Leo N.Tolstoi
Krieg und Frieden
Leo N.Tolstoi

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Heftig erschrocken sprang Peter auf und lief zur Batterie zurück, als einziger Zufluchtsort gegen alle Schrecken, die ihn umgaben. Als er den Graben erreichte, bemerkte er, daß in der Batterie keine Schüsse mehr hörbar waren. Er erblickte den Oberst am Walle liegend, als ob er hinabblicken wollte. Ein Soldat, den er früher bemerkt hatte, suchte sich von einigen Leuten loszureißen, die ihn hielten, und schrie: »Zu Hilfe!« Dann aber wurde er vor Peters Augen von einem Bajonett durchbohrt. Noch ehe er klar erkennen konnte, daß der Oberst gefallen und dieser Soldat gefangen war, stürzte ein hagerer, gelber Mensch mit schweißbedecktem Gesicht, in blauer Uniform, mit einem Degen in der Hand, auf Peter zu. Dieser schützte sich unwillkürlich gegen den Feind, streckte den Arm aus und ergriff diesen Menschen, einen französischen Offizier, mit einer Hand an der Schulter und mit der anderen an der Kehle. Der Offizier ließ den Degen sinken und faßte Peter am Rock an. Einige Sekunden sahen sich beide mit erschrockenen Augen an und schienen nicht zu begreifen, was sie taten oder tun sollten. »Bin ich gefangen? Oder ist er mein Gefangener?« dachte jeder von ihnen. Peter drückte dem Franzosen in unwillkürlichem Schrecken immer fester die Kehle zu. Dieser wollte etwas sagen, als plötzlich ganz niedrig über seinem Kopf mit schrecklichem Pfeifen eine Kanonenkugel wegflog. Peter glaubte, der Kopf des französischen Offiziers sei abgerissen, so rasch hatte er ihn herabgebogen.

Auch Peter bückte den Kopf und ließ die Hand los. Sie dachten nicht mehr daran, wer von ihnen gefangen sei. Der Franzose lief in die Batterie zurück und Peter den Berg hinab. Bald aber kamen ihm dichte Massen von russischen Soldaten entgegen, welche feuernd und mit lautem Geschrei stürmisch auf die Batterie zuliefen. Das war jener Angriff, den Jermolow sich zuschrieb, indem er behauptete, nur seiner Tapferkeit und seinem Glück sei es möglich gewesen, diese Tat und diesen Angriff auszuführen, bei welchem er Georgenkreuze auf den Hügel geworfen habe, die er in der Tasche gehabt habe.

Die Franzosen, welche die Batterie weggenommen hatten, flohen, unsere Soldaten verfolgten mit Hurrageschrei die Franzosen so weit, daß es schwer war, sie anzuhalten. Von der Batterie führte man Gefangene fort, darunter auch einen verwundeten französischen General, den die Offiziere umgaben. Peter ging den Hügel hinauf, wo er mehr als eine Stunde zugebracht hatte. Viele Tote lagen da, die ihm unbekannt waren, einige aber erkannte er. Der kleine Offizier lag noch immer am Rande des Walles in einer Blutlache. Peter lief den Hügel hinab. »Nein, jetzt werden sie sich selbst davor entsetzen, was sie getan haben«, dachte Peter. Doch das Gewehrfeuer und die Kanonade verstärkten sich noch immer, namentlich auf dem linken Flügel.


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