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LXXVIII.

Crabtree schließt mit Peregrine ein Bündniß, das verschiedene lustige Scenen zur Folge hat. Der Letztere wird durch eine wichtige Veranlassung nach der Garnison zurückgerufen.

Der Menschenfeind schwieg jetzt und verlangte die Gesinnungen unsers Helden zu wissen, der nicht ermangelte, das angetragene Bündniß mit wahrem Vergnügen anzunehmen. Kaum war somit der Vertrag geschlossen, so begann Crabtree auch schon die Artikel desselben dadurch zu erfüllen, daß er Peregrinen mehrere lustige Anekdoten mittheilte, durch deren Besitz sich der Letztere eine Menge ergötzlicher Auftritte versprach, denn er sah voraus, daß er mittelst dieses Bundesgenossen, der für ihn eine Art von Gigesring seyn konnte, nicht nur in die Geheimnisse der Boudoirs, sondern auch in die innersten Gedanken der Frauenzimmer würde dringen können.

Um aber allen Argwohn abzuleiten, beschlossen Beide, öffentlich gegen einander sich feindlich zu zeigen und sich nur im Geheim dann und wann an gewissen Orten zu sehen, um sich hier ihre gegenseitigen Beobachtungen mitzutheilen und ihre künftigen Plane zu verabreden. Peregrine hielt übrigens seinen Schatz so geheim, daß er nicht einmal seinem Freunde Geoffry etwas von diesem Funde mittheilte; doch bestand der erste Gebrauch, den er von Crabtree's Beistand machte, darin, daß er ihm in Betreff zweier wichtigen Angelegenheiten aus seinem Irrthume half.

Der junge Kriegsmann machte um diese Zeit zwei Frauenzimmern sehr angelegentlich den Hof, die ihn auf eine höchst verschiedene Art aufnahmen. Die eine zeigte ihm besondere Merkmale von Achtung und schmeichelte ihm durch kleine Gunstbezeugungen, die andere hingegen behandelte ihn stets mit einer solchen Strenge und Zurückhaltung, daß er nie weder Gelegenheit noch Muth genug fand, ihr seine Gefühle frank und frei zu bekennen.

Da jedes Frauenzimmer eine Vertraute zu haben pflegt, gegen welche sie ihr Herz ausschüttet, so traf sich's, daß Crabtree gerade zugegen war, als jede von ihnen ihre Gesinnungen im Betreff ihres Verehrers offenbarte. So erfuhr er aus ihrem eigenen Geständnisse, daß die Zuvorkommende Geoffry nur wegen des Geldes berücksichtigte, das er geflissentlich an sie im Spiele verlor, und daß sie nicht daran dachte, ihm jemals mehr als gewöhnliche Höflichkeit zuzugestehen; die andere liebte ihn dagegen wirklich und wich ihm blos darum aus, weil sie sich nicht Kraft genug zutraute, seinen Bitten widerstehen zu können.

Diese ihm von seinem Freunde mitgetheilte Entdeckung nutzte Gauntlet; er bekümmerte sich nicht mehr um die geldgierige Coquette und fand Mittel, die Zurückhaltung der Andern zu besiegen. Auch Peregrine ward auf gleiche Weise in seinen Meinungen, die er über seinen Einfluß bei dieser oder jener Dame hatte, ins Klare gebracht.

Da er sich jedoch nicht ungestraft beleidigen ließ, so entwarf er jetzt einen Plan, um sich an einer Dame von Stande zu rächen, der er sehr geflissentlich gehuldigt hatte und die ihm einen muskulösen Burschen vorzog, der früher als gemeiner Reiter in der Leibwache diente und durch Verwendung einer vornehmen Wittwe zum Lieutenant befördert werden war. Jene Dame hatte jetzt mit ihrem Liebhaber ein Rendezvous verabredet, und Crabtree, dies mit anhörend, brachte nun Peregrine die Nachricht, daß der neugemachte Herr Lieutenant des Abends im Dunkeln, wenn Alles im Hause zur Ruhe wäre, von dem Kammermädchen der Dame an der Thüre eines Zimmers, das nach dem Garten hinausginge, über dessen Mauer man leicht wegspringen könne, empfangen werden würde.

Mit dieser Nachricht versehen, beschloß Peregine nun, seinem Nebenbuhler das Prävenire zu spielen; er dingte zu diesem Ende ein paar rüstige Sänftenträger, die sich an der Gartenmauer aufstellen, den Liebhaber hier in dem Augenblicke, wo er übersteigen wollte, ergreifen und unter dem Vorwande, daß sie ihn für einen Dieb hielten, an einen sichern Ort in Verwahrung bringen mußten. Kaum war dies geschehen, als Peregrine, in dem Entschlusse, das Abentheuer selbst zu bestehen, über die Mauer stieg, nach der bewußten Thüre hineilte und das verabredete Zeichen gab. Das Kammermädchen, in der Finsterniß ihn nicht erkennend, ließ ihn ein und führte ihn in das Zimmer ihrer Gebieterin, das zu der Scene verdunkelt war. Hier trieb er nun seine Rache soweit er konnte, dann begab er sich aber noch vor Anbruch des Tages unentdeckt wieder fort und nahm einen Ring von Werth mit, den ihm die Dame als Zeichen ihrer Gewogenheit verehrt hatte.

