Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

LXVI.

Peregrine sucht die Flamländerin von Neuem auf und findet eine Nonne, mit welcher er eine Intrigue anspinnt. Seltsame Folgen davon.

Trotz diesem durch Peregrine und den Hofmeister bewirkten Vertrage, war es doch nicht gut möglich, daß ein Friede zwischen ein paar Menschen bestehen konnte, welche die tiefste Verachtung gegen einander hegten, in deren Folge, bei ihrem täglichen Umgange, immer neuer Stoff zu Feindseligkeiten sich finden mußte.

Peregrinens Sorge ging übrigens jetzt ausschließend dahin, die verlorene Geliebte wieder aufzufinden, die, seit er Mistreß Hornbeck nicht mehr sehen konnte, in den ganzen Besitz seines Herzens wieder eingesetzt worden war. Da er jedoch nie weder den Namen der Flamländerin, noch den ihrer Mutter von ihr hatte erfahren können, so mußten sich seine Nachforschungen nur allein auf eine Beschreibung ihrer Person begründen; dies war aber in einer so volkreichen Stadt, wie Brüssel, sehr wenig genügend. Um zu seinem Ziele zu gelangen, hatte er seinem Kammerdiener geboten, seine ganze Geschicklichkeit anzuwenden, ihre Wohnung ausfindig zu machen, und dieser, wohlbekannt in der Stadt, sandte nun ein halbes Dutzend Mädchenmäkler nach allen Richtungen aus, denen er die Instruction gab, eine junge Dame ausfindig zu machen, die hübsch und von mittler Größe sey, dunkle Augen und schneeweiße Zähne habe, aus Brüssel gebürtig wäre, mit einem vornehmen französischen Herrn verheirathet und kürzlich mit der Diligence hierher gekommen sey, ihre kranke Mutter zu besuchen.

Mit diesen Nachweisungen versehen, machte sich die Schaar alsbald auf den Weg, während Peregrine selbst den Hof, die Oper, die Kirchen, die Spaziergänge, kurz, alle Orte besuchte, wo es nur denkbar war, die Verlorene zu finden. Die Beschreibung, welche der Kammerdiener den dienstbaren Geistern gegeben hatte, paßte theilweise auf verschiedene Damen in der Stadt, die Peregrine Alle in Augenschein nahm, ohne jedoch seine theure Reisegefährtin darunter zu entdecken; endlich brachte Einer der Spürhunde die Nachricht, wie er in dem Sprachzimmer eines gewissen Nonnenklosters eine junge Dame entdeckt habe, die aller Wahrscheinlichkeit nach die gesuchte seyn würde, und die jetzt als Kostgängerin in dem Kloster lebe, da ihre Mutter vor einigen Tagen gestorben sey.

Kaum vernahm unser Held diese Kunde, als er voll Ungeduld nach dem Kloster eilte, wo er sogleich die Pförtnerin bat, dem neu angekommenen jungen Frauenzimmer zu melden, daß sich ein Verwandter von ihr am Gitter befände, der sie zu sprechen wünsche. Wirklich dauerte es auch nur wenige Minuten und die Dame erschien, und obschon Peregrine sich jetzt in seiner Hoffnung getäuscht sah, so fielen ihm dennoch die Reize dieser neuen Gestalt so auf, daß sein Herz ungestüm zu pochen begann. Mit vieler Artigkeit entschuldigte er sich sich, sie herbemüht zu haben und erklärte ihr dann die Veranlassung zu diesem Irrthum; doch unterließ er dabei auch nicht ihr zu verstehen zu geben, wie angenehm ihm diese Verwechselung sey, da er dadurch das Glück erhalten habe, die Bekanntschaft einer so liebenswürdigen Dame zu machen. Dies Compliment wurde mit eben so viel Geist als guter Laune erwiedert und unser Held hierdurch angefeuert, die Unterredung fortzusetzen, wo er dann nicht verfehlte, sich zum Bewunderer der Schönen zu erklären und, als er endlich Anstands halber sich empfehlen mußte, um die Erlaubniß zu bitten, seinen Besuch wiederholen zu dürfen. Dies ward ihm zugestanden und nachdem er sich noch nach dem Namen der jungen Dame erkundigt hatte, begab er sich nun nach Hause, voll der frohen Hoffnung, diese Intrigue glücklich zu Ende führen zu können. In der That hatte er auch diesmal sein gutes Glück nicht zu hoch angeschlagen; die junge Person war ziemlich verliebten Temperamentes und die Einschränkung, in der sie lebte, hatten ihre Leidenschaften nur noch mehr entflammt. Peregrinens angenehmes Aeußere gefiel ihr, sein Benehmen vollendete die Eroberung. Es versteht sich, daß er den folgenden Tag wieder am Sprachgitter erschien, und er verfolgte hier seine Absicht so eifrig, daß ihn bald das Geständniß ihrer Zuneigung beglückte, indem sie ihm dabei bemerkte: ihre gegenwärtige Lage erlaube ihr nicht, hergebrachtermaßen ihr Gefühl lange zu verbergen. Diese Offenheit entzückte Peregrine; er sah hierin nur den Erguß eines redlichen Herzens, das sich über die kleinen Kunstgriffe und Verstellungen des Geschlechtes erhebt, und bat sie jetzt flehentlich, ihm zu sagen, wann und wo er so glücklich seyn könne, sie einmal zu sehen, ohne daß ein neidisches Gitter sich zwischen sie schöbe?

