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LXXXIX.

Peregrine beredet Crabtree, die Rolle eines Wahrsagers zu spielen. Erfolg dieses Unternehmens.

Der Verdacht dieser Frau gegen seinen Gefährten machte Peregrine nicht nur herzlich lachen, sondern bestärkte ihn auch in seinem oben erwähnten Einfall, der Crabtree's ganze Zustimmung erhielt und in nichts Anderem bestand, als die Menschen durch Antworten zum Besten zu haben, die ein Geisterbeschwörer ertheilen sollte, welche Rolle dem Menschenhasser zufiel, da sein ganzes Aeußere sich zu derselben ausnehmend eignete.

Nachdem dieser Plan von Beiden in allen Theilen ausgearbeitet worden war, mietheten sie ein Zimmer in einem Hause, welches einen öffentlichen Durchgang hatte, so daß die sie besuchenden Personen frei kommen und gehen konnten, ohne beobachtet zu werden; hierauf wurde das Gemach mit allen Geräthschaften eines Zauberers ausgeputzt, mit Himmelskugeln, Ferngläsern, einer Zauberlaterne, einigen Skeletten, einer getrockneten Meerkatze und den Bälgen eines Alligators, einer Otter und einer Schlange. Hierauf nahm Crabtree Besitz von dieser Wohnung und machte durch gedruckte Anzeigen bekannt, daß ein fremder Zauberer angekommen sey.

Das Gerücht hiervon war kaum erschollen, als es auch schon nach dem Wunsche der Interessenten wirkte, und da man den Preis auf eine halbe Guinee gesetzt hatte, so schloß das Publikum, es müsse etwas Außerordentliches dahinter stecken. Schon den folgenden Tag fand Peregrine einige Damen von seiner vornehmen Bekanntschaft sehr neugierig, die Geschicklichkeit des Wahrsagers auf die Probe zu stellen, der, seinen Anzeigen nach, so eben erst aus den Staaten des großen Moguls angelangt sey und seine Kunst von den Braminen erlernt hätte.

Unser Held stellte sich nun, als betrachtete er das Ganze für eine Charlatanerie, und schien nur ungern darein zu willigen, die Damen nach der Wohnung des Wahrsagers zu begleiten, obschon man aber sich stellte, als gäbe man ihm in seiner Meinung vollkommen Recht, und wolle nur aus Neugier und um den Großsprecher zu beschämen sich hinbegeben – weshalb man denn auch sich den Spaß vornahm, daß eine der Lady's sich als ihre Kammerfrau verkleiden, diese aber als Dame auftreten sollte – so konnte er doch sehr deutlich sehen, daß Alle von einer großen Leichtgläubigkeit beseelt waren.

Nachdem man so unter sich über Alles übereingekommen war und die Zeit des Hinganges auf den nächsten Audienztag festgesetzt hatte, ertheilte Peregrine seinem Bundesgenossen die nöthigen Aufschlüsse und ging dann zur bestimmten Stunde mit der Gesellschaft zu dem Seher, bei dem der Kammerdiener unseres Helden jetzt die Rolle eines Famulus spielte.

Das von Natur magere und schwarzbraune Gesicht dieses Menschen war durch einen ungeheuern Knebelbart geschmückt und paßte ganz vorzüglich zu dem persischen Gewande, welches er anhatte und in welchem er wie geschaffen zu einem Ceremonienmeister für einen morgenländischen Schwarzkünstler aussah. Statt aller Bewillkommnung legte er, als die Gesellschaft eintrat, seine Arme kreuzweise auf die Brust und ging mit einem feierlichen Schweigen den Fremden voraus in das Innere des Tempels, wo der Beschwörer an einem mit Federn, Dinte, Papier und mathematischen Instrumenten bedeckten Tische saß und einen langen, weißen Zauberstab vor sich liegen hatte. Ein schwarzes Gewand umfloß seinen Körper und eine spitze Pelzmütze bedeckte seinen Kopf, während ein weißer Bart von seinem Kinn herabfloß; rechts und links saßen ihm auf den Schultern ein paar ungeheure schwarze Katzen, die eigens hierzu abgerichtet waren.

Eine solche Figur, die selbst auf Peregrine, wäre er nicht von allem unterrichtet gewesen, Eindruck gemacht haben würde, verfehlte nicht, die Anderen zu bestürzen. Das angebliche Kammermädchen änderte, trotz ihrer angeborenen Dreistigkeit, die Farbe, und die untergeschobene Lady, in deren Kopfe es nicht besonders hell war, zitterte an allen Gliedern.

