müßt' es ihm zu schwer werden. Auch das Altvögtlein erinnerte ihn des Stillschweigens unter dem Eid, den er der Stadt geleistet. Der Maler, in Sorge und Furcht, es könnte ihm die Bezahlung, die er für seine Arbeiten der Kirche zu fordern hatte, von denen zu Lehen unter diesem Vorwande vorenthalten werden, verschwieg den Handel.

Joß Friz würdigte vollkommen das Gefährliche eines dritten Versuches, wenn er ihn so nahe der Gegend, von welcher die Bewegung ausgehen sollte, machen würde. Die Seide zu dem Fähnlein war schon gekauft, und dasselbe auch genäht; es war blau, und ein weißes Kreuz darin. Allen, die es sahen, war es eine Freude; doch meinten Viele, man sollte das weiße Kreuz daraus thun, und einen Adler darauf malen lassen. Es war ihnen nicht genug, eine Fahne zu haben, sie sollte gemalt sein, und zwar mit bedeutsamen Symbolen, denen sie eine magische Wirkung beilegten. Joß kannte wohl aus 51Erfahrung, mit welch religiöser Scheu und mit welch blindem Glauben der Kriegsknecht an dem Schutzheiligen in seiner Kriegsfahne hing, und er hoffte das Gleiche für den gemeinen Mann von seiner Bundschuhfahne. Er unternahm ohnedies eben wieder eine Reise nach Schwaben. Auf dieser machte er einen neuen Versuch, der ihm glückte.

Es war zu Heilbronn am Neckar, in des Reiches Stadt, wo er einen Maler mit seinem Begehren anging. Treuherzig, in Schweizer Art und Sprache, dichtete er diesem vor, wie er in einer großen Schlacht gewesen, und mitten in der Gefahr des Kampfes gelobt, wenn er glücklich daraus käme, eine Wallfahrt nach Aachen zu thun und dort unserer lieben Frauen ein Fähnlein zu bringen. Er bat nun den Maler, ihm ein solches Fähnlein zu malen, darin ein Crucifix und daneben unserer lieben Frauen und St. Johannis des Täufers Bildniß wäre, und darunter ein Bundschuh. An diesem Letztern strauchelte auch der Heilbronner Maler, und fragte, was er doch damit meine. Joß stellte sich ganz einfältiglich. Er sei eines Schuhmachers Sohn, sein Vater, sagte er, halte Wirthschaft zu Stein im Schwizerlande, und führe, wie männiglich bekannt, einen Bundschuh in seinem Schilde; darum, damit man wissen möge, daß dieses Fähnlein von ihm sei, wolle er seines Vaters Zeichen darein stellen lassen. Diese treuherzige Rede täuschte den Maler. Er malte, was Joß darein haben wollte, und bald war das Fähnlein fertig.

Es war daran zu sehen das Leiden Christi, und neben dem Kreuze Maria die Mutter Gottes und St. Johann der Täufer, deßgleichen der Pabst und der Kaiser, und ein Bauersmann, unter dem Kreuze knieend, und ein Bundschuh neben ihm, und rings durch das Fähnlein hin die Worte: »Herr, steh deiner göttlichen Gerechtigkeit bei!«

Mit Freuden trug Joß die Bundesfahne, um die er sich so lange und viel bemüht, unter dem Brusttuch verborgen hinweg, und eilte den Weg nach Lehen herauf. Aber ehe er ankam, war der Bund verrathen und zersprengt.

