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XCII.

Peregrine macht sich als witziger Kopf und Mäcen berühmt.

Unterdessen fuhr Peregrine fort, in den schimmernden Kreisen des Lebens zu glänzen, und würde mehrmals Gelegenheit gehabt haben, sein Glück zu machen, wenn nicht sein Ehrgeiz etwas ausschweifend und sein Herz fortwährend von einer Neigung beherrscht worden wäre, die alle Zerstreuungen und aller Leichtsinn der Jugend nicht zu überwiegen vermochten. Auch in dem Gebiet der Literatur war unser Held nicht ganz unbemerkt geblieben; er hatte sich durch verschiedene poetische Producte eine Art von Namen erworben; doch rührte derselbe in der That weniger von seinem Genie in diesem Fache, als von seiner vortheilhaften Stellung in der Welt her, und es ist sehr gewiß, daß ein Anderer in minder glänzender Lage schwerlich auch nur das geringste Aufsehn mit solchen Erzeugnissen gemacht haben würde.

Sey dem jedoch wie ihm wolle: kaum war Peregrine als Autor aufgetreten, so schloß sich eine verhungerte Rotte mißrathener Apollssöhne an ihn als ihren Patron an und feierte ihn mit Oden, pries ihn in Sinngedichten und fütterte ihn mit dem süßen Brei der Zueignungsschriften. Seiner Eitelkeit behagte sogar dieser Weihrauch, und obschon er verständig genug war, seine elenden Enkomiasten im Stillen zu verachten, so entfernte sich doch keiner von ihm, ohne Zeichen seiner Freigebigkeit erhalten zu haben. Zuletzt begann er aber wirklich selbst sich für das große Genie zu halten, für welches ihn jene Schmeichler ausgaben; er knüpfte eine Menge Bekanntschaften mit witzigen Köpfen von Stande an und opferte manche einsame Stunde auf, um mühsam Bonmots zu machen, die er dann als Impromptu's zum Besten gab. Hierin ahmte er in der That nur einigen der berühmtesten Genies nach, die oft zu Hause im Schweiße ihres Angesichts jene witzigen Repliken ausarbeiten, mit denen sie dann als unmittelbare Geburten des Augenblicks in Gesellschaften glänzen.

In der Ausübung dieser Talente war er so glücklich, daß bald sein Ruf mit dem eines großen Mannes in Parallele gestellt wurde, der lange gleichsam am Ruder des Witzes saß, und bei einem witzigen Wettstreite über einen Korkzieher, der zwischen ihnen Beiden Statt fand und wobei Schlag auf Schlag in den Bemerkungen und Repliken fiel, thaten einige der Trabanten, die nie verfehlen, sich um solche große Lichter zu drehen, sogar den Ausspruch: Squire Pickle habe über Se. Lordschaft den Sieg davongetragen.

Kurz, er vertiefte sich in diese literarischen Umtriebe so sehr, daß er endlich gleichsam die Leitung des Parterres im Theater übernahm und sich an die Spitze jener sogenannten Kunstrichter stellte, die sich selbst das Publikum zu nennen belieben. Er züchtigte mehrere Schauspieler, die durch unverdienten Beifall nach Art dieser Menschen übermüthig geworden waren; was aber die neuen Theaterproducte anlangte, so genossen sie, obschon sie meist elend und ohne Geist und Leben waren, seinen Schutz, denn das Mißbehagen, welches sie ihm erweckten, wurde immer durch das Mitleid mit dem armen Autor überwogen, der zitternd und bebend hinter der Scene stand. Allein obschon sich seine Großmuth so über die Nothleidenden erstreckte, so ließ er doch keine Gelegenheit vorübergehen, Büberei und Uebermuth zu bestrafen, und gewiß, wäre er mit der Ausübung der Gewalt bekleidet gewesen, so würde er ohne Zweifel neue Strafen für alle Frevler gegen Menschlichkeit und Anstand erfunden haben; doch gebunden, wie er war, mußte er sich jetzt damit begnügen, diese Art Leute blos dem Spotte Anderer preiszugeben.

