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XCV.

Peregrine erhält einen Besuch von Pallet und macht Bekanntschaft mit einem Ritter von New-Market. Er wird von Kunstverständigen geprellt.

Unser Held war nunmehr nach Abmachung dieser Sache von allen weiblichen Verbindungen frei; er begann daher jetzt wieder seine frühere wilde Lebensart und verübte unter den Töchtern der Freude, den Raufbolden, Gaunern, Constablern und Friedensrichtern unzählige Heldenthaten.

Mitten in diesem Strudel ward er eines Morgens von seinem ehemaligen Reisegefährten Pallet besucht. Die Erscheinung dieses Mannes setzte ihn eben so sehr in Verwunderung, als sie ihn rührte. Trotz der Strenge der Witterung trug der Maler noch immer das dünne Sommerkleidchen, in welchem er einst in Paris umhergewandelt war, aber es war jetzt nicht allein ganz kahl, sondern auch an manchen Stellen geflickt; dabei hingen ihm seine Strümpfe wie Puddingsbeutel um die magern Beine und durch mehr als eine Oeffnung schimmerte das alte, vergilbte, jedoch rein gewaschene Hemde. Sein eigenes Haar stak unter einer alten Azel, die alles Mehl in des Malers Kasten nicht hatte weiß machen können; seine Augen waren eingefallen und seine Kinnbacken so lang geworden, daß er jetzt um zwanzig Jahre älter erschien als damals, wo sich unser Held in Rotterdam von ihm trennte.

Trotz diesem kümmerlichen Aussehen redete er doch Peregrine mit einer erzwungenen Zufriedenheit und frohen Laune an und äußerte dabei seine Freude, ihn in England zu sehen, indem er sich zugleich entschuldigte, jetzt erst seine Aufwartung zu machen. Als Ursache dieser Verzögerung führte er an, daß ihn einige Personen von Bedeutung und Geschmack gleichsam zu ihrem Sklaven gemacht und fortwährend ihm zugesetzt hätten, ihnen einige Stücke für ihre Gallerie zu malen.

Peregrine empfing diesen Besuch mit dem ihm eigenen Mitleid und Gefälligkeit: zuvorkommend erkundigte er sich nach dem Befinden der Mistreß Pallet und deren Familie, dann fragte er den Maler aber auch nach dem Doctor, gegen den Pallet seine ganze Entrüstung wieder erhalten zu haben schien, indem er nur in den verächtlichsten Ausdrücken von demselben sprach.

»Der Doctor,« sagte er, »wirft durch seine Selbstgenügsamkeit und Ruhmredigkeit so viel Schatten auf sich, daß seine Verdienste sich weder heben, noch hervorspringen können. Es ist keine Haltung, theurer Sir, in dem Gemälde, und gerade so, als wenn ich den Mond unter einer Wolke verstecken wollte. Da würde nichts als eine dichte Schattenparthie mit einem einzigen kleinen Lichtflecken in der Mitte seyn, der nur dazu dient, die Finsterniß sichtbar zu machen. Sie verstehen mich, was ich sagen will. Hätte er meinem Rathe gefolgt, es wäre besser für ihn gewesen; aber er ist einmal auf seine Meinung versessen. Ich rieth ihm nämlich bei unserer Zurückkunft eine Ode auf meine Cleopatra zu machen; so wahr Gott über uns ist! ich wollte ihm dadurch nur einen Dienst erzeigen und ihm aus seiner Dunkelheit hervorhelfen; denn wie Sir Richard bemerkt:

Was Dein Ruf meinem giebt, stirbt bald, mein Freund,
Laß mit ein Werk von Dir mich lebend seyn vereint.

Bemerken Sie wohl, welch schöner, malerischer Contrast in diesen Zeilen liegt: Dein und Mein, Leben und Sterben, mich und Dir. Doch lassen wir das! Dick war der rechte Mann, um etwas zu runden und zuzuspitzen. Kehren wir indeß zu unserm unglücklichen jungen Philosophen zurück: können Sie es glauben, daß er bei meinem Vorschlage die Nase rümpfte und etwas Griechisches herschwatzte, das nicht werth ist, wiederholt zu werden; aber ich weiß recht gut, er war nur über die Nichtbeachtung der Welt aufgebracht.«

»Seine Einbildung ist, die Dichter unserer Zeit seyen eifersüchtig auf sein Genie und bestrebten sich daher, es zu unterdrücken, während andere Menschen nicht Geschmack genug besitzen sollen, um es gehörig zu erkennen. Ich meines Theils gestehe, daß ich auch dazu gehöre; und, wie bei William Shakespeare der Rüpel vom Schwure des Junkers, sage: In: Wie's Euch gefällt. ›Hätt' ich bei des Doctors Genie geschworen, der Eierkuchen tauge nichts, so konnte er deshalb doch recht gut seyn; würd' ich da aber nicht falsch geschworen haben?‹ – Sey dem aber, wie ihm wolle, er hat sich in seinem Unwillen aus der Stadt fortgemacht und sich in Derbyshire dicht an einem Hügel mit zwei Gipfeln, der dem Parnaß gleicht, und wo unten im Thale eine Quelle sprudelt, welche er die Hyppokrene nennt, niedergelassen. Aber, mein Seel', wenn er lange da bleibt, kriegt er zuverlässig das malum hypp und wird grün und gelb und jämmerlich werden und sich zuletzt gratuliren, wenn er wieder zu den Fleischtöpfen Aegyptens zurückkehren und der Königin Cleopatra seine Reverenz machen kann.«

