Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

CXI.

Peregrine leistet seinem Vater den letzten Liebesdienst und kehrt dann in wichtigen Angelegenheiten nach London zurück.

Nachdem alle Vorbereitungen zur Bestattung des alten Gamaliel getroffen worden waren, ward die Leiche desselben in der Pfarrkirche beigesetzt, hierauf aber im Beyseyn einer Menge dazu eingeladener unverdächtiger Personen, dessen Papiere untersucht. Es fand sich hier weder ein Testament noch sonst eine Schrift zum Besten des zweiten Sohnes, doch ging aus dem Ehecontracte hervor, daß die Wittwe ein Jahrgeld von fünfhundert Pfund zu fordern hatte. Die übrigen Papiere bestanden aus Actien von der ostindischen und Südsee-Compagnie, aus Verschreibungen, hypothekarischen Pfandscheinen und dergleichen, im Ganzen achtzigtausend siebenhundert und sechzig Pfund betragend, Haus, Silberzeug, Geräthe, Viehstand, Garten und Park nicht mitgerechnet.

Diese Summe überstieg bei weitem Peregrinens Erwartungen und mußte nothwendig dessen Einbildungskraft mit den angenehmsten Bildern füllen. Seine Nachbarn betrachteten ihn als einen Mann von großer Wichtigkeit und begegneten ihm mit einer solchen Ehrerbietung, daß er ohne die bereits gemachten Erfahrungen leicht wieder hätte können auf Abwege verleitet werden; so war er aber vorsichtig geworden und benahm sich in seinem Glücke mit einer solchen Mäßigung, daß er alle Welt durch seine Leutseligkeit und Bescheidenheit entzückte. Wirklich forderte man ihn bald auf, sich bei der nächsten Parlamentswahl als Candidat für die Grafschaft zu melden, indem deren jetziger Repräsentant vermöge seines Alters und seiner Kränklichkeit es nicht mehr lange machen würde, und ein gewisser Pair, der in diesem Theile des Landes seinen Sitz hatte, fühlte sich durch die glänzende Erbschaft so zu unserm Helden gezogen, daß er ihm seine einzige Tochter mit einer beträchtlichen Aussteuer zur Frau anbot.

Peregrine benahm sich jedoch bei dieser Gelegenheit, wie es einem Manne von Ehre und Gefühl zukommt; dankbar lehnte er das Anerbieten des Lords ab und gestand ihm ganz offen, daß sein Herz bereits gefesselt sey. Es war ihm dabei lieb, seiner Liebe zu Emilie ein solches Opfer bringen zu können, und seine Neigung zu ihr wachte jetzt so heftig auf, daß er in möglichster Eile nach London zu gehen beschloß.

Er wandte deshalb fast alle seine Stunden zur Ordnung seiner häuslichen Angelegenheiten an; alle bisherigen Diener im Hause wurden verabschiedet und dagegen andere auf Empfehlung seiner Schwester angenommen, die sich auch der Verwaltung des Hauswesens während seiner Abwesenheit unterzog. Peregrine zahlte jetzt noch das erste halbe Jahr des Wittwengeldes seiner Mutter im Voraus aus, und suchte seinem Bruder Gam Gelegenheit zu geben, sich ihm zu nähern; allein der junge Herr war hierzu noch nicht gedemüthigt genug vom Schicksal, sondern ergriff im Gegentheil jede Gelegenheit, Peregrinens Betragen zu verlästern; eine Sache, bei welcher ihm seine Mutter nicht allein treulich beistand, sondern ihn noch dazu anspornte.

Nachdem auf diese Art Alles in Ordnung gebracht war, kehrten die drei Freunde nach London zurück, und wurden diesmal außer Pipes und den andern Dienern, die ihnen zu Pferde folgten, noch von dem wieder als Kammerdiener ausstaffirten Hadgy begleitet.