Vorzüglich in dieser Absicht hatte er den Plan mit Cadwallader entworfen, dessen Ausführung noch immer glücklich von statten ging, und er benutzte die ihm von demselben hinterbrachten Nachrichten sehr fleißig dazu, den Sittenbesserer oder vielmehr Zuchtmeister, nicht blos in der feinen und vornehmen Welt, sondern auch bei den unteren Volksklassen zu spielen, wenn sich dieselben seine Unzufriedenheit zugezogen hatten, trotz dem, daß er zugleich diese Nachrichten öfters selbst zum Vortheil seiner eigenen verliebten Händel anwendete.

Eines Tages hatten ihn zwei Sänftenträger durch eine unbillige Forderung, die sie an ihn machten, aufgebracht. Er merkte sich nun ihre Nummer, und den folgenden Tag mußte Pipes einen alten Rock von ihm anziehen; sich mit einem gleich vertheilten Gewicht von wenigstens hundert Pfund beschweren und nach einem Caffeehause gehen, vor welchem die beiden Sänftenträger ihren Standort hatten. Hier rief er sie herbei, stieg in deren Sänfte und gebot denselben, ihn an einen wenigstens zwei Meilen entfernten Ort zu tragen.

Die Bürde war aber so außerordentlich schwer, daß die Träger, als sie dieselbe aufzuheben suchten, auf den Gedanken kamen, die Sänfte müsse in einem ausgefahrenen Loche stecken geblieben seyn, und hingingen, das Hinderniß zu heben. Da sie jedoch fanden, daß dies nicht der Fall war, so begann der Eine über seine Fracht zu fluchen und hoch und theuer zu schwören: der Kerl müsse ein Hintercastell von Blei haben; da man aber genöthigt war, das, wozu man sich anheischig gemacht hatte, zu erfüllen, so strengte der Vorderste seine Schultern nochmals an und ersuchte seinen Kameraden in des Teufels Namen, gut zu heben. Dies geschah, jedoch nicht stillschweigend; indem sie aber so fortschwankten, fuhr der Erstere fort zu schimpfen und zu fluchen, in der Hoffnung, Pipes dadurch dahin zu bringen, sie entweder ihrer Dienste zu entlassen oder aber sich an ihm zu vergreifen, wo er dann eine erwünschte Gelegenheit bekommen hätte, sich an ihm zu rächen. Da er aber fand, daß Pipes mit dem größten Gleichmuthe Alles anhörte und sich nicht rührte, so verlor er alle Geduld.

Durch die Furcht vor den Gesetzen zurückgehalten, sich an seiner Fracht zu vergreifen, wandte er nun den Strom seines Unwillens gegen seinen Cameraden, den er beschuldigte, seine Last nicht treulich zu tragen, und nicht lange, so entstand nun zwischen den beiden Gesellen ein Streit, der sich mit einer gegenseitigen Herausforderung zu einem Boxkampfe endete.

Ohne weitere Umstände setzten jetzt die beiden Träger ihre Sänfte nieder, zogen sich aus und begannen ein so heftiges Treffen, daß der ihnen in einiger Entfernung folgende Peregrine das Vergnügen hatte, Beide windelweich gedroschen zu sehen. Was Pipes anlangte, so saß dieser ganz still in seiner Sänfte und sah dem Streite mit großer Ruhe zu; als er aber endlich merkte, daß sich die beiden Träger gegenseitig außer Stand gesetzt hatten, ihn weiter fortschaffen zu können, öffnete er ganz gelassen die Sänfte und ging bedächtlich nach der Wohnung seines Herrn zurück, um sich hier seiner Bürde zu entledigen.