Ehe Joß auf die Reise gegangen war, hatte er noch alle Vorsorge getroffen, damit gleich nach seiner Rückkehr das Unternehmen zur Ausführung kommen könnte. Auf seinen Befehl zogen zwei von der Gesellschaft, darunter namentlich Gilg von Lehen, den Simonswald 52hinauf, um die Freunde für den Ausbruch zu bereiten, und alte und neue zum Zuzug zu bieten. Die Kirchweihe zu Biengen, die auf den neunten Oktober fiel, hatte er zu einer großen Zusammenkunft bestimmt, wo man sich über die letzten Maßregeln entscheiden wollte, namentlich welche Stadt zuerst überrumpelt werden sollte, Freiburg, Breisach oder Endingen. Die im Elsaß hatten Befehl, sobald es im Breisgau angehe, zu Burkheim über den Rhein zu gehen, an dessen Ufer die Bundesfahne wehen würde. Auch die Hauptleute der Bettler hatten neue bestimmte Weisungen. Fleißiger als je sollten die Bettler in den Städten spioniren, in den Wirthshäusern, auf den Thürmen und Thorwachen, und genaue Kunde über den Erfund nach Lehen bringen. Die Verschworenen zu Lehen selbst sollten dahin arbeiten, sich in Freiburg einen Anhang zu machen und von jeder Zunft einen oder zwei für sich zu gewinnen, damit diese dann in den Zünften ihren Anhang mehren. Selbst für den Fall, daß das Unternehmen im Ausbruch mißlänge, oder vor dem Ausbruch auskäme, und die Bundesglieder deßhalb voneinander weichen müßten, hatte Joß gesorgt: in diesem Falle sollte die Bundesfahne bis auf günstigere Zeiten hinter dem Altvögtlein von Lehen niedergelegt werden, damit sie dort Jeder am Tage, da sie erhoben werden könnte, zu finden wüßte. Aber wie Joß fort war, hatte der Bund den Kopf verloren.

Am ungeschicktesten betrieben sie die Werbung für den Bund, gleich als ob die Nähe des Losschlagens in ihren Augen alle Vorsicht überflüssig gemacht hätte. Auf offener Straße, kaum eine halbe Meile von Freiburg sprachen drei Gesellen des Bundes einen Bauersmann an, der gerade in seinen Geschäften vorübergehen wollte, und begehrten, er solle ihnen einen Eid zu den Heiligen schwören, was sie mit ihm reden oder handeln würden, zu verschweigen. Als er darauf nicht gleich eingehen wollte, führten sie ihn vom Wege ab gegen den Wald, und drangen unter Versicherung, daß es eine ehrliche Sache sei, wovon sich's handle, so heftig in ihn, daß er nothgedrungen ihnen Stillschweigen zuschwor. Jetzt eröffneten sie ihm: weil der gemeine Mann arm sei und Mangel und Hunger leiden müsse, seien ihrer Etliche, als an die sechs oder sieben Hundert, einig worden, den Bundschuh aufzuwerfen, und über die Reichen, geistliche und weltliche, zu fallen, 53und vorerst der Stadt Freiburg, wo sie Alles, was ihnen mangle, zu finden hoffen, in wenigen Tagen sich zu bemächtigen, wozu auch er ihnen behülflich sein solle. Wie der Bauersmann stutzte und sich verlauten ließ, er wisse solche Handlung mit keinen Ehren zu verantworten, wollten die Drei ihn überwältigen und niederstechen, als fernher auf der Straße Pferde gehört und sie dadurch bewogen wurden, ihn von der Hand zu lassen und sich in den Wald zu werfen. Der angefallene Bauer, kaum heimgekommen, beichtete seinem Pfarrer, was ihm den Tag begegnet, und wie er zu einem unbilligen schweren Eide gedrungen worden sei; er wisse nicht, wessen er sich halten solle. Der Priester vertraute das Geheimniß dem Commissarius zu Freiburg, Meister Johannes Cäsar. Dieser, ohne den Priester und Bauer nennen zu wollen, eröffnete es warnungsweise dem Rathe der Stadt.

Der Rath, im höchsten Schrecken, wandte sich sogleich an den Markgrafen und beschwor ihn, den Meister Johannes Cäsar zu vermögen, den Bauersmann, dem solche Anmuthung begegnet sei, ihnen anzuzeigen Im Bunde selbst fanden sich indessen zwei Verräther. Der eine war Hans Mantz von Wolfenweiler, der andere Michael Hanser von Schallstadt.