Ihr Führer näherte sich jetzt dem Tische und sagte, nachdem er seine Gabe hingelegt hatte: die Lady hier wünsche gern ihr Schicksal in Betreff ihrer künftigen Verehelichung zu wissen. Ohne die Augen aufzuschlagen, wandte der Philosoph sein Ohr zu einem der dienstbaren Geister, die auf seiner Schulter schnurrten, dann nahm er eine Feder und schrieb folgende Worte auf ein Blatt Papier, welches er Pickle hinreichte, der nun auf Verlangen der Frauenzimmer laut las: »Ihr Schicksal wird größtentheils von dem abhängen, was ihr am letzten December des Morgens um neun Uhr begegnet ist.«

Kaum war diese Sentenz erschollen, so schrie die untergeschobene Lady laut auf und lief mit den Worten zur Thüre hinaus: »Ach Herr Jesus, erbarme Dich! Das ist gewiß und wahrhaftig der Teufel!« Ihre Gebieterin, die ihr in großer Bestürzung folgte, bestand jetzt darauf, den Vorgang zu wissen, worauf die Antwort anspielte, und das Mädchen erzählte nun, sie habe einen Verehrer, der ihr um die angegebene Zeit einen Heirathsantrag gemacht habe. – Diese Aussage war übrigens mehr klug als wahr, denn der angebliche Verehrer war Niemand Anderes als unser Held, der unter den Kammermädchen ein wahrer Drache war und nicht verfehlt hatte, seinen treuen Bundesgenossen von diesem Rendezvous, das ihm das Zöfchen damals zugestand, zu unterrichten.

Da er jedoch sah, daß dieser Beweis von der Geschicklichkeit des Wahrsagers einen so heftigen Eindruck sowohl auf die Frau als auf das Mädchen machte, daß Beide vor Furcht fast außer sich waren, so suchte er nun ihre Angst wegzuspotten, und wirklich gelang es ihm hierdurch, die Neugier der verkleideten Lady so wieder aufzureizen, daß sie sich entschloß, ihm von Neuem in das Zimmer des Zauberers zu folgen. Sie nahm hier die Miene eines schnippischen Kammerkätzchens an und sprach: »Mein Herr Schwarzkünstler, da Sie meiner Gebieterin einen so genauen Bescheid geben konnten, so sagen Sie doch auch mir, ob ich heirathen werde?« Ohne sich zu besinnen, ertheilte ihr Crabtree den Bescheid: »Ihr könnt nicht eher heirathen bis Ihr erst Wittwe geworden seyd, und ob Ihr das jemals werdet, vermag ich nicht zu sagen, da meine Kunst nicht über dreißig Jahre in die Zukunft zu blicken vermag.«

Diese Antwort schien der Dame nicht besonders zuzusagen; ihr Gesicht umwölkte sich und sie ging ohne eine weitere Frage zu thun, fort und murmelte blos in ihrer Erbitterung, sich in der Hoffnung getäuscht zu sehen, vielleicht bald im Genuß der Jugend und eines großen Vermögens das Glück der Unabhängigkeit schmecken zu können, vor sich hin: »Der Mensch ist gewiß nichts als ein alberner Charlatan!«

Trotz diesem Ausspruche, den der Zorn bei ihr bewirkte, war sie aber dennoch im Geheim von der Kenntniß des Zauberers überzeugt, und als sie seine Antworten den anderen Herrschaften erzählte, von denen sie gleichsam war abgeschickt worden, da verfehlten auch diese nicht, seine Kunst für übernatürlich zu halten und sich vorzunehmen, ihn in der Stille zu besuchen, obschon sie sich sämmtlich stellten, als glaubten sie keinen Augenblick daran.

Auch das Kammermädchen war von Crabtree's großer Wahrsagerkunst dermaßen ergriffen, daß sie, trotz dem, daß man ihr die strengste Verschwiegenheit anempfohlen hatte, allen ihren Bekannten ins Ohr flüsterte: er habe ihr haarklein ihre ganze Lebensgeschichte erzählt. So verbreitete sich der Ruf des neuen Zauberers durch tausend Wege schnell in allen Theilen der Stadt, und am nächsten Sitzungstage hielt eine große Menge Volk von allen Sekten und Ständen seine Thüre belagert.

