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Elftes Kapitel.

Die Bauern im Ries und im Anspachischen.

Aus dem Ulmischen Gebiet und der Grafschaft Burgau lief die Bewegung fort über das Herdtfeld, den Aalbuch, das Ries und den Mühlgau. In beiden letztern Landschaften lagen die Gebiete der Grafen von Oettingen, der Reichsstädte Nördlingen und Bopfingen, und eine Reihe von Klöstern. Auch der Deutschorden war hier herum begütert. In dem Marktflecken Oellingen, der zur Deutschordens Ballei Franken gehörte, hatten sich schon im Jahre 1524 die Landleute über den schweren Dienst in der Ernte beschwert, und von dem Landcommenthur verlangt, wenigstens auf die Hälfte des Taglohns eines gedungenen Schnitters gehalten zu werden. Der Landcommenthur glaubte die Gährung zu begünstigen, wenn er in ihr Verlangen willigte; er schlug es ab; und der Unmuth im Landvolk, das zwar damals noch ruhig blieb, spielte sich ins folgende Jahr hinüber, wo die ganze Landschaft weit umher in unruhige Bewegung kam, deren Mittelpunkt die Reichsstadt Nördlingen war.

In Nördlingen war frühe schon die neue Lehre eingedrungen, und in der Bürgerschaft selbst gährten die neuen Volksideen. 425 Bürger dieser Stadt waren es auch, welche den Aufstand der Landleute im Ries anregten und leiteten. Nördlinger Archiv.

Die Bauern lagen bereits in zwei Lagern in der Nähe; eine Abtheilung hatte sich auf dem Ipf gesetzt, einem hohen Berge in der Mitte zwischen Bopfingen und Nördlingen; und auf der andern Seite von der letztern Stadt, in dem Dorfe Deiningen, lagerte ein anderer Bauernhaufe. Es waren diesseits und jenseits meist Unterthanen der Reichsabtei Neresheim und der Grafen von Oettingen. Graf Ludwig XV. von Oettingen war ein guter Herr und hatte seit längerer Zeit schon den Karmeliter-Mönch Martin Moninger, der wegen seiner Neigung für die neu evangelische Lehre aus seinem Kloster vertrieben worden war, als Hausverwalter und als Lehrer seines Sohnes Wolfgang an seinen Hof genommen. Als der schwäbische Bund seine Mitglieder und ihre Contingente einrief, um gegen Herzog Ulrich und die Bauern zu ziehen, zog auch Graf Ludwig mit, und Moninger folgte ihm als Feldprediger. Hier wurde der Letztere bei dem obersten Feldhauptmann des Bundes Georg Truchseß als ein aufrührerischer und ketzerischer Mann verklagt, aus dem Lager des Grafen mit Wache geholt und in Ketten geschlossen. So wurde er vor dem Kriegsrath verhört. In wiederholten Verhören verantwortete der Prediger sich mit einer solchen Freimüthigkeit, daß er mehreren seiner Richter Bewunderung abnöthigte. Die meisten Richter aber ergrimmten nur um so mehr über ihn, sie stimmten für den Strang. Da erhob sich ein alter Ritter, aus dem edlen Hause Stain und bekannte mit freiem Muthe und großem Ernst, daß Moningers Lehre und Grundsätze wohl nicht so schlimm seien, als man glaube und sie machen wolle. Das wirkte, Moninger wurde freigelassen. Zindels Leben, Martin Moningers in Georgi Uffenheim. Rebenstunden II. 731—35.

Es ist möglich, daß Moninger ein bei den öttingischen Bauern beliebter Prediger war, daß seine Mißhandlung Viele aufregte, und von ihnen dem Grafen von Oettingen übel gedeutet wurde. Mehr als an einem Ort, gab hartes Verfahren gegen ihre geliebten Prediger den Bauern Anlaß oder Nahrung zum Aufstand. Auch die 426öttingischen Bauern erklärten, sie haben sich versammelt des heiligen Evangeliums und ihrer Nothdurft halb, Gottes Wort zu beschirmen, und daneben etliche unerträgliche Lasten und Beschwerden ihrer Obrigkeiten abzulehnen. Urkunde im Nördlinger Archiv.

