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Viertes Kapitel.

Der Bundschuh im Elsaß.

In den Städten mußten während der Theurung die Armen auf öffentliche Kosten gespeist werden. Das Landvolk aber hatte keinen Theil an dem wohlgekochten Muß, welches den Armen in der Stadt zur Nothdurft ausgegeben wurde, und die Theurung und die Noth stiegen im zweiten Jahre noch höher.

Diese Noth im Auge und die immer mehr gesteigerten Anforderungen der Landes- und Gutsherren, thaten sich im Elsaß im Jahre 1493 Bürger und Bauern in eine Einung zusammen. In tiefes Geheimniß hüllte sich der Bund. Geheimnißvolle Zeichen und Gebräuche banden die Mitglieder zusammen. Unter eigenthümlichen Ceremonien, mit schrecklichen Bedrohungen gegen Verräther, wurden die Neulinge in den Bund aufgenommen. Nachts, auf Seitenpfaden, 20schlichen sie zu dem Ort ihrer Zusammenkünfte, dem einsamen Hungerberge. Bald zählte der Bund Eingeweihte aus Schlettstadt, Sulz, Dambach, Epffig, Andlau, Stozheim, Kestenholz, Tiefenthal, Scherweiler und andern Orten der Umgegend. Es waren nicht nur Leute aus den niedern Volksklassen, Bauern und Handwerker, sondern es fanden sich Männer darunter, welche in städtischen Würden standen. Es waren zwar »viele verdorbene Leute, die sich zu heimlichen Anschlägen mit Eiden verpflichteten,« wie die Berichte erzählen, jedoch Berichte, die ihre dem gemeinen Manne feindliche Stimmung unverdeckt an den Tag legen.

Die Grundsätze der Bundesverfassung waren zweierlei Art: die einen waren darauf berechnet, den religiösen und politischen Zustand umzugestalten, die andern, für diese Umgestaltung den gemeinen Mann anzulocken. Unter die letztern gehörte die vorgeschlagene Plünderung, beziehungsweise Ausrottung der Juden, die Einführung eines Jubeljahrs, wodurch alle Schulden abgethan sein sollten, die Aufhebung des Zolls, des Umgelds und anderer Lasten. Unter die erstern gehörte namentlich die beabsichtigte Beschränkung der Geistlichkeit, die Abschaffung des geistlichen und rottweilischen Gerichtes, das Recht der Steuerbewilligung, und die Selbstverwaltung der Gemeinden nebst Geschworenengerichten.

»Welcher Pfaff, hieß es in ihrem fünften Artikel, mehr dann eine Pfründ hätte, dem sollten sie genommen und ihm weiter nicht, denn des Jahrs fünfzig oder sechzig Gulden gegeben werden.« Auch die Ohrenbeichte, eine Hauptstütze der geistlichen Herrschaft über die Menschen, sollte ganz und gar abgethan sein. In Zukunft sollte das Volk nicht anders als nach eigener freier Bewilligung steuern, und jede Gemeinde sich selbst richten.

Um einen festen Punkt, worin sich die Verschworenen für den Anfang des Kampfes halten könnten, und bedeutende Geldmittel zu gewinnen, ward beschlossen, sich zuerst des festen Schlettstadts zu bemächtigen, sich der Stadtkassen und der dortigen Klosterkassen zu versichern, und von da aus das ganze Elsaß an sich zu ziehen.

Als läge in einer Fahne eine geheimnißvolle Kraft, als gehörte das unumgänglich nothwendig zur Sache, wurde besonders berathen und beschlossen, ein Panner aufzuwerfen und ein charakteristisches Bild in dasselbe zu malen, »damit ihnen der gemeine Mann zuliefe.« Es 21ward beschlossen, einen Bundschuh in das Panner zu malen. Sobald die Anzahl der Mitglieder des Bundes groß genug wäre, sollte losgeschlagen werden. Sie zweifelten nicht, daß der gemeine Mann in Städten und Dörfern umher sich ihnen anschlösse, und für den Fall, daß sie selbst nicht stark genug wären, die Sache des Volkes durchzufechten, sollten die schweizerischen Eidgenossen herbei gerufen werden.

Es dauerte nicht lange, und es hatte »eine große, merkliche Zahl« in den Bund geschworen. Der Zeitpunkt, wo das Panner des Aufstandes und der Freiheit aufgeworfen werden sollte, konnte festgesetzt werden. Es war die Charwoche. Zu Anfang dieser sollte der Schlag auf Schlettstadt geschehen.

Aber das Geheimniß wurde nicht bewahrt. Es war ein Fehler des Anschlags von vorn herein, daß nicht Leute eines Standes, nur Bauern, in den Bund aufgenommen wurden, sondern allerlei Volk, Stadtmeister und Kleinbürger, Landleute und reisige Knechte; daß ferner nicht Jeder, welchem von dem Bunde geoffenbart wurde, gezwungen war, zu dem Bunde zu schwören.

Trotz der schärfsten Bedrohungen, die auf einen Verrath des Bundes gesetzt waren, wurde er doch verrathen und auseinander gesprengt. Dahin und dorthin flohen die noch zur Zeit von der Entdeckung ihrer Anschläge Benachrichtigten. Viele Glieder aber wurden ahnungslos überfallen, angesehene Bürger von Schlettstadt auf der Flucht nach Basel ergriffen, der Theilnahme überwiesen und geviertheilt. Enthauptung, Landesverweisung, Verstümmelung an Händen und Fingern traf viele Andere. Da und dort gelang es Manchen, sich zu bergen, und der allgemeinen Jagd, die auf die Verschworenen gemacht wurde, zu entgehen; aber wo die Regierungen eine Spur auffanden, ruhten sie nicht, bis der Flüchtling zur Strafe gebracht war. Schüzen Ulrich von Andlau, ein reisiger Knecht, hatte sich unter den Schutz eines Edelmanns, Davids von Landek, der zu Ebnet bei Freiburg saß, begeben. Gastlich hatte der Edle den Flüchtling, den er kannte, in seinem Schlosse aufgenommen. Aber die Bürger Freiburgs, von Schlettstadt getrieben, verfolgten ihn bis in das herrschaftliche Schloß. Der Landvogt vereinigte seine Forderung der Auslieferung mit dem Drängen der Städte. Der von Landek war im Bürgerrecht zu 22Freiburg, und so von seinen Mitbürgern und vom Statthalter des Kaisers gedrängt, fand er in seinen Standesgenossen, dem Adel der Landschaft, die einzigen Vertheidiger seines Schützlings. Mehrere Landgerichte, die zahlreich vom Adel besucht waren und worauf die größte Aufregung herrschte, folgten in dieser Sache nacheinander. Aber die Städte setzten es zuletzt doch durch, daß dem Flüchtling die zwei Finger, welche er zum Bundesschwur aufgehoben, abgehauen wurden.


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