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Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Durch das ganze Mittelalter hin war von Zeit zu Zeit das Landvolk gegen adelige und geistliche Herren aufgestanden, theils zur Wahrung seiner alten, ursprünglichen Freiheit, theils zur Abwehr der Willkür, welche gewaltsam die Lasten der Unfreien schwerer, die Hörigen zu Leibeigenen machen wollte.

Dieser Kampf zeigt sich durch ganz Europa auf vielen Punkten. Die Bauern aber hatten zuletzt immer kein Waffenglück, theils weil sie auf weitentlegenen Punkten vereinzelt und nicht gleichzeitig, mit gesammter Kraft, und im Zusammenhang auf einer weiten Strecke umher, den Kampf versuchten; theils weil sie schlecht geführt oder verrathen wurden; theils weil sie der Waffen entwöhnt waren.

Glücklich kämpften die Bauern in Niederdeutschland, die Dithmarschen und die Kennemarer; in Oberdeutschland die Schweizer. Jene wie diese unterstützte ihr Boden: dort Flüsse, Meer und Sümpfe; hier die Berge und Engen der Alpenwelt.

Seit die Schweizer siegreich waren, und ihren Bund bis an den Bodensee und den Schwarzwald vorrückten, zuckte es durch ganz Schwaben, und weiter bis ins Herz von Franken. Der Umlauf freierer und hellerer Gedanken einerseits, und andererseits die gesteigerte Genußsucht und Pracht der Herren, und, um diese zu befriedigen, die Steigerung und Mehrung der Lasten wirkten zusammen, um den Drang nach einer Aenderung der Zustände im Volke zu nähren. Die Erfindung der Buchdruckerkunst um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts brachte manches fliegende Blatt auf das Land hinaus; es fand sich immer einer, welcher denen, die nicht lesen konnten, es las; und diese Flugblätter hatten sehr oft einen Inhalt, welcher den geistlichen oder den weltlichen Herren, meist beiden zugleich, feindselig war.

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Theils nach einander, theils an entfernten Orten gleichzeitig, kam es zu Versuchen oder Ausbrüchen dessen, was in der Tiefe der Massen arbeitete und kochte. Im Jahre 1476 predigte der »Pfeifer-Hänslein« von Niklashausen, Hans Böheim, im Würzburgischen allgemeine Freiheit und Gleichheit. Wie er jahrelang auf den Kirchweihen und Hochzeiten an der Tauber hin und wieder aufgespielt hatte, so verkündete er jetzt »ein neues Gottesreich, worin Alles abgethan sei, Kaiser, Fürst und Pabst, alle Herrschaft und alle Lasten, Jeder des andern Bruder sein, mit eigener Hand das tägliche Brod gewinnen, und Keiner mehr als der Andere haben müsse.« Der Bischof von Würzburg ließ ihn Nachts überfallen und verbrennen, und die Bewegung zerfloß.

In den Niederlanden wurde im Jahre 1491, als Mißwachs und Theurung war, das Landvolk durch heillose Steuer- und Münzoperationen zur Bitte um Abhülfe seiner Beschwerden, und, da die Antwort eine neue Auflage von zwei Goldgulden auf jedes Haus war, zum Aufstande gebracht. Weil sie ein schlechtes Gerstenbrod und einen grünen Käs in ihre Fahnen gemalt hatten, hieß man sie »die Käsebröder.« Ein großes Kriegsheer war nöthig, diesen Bauernaufstand zu unterdrücken. Im obern Deutschland war die Aufregung so, daß die Zeitgenossen urtheilten, wäre das Käse- und Brodspiel nicht zeitig genug unterdrückt worden, so hätte die durch die Käsebröder veranlaßte Bewegung an der Mosel und am Rhein hinauf sich fortgeleitet.

Seit dem Ablaufe der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts ist es überhaupt, als fange ein Verbindungsfaden sich durch alle Bauerschaften hindurchzuziehen an, und als gehen aus einem Gau in den andern Einzelne hin und wieder, und tragen im Stillen Entwürfe und Losungen hin und her. Der Trieb der Einigung wird in den Bauern seitdem immer lebendiger. Die gute alte Zeit hatten nicht Alle vergessen. Auf die ursprünglichen bäuerlichen Zustände, und auf die Arten und Wege, aus welchen sie um ihre Freiheit gebracht wurden, fällt ein scharfes Licht durch die Urkunden aus dem Allgäu, in Oberschwaben, namentlich aus der gefürsteten Abtei Kempten und aus Ochsenhausen.


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