Der in seinen Erwartungen so schmählich getäuschte Gefangene fand inzwischen, daß ihn sein böses Schicksal in eine sehr verdrießliche Angelegenheit verwickelt hatte, deren Ausgang für ihn oder für seine Schöne unangenehm seyn mußte. Wenn er als Mann von Ehre handeln wollte, so durfte er sie nicht mit in das Spiel ziehen, und er wandte demnach jetzt alle Mittel an, die Leute, welche ihn bewachten, auf seine Seite zu bringen; doch diese erwiederten: sie hätten ihn so gut als auf der That ertappt und wollten auf nichts weiter hören; als jedoch der Morgen zu grauen begann, da entschlossen sie sich endlich, in Betracht der fünf Guineen, die er unter sie vertheilte, ihn mit Erlaubniß derer, die sie gedungen hatten, wieder in Freiheit zu setzen. Jetzt erwartete er mit der äußersten Ungeduld die Stunde, wo er sich schicklicher Weise bei seiner Dame zeigen konnte, und kaum hatte sie geschlagen, so eilte er in das Haus der Lady, um sich bei ihr zu entschuldigen, daß er nicht hatte Wort halten können.

Das zufriedene und heitere Ansehen der Dame fiel ihm indessen auf, doch hielt er es für erkünstelt, um dadurch den inneren Unmuth zu verdecken, und er begann nun mit einem sehr niedergeschlagenen Wesen, unter vielen Aeußerungen des Schmerzes, den verwünschten Zufall zu erzählen, der ihn außer Stand gesetzt habe, die süßen Früchte ihrer Gewogenheit zu ärndten.

Die Dame, welche über die zarten Rücksichten der Scham längst weg war und so etwas blos gut für das gemeine Volk hielt, blickte bei diesen Worten den Officier mit festen Augen an und sprach dann: »Wenn diese Erklärung etwa ein Beweis Ihrer Delicatesse seyn soll, so können Sie sich dergleichen für die Folge ersparen, denn solche Umstände erscheinen nur abgeschmackt und lächerlich, sobald man einmal auf einem gewissen Fuße mit einander steht. Vielleicht reut Sie aber Ihr gutes Glück und Sie wünschten das Abentheuer wirklich erlebt zu haben, das Sie sich so mühsam erdachten, denn in der That, Sie bezeigten so viele Ungeduld, sich noch vor Tage zu entfernen, daß es fast schien, als wäre Ihnen meine Nähe unangenehmer, als Ihnen mein guter Name Sorge einflößte.«

Diese so völlig unerwartete Antwort überraschte den Officier nicht wenig; er betheuerte mit manchem kräftigen Fluche, daß er von Mitternacht an bis um sechs Uhr Morgens in sicherer Verwahrung gesessen habe und daß es ihm nun anfinge klar zu werden, daß irgend ein Feind ihm diesen hämischen Streich gespielt und seine Stelle bei ihr vertreten habe; ja er äußerte sogar den Verdacht, die Dame könne wohl selbst um die Sache gewußt haben und ward in seinen Vorwürfen immer heftiger und unartiger. Durch dies Betragen erzürnt – denn Mylady waren kein Lamm – befahl ihm die erbitterte Schöne, ihr Haus sogleich auf immer zu verlassen, was er denn auch unter mancher rohen Drohung und Schmähung that.

Die Dame begann sich nun die Sache zu überlegen und besorgte, durch irgend eine List angeführt worden zu seyn. Ihre Angst und Kränkung dieserhalb war nicht gering; da sie jedoch einen ziemlichen Scharfsinn besaß, so kam sie bald durch einige Schlußfolgen auf den Gedanken, daß Niemand anders als Peregrine hier im Spiele gewesen seyn könne und daß er wahrscheinlich entweder durch ihre Kammerjungfer oder durch die Plauderhaftigkeit ihres Galans selbst von der Sache unterrichtet worden sey: im Ganzen bereute sie jedoch das ihr gespielte Abentheuer nicht mehr, da sie unsern Helden so vortheilhaft hatte kennen lernen, und beschloß, ihm ihre Gewogenheit nun ohne Zurückhaltung zu schenken. Sie kam ihm dieserhalb von jetzt an auf das Gütigste entgegen und machte sehr deutliche Anspielungen, daß sie im Klaren sey; allein er stellte sich, als verstände er sie nicht, sondern schickte ihr vielmehr den empfangenen Ring in einem mit verstellter Hand und erdichteter Unterschrift geschriebenen Briefe des Inhalts zurück: daß er vermuthen müsse, man habe ihn verwechseln und sein Gewissen erlaube es ihm nicht, dies Geschenk zu behalten. Um den Verdruß der Dame aufs Höchste zu steigern, suchte er dann die Geschichte mit allen Umständen unter die Leute zu bringen, wobei jedoch der Name dessen, der die Rolle des beglückten Liebhabers gespielt hatte, verschwiegen ward.

Während Peregrine so seiner Laune nachlebte, empfing er plötzlich durch einen Eilboten von seinem Freunde Hatchway die Aufforderung, schnell im Castell zu erscheinen, da der Commodore in den letzten Zügen läge. Eine Stunde nach dem Empfange dieser betrübenden Nachricht war Peregrine bereits auf dem Wege, doch hatte er vorher mit Crabtree noch verabredet, daß sie sich in einem Vierteljahre in London treffen wollten, und mit Gauntlet, welcher den Ueberrest der Badezeit in Bath zu bleiben beschloß, einen Briefwechsel festgesetzt.


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