So mochten sie ungefähr zwei Drittheile des Weges zurückgelegt haben, als sie von ungefähr auf einen Landjunker stießen, der von einem Besuch in der Nachbarschaft zurückkehrte. Man hatte den guten Mann hier so gastfrei bewirthet, daß er, wie der Lieutenant bemerkte, bei jeder Bewegung seines Pferdes wie die Kanonenläufe rollte, wenn die See hoch geht, und als jetzt die Wagen an ihm vorüberfuhren, da erhob er das Jagdgeschrei mit einer Stimme, die wie ein Waldhorn tönte, und gab zugleich seinem Fuchse die Sporen, um mit dem Wagen gleichen Schritt zu halten.

Heiter gestimmt, wie er war, ließ sich Peregrine mit ihm in ein Gespräch über den Bau und das Feuer seines wirklich trefflichen Pferdes ein, wodurch sich denn der Landjunker so angezogen fühlte, daß er, als man seiner Wohnung nahe war, unsern Helden und dessen Gesellschaft ersuchte, einen Augenblick bei ihm einzukehren und eine Flasche von seinem Octoberbier zu trinken.

Dieser Vorschlag ward angenommen, und der Landjunker führte nun seine Gäste durch eine weite Allee, die bis an die Heerstraße ging, an die Thore eines großen Schlosses, dessen Bauart so alterthümlich und edel zugleich war, daß man beschloß, auszusteigen und sich das Innere zu besehen.

In der That fand man die Gemächer der Außenseite entsprechend und schon glaubte Peregrine Alles gesehen zu haben, als sein Wirth die Thüren eines geräumigen Speisesaales öffnete, dessen Inneres nicht wenig Verwunderung erregte.

Rings umher waren die Wände mit Bildnissen in Lebensgröße von Vandyk bedeckt, aber jedes derselben hatte eine äußerst lächerliche Knotenperücke auf, ganz nach dem Muster derer, wie man sie an den Buden der Zweipfennigbarbiere hängen sieht. Die engen Stiefeln, worin die Figuren gemalt waren, und mehreres andere in ihrer Draperie, das zu ihrem ungeheuren Hauptschmucke ganz und gar nicht paßte, brachte aber eine solche seltsame Wirkung hervor, daß Peregrinens Verwunderung in Kurzem in ein lautes Gelächter ausbrach, welches ihn beinahe zu ersticken drohte.

Mit dieser Lustigkeit war der Landjunker halb zufrieden und halb auch nicht. »Ich merke wohl,« sprach er, »warum Sie so lachen; es kommt Ihnen seltsam vor, meine Vorfahren in Stiefeln und Sporen und mit solchen Perrücken zu sehn, aber hören Sie nur, wie das Ding zusammenhängt. So oft ich in den Saal kam, ärgerte ich mich, daß den alten Herren da die Haare so lose um die Augen hingen, wie den wilden Füllen; ich ließ demnach einen Malerjungen aus London kommen, der ihnen solche Perrücken aufsetzen mußte, das Stück zu fünf Schilling; auch accordirte ich mit ihm, daß er Jedem ein paar feine Strümpfe und Schuhe anpinseln sollte, zu drei Schilling das Paar. Aber wie der Schuft mit den Azeln fertig war, dachte er mich zu prellen und wollte vier Schilling 'rausplacken: eh' ich mich jedoch so übers Ohr hauen ließ, hieß ich ihn gehen und will nun lieber warten, bis irgend ein anderer Kleckser einmal kommt, der's billiger zurecht schmiert.«

Diese Entschließung lobte Pickle sehr, obschon er sich nicht entbrechen konnte, sich im Herzen über einen solchen Vandalen zu kreuzigen und zu segnen; nachdem man aber einige Flaschen Octoberbier geleert hatte, machte sich die Gesellschaft wieder auf den Weg, und langte Abends um eilf Uhr glücklich in London an.


 << zurück weiter >>