Wenige Tage nach dieser That sah sich ein Bekannter von Peregrine, der bei einer mürrischen, puritanischen Wittwe wohnte, die einen Strumpfladen hatte, genöthigt, plötzlich auszuziehen, weil er eines Abends eine seiner Verwandtinnen bei sich zum Abendessen behalten und dadurch der kopfhängerischen Wirthsfamilie ein großes Aergerniß gegeben hatte. Ein heftiger Wortwechsel war dieser Veranlassung wegen zwischen ihm und der Wirthin vorgefallen, und diese hatte ihm dadurch, daß er schnell ausziehen mußte, nicht allein viele Unbequemlichkeiten verursacht, sondern ihn auch hintennach noch so beredet, daß er sich zu rächen beschloß und dieserhalb mit Peregrine zu Rathe ging. Pickle erkundigte sich nun nach dem Charakter jener Frau, und da er erfuhr, daß sie, trotz ihrer Kopfhängerei eine greuliche Xantippe und allgemein in der Nachbarschaft verabscheut war, so beschloß er, sich der Sache seines Freundes anzunehmen und dictirte demselben folgendes Avertissement für die öffentlichen Blätter: »Wenn Jemand einen schwarzen Kater mit weißen Füßen und dickhärigem Schwanze, der noch nicht über zwei bis drei Jahre alt ist, zu verkaufen hat, so wird er einen guten Abnehmer in der Ziege, dicht neben St. James, finden.«

Die Entwerfer dieses Plans erhielten von dem Herausgeber des Ankündigungsblattes das Versprechen, das Inserat sollte am nächsten Morgen erscheinen, und nun gingen sie den andern Tag ganz früh in eine Taverne, die dem Strumpfladen gegenüber war, und nahmen hier ihren Posten am Fenster, um die Wirkungen ihres Anschlags zu sehen. In Kurzem genossen sie auch ganz das Vergnügen, das sie von dieser Schelmerei erwarten konnten: denn kaum war der Laden geöffnet, so fanden sich eine Menge Menschen aus dem Pöbel ein, von denen jeder mit einer Katze unter dem Arm kam, um einen vortheilhaften Handel zu schließen, und obschon viele derselben kein solches Thier, wie verlangt wurde, besaßen, so hatten sie sich doch die Freiheit genommen, die besten Kater aufzuhaschen, und jeder von ihnen war nun in möglichster Eile nach dem angewiesenen Orte gelaufen, um hier, wo möglich, den Andern den Verdienst vor dem Munde wegzuschnappen. Dies verursachte denn, daß sich der ganze Haufe vor dem Hause der Strumpfhändlerin drängte und bald zu deren größtem Erstaunen zu balgen anfing, so daß die Frau gar nicht begreifen konnte, was dieser Tumult vor ihrem Laden bedeuten sollte.

Indessen begann sie die Leute in ihrer gewöhnlichen Sprache zu haranguiren und ihnen nicht die mildeste Art von Verweisen zu ertheilen, bis endlich Einer aus der Menge sich hervordrängte und ihr eröffnete, daß er einen Kater mitgebracht habe, der alle die in der Anzeige beschriebenen Merkmale habe. »Hier,« sprach er und hielt ihr das Thier hin, »seh' Sie's nur mal recht an; ich will verdammt seyn, wenn Sie in Ihrem Leben einen bessern Rammler bekommen kann. Da, schau Sie nur, was der Kerl vor Pfoten und vor 'n Schwanz hat! wie 'n Echkätzchen, bei meiner Seele! Und doch ist's noch 'n blutjung Ding und Gott verdamm mich! nicht 'n Tag älter als sechs Monate.«