Der Letztere war noch nicht lange im Bunde, darein eingeweiht von Matern Weinmann zu Mengen, einem der nähern Freunde von Joß Friz. Michael Hanser jedoch kannte außer dem Unternehmen, und dem, was in wenigen Tagen ausgeführt werden sollte, nur wenige Mitglieder des Bundes; aber was er wußte, verrieth er an Markgraf Philipp von Baden. Zu gleicher Zeit wurde demselben von Hans Mantz die ganze Anzettlung des Bundes mitgetheilt. Er war einer der Hauptgesellen und kannte einen großen Theil der Verzweigungen des Bundes, besonders im Elsaß und Schwarzwald.

Der Markgraf eilte, dem Rathe von Freiburg seine Entdeckungen mitzutheilen, sowie der kaiserlichen Regierung zu Ensisheim. Noch spät in der Nacht des 4. Oktober fuhren Hans von Schönau und Blikardt Landschad über den Rhein, um die Botschaft nach Ensisheim zu tragen, und nach allen Nachbarstädten hin ritten aus Freiburg eilende Boten mit Warnungen und Weisungen. Markgraf Philipp rieth, vor Allem den Zweien, welche den Schwarzwald hinaufgeschickt worden, Gilg und seinem Genossen, den Weg zu unterreiten, und sich ihrer als 54kostbarer Gefäße zu versichern. Die bei der Verschwörung betheiligten Unterthanen der Mark, so weit sie bis jetzt bekannt geworden, jetzt schon in Haft zu nehmen, schien ihm darum nicht räthlich, weil zu besorgen wäre, daß durch das Geräusch dieser Verhaftung viele Andere flüchtig würden. Tags darauf erhielt der Rath von Neuenburg von Rötteln her, wo auf die Freiburger Mittheilung Einer gefangen gelegt worden war, die Anzeige, daß derselbe ausgesagt, wie sich eine große Versammlung von Bauern am nächsten Morgen, dem 6. Oktober, oder Freitag Nachts, dem 7., zu Thüngen, Bingen oder Mengen, oder vielleicht in allen drei Orten, zusammen thun werde, in der Absicht, loszubrechen.

Die Stadt Freiburg verstärkte die Wachen unter ihren Thoren, auf den Thürmen und Mauern, und rief ihre Bürger in die Waffen. Zu den Verschworenen in Lehen kam zeitig ein Geschrei, daß die von Freiburg des Bundschuhs halb gewarnt worden seien. Noch immer war Joß der Hauptmann nicht zurück; auch Hieronymus der Tiroler, der Gescheiteste unter den Bundesgliedern, war nicht zugegen, sondern, wie der Hauptmann, auf der Reise in Bundeszwecken. Kilian Mayer versammelte zur Nacht alle Verschworenen zu Lehen auf der Hartmatte. Schrecken, Unentschiedenheit, Muthlosigkeit herrschten unter den Versammelten. Zuletzt wurden sie eins, gänzlich von ihrem Handel abzustehen und denselben zu unterdrücken. Kilian nahm allen Gegenwärtigen das Gelübde des tiefsten Stillschweigens ab über Alles, was daselbst gehandelt, und vor und nach von diesem Handel geredet worden.