Am 27. März hatten sich zwischen Nördlingen und Oettingen bei dem Dorfe Deiningen schon 1500 Riesbauern gelagert. Fünf Tage darauf hatten sie sich auf Achttausend vermehrt. Selbst zwei Bürgermeister von Oettingen ritten zu den Bauern nach Deiningen und luden sie in ihre Stadt; sie sollen nur kommen, man werde sie gerne einlassen. Die Leiter der Bauern aber saßen in Nördlingen, und die Bauern gingen da unbehindert aus und ein.

Im Hause des » Taschenmachers« Balthasar Glaser kamen die Bauernhauptleute und die Stadtverschworenen zusammen, und hier wurden sie am Abend des 31. März einig, »alle Klöster und Pfaffenhäuser, auch aller Geistlichen hereingeflüchtete Güter anzugreifen, Mönche und Pfaffen aus der Stadt zu verjagen, alle Herren im Ries zu vertreiben, das Ries der Stadt Nördlingen zuzueignen, auch selbst Herren werden zu wollen.« Nördlinger Archiv.

Die wichtigste Rolle in den städtischen Volksauftritten aber spielte Anton Forner, ein Mann, kriegserfahren, und in den höchsten Aemtern der Stadt, und zu der Zeit zweiter Bürgermeister. Im Hause Glasers »Da war die meiste Praktik der Aufruhr aufgerichtet.« Nördlinger Archiv. wurden Lieder zum Spott des schwäbischen Bundes und zum Lob der Bauerschaft gemacht und gesungen. Anton Forner lud den Liedermacher zu sich in sein Haus ein, bewirthete ihn, und machte »zu einem schändlichen Lied auf den Bund« selbst etliche beißende Verse. Zuvor waren Balthasar Glaser und Anton Forner sich feind; die neuen Dinge und die gleichen Zwecke machten Beide zu Freunde. In der Bewegung in Langenau war vorzüglich eine Frau, wahrscheinlich die Gattin Hans Zieglers, thätig gewesen. Zu Leipheim hatten die Weiber so aufgeregt als die Männer sich gezeigt. Ulmer Archiv. In Nördlingen war es die Hausfrau Anton Forners, welche die heimlichsten »Praktiken« machte, Versammlungen 427veranstaltete, Briefe, welche die Volksbewegung betrafen, hin- und herschrieb, öffentlich übel vom Rath sprach, und sich rühmte, »sie könne einen Aufruhr machen, wenn sie nur einen Finger aus ihrem Mantel aufhöbe.« Nördlinger Archiv.

Es gelang auch dieser Frau, ihrem Mann und seinen Freunden, am 1. April einen nächtlichen Volksauflauf in der Stadt hervorzurufen.

Am andern Morgen, als die Lärmer noch schliefen oder sich vor einem ehrsamen Rath fürchteten, verhaftete dieser Herrn Anton Forner. Aber in der Nacht des 4. Aprils wurde er durch seine Frau und die Gemeinde aus dem Gefängniß befreit. Forner wurde zum ersten Bürgermeister erwählt, der bisherige Bürgermeister Vestner abgesetzt, und den Bauern zu Deiningen ließen die Bürger hinaussagen: Thue es Noth, so werde der vierte Theil der Bürgerschaft mit allem Geschütz der Stadt den Bauern zu Hülfe kommen. Schreiben des Grafen Ludwig von Oettingen vom 4. April.

Anton Forner herrschte nun als fast unumschränkter Bürgermeister, und in den kleinen und großen Rath wurden viele neue Rathsglieder aus der Volkspartei aufgenommen. In dem auf diese Art erneuten und verstärkten Rathe wurde Vieles mit Gewalt durchgesetzt, was die Aristokratie beschränkte. Diese klagte, man nöthige sie, Artikel zu halten, die gegen alle Ehrbarkeit seien. Briefe des Stadtschreibers, die er nach Ulm schrieb, wurden aufgefangen und aufgebrochen. Die Bewegungsmänner wollten ihm als Verräther der Volkssache den Prozeß machen. Seine eigene Freundschaft, seine Schwäger legten ihn in den Thurm; aber sie vermochten es nicht über die Gemeinde, einen Beschluß, strenge gegen ihn handeln zu lassen, auszuwirken; in den aufgefangenen Briefen lag kein Grund dazu. Bei seiner Freilassung aber ließen sie ihn schwören, was ihm begegnet sei, sein Leben lang nicht zu ahnden.