Als er diese Anrede zur großen Verwunderung der Strumpfhändlerin geendet hatte, erreichte ihre Wuth einen solchen Grad, daß sie ihn einen unverschämten Katzenkopf und Hundejungen nannte, die halbe Thüre ihres Ladens zuschloß und der ganzen ehrenwerthen Versammlung drohte, sie nach Bridgewell ins Gefängniß führen zu lassen, wenn sie sich nicht sogleich entfernten. Dabei schrie sie so, daß Keinem dieser Ausspruch entgehen konnte; als aber die Versammlung sah, daß ihre Hoffnung auf einen hübschen Gewinn vergebens war und sie sich stattdessen noch ausgeschmäht hörte, da machte sie schnell ihrem Streit ein Ende und hielt eine Berathung, in Folge welcher Einer aus ihrer Mitte abgefertigt war, um die Strumpfhändlerin zu fragen: ob sie nicht den schwarzen Kater in den Zeitungen verlangt habe. Die Antwort hierauf war Nein, und zugleich erfolgte ein ganzes Rudel feiner Ehrentitel. Aber nun war die Geduld des Fragenden zu Ende, und indem er sich der Thüre wieder näherte, rief er: »Wie, Du alte Hexe, willst mir meinen Kater also nicht bezahlen? Nun da hast Du ihn umsonst!« Mit diesen Worten warf er das Thier in den Laden und ging fort. Auf dies Signal erhoben aber alle Andere ebenfalls die Hände und schleuderten in einem Tempo, wie Soldaten, die auf die Bewegungen des Flügelmannes achten, sämmtlich ihre Katzen, vierzig an der Zahl, auf das Weib, das, als es sich mit einer solchen Menge von ihr äußerst gehaßter Thiere überschüttet sah, auf die Straße rannte und ein schreckliches Geschrei um Hülfe erhob, während sich die Nachbarn, eben so wie unsere Verbündeten höchlich an diesem Schauspiel ergötzten, und ihr erst Beistand leisteten und ihren Laden von der ungewünschten Einquartierung befreien halfen, als sie sich genug an ihrem Jammer erlustigt hatten.

Der nächste boshafte Streich, den unser Held ausführte ward durch ein paar Ankündigungen in einem und demselben Zeitblatte veranlaßt, vermöge welcher ein paar Personen gewisse Summen Geldes gegen eine zureichende Sicherheit anzuleihen suchten.

Aus dem Styl dieser Aufsätze schloß Peregrine, daß sie von Anwälden waren verfaßt worden, einer Sorte Menschen, gegen welche er den Widerwillen seines Onkels geerbt hatte. Um sich nun selbst und einigen seiner Bekannten einen Spaß zu machen, sandte er an jeden von den Verfassern dieser Ankündigungen nach der in der Zeitung befindlichen Adresse einen mit A. B. unterzeichneten Brief des Inhalts: der Herr möchte mit seinen Documenten sich Schlag sechs in einem gewissen Caffeehause, nahe bei dem Temple, einfinden, wo er rechts in dem kleinen Verschlag am Fenster eine Person treffen würde, die mit ihm über die bewußte Angelegenheit in Unterhandlungen zu treten wünsche, falls die Sicherheit ihr anstände. Vor der diesen beiden Leuten anberaumten Zeit ging Pickle nun mit Crabtree und einigen guten Freunden nach dem Caffeehause, wo sie in der Nähe des bezeichneten Platzes Posto faßten. Die Hoffnung, Geld zu bekommen, hatte auf die Pünktlichkeit der Herbeschiedenen eine so gute Wirkung, daß der Eine eine beträchtliche Weile vor der anberaumten Zeit ankam. Nachdem er den kleinen Verschlag beäugelt hatte, setzte er sich in denselben hinein, heftete die Augen auf die vor ihm stehende Uhr und fragte dann den Aufwärter: ob sie nicht zu spät ginge?

Wenige Augenblicke hatte er so gewartet als eine höchst seltsame Figur in das Zimmer watschelte. Der kleine, dicke Patron hatte ein ungeheures Bündel Papier vorn im Rock stecken und der Schweiß rann ihm über die Stirn; als er aber jetzt in dem angewiesenen Verschlage einen Mann erblickte, hielt er es für ausgemacht, daß dies der Darleiher seyn müsse, und ohne sich Zeit zu lassen, nur ein Bißchen zu Athem zu kommen, begann er sogleich: »Sir, Sie sind der Herr, den ich wegen des Darleihens hier treffen soll?« Der Andere, eben so begierig, die Sache zu Ende zu bringen, erwiederte: »Sir A. B., wenn ich nicht irre?« »Ganz recht!« antwortete Jener: »Mir war schon bange, zu spät zu kommen; ein Cavalier, der für tausend Pfund jährlich einige seiner Grundstücke gegen hypothekarische Sicherheit zinsbar auszuthun sich bemüht, hielt mich auf, und meine Uhr ist gerade beim Stellmacher, denn vor ein paar Abenden begegnete ihr ein Zufall, der sie in Schlaf brachte. Doch sey dem, wie ihm wolle, noch ist nichts verloren, und ich hoffe, die Sache soll schnell zu unserm gegenseitigen Vergnügen abgemacht seyn, denn was mich anlangt, so diene ich meinen Nebenmenschen gern und erwarte nichts als lauter Liebes und Gutes und Rechtschaffenheit.«