Sie erwiederte ihm hierauf: da ihre Verwandten sie hierher unter die Aufsicht einen strengen Aebtissin gebracht, so könne sie unmöglich aus dem Kloster kommen, ohne daß die Pförtnerin dabei durch die Finger sähe und ebenso wenig könne er, ohne sich der größten Gefahr auszusetzen, in das Kloster gelangen.

Wenn eine Schöne im Spiele war, dann scheute unser Held weder Kosten noch Gefahr: er begann demnach sogleich die Stimmung der alten Schwester zu studiren, welche das Amt der Schlüssel hier verwaltete und sehr deutlich sowohl in ihrem Aeußeren als in ihren Reden, den unversöhnlichen Groll eines Weibes zeigte, das ihre Jugend unter den erzwungenen Kasteiungen einer ungewünschten Ehelosigkeit verlebt hatte. Ein tiefer Haß belebte sie gegen alle jüngere Personen ihres Geschlechts, denen noch die Möglichkeit offen bliebe, Vergnügungen zu genießen, von denen sie auf ewig ausgeschlossen war, und auf alle junge Männer, die sich am Gitter blicken ließen, sah sie voll Verdacht und Argwohn herab. Selbst die Macht des Geldes vermochte die Drachennatur dieser unbezähmbaren alten Jungfer nicht zu bändigen und ihre Strenge zu mildern. Vergebens versuchte es daher der junge Mann, sie auf seine Seite zu bringen, und da er einigemal in sie drang, so drohte sie ihm zuletzt, der Aebtissin seine heillosen Versuche anzuzeigen und darauf anzutragen, daß ihm der Zutritt in das Sprachzimmer untersagte würde. So fand er denn zum ersten Male in seinem Leben die Kunst der Bestechung fruchtlos und sah sich genöthigt, mit seiner neuen Gebieterin über einige andere Mittel zu einer ungestörten Zusammenkunft zu rathschlagen. Mit einer fruchtbaren Einbildungskraft versehen, that diese ihm jetzt den Vorschlag: er solle sich Mühe geben, irgend ein Frauenzimmer ausfindig zu machen, die in dem Kloster bekannt, willfährig genug sey, ihn in Frauenzimmerkleidern unter dem Vorwande: er sey eine Fremde, welche die Einrichtung des Hauses kennen zu lernen wünsche, einzuführen.

Dies Mittel sagte Peregrinen sehr zu; auf der Stelle wandte er sich an seinen hülfreichen Kammerdiener und ward durch diesen schon am nächsten Tage mit einer gutmüthigen Person bekannt gemacht, die gegen ein Erkleckliches sich bereit zeigte, diesen Liebesdienst zu erweisen und ihn auch mit einem wohlanpassenden Damenanzuge versah. Die Schöne war unterdessen von allem vorläufig unterrichtet und so machte er sich denn mit seiner Führerin auf den Weg, die, im Kloster angelangt, unter dem Vorgeben, ihre Begleiterin wäre eine englische Dame, die, eben erst aus ihrem Vaterlande hier angekommen, nichts sehnlicher wünsche, als die innere Einrichtung einen Nonnenklosters zu sehen, sich und ihm Zutritt verschaffte. Sein veränderter Anzug und ein Paar künstliche Augenbraunen verbargen ihn nun zwar den Falkenblicken der Pförtnerin, dennoch aber lag in seinem ganzen Betragen, in seinem Gang und seinen Mienen etwas so Sonderbares und Auffallendes, daß ihn alle Schwestern gleichsam wie ein Wunderthier anstarrten und die von ihm im Vorübergehen aufgefangene Frage nicht zu unterdrücken vermochten: ob wohl alle Frauenzimmer in England so seltsam aussähen.