Die Bauern hatten zu Forner ein besonderes Vertrauen. Sie schrieben auch von Deiningen nach Nördlingen herein, »weil ihre weisen, lieben und guten Herren, Freunde und Brüder in Nördlingen an Gottes Wort treulich hängen und ganz dazu geneigt seien, und weil die gemeine Landschaft der Bauerschaft, die jetzt zu 428Deiningen in täglicher Versammlung liege, in vielen Dingen Mangel habe, an Proviant, Büchsen und Anderem mehr, so sei ihr brüderlich Begehren, die von Nördlingen wollen ihnen hiemit, und was ihnen sonst nothdürftig wäre, um ihren Pfenning aushelfen. Sie hoffen auch auf ihren Beistand in ihrem göttlichen Vornehmen. Schreiben im Nördlinger Archiv.

Anton Forner setzte es durch, daß der Rath den Bauern Geld, Korn und Holz verabfolgte. Noch in der Nacht des Auflaufs, den Forners Hausfrau und Balthasar Glaser leitete, hatte er, eben befreit, den Befehl gegeben, den Zeugmeistern des Raths den Schlüssel zum Zeughaus zu nehmen, in der Absicht, die Bauern mit Geschütz aus der Stadt zu versehen. Doch behielt er das Geschütz. Er hätte gar gerne am Tage des Auflaufs, wo der Rath geändert wurde, die Sache auf ein Aeußerstes geführt; man sah ihn unter den Bürgern öfters, gen Himmel sehend, an die Brust schlagen, und hörte ihn dabei mit höchster Bewegung sagen, sollte er reden, es müßte Blut geben! Im großen Rath und Ausschuß wagte er es, den Antrag zu stellen, Nördlingen solle einen Städtetag ausschreiben, da die Bauern bitten, die nächsten Städte um sie möchten in ihrer Sache berathen und handeln. Daß man ihm einwendete, nur Ulm könne dies thun, man müsse zuvor dort ansuchen, das verdroß ihn sehr. Er hätte auch gewünscht, daß Nördlingen den Bauerntag zu Windsheim besucht und mit einigen andern Städten für sich im wahren Interesse des Volkes gehandelt hätte.

Mit den Bauern stand er fortwährend in geheimem Verkehr. Ja man wollte ihn unter Vierzigen von der Bauerschaft zu Deiningen aus- und einreiten gesehen haben; ebenso sollen die Hauptleute und Räthe der Bauern, während sie in ihren Lagern standen, bei ihm aus- und eingegangen sein; ja man sagte, wer dem Kaiser und dem schwäbischen Bunde das Uebelste nachgeredet habe, mit dem habe er aufs Innigste sympathisirt, der sei sein bester Freund gewesen, und habe alle Zuflucht bei ihm gehabt. Er ließ sich auch vernehmen, wäre er der Bauernhauptmann, er wollte die Haufen in Schwaben und Franken bald auf Hunderttausend gebracht, und den Knopf, womit er den schwäbischen Bund meinte, aufgetrennt haben. Die Bauern, mit denen er darüber in Handlung stand, sollen ihm, wenn 429er ihr Hauptmann würde, 1000 Gulden zur Verehrung und eine gute Besoldung versprochen haben. Alles nach Akten des Nördlinger Archives.

Einwirkungen von anderer Seite her machten, daß diese Verhandlung keine Folge hatte.

Als der Aufstand allenthalben so um sich griff, waren das Reichsregiment und die Städte nur um so thätiger, die Bauern durch gütliche Verhandlungen zu beruhigen. In der zweiten Woche des April hatten die Gesandten des Reichsregiments und sämmtliche Städte am See und im Allgäu neue Verhandlungen mit den Haufen im Allgau, am See und im Ried eröffnet, hier ohne Erfolg. Eßlinger Archiv. Zu gleicher Zeit unterhandelten die Gesandten der Städte Augsburg, Dinkelsbühl, Wörth und Nördlingen mit den Bauerschaften im Ries.

Die Bauern machten den Vorschlag, ihre Herren, die Grafen von Oettingen, sollen sie aller Lasten der Leibeigenschaft und anderer Beschwerden entheben, und zur Entschädigung wollen sie alle Gotteshäuser im Ries einnehmen und die Güter derselben den Grafen überlassen.