Diese Erklärung war dem Andern sehr gemüthlich; er sah sie als eine glückliche Vorbedeutung für sein Geschäft an und die Hoffnung, Geld zu erhalten, wirkte sichtbar auf sein Gesicht, als er seine Zufriedenheit darüber bezeigte, mit einem so dienstfertigen und rechtschaffenen Manne zu thun zu haben. »Ja,« sprach er, »was kann einem ehrlichen Manne wohl mehr Freude gewähren, als das, eine edle Seele zu finden, die ihrem Menschen dienstlich und förderlich seyn will. Nur ein einziges Mal in meinem Leben ward mir dies erhabene Glück zu Theil, als ich einem würdigen Manne in seiner Noth fünfhundert Pfund leihen konnte, ohne nöthig zu haben, auf allzustrenge Sicherheit zu dringen. Ueberhaupt, Sir, denke ich, kann man seinen Mann immer leicht am Gesicht erkennen, und ich würde z. B. Ihr bloßes Wort für zehntausend Pfund nehmen.«

Diese Versicherung behagte dem Andern nicht wenig; er gab die empfangenen Lobsprüche mit reichen Zinsen zurück, und die beiderseitige Erwartung stieg dadurch zu einer solchen Höhe, daß ihnen, als sie nun im nämlichen Augenblick ihre Papiere auszupacken begannen, die Hände vor Begierde und Ungeduld zitterten und sie dabei so vertieft waren, daß Keiner auf des Andern Beschäftigung Achtung gab.

Endlich blickte der Eine, der dem Andern zuvorgekommen und einige verschimmelte Urkunden aufgerollt hatte, nach seinem neuen Freunde hin und fragte ihn, als er ihn in einem Bündel Papiere herumwühlen sah: ob das das Blanquet oder die Abtretungsurkunde sey, die er mitgebracht habe? Ohne wegzusehen oder von seinen Bestrebungen, den Knoten aufzuknüpfen, den er eben zwischen die Zähne genommen hatte, abzustehen, antwortet dieser mit Nein und sagte: diese Papiere wären nichts anderes als die Sicherheit, die er für das Geld zu geben gedächte.

Mit einem unendlich dummköpfigen Anstarren erwiederte der Frager hierauf in einem Tone der Furcht und des Erstaunens: »I der Daus!«, der hierauf in einem Tone der Furcht und des Erstaunens erwiederte: » I der Daus!« und der Andere, beunruhigt durch das Anschlagen dieser Note, warf nun seine Augen auf den vermeintlichen Ausleiher und war dabei auf der Stelle von dessen verblüfftem Aussehen angesteckt. Alle die entzückenden Hoffnungen, die noch vor wenigen Augenblicken in ihren Augen funkelten, waren jetzt durch fehlgeschlagene Erwartung und Kleinmuth verdrängt, und indem sie sich Beide einander voll Betrübniß angafften, verlängerten sich ihre Gesichtszüge wie die ausgehenden Locken einer alten Stutzperücke.