Inzwischen gingen die Regierungen energisch zu Werke. Ehe die Haufen zusammen kamen, suchten sie die vornehmsten Verschworenen zu überfallen. Der Markgraf ergriff Matern Weinmann zu Mengen; von Freiburg aus fielen um Mitternacht zweihundert wohlbewaffnete Bürger in das Dorf Lehen, nahmen Hans Enderlin, das Altvögtlein, und seinen Sohn, Else, Joß Fritz des Hauptmanns Hausfrau, und etliche Andere gefangen, und führten sie nach Freiburg. Am andern Morgen wurde auch Marx Stüdlen aus der Kirche zu Muntzingen von den Dienern der Regierung hervorgeholt und verhaftet. Die andern Betheiligten suchten, sobald diese ihre Mitgesellen gefänglich eingezogen waren, durch die Flucht sich zu retten. Sie nahmen ihren Weg nach der Schweiz. Unter diesen waren namentlich Kilian Mayer, Jakob 55Hauser, Augustin Enderlin, und fast alle bedeutenderen Theilnehmer des Bundes. Stoffel verschwindet ganz. Joß Fritz erscheint zum erstenmal wieder auf der Flucht, in Gesellschaft Hieronymus des Tirolers. Er hatte auf der Rückkehr von seiner letzten, den Ausbruch vorbereitenden Reise den Verrath und die Sprengung des Bundes, woran er so lange gearbeitet, vernommen, und war der Schweiz zugeeilt. Zu Sewen oberhalb Basel trafen Augustin Enderlin, Thomas Müller, Kilian Mayer und Jakob Hauser mit ihnen zusammen. Diese waren zuerst nach Baden geflohen, und hatten in dieser Stadt vernommen, daß ihre Mitgesellen zu Sewen seien. Joß hatte die Bundesfahne bei sich und hier sah sie Kilian Mayer zum erstenmal. Auch hier zeigte Joß, daß etwas Unbezwingliches in ihm war. So eben war ihm das so lang und klug Berechnete vereitelt worden; aber er verzweifelte nicht. Noch immer glaubte er daran, dem Verhängniß den Sieg abnöthigen zu können, und er legte das Fähnlein sorgfältig um seine Brust, als ein Unterpfand, daß noch nicht Alles verloren sei. Und das Schicksal selbst schien diesen Glauben in ihm stärken zu wollen; sein Glück, das ihn bisher durch so viele Gefahren unverletzt hindurch geführt, verließ ihn auch jetzt nicht; es wollte ihn nicht fallen lassen.

Zu Sewen wurde beschlossen, daß sie sich auf den Tag nach Zürich begeben wollen. Sie machten sich auf den Weg, aber auf dem Felde zwischen Sewen und Liestal wurden sie von den Streifen des Raths zu Basel ereilt, welche durch eine Botschaft der kaiserlichen Regierung zu Ensisheim aufgeboten waren. Kilian Mayer und Jakob Hauser der Fähndrich wurden gefangen, Joß entrann glücklich mit den Andern.

Die Regierungen verfuhren aufs Strengste mit den Gefangenen, aber diese kannten theils nur wenige Mitverschworene, theils waren sie stark genug, daß alle Qualen der Folter ihnen die Namen derselben nicht entrissen. Matern Weinmann sagte nur, und zwar erst in der zweiten Folter, daß ihm Marx Stüdlen vertraut habe, wie der Vogt im Glotterthal und Clevi Jäklein zu Muntzingen und viele am Kaiserstuhl und in der Mark verwickelt seien, aber er blieb darauf, daß er keinen mit Namen nennen könne; von Marx Stüdlen wußte er, daß er zu Freiburg gefangen und rettungslos war. Während die 56Bundesglieder allenthalben theils entflohen, theils unbekannt waren, und besonders die Freiburger und der Markgraf der Verschwörung nicht auf den Grund zu kommen vermochten, Hans Enderlin der Altvogt, welcher von dem Maler Theodosius des Fähnleinmalens halb jetzt erst bei dem Rathe zu Freiburg angegeben worden war, nichts gestand, kam aus Basel die Nachricht von der Ergreifung des Fähndrichs Jakob Hauser und Kilian Mayers. Aber auch diese Beiden deckten nur den Plan und Gang des Bundes im Allgemeinen auf; und nannten keinen Namen, als solche, welche sie im Ausland in Sicherheit, oder gefangen und bereits geständig wußten, wie Conrad Braun und Cyriak Stüdlen. Johannes der Pfarrer von Lehen wurde von dem Bischof von Constanz den Freiburgern abgefordert, zur geistlichen Untersuchung und, wenn es die Nothdurft erheischte, Bestrafung, weil es sein möchte, daß zuletzt etwas wider die Kirche gehandelt und gefrevelt worden wäre. So blieben der Rache der weltlichen Herren nur Wenige zum Opfer. Um so schwerer mußten diese büßen. Man wollte schrecken; denn alle Ehrbarkeit in den Städten umher fühlte, »daß ihr Sorge zu haben Noth sei« vor ihren Bauern. Marx Stüdlen wurde noch im Oktober zu Badenweiler geviertheilt; Hans Enderlin der Altvogt und sein Sohn zu Freiburg; Conrad Braun und Cyriak Stüdlen von Betzenhausen erlitten das Gleiche; Matern Weinmann und einige Andere wurden enthauptet; Kilian Mayer und Jakob Hauser wurden in Basel zur Axt verurtheilt; aber »auf ihr groß bittlich Ansuchen wurde ihnen Gnade bewiesen, daß sie mit dem Schwert gerichtet wurden.« Andern wurde das vordere Gelenk an den Schwurfingern abgehauen.