Der Haß der Bauern gegen die geistlichen Herren zeigte sich auch hier wie in Oberschwaben unendlich stärker, als der gegen die weltlichen, und in diesen Haß gegen die geistlichen Herrschaften verschmolzen sich die Bauern ganz mit dem fränkischen Adel. Dieser haßte die letztern so, daß er im Jahre 1520 in den Statuten des Bündnisses des fränkischen Adels wider Pabst und Pfaffen unter Anderem festsetzte, daß jeder fränkische Edelmann die Pfaffen vom Kardinal bis zum untersten herab in Rom für des Teufels Apostel halten, jedem Bettelmönch, der ihm einen Käs abfordere, einen vierpfündigen Stein nachwerfen und keinen Mönch in sein Haus lassen wolle: käme einer unversehens herein, so solle er ausgejagt, und ihm mit Besen über die Thürschwelle nachgekehrt werden. Handschrift von 1520, abgedruckt in den fränkischen Provinzialblättern. 1803. S. 93. Die Städte theilten diesen Haß auch ihrerseits, und Anton Forner, obwohl er Herrensitze wie Prälatensitze für schädlich hielt, darf immerhin als Urheber des Vorschlags angesehen werden, welchen die 430Bauern auf Einziehung der geistlichen Güter an die Grafen von Oettingen stellten.

Den Grafen schien die Sache weniger unthunlich als gefährlich. Die vermittelnden Städte trugen nun darauf an: zwischen den Bauern und ihren Herrschaften soll Alles, was sich indeß begeben habe, vergessen sein, die Herrschaften aber, und die Bauerschaft sollen jede zwei bis vier ehrbare redliche und verständige Männer wählen, und vor ihnen und ihren Beisitzerin deren Zahl für beide Theile gleich wäre, einen gütlichen Vergleich versuchen. Was sie einhellig oder mit Stimmenmehrheit sprächen, das solle für beide Parteien verbindlich sein, bei Stimmengleichheit ein unparteiischer Obmann benannt werden, und wem dieser zufalle, das solle gelten. Der Zusammentritt des Vergleichs- oder Schiedsgerichts wurde auf den 21. April, und zwar in Dinkelsbühl, Donauwörth oder Nördlingen, festgesetzt, die Vollziehung des Spruchs auf Jahresfrist. Inzwischen sollen die Bauern leisten, was sie von Alters her schuldig seien. Urkunde des Vertrags in der Sammlung des Prälaten v. Schmid.

Diese Vertrags-Formel wurde am 7. April aufgerichtet: binnen fünf Tagen mußten sich die Bauern für die Annahme entscheiden. Die Mehrheit nahm ihn an, und am 12. April verließen die Bauern ihre Lager und zerstreuten sich in ihre Hütten.

Daß die Bauern so leicht darauf eingingen, findet seine Erklärung darin, weil die Mehrheit in Nördlingen wieder städtisch und nicht mehr bäurisch war. Wenige Tage hatten in Nördlingen die Bürgerschaft verkühlt und gestillt.

Die Nördlinger hatten den Bauern auf ihr Schreiben zugesagt, sie mit Geschütz und Lebensmitteln zu versehen. Keines von Beiden hielten sie. Die Bürgerschaft wurde durch geistliche Klugheit gewonnen. Vier Prälaten der Umgegend hatten ihr Gut und viel Getreide nach Nördlingen hinein geflüchtet. Sie machten der Gemeinde eine Verehrung mit vierhundert Schock Roggen. Dabei beruhigten sich die Bürger und sagten den Prälaten und ihrem Gut Schutz zu. Die Empörung zu Nördlingen in der Stadt hat zum Theil aufgehört, sagte man am Münchner Hof schon am 10. April. Die vierhundert Schock Roggen, schrieb der Pfersfelder, die haben die 431Gemeinde fast gestillt. So war die Partei Forners zusammengeschwunden. Warum seid ihr nicht in eurer Wagenburg draußen geblieben? sagte ärgerlich einer der Fornerischen, ein Nördlinger Wirth, zu einem Bauern, der bei ihm zechte; wenigstens bis zur Rückkunft der Gesandten von den vier Städten vom schwäbischen Bund; die hätten euch gewiß guten Bescheid gebracht. – »Wirth,« entgegnete der Bauer, »wenn ihr und Andere, was ihr uns zugesagt, geleistet hättet, so hätten wir vielleicht länger bleiben mögen. Hunger und Armuth hat uns heimgetrieben. Und wären an jedem der beiden Thore unserer Wagenburg fünftausend Landsknechte mit gesenkten Spießen gestanden, so hätten sie doch uns in derselben nicht zurückhalten können.«

Ehe die Bauern aus ihrer Wagenburg sich verliefen, am 12. April, rief einer: »Hälf uns Gott aus diesem Krieg, wir wollten keinen mehr anfangen.« Bericht des Pfersfelders nach München vom 17. April 1525. Jörg 123. Und sehr Viele stimmten ihm bei.

