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Elftes Kapitel.

Die Wiedertäufer.

Da gerade in der letzten Zeit sich so Vieles gedrängt hatte, die von jeher sehr aufregbaren Waldleute noch entzündbarer zu machen, so mußte ein so gewandter und so hinreißender Redner und Volksmann wie Thomas Münzer mit seiner Prädikantenschaar im grauen Filzhut und groben Rock die Gährung leicht, so schien es, noch steigern.

Noch ehe Hubmaier mit Münzer selbst zusammen traf, war er durch einen Anhänger desselben, Wilhelm Reblin von Rottenburg a. N. für die Lehre vom neuen Gottesreich gewonnen. Dieser taufte ihn, und Hubmaier selbst taufte dann in die 300 Personen mit der Wiedertaufe.

Jene Schwärmer aus Zwickau, die zwar die Bibel anders auslegten als Luther, aber dabei nur Gebrauch von Luthers christlicher Freiheit im Glauben und Predigen machten, hatten sich unter dem Namen der Täufer sehr ausgebreitet. Täufer nannten sie sich, weil sie, da von der Kindertaufe kein Wort in der Bibel stehe, die Kindertaufe verwarfen und erst die im Glauben Unterrichteten tauften. Von ihren Gegnern wurden sie Wiedertäufer genannt. Diesen Separatisten der Neugläubigen rühmen heute noch katholische Schriftsteller »redlichen Eifer und Ueberzeugungstreue« nach. Döllinger, Reformation. Jarcke, Studien und Skizzen. Wie so oft, wurde etwas im Grund Unwesentliches allmählig als das Wesentliche genommen und behandelt, und so gingen sie in Kurzem so weit, daß sie die Wiedertaufe zur unerläßlichen Bedingung, zum Kerne des Christenthums machten.

Diese Sekte durchlief rasch eine Reihe Stufen der Schwärmerei. Anders war die Tollheit zu Münster; anders die Phantasterei nach dem Bauernkrieg; anders das Wiedertäufer-Leben und Hoffen und Glauben vor dem Bauernkrieg.

In den ersten drei Jahren ihres Bestehens mußten selbst die Feinde der Sekte ihr nachrühmen, daß es ein schönes sittliches Leben unter den Täufern sei. »Ich wünschte, sagte Wizel, daß alle, die 235sich Christen zu sein rühmen, so leben möchten.« Epist. S. 146. Sie beflissen sich eines unsträflichen Lebens, waren in Essen und Trinken mäßig, in Kleidung schlicht, freundlich mit einander, in der Rede kurz, im Disputiren über die Maßen eifrig, als die eher begehrten zu sterben, denn von ihrer Lehre zu weichen. Historia reformationis Sangallensis. Sie schlossen alle Unwürdigen aus ihrem Bruderkreis streng aus, lehrten ernstlich glauben, lieben und leiden, auch Marter und Tod. Anshelm VI. 268. Unermüdlich waren sie, das neue Gottesreich predigend auszubreiten. Ihr Wahrzeichen war, daß der Eine zum Andern sagte: Der Friede Gottes sei mit dir; und der Andere antwortete: Amen! er sei mit dir auch! Wo sie nicht öffentlich predigen durften, kamen sie Nachts zusammen in einsam gelegenen Häusern oder Thälern; zu diesen Zusammenkünften kamen oft Boten von entfernten Brüderschaften, setzten Nachts über Flüsse und Berge, reisten überhaupt nur Nachts, und kehrten nur Nachts in den Häusern der Ihrigen ein. Man vergleiche die interessanten Notizen aus Urkunden bei Gayler, Reutlingen, S. 297—318. Bald hörte man vom Thüringer Walde bis in die Thäler der Schweizer und Tyroler Alpen die Münzerische Predigt aus ihrem Munde, die Zeit sei nahe, daß die Welt erneuert und die Gottlosen mit dem Schwert von der Erde gethan werden müssen. Anshelm VI. 268. »Sie predigten in allen Winkeln nur die Sprüche aus altem und neuem Testament, da von Schwert, Harnisch, Kriegen und Würgen gesagt wird, und ziehens Alles auf mörderische Kriege, Raub, Todtschlag und Aufruhr, wollen ja die frömmsten Mörder sein und alle Welt allein besitzen«. So schildert sie der Rath zu Nürnberg, »diese schnellen vermessenen Köpfe,« »bei denen die Vernunft zu viel witzig sein will.« Unterrichtung des Raths zu Nürnberg wider die Wiedertäufer bei Will S. 266. 271. 317.

Diese Art von Wiedertäufer war die, welche mit Münzer verbündet war und in seinem Sinne wirkte. Denn die Wiedertäufersekte war ein religiöses Gewächs, das bald nach seiner Entstehung sehr verschiedene Spielarten der Meinung hatte, und nur bei einem 236 Theile, nicht bei der Gesammtheit der Wiedertäufer war die zweite Taufe das Zeichen der Einweihung in einen religiös-politischen Geheimbund für gewaltsame Umwälzung. So wurde der Waldshuter Wiedertäufer Jakob Groß, der nachher den Täufergemeinden zu Straßburg und Augsburg vorstand, aus seiner Vaterstadt Waldshut vertrieben, weil er behauptete, kein Mensch dürfe den andern tödten, noch irgend eine Obrigkeit das befehlen, und weil er darum sich weigerte, mit den andern Bürgern Waldshuts ins Feld zu ziehen, den aufgestandenen Bauern zu Hülfe. Röhrich, Geschichte der Reformation im Elsaß I, 331.