Nachdem man alle Zellen und die Kirche besehen hatte, bot seine Geliebte sich bereitwillig dazu an, die Fremden in den Garten zu führen und nachdem man hier einigemal auf- und abgewandelt war, ladete sie dieselben ein, in einer Laube ein wenig auszuruhen, die so dicht in Gebüschen versteckt lag, daß man von hier jedem Späherblick geschützt zu seyn schien. Die alte Begleiterin verstand auch diesen Wink und ließ die Liebenden allein, aber kaum hatten sie wenige Minuten das Glück dieser so heißersehnten Zusammenkunft genossen, als ein Geräusch im Gebüsch hinter der Laube sie aufschreckte und sie mit nicht geringem Erstaunen, dicht bei sich eine andere Nonne sahen, die Zufall oder Neugierde hierhergezogen hatte.

Es würde unserm Helden ein Leichtes gewesen seyn, sich über die nicht allzuhohe Gartenmauer zu retten, aber dazu war er viel zu ritterlich gesinnt und so bestürzt er auch im ersten Augenblicke seyn mochte, so wußte er sich doch bald so zu fassen, und seinen Plan so schnell und gut zu entwerfen, daß es ihm in kurzer Zeit gelang, die Lauscherin aus einer Gefahr bringenden Verrätherin zu einer freundlichen Vertrauten zu machen.

So glücklich nun aber auch dies Abentheuer geendet hatte, so wenig fühlte sich doch Peregrine von dem letzten Ereignisse erbaut und eben so ging es seiner Geliebten, die nicht ermangelte, ihm, als er sie am folgenden Tage am Sprachgitter besuchte, zu erklären: sie wolle lieber, so schmerzlich ihr dies auch sey, auf ewig seinen Umgang entbehren, als eine Nebenbuhlerin dulden, gegen die sie nur den größten Abscheu hegen könne. Diesen Gesinnungen vermochte er nur beizupflichten; er schwor, daß sie genau mit den seinigen übereinstimmten und versprach dann, daß er mit Hülfe seines Faktotums Mittel und Wege wollte ausfindig zu machen suchen, daß man sich sehen könne, ohne wieder eine so unwillkommene Dritte dabei zu haben.

Gewiß würde ihm dies zuletzt auch gelungen seyn, wenn nicht ein Streit, der sich zwischen den beiden so unfreiwillig zu Vertrautinnen gewordenen Klosterschwestern erhob, der Sache eine durchaus andere, für Pickle höchst überraschende Wendung gegeben hätte.

Man kann denken, wie sehr er erstaunte, als er nach Verlauf von vier und zwanzig Stunden wieder in das Kloster kam und hier, statt wie gewöhnlich in das Sprachzimmer gelassen zu werden, von der Pförtnerin im Namen der Aebtissin die Weisung erhielt: sich auf der Stelle zu entfernen und es nie wieder zu wagen, die stille Abgeschiedenheit der frommen Frauen zu stören, falls ihm nicht etwa darnach gelüste, daß man den Arm der weltlichen Gerechtigkeit gegen ihn aufriefe. Sehr betroffen zog er sich sogleich schweigend zurück und war vernünftig genug, dem wohlmeinenden Rathe zu folgen und sich nie wieder diesem Orte zu nahen; durch im Geheim angestellte Kundschafter erfuhr er aber, daß die Aebtissin in Folge der Erbitterung, die der Streit zwischen den beiden Frauenzimmern hervorgerufen hatte, von Allem, was vorgegangen war, Nachricht bekommen und daß die hübsche Kostgängerin von ihr hierauf sogleich in ein anderes Kloster nach Gent geschickt, die zufällige Vertraute aber der besonderen Aufsicht einer alten Klosterschwester übergeben worden sey, und daß Beide in dieser neuen Lage Zeit und Gelegenheit genug haben würden, es zu bereuen, einen Augenblick auf die verführende Stimme der Welt gehorcht zu haben.


 << zurück weiter >>