Während des Abzugs der Bauern von Deiningen verordnete der Rath zu Nördlingen den Bürgermeister Anton Forner und zwei Rathsmitglieder unter das Reimlinger Thor, mit dem strengsten Befehl, Niemand von der Bauerschaft in die Stadt zu lassen. Forner ließ heimlich doch die Rädelsführer, »der Bauern böseste Buben,« namentlich ihren Profosen ein, und nahm Rücksprache mit ihnen für die nächste Zeit. Nördlinger Archiv.

Mit Windsheim wollte Forner Nördlingen in Verbindung bringen, weil in dieser Stadt schon seit einem Monat Bürger und Bauern in Bewegung waren. In dieser freien, in dem fruchtbaren Aischgrund gelegenen Reichsstadt predigte seit längerer Zeit der Prediger Thomas Appel im Geiste der neuen Lehre. Die Schärfe und Freimüthigkeit seiner Vorträge, worin er wie Eberlin, wie Luther, wie Münzer Hohen und Niedern einen Spiegel vorhielt, mißfiel dem Rath in dem Grade, als er den Bürgern wohl gefiel. Den Herren des Raths entging es nicht, daß die Freimüthigkeit in Volksschriften und öffentlichen Reden, dieses neue Kind des Zeitgeistes, das in den letzten Jahren so schnell heran gewachsen war, auf eine bedenkliche Weise auf den Geist der Zeit zurück wirkte und auf die 432Stimmung des Volkes. Er setzte den scharfen Pfarrherrn ab, am 26. Februar schon war darüber Murren und Mißmuth im Volke. Als an Maria Verkündigung, dem 25. März, kein Prediger in der Stadt predigte, brach das Murren in Unruhe aus. Auf dem Markt trat eine Anzahl aus dem Handwerksstande zusammen, zehn aus ihrer Mitte gingen aufs Rathhaus, wo die Herren gerade Sitzung hielten. Sie riefen den Bürgermeister Sebastian Hagelstein heraus, und als sprächen sie im Namen der ganzen Bürgerschaft, stellten sie ihn zur Rede. Die Gemeinde hatte gegründete Klagen in weltlichen wie in geistlichen Dingen. Sie klagten über Entfernung ihres geliebten Pfarrherrn, über Entziehung des göttlichen Worts, über zu hohe Besteurung und über Familienherrschaft. Das sei ein Vetterleinsrath, sagten sie, der in der Rathsstube sitze; seien die Herren doch alle miteinander verschwägert.

Der Bürgermeister that Alles, damit diese Handwerker beruhigt von ihm gingen. Sie waren es aber nicht, oder wollten es nicht werden; auch die Gemeinde war es nicht. Es wurde das Gerücht verbreitet, es seien 3000 Bündische im Anzug, um die Gemeinde zu unterdrücken. Abends schlugen die Bürger in der Stadt um, und die ganze Gemeinde erschien mit Wehr und Waffen auf dem Marktplatz, Bürgerabtheilungen nahmen unter den Thoren die Schlüssel weg, die Stadtknechte wurden entwaffnet, das Rathhaus gestürmt, die Rüstkammer erbrochen, eifrig warfen die Bürger Spieße, Hellebarden, Harnische auf den Marktplatz hinab; wer noch nicht gerüstet war, waffnete sich, zwischen hinein scholl die Sturmglocke eine halbe Stunde lang. Die Bürger wählten Eucharius Huter zu ihrem Hauptmann, vier andere aus ihrer Mitte zu Viertelsmeistern. Der Hauptmann setzte sogleich das Gesetz durch, daß bei Lebensstrafe keiner an irgend Jemand sich vergreifen solle. Die Bürger versahen die Nacht über die Wachen, des andern Tags bemächtigten sie sich des Geschützes und der Thürme, zu den Thoren durfte nichts herein, weder Mensch noch Botschaft, ohne zuvor untersucht zu sein. Am 28. März kamen von Nürnberg Vermittler, welche den Rath mit der Bürgerschaft dahin verglichen, daß der erstere geändert, die Steuer ermäßigt wurde.