Aber Crabtree war ein alter Praktikus, der es wohl wußte, daß er unmöglich seinen Ruf behaupten könne, wenn er Allen und Jedem wahrsagen wollte, da es ihm natürlich nicht möglich war, die Privatangelegenheiten jedes Menschen zu kennen. Er befahl daher dem Kammerdiener, dem er den Namen Hadgy Rouck beigelegt hatte, der versammelten Menge zu eröffnen: der Preis sey eine halbe Guinee, und wer die nicht zahlen könne, thäte besser, den Anderen nicht den Zugang zu versperren.

Diese Erklärung brachte die gewünschte Wirkung hervor, denn die Versammlung vor dem Hause bestand größtentheils aus Lakaien, Kammermädchen, Lehrjungen und geringen Handwerksleuten, die eine solche Summe nicht geben konnten und sich daher, nachdem sie sich vergebens zu Schillingen und halben Kronen erboten hatten, zurückzogen und Candidaten von höherem Range das Feld freigaben.

Die erste Person dieser Art, welche jetzt erschien, war wie eine wohlhabende Bürgerfrau gekleidet; doch half ihr diese Verhüllung zu nichts und der Zauberer erkannte sogleich in ihr eine jener Lady's, von deren Ankunft ihn Peregrine unterrichtet hatte. Mit jenem zuversichtlichen Wesen, das Frauen ihres Stande so eigen ist, fragte sie ihn: wie ihr nächstes Kind aussehen würde? und der Nekromant, welcher mit ihrer geheimen Geschichte sehr vertraut war, erwiederte dies augenblicklich mit der Gegenfrage: »Wie lange ist es her, daß Pompejus der Schwarze den Dienst von Ew. Gnaden verlassen hat?«

Obschon die Dame mit einer großen Dosis Unverschämtheit begabt war, so zeigten sich jetzt dennoch in ihrem Gesichte einige Spuren von Scham und Verwirrung; sie war nunmehr von der außerordentlichen Einsicht des Mannes überführt und fuhr demnach ein einem ernsthaften Tone fort: »Ich sehe, Doctor, daß Sie eine große Geschicklichkeit besitzen und will mich deshalb nicht gegen Sie verstellen; ja ich will Ihnen offenherzig gestehen, daß Sie den wahren Grund meiner Besorgniß getroffen haben. Hier nehmen sie diese Börse und befreien Sie mich von einer quälenden Ungewißheit.«

Mit diesen Worten legte sie ihre Opfergabe hin und erwartete mit besorgter Miene seine Antwort, die Crabtree auf die gewöhnliche Art niederschrieb und welche folgendermaßen lautete: »Obschon ich hinter den Vorhang der Zeit zu sehen vermag, so ist die Aussicht doch nicht ganz hell; die Saaten der Zukunft stehen verworren da und ich muß zuweilen meine Sehergabe durch Analogie und menschliche Einsichten unterstützen. Bis Sie mir alle Vorfälle Ihres Lebens vertraut haben, vermag ich Ihre Zweifel nicht zu lösen.«

Als die Lady dies gelesen hatte, spielte sie einige Augenblicke die Verschämte, dann nahm Platz und begann nun, nachdem sie sich noch vorher sehr sorgfältig darnach erkundigt hatte, ob man in diesem Zimmer auch nicht behorcht werden könne, eine Beichte, die dem Zauberer und seinem in einem Cabinette versteckten Freunde kein geringes Vergnügen gewährte.

Crabtree hörte ihre Geschichte mit einem Blick unendlicher Wichtigkeit an, dann erwiederte er nach kurzer Pause: In Erwägung der vielfachen Umstände bei dieser Sache wage er es noch nicht, ihr eine bestimmte Antwort zu geben; wenn sie sich jedoch bei der nächsten Sitzung noch einmal einfinden wolle, so hoffe er dann im Stande zu seyn, ihre Wißbegierde befriedigen zu können. Der Wichtigkeit ihrer Zweifel sich bewußt, empfahl ihm die Dame nun Behutsamkeit und entfernte sich hierauf mit dem Versprechen, zur bestimmten Zeit wieder zu kommen

Jetzt kam Peregrine aus seinem Schlupfwinkel hervor, und nachdem er und sein Freund sich über das Ereigniß satt gelacht hatten, begannen sie Maßregeln zu verabreden, um die unverschämte Messaline mit einer passenden Strafe zu belegen. Nicht lange, so wurden sie jedoch in diesen Berathschlagungen unterbrochen, indem ihnen Hadgy einen neuen Gast meldete. Schnell zog sich unser Held jetzt in seine Höhle zurück und der Menschenfeind nahm sein feierliches Wesen wieder an. Die Dame, welche jetzt eintrat, trug eine Larve vor dem Gesicht, dennoch erkannte sie der Zauberer auf der Stelle für eine unverheirathete Lady, die unlängst erst durch ein paar Begebenheiten sich ausgezeichnet hatte, welche nicht nach ihren Erwartung ausgeschlagen waren.