Alle Wiedertäufer aber hielten sich daran, daß der Gläubige glauben und thun müsse, was »der Geist« Jeden lehre: Alle glaubten, innerlich die »Stimme des himmlischen Vaters« zu hören. Viele hatten »Gesichte.« Es überkam sie, wie einer vor Gericht sagte, »mit großer Macht wider ihren Willen,« und die Verzuckungen waren von Verrenkungen der Glieder begleitet, von einem Zustand, »als ob sie die fallende Krankheit plötzlich ergriffe.« Und diese Zustände ergriffen oft Viele zugleich an einem Ort, und sie redeten und weissagten wunderliche Dinge. Ildefons von Arx nach Berichten von Augenzeugen. II, 503. Anshelm, Berner Chronik, selbst als Augenzeuge.

Dieses Außersichsein jedoch wurde erst nach dem Bauernkriege unter den Wiedertäufern allgemein. So viel sie auf die »innerliche Stimme« hörten, »die mit ihnen rede,« und so viel sie, »ehe sie etwas anfingen, zuvor Gott fragten:« so nährten sie sich doch auch viel durch »Umgang mit Münzers und Karlstadts Büchlein.« Viele Urgichten von Wiedertäufern.

Im Leben hatten sie unter sich zuerst nur in soweit Gütergemeinschaft, daß jeder Bruder in der Noth die Hülfe des Bruders in Anspruch nehmen, und, was der hatte, dessen sich, als wär' es gemeinsam, bedienen konnte. Dennoch verließ sich Keiner auf den Andern mit seinen Bedürfnissen; kein Müßiger, kein Fauler wurde unter ihnen geduldet.

Sie zogen hin und her, diese »neuen Propheten,« diese »Schwärmer,« diese »Träumer,« in Thüringen, im Bambergischen und Würzburgischen, in Schwaben, am Mittelrhein und Oberrhein, 237in der Schweiz, in Tyrol, im Salzburgischen, in der Steiermark und im Lande ob der Enns; sie predigten »die Zukunft und das Gericht des Herrn,« den nahen Untergang alles Bestehenden und die allgemeine Gleichheit und Brüderlichkeit; sie stifteten geheime Brüderschaften, Abzweigungen des münzerischen Bundes, und entzündeten mit dem, was »der Geist« durch sie sprach, an manchem Orte das Volk. Die Brüderschaften standen miteinander in Verbindung, aber nur durch wenige »Wissende:« nur diese kannten die Namen der einzelnen Brüder. Schreiben des Nürnberger Rathes an den Markgrafen Kasimir vom 18. März 1527.

Die Verkündiger der »neuen Welt,« darin »die Gerechtigkeit wohnen werde, nach Ausrottung aller Gottlosen, besonders aller gottlosen Fürsten und Herren,« wechselten, »nach Gelegenheit Namen und Kleidung.« »Hans Hut schrieb Alle auf, die sich taufen ließen und in den Bund kamen.« Durch wen die Sünd gestraft und die Obrigkeit ausgereutet werden sollte, hat Hut uns nicht angezeigt, sondern nur, zu denen er Vertrauen gehabt.« Urgicht Marx Mayr's von Altenerlangen. Anspacher Akten. Die Obern der Brüder wußten sich überhaupt auf ihren Reisen in das Geheimniß zu hüllen; so entgingen sie Jahre lang den Nachforschungen. Diese hin und her webernden Freunde Münzers trugen nicht die Kleidung der gewöhnlichen Wiedertäufer und der Prädikanten. Einer »der vornehmsten und obersten Wiedertäufer, ein sehr gelehrter, geschickter Gesell,« wie ihn der Nürnberger Rath nennt, war Johannes Hut aus Hain bei Schweinfurt. Früher Küster an der Kirche zu Bibra, und im Jahre 1521, weil er sein neugeborenes Kind taufen zu lassen sich weigerte, vertrieben, war er nach Nürnberg gegangen. Da hatte er einen Kramladen und war so im Gewerblichen rührig und anschicklich, daß er daneben Buchbinderei, Branntweinbrennerei und »mehrerlei Handthierung« trieb. Hut's Urgicht vom 5. Oktober 1527. Kurz vor dem Bauernkriege warf er sich ganz auf den Buchhandel. Mit lichtbraunem gestutztem Haar, auf der Oberlippe ein falbes Bärtchen, hochgewachsen, ging er im schwarzen Reitrock und grauen Hosen mit breitem grauem Hut einher, nach dem Ausschreiben der Nürnberger. Der taufte Viele weit umher. Die Sage schrieb ihm zu, er habe durch einen Trunk, den er den Neugetauften aus einem 238Becher gereicht, ihnen unerschütterliche Anhänglichkeit an die Sache der Täufer beigebracht, und sie haben gleich darauf »Gesichte« gehabt, »die himmlische Stimme« gehört, und geweissagt. Er zog vorzugsweise mit verbotenen münzerischen und ähnlichen Büchlein, aber auch mit lutherischen Schriften dabei, umher. Er verlegte jene letzte, den gewaltsamen Umschwung predigende Schrift Münzers, die dieser auf seiner Durchreise durch Nürnberg herausgab; nach seiner Vertreibung aus Mühlhausen kehrte Münzer in Hut's Hause zu Biberau ein, und verweilte daselbst bei ihm »eine Nacht und einen Tag.« Urgicht des Hans Hut. Dieser Wiedertäufer spielte während des Bauernkriegs vorzüglich im Würzburgischen eine Rolle, besonders im Lager vor Würzburg.