Im Elsaß war der Regierung die Verzweigung der Verschwörung bekannter, und es wurden dort so Viele hingerichtet, daß eine Rede im Volke auskam, es sei des Blutes genug vergossen und kaiserliche Majestät habe befohlen, daß kein Bundschuher mehr eingezogen, oder wenn dies schon geschehen, an Leib oder Leben gestraft, sondern seine Sache vorerst vor des Kaisers Majestät gebracht werde. Aber die kaiserlichen Statthalter und Räthe im Elsaß erklärten öffentlich dieses Gerücht für eine Erdichtung, welche die Anhänger des Bundes und der Verschworenen zu ihren Gunsten ausgebreitet, und machten bekannt, daß der kaiserlichen Majestät Wille und Meinung nicht anders sei, 57denn daß ein jeder dieser Uebelthäter nach aller Strenge des Rechtes gestraft werde, da sie mit schändlicher Vertilgung ihrer Obrigkeiten und natürlichen Herren umgegangen, ohne alle redliche Ursache, als nur, daß sie ihrer billigen Dienstbarkeit entladen sein, und Niemand das, wozu sie doch pflichtig, thun oder geben wollten. Wegen dieses muthwilligen und unrechten Vornehmens gebiete die kaiserliche Majestät aufs Höchste und Ernstlichste, in allen Herrschaften, Obrigkeiten, Gerichten und Gebieten, wo einer oder mehrere von dem Bundschuh betreten würden, dieselben gefangen zu nehmen, peinlich zu fragen, dann vor Gericht zu stellen, öffentlich auf ihr Bekenntniß anzuklagen, und nach aller Strenge des Rechtes an Leib oder Leben zu strafen, und Niemand, wer es auch sei, zu verschonen.

Die Jagd auf die geflüchteten Häupter ging mit neuem Eifer an. Der kaiserliche Rath Rudolph von Blumeneck und Gesandte der Stadt Freiburg begaben sich selbst in die Schweiz mit den Namen und dem Signalement der Flüchtlinge, und am 22. Oktober wurden im Gebiete von Schaffhausen Augustin Enderlin und Thomas Müller, welche signalisirt waren, gefänglich eingezogen und peinlich befragt. Auch hier rettete sein Stern Joß den Hauptmann vor gleichem Loose. Auf der Folter wegen seiner befragt, gaben die Beiden zwar einige Anzeigen, und die Schaffhäuser thaten Alles, ihm auf die Fährte zu kommen, aber ohne Erfolg. Else, Joß Hausfrau, welche jedes Mitwissen läugnete, war schon am 26. Oktober gegen Urfehde und Kostenersatz ihrer Haft wieder entlassen worden. Sie kam in den folgenden Jahren wieder in den Verdacht, daß Joß sich habe öfters bei ihr sehen lassen; aber seine Spur zeigte sich und verschwand, wie der Blitz in der Nacht, im Dunkel des Schwarzwalds.


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