Dem Spiele äußerst ergeben, hatte sie in einer Gesellschaft dieser Leidenschaft den Zügel dermaßen schießen lassen, daß man sie bei ihren Bemühungen, dem Glücke nachzuhelfen, erwischte; diesem kleinen Fehltritte war bald darauf eine andere Unbedachtsamkeit gefolgt, die ebenfalls für ihren guten Namen nicht besonders ausfiel. Sie hatte nämlich des Schicksal, daß einer von jenen hoffnungsvollen Erben sich um sie bewarb, die in der City unter dem Namen Tollmansbande bekannt sind. Im Vertrauen auf die Ehrliebe dieses Bewerbers willigte sie darein, eine Lustparthie nach Windsor mit ihm zu machen, indem sie sich durch die Gesellschaft einer anderen jungen Dame, die sich gleichfalls dem Schutze ihres die Parthie mitmachenden Verehrers anvertraute, vor aller Nachrede gesichert hielt. Die beiden Liebhaber wußten jedoch durch nichtswürdige Mittel die Leidenschaften ihrer Gebieterinnen dermaßen aufzuregen, indem sie ihnen gewisse Arzneien in ihren Wein mischten, daß beide ein Opfer ihrer Begierden wurden; dann aber waren Jene noch so niederträchtig, bei ihrer Zurückkunft nach London ihren guten Freunden die Sache mitzutheilen.

Auf diese Art kam die Geschichte, mit tausend Zusätzen versehen, herum, und das eine von den beiden Mädchen fand nun für gut, sich so lange auf das Land zurückzuziehen, bis die Gerüchte verklungen seyn würden, die andere dagegen, die sich nicht so leicht aus der Fassung bringen ließ, beschloß, dem Gerede kühn die Stirn, zu bieten und erschien, wie gewöhnlich, in Gesellschaften, bis sie sich von dem größten Theile ihrer Bekannten verschmäht und vernachlässigt sah. Da sie nun nicht wußte, ob sie dies Unglück der Kartengeschichte oder dem Abentheuer zuzuschreiben hatte, so beschloß sie, den Zauberer hierüber zu befragen und offenbarte demselben den Grund ihres Kommens durch die Frage: ob die Ursache ihrer gegenwärtigen Unruhe von der Stadt oder dem Lande herrühre? Cadwallader errieth sogleich, was sie hiermit meinte und gab die Antwort: »Die Welt verzeiht wohl allenfalls einer Spielerin eine Unbedachtsamkeit, aber die Gunst, die man einem plauderhaften Hasenfuße gewährt, wird nicht verziehen.«

Diese Antwort war der jungen Dame sehr ungemüthlich, und von des Schwarzkünstlers Allwissenheit überzeugt, bat sie ihn nun um Rath, wie ihr guter Ruf wieder herzustellen sey? »Durch eine Heirath,« entgegnete er, »und dies je eher je lieber.« Dieser Rath schien ihr so gut zu behagen, daß sie dem Cyniker eine doppelte Belohnung reichte.

Jetzt hielten es die Verbundenen für hohe Zeit, die Sitzung für diesen Tag aufzuheben, und Hadgy bekam demnach den Befehl, was sich noch einstelle, abzuweisen. Indeß nahmen Peregrine und sein Freund die abgebrochenen Berathschlagungen wieder vor und setzten einen Operationsplan für das nächste Mal fest, vermöge dessen sie beschlossen, daß nicht allein Hadgy sein Talent anwenden sollte, Nachrichten einzuziehen, die ihnen nützlich seyn konnten, sondern auch noch einige Agenten dazu annehmen solle. Die Kosten, welche dies verursachte, wollte man durch das decken, was das Gewerbe einbrachte, mit dem Ueberschuß aber einige nothleidende Familien unterstützen.


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