Viele Wiedertäufer waren, wie sich bei späteren Untersuchungen offenbarte, bei den Vorbereitungen zum Bauernkriege höchst betheiligt; einzelne der dabei schwer Beschuldigten waren jedoch damals noch nicht Mitglieder der Wiedertäufersekte gewesen, sondern erst nachher es geworden. In den Umtrieben und Ausbrüchen um Forchheim und im benachbarten Ansbachischen, in Baiersdorf und Herzogenaurach im Mai 1524, waren Wiedertäufer vorzugsweise thätig, wie Peter Wagner und Kunz Ziegler, und die drei Brüder Mayr. Anspacher Akten, amtliche Schreiben vom 15. und 20. September.

Dennoch war der aufregende Einfluß von Wiedertäufern größer, als ihre wirkliche Theilnahme am Bauernkriege: in Masse waren die Wiedertäufer nicht Münzerisch.

Fälschlich hat man Münzern selbst unter die Wiedertäufer, ja als den Stifter derselben gerechnet. Münzer war aber nach dem ausdrücklichen Zeugniß des glaubwürdigsten und in dieser Sache am besten unterrichteten Zeitgenossen Sebastian Frank, der selbst von Vielen im Verdacht des Wiedertaufs gehalten wurde. kein Täufer, und hat selber niemals wiedergetauft. Auch waren seine heimlichen Jünger, deren er selbst nach seinem Tode noch lang einen großen Anhang hatte, keine Täufer. Münzer gebrauchte die feurigsten Täufer und die Wiedertaufe für seine höhern Plane. Sie gehörten nur mit zu seinen Verbündeten, und er war der leitende Obere des regsten Theils dieser unter sich selbst in ihren Glaubensartikeln nicht einigen, »gar nach eines Jeden Kopf zertheilten« Anshelm VI. 268. 239Sekte. Seit der Mitte des Jahres 1524 drang Münzer auch darum, ohne selbst wiederzutaufen, auf die Wiedertaufe als etwas Zweckmäßiges.

So erlaubte Münzer es sich, religiöser Zeichen und Formen als tauglicher Mittel zu seinem Zwecke sich zu bedienen. Es ist bei ihm dieselbe Freiheit, die er auch sonst für sich und seine Sache in Anspruch nahm. So hüllte er seine Gedanken gerne vor dem Volke ein in Gesichte und Träume, die Berechnungen seines Verstandes in das empfehlende Gewand göttlicher Offenbarungen. Es war ja in seinem Sinne und nach seiner Lehre der menschliche Geist, die erleuchtete Vernunft, die einzige Vermittlung, durch welche Gott sich den Menschen offenbarte, und wenn er einsam auf seinem Zimmer brütete und dachte, und seine Gedanken bis zum lauten Selbstgespräch heraustraten, so mochte er nachher es gerne für einen Zwiesprach mit Gott gelten lassen. Da er zu Altstedt auf dem Thurme wohnte, kam einer seiner Anhänger eines Tages vor seine Kammer. Er hörte darin zwei mit einander reden. Als er ihn beim Oeffnen allein sah, fragte er, wer bei ihm im Zimmer gewesen wäre? Ich habe, antwortete Münzer, jetzt meinen Gott gefragt, was ich morgen thun solle. Ei, fragte der Jünger, gibt er dann auch so bald Bescheid? und Münzer bejahte es. Dialogus zwischen einem münzerischem Schwärmer und einem evangelischen Bauern. Es war nicht bloße Täuschung von Seite Münzers, er fühlte seinen Gott in sich und glaubte an ihn, und hörte in seinen von der Sache seines Volks erfüllten Gedanken diesen Gott sprechen. Selbst die, welche ihm dabei bloß einen schauspielerischen Kunstgriff unterschieben wollten, müßten ihm die für ihn sprechenden Vorgänge großer Männer zugestehen, welche zu der Rolle von Befreiern ihres Volkes auch die Prophetenrolle übernahmen und durchführten. Ein Wort, als käm' es unmittelbar vom Himmel gesprochen, wirkt anders auf das Volk, als wenn es nur aus menschlichem Munde käme; und auch Münzer glaubte der Gesichte und unmittelbaren Offenbarungen zur Beglaubigung seines Berufes bei der Masse nöthig zu haben.


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