Noch standen die Bürger in Windsheim gegen ihren Rath unter den Waffen, als am 27. März die Bauern um Windsheim herum 433aufstanden. Die Bauern begehrten an die Stadt, sie solle sich ihnen verbinden, Windsheim, so klein es war, hatte starke Befestigungswerke, und da eben in der Stadt die Gemeinde den Sieg über die Herren davon getragen hatte, so hätten die Bauern an ihr einen guten Halt gehabt, wenn sie zu ihnen getreten wäre. Der vorsichtige Rath zu Nürnberg aber sandte an die befreundete Stadt ein bewegliches Schreiben, sie von solchem Schritt abzuhalten, und die Rathsbotschaft, die dem Schreiben folgte, vermochte auch durch Warnungen und Drohungen die Windsheimer Bürgerschaft, das Begehren der Bauern abzulehnen. Müllner, Relation. Windsheimische Chronik, Handschrift.

Ein anderer Bauernhaufe hatte sich schon in der Mitte des März in zwei Lagern zu Weiltingen und am Hesselberg zusammengethan. In der ganzen Markgrafschaft Brandenburg- Anspach war die neu-evangelische Lehre von Anfang an frei und unverfolgt gelehrt worden. Aber die Fürsten dieser fränkisch-brandenburgischen Lande waren ihr nur aus Politik, nicht als einer Sache des Herzens geneigt. Sie dachten nicht daran, daß es eines evangelischen Fürsten erste Pflicht sei, seine Unterthanen christlich milde zu behandeln, und für sie eine Lage herbeizuführen, die des Namens christlicher Zustände würdig wäre. Schon im Frühling 1524 zeigten sich in den fränkisch-brandenburgischen Landen bedenkliche Symptome unter dem Volke. Die Unruhen zu Poppenreuth bei Nürnberg, die Bauernzusammenrottungen bei Forchheim im Gebiete des Bischofs von Bamberg im Mai 1524 dehnten ja ihre Schwingungen auch über das Anspachische aus. Es hieß ebenso sehr für sich selbst sorgen, als für den von Bamberg, wenn die Regierung zu Anspach an alle Aemter Aufforderungen zur Treue ausgehen ließ, und dem Bischof von Bamberg die Unruhen seiner Bauern mit den Waffen unterdrücken half. Bauernkriegs-Akten im Anspacher Archiv, X Tomi, 2374 Nummern, im Auszug in der Sammlung des Prälaten v. Schmid. I. Nr. 15—19.

Es regierte damals im Fränkisch-Brandenburgischen, in den Fürstenthümern Baireuth und Anspach, Markgraf Kasimir mit seinem Bruder Georg. Während er regierte, schmachtete sein Vater Markgraf Friedrich IV. im Thurme auf der Plassenburg, zwölf jammervolle 434Jahre lang, einsam abgesperrt, ohne Spiegel, um sein Angesicht nicht sehen zu können und seinen eigenen Jammer. Er hatte im Dienste Kaiser Maximilians durch zu großen Hofaufwand sich in eine Schuldenmasse gestürzt, diese ihn in Schwermuth. Sein ältester Sohn Kasimir und zwei jüngere Brüder überfielen den schwermüthigen Vater, als sie mit ihm getafelt hatten und er zur Ruhe gegangen war, am Fastnachtsfest 1515, im Schlafe, zwangen den Greis, seine Abdankung zu unterzeichnen, und setzten ihn in Plassenburg gefangen, indem sie durch Bettelmönche im Land um verkündigen ließen, er sei volksschädlich und blödsinnig. So ließ es sich das Volk gefallen, die Ritterschaft war gewonnen, und Kasimir regierte, zwei seiner Brüder mit ihm dem Namen nach.

Kasimirs Herz spiegelt sich in dem, was er an seinem Vater that; Kasimirs Verstand war ausgezeichnet, er war ein politischer Kopf. Der Adel genirte ihn, er wollte ihn unterthan machen; um seiner nicht zu bedürfen, hob er aus jeder Stadt- und Landgemeinde seit dem Jahre 1520 eine Zahl wehrhafter Männer nach dem Loos aus, montirte sie Alle gleich, schwarz und weiß, waffnete und übte sie unter tüchtigen Hauptleuten; einen Monat hatte einer zu dienen, bis ihn nach einiger Zeit die Reihe wieder traf. Den Unterhalt mußten die Gemeinden auf sich nehmen. So hatte er ein waffengeübtes Heer in wenigen Jahren, wohlfeil und fügsam zugleich. Sein Hof glich dem des württembergischen Ulrich, der Hofluxus wuchs fast täglich, und mit dem steigenden Bedarf wuchs die Bedrückung der Unterthanen.