Dieses Schweigen ward endlich von dem Zuletztangekommenen unterbrochen, der den Andern stotternd bat, sich doch gefälligst des Inhalts von seinem Briefe zu erinnern. »Von meinem Briefe?« rief der Erstere und stellte ihm das von Peregrine erhaltene Billet zu. Kaum hatte Jener dies durchlesen, so zeigte er nun des seinige vor und es erfolgte hierauf eine lange Pause, an deren Schluß jeder von ihnen einen tiefen Seufzer oder vielmehr ein schweres Aechzen hören ließ, und dann aufstand, um sich ohne Weiteres zu skisiren. Derjenige von Beiden, der der Betrübteste schien, konnte sich jedoch nicht enthalten, beim Abgehen vor sich hinzumurmeln: »Weiß Gott! das heiße ich doch tüchtig geprellt!«

Dies waren die Belustigungen unsers Helden, doch nahmen sie nicht seine ganze Zeit weg, die er zum Theil nächtlichen Schwärmereien mit einer Rotte vornehmer Wildfänge widmete, die der Mäßigkeit, Wirthlichkeit und gesunden Vernunft den Krieg angekündigt hatten und eifrige Anhänger des Tumults, der Verwüstung und der Verschwendung waren. Zwar fand Peregrine kein besonderes Behagen an diesen Scenen, die meist nur eine Kette voller Ausschweifungen ohne Witz, Geschmack und Vergnügen bildeten, aber seine Eitelkeit trieb ihn doch an, sich unter diese feinen Gesellen zu mischen, die für die sinnreichsten Köpfe galten, und sein Charakter war geschmeidig genug, sich in die Vorschriften der Andern zu fügen, wenn er nicht gerade genug Einfluß hatte, den Anführer machen zu können. Der gewöhnliche Ort ihrer Zusammenkünfte war eine Taverne, deren Wirth und Kellnern sie es überließen, ihnen die Mühe des Rechnens abzunehmen und immer gleich in Bausch und Bogen ihre Forderung zu sagen, so dass hier das Mittags- und Abendessen immer der Person zwei runde Guineen zu stehen kamen, von welcher Summe der Wirth sich nicht unterfangen durfte etwas nachzulassen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, für seine unverlangte Mäßigkeit durchgeprügelt zu werden.

Dies waren jedoch nur geringe Ausgaben gegen diejenigen, die man häufig wegen verursachten Schadens im Hause zu machen hatte, oder gegen die Verluste in Hazardspielen, zu denen man, wenn man eine Zeit lang hinreichend geschlemmt hatte, seine Zuflucht nahm. Diese vortreffliche Unterhaltung war durch eine Rotte Gauner in ihrer Gesellschaft eingeführt worden, die sich durch ihr Talent im Kuppeln und Possenreissen der hoffnungsvollen Jugend unentbehrlich zu machen wußten, und obschon Jeder die Nichtswürdigkeiten und Kniffe dieser Menschen kannte, so liebkoseten und höfelten die bethörten Jünglinge dieses Gezücht dennoch, während sie nicht selten Männer von Ehre, die ihre Ausschweifungen nicht theilten, mit der äußersten Geringschätzung behandelten.

Obschon Peregrine im Grunde seines Herzens diesen äußerst sittenlosen Wandel verabscheute und ein entschiedener Feind aller Spieler von Profession war, die er mit Recht als eine Pest der menschlichen Gesellschaft betrachtete, so gewöhnte er sich dennoch nach und nach an diese Schwelgereien, und ließ sich zuletzt selbst dazu verleiten, mit jenen Betrügern zu spielen, die durch ihre Kunstgriffe nicht weniger gefährlich sind, als durch ihre Geschicklichkeit, die Leidenschaften der brausenden Jugend aufzuregen. Durch Wein erhitzt, durch Beispiele aufgefordert, von der einen Seite geschmeichelt, von der andern angespornt, vergaß unser Held hier bald alle Regeln der Mäßigung und Klugheit und stürzte sich in eine solche Menge Thorheiten, daß er oft am andern Morgen Gelegenheit hatte, über die Verluste des vorigen Abends Betrachtungen anzustellen, die dann immer bei ihm den löblichen Entschluß erzeugten, in Zukunft seine so theuer erkauften Erfahrungen besser zu benutzen: leider gehörte er jedoch zu der Zahl der Weisen, die den Anfang ihrer Besserung immer auf den nächsten Tag verschieben.


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