Als die Bauern am Hesselberg sich versammelten, um zu tagen, schrieb Kasimir am 18. März an die drei Grafen von Oettingen, Wolfgang, Ludwig und Martin, sich mit ihm wider die aufrührerischen Unternehmungen der Bauern zu vereinigen. Die Grafen thaten es. Ein reisiges Geschwader überfiel die Bauern, erstach einen Theil und sprengte sie auseinander. Anspacher Archiv, I, 22. 25. Er freute sich, die Sache so schnell abgethan zu haben; Untersuchungen stellte er keine an. Er kam ihm gelegen, dieser Cravall; er benützte ihn gegen den schwäbischen Bund; statt seine Bundes-Drittel zu entrichten, erklärte er, da bei ihm die Unruhen bereits ausgebrochen seien, könne er kein Geld schicken, 435forderte sein Kriegsvolk vom Bunde zurück, und ersuchte selbst den Bund um Hülfe, der statt derselben auf schleunigster Erlegung der zwei Drittel Geldanlage beharrte. Anspacher Archiv II, 48. 49. Er glaubte für jetzt der Hülfe für sich so wenig im Ernste zu bedürfen, daß er der Stadt Rottenburg an der Tauber Hülfe wider ihre rebellischen Bauern versprach. Anspacher Archiv I, 27, unter dem 25. März. Bald aber gestaltete es sich anders um ihn her. Von Oettingen berichtete ihm Georg Haberkorn, wie die Bauern im Ries allenthalben auf seien; ähnliche Berichte liefen von seinem Amtmann zu Wald und von Friz zu Lidwach ein. Das Kapitel zu Comburg zeigte unterm 2. April an, wie die Bauern zu Gebsattel zu den Aufgestandenen zu treten gemahnt worden seien. Am 3. April berichtete Wolf von Alezheim zu Wachbach, daß seine Bauern aufgestanden seien und er sich ihnen habe verpflichten müssen. Am 4. schrieb ihm Graf Ludwig von Oettingen den Volksaufstand zu Nördlingen; an demselben Tage kam ihm die Botschaft, wie sich die Bauern an der Altmühl aus Anlaß eines neuerlich auferlegten Zolls gegen den Bischof von Eichstett empört haben; am 5. suchte Markgraf Friedrich, Domprobst zu Würzburg, sein Bruder, bei ihm um einen sichern Aufenthalt an, weil er zu Würzburg sich nicht mehr sicher wisse; am 6. meldete sein Amtmann Eberhard Geyer den Aufstand zu Uffenheim, und am 7. berichtete ihm Herzog Ludwig von Baiern die in seinen Landen ausbrechenden Unruhen. Anspacher Archiv I, 28. 29. 30. 33. I, 34. 35. I, 38. I, 39. I, 40. I, 41. I, 43.

Kasimir lud die benachbarten Fürsten zu einem Fürstentag Ende März in Neustadt an der Aisch. Es kamen wenige Gesandte. Er schrieb einen zweiten auf den 4., einen dritten auf den 11. April aus. Es kamen auch diesmal wegen der überall ausgebrochenen Aufstände, unsichern Wege und Straßen nur die Räthe von Würzburg, Eichstett, Brandenburg; die Fürsten außerhalb des fränkischen Kreises, die er eingeladen hatte, entschuldigten sich alle mit der Unmöglichkeit, den Tag zu beschicken: der Bischof von Bamberg schickte statt eines Bevollmächtigten einen Bericht über den Volkstumult, der in seiner Residenz ausgebrochen war. Kasimir wollte eigentlich auf diesem 436Fürstentag von den Fürsten eine Geldbewilligung, um den Krieg gegen die Bauern führen zu können; er selbst wollte den Krieg führen, im Namen der Andern; wer weniger Kriegsvolk stelle, meinte er, solle den Ausfall durch Geld decken. Es findet sich nicht, daß die Räthe der Fürsten dafür Vollmacht hatten und darauf eingingen. Anspacher Archiv. I, 31. 50. IV, 2—17. VIII, 4.


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