»Doch gut, daß wir eben davon sprechen! Sie müssen wissen, mein lieber Sir, daß diese Dame so viele Liebhaber bekommen hat, daß ich dadurch bedenklich in die Klemme gerathen bin, denn wenn ich sie Einem geben wollte, würde ich dadurch alle Andere vor den Kopf stoßen. Wer thut dies aber gern? Wenigstens habe ich es mir zum Grundsatz gemacht, auch den geringsten Schein von Undankbarkeit zu vermeiden. Vielleicht thu' ich Unrecht daran, aber es hat nun einmal Jeder seine Weise. Um mir aus dieser Verlegenheit zu helfen, schlug ich deshalb den Bewerbern vor, meine Cleopatra auszuspielen und also die Entscheidung der Gunst Fortunens zu überlassen. Dieser Gedanke fand allgemeinen Beifall; der Einsatz ist eine große Kleinigkeit, eine halbe Guinee: die halbe Stadt drängte sich jetzt in mein Haus, um zu unterzeichnen; aber, gehorsamer Diener! nicht also meine Herren! erst kommen meine speciellen Freunde, und unter die Zahl derselben gebe ich mir auch die Ehre, Sir Peregrine zu rechnen. Hier ist ein Plan von dieser Lotterie; ich hoffe, daß, wenn die Liste durch meines Gönners Namen geziert wird, Dame Fortuna, trotz seiner wohlverdienten Siege in der schönen Welt, ihm doch einmal den Rücken zukehren wird. He, he, he!«

Indem Pallet dies sprach, machte er eine Menge lächerliche Verbeugungen und überreichte Pickle die Liste, der, als er die Zahl der Subscribenten auf hundert bestimmt sah, sagte: »Wie mich dünkt, so sind Sie in Ihren Erwartungen allzu mäßig, denn ich meiner Seits zweifle gar nicht, daß Ihr Gemälde, dessen Preis Sie nur auf fünfzig Pfund anschlagen, noch für fünfhundert ein wohlfeiler Kauf seyn würde.« Auf diese unerwartete Anmerkung versetzte der Maler, daß er sich nicht unterstände, Kennern den Preis seines Gemäldes vorzuschreiben, die gothische Unwissenheit der Zeit hätte ihn jedoch genöthigt, eine so geringe Schätzung zu machen.

Die eigentliche Absicht dieser Lotterie sah Peregrine übrigens sogleich ein; sie war nichts Anderes, als eine Bettelei, um ein elendes Stück unterzubringen, das sonst wohl kaum für zwanzig Schillinge weggegangen wäre. Weit entfernt jedoch, den Armen in seiner Noth durch eine Bemerkung hierüber zu kränken, bat sich Pickle, wenn es möglich sey, sechs Loose aus, und nach einigem Bedenken ließ sich der Maler bereit finden blos aus Freundschaft und Ehrerbietung, wie er sagte, das Gesuch zu bewilligen, doch machte er dabei die Anmerkung: er würde sich nun genöthigt sehen, einige vertraute Freunde auszuschließen; nachdem er aber das Geld eingestrichen, gab er Peregrinen seine Adresse und bat ihn, ganz nach seiner Bequemlichkeit die ägyptische Fürstin zu besuchen, die ihn durch ihre Reize ungemein fesseln würde. Dann empfahl er sich, sehr zufrieden mit dem guten Erfolg seines Hülfsmittels.

Obschon Peregrine sehr in Versuchung gerieth, das Bild zu sehen, von dem er nicht zweifelte, es würde der lächerlichen Seltsamkeit seines Meister vollkommen entsprechen, so mochte er sich dennoch auch nicht weder in die unangenehme Lage setzen, der Vernunft zum Trotz zu loben, noch den armen Pallet durch ein offenes Urtheil zu kränken; er enthielt sich daher eines Besuchs, hörte aber auch nie, daß die Ausspielung zu Stande gekommen sey.

Ungefähr um dieselbe Zeit erhielt er eine Einladung, um einige Wochen auf dem Landsitze eines gewissen vornehmen Herrn zuzubringen, mit dem er bei seinen nächtlichen Schwärmereien bekannt geworden war und der sich durch seine Geschicklichkeit und sein Glück im Pferderennen auszeichnete, weswegen die Wohnung Sr. Lordschaft stets mit Kennern und Verehrern dieses ruhmwürdigen Zeitvertreibs angefüllt war. Die Unterhaltung drehte sich hier fortwährend um diese Materie und so geschah es, daß sich Peregrine hier bald einige Kenntnisse von Pferden und den Vergnügungen des Wettrennens erwarb; denn die ganze Beschäftigung des Tages bestand hier, nächst Essen und Trinken, darin, die Stuterei des edlen Lord zu besichtigen und die Thiere abzurichten.

Diese Belustigungen erregten nun das Wohlgefallen und die Neugierde unseres Helden und nicht lange, so war er mit jedem Pferde im Stalle des Lords bekannt und interessirte sich für den Ruf desselben als Wettrenner, zugleich schenkte er aber auch der Art und Weise, wie diese Thiere zum Wettrennen dressirt wurden, die größte Aufmerksamkeit. Diese erwachende Neigung bemerkte aber der vornehme Wirth sehr gut und feuerte sie an, da er sich Vortheil von derselben versprach; er stellte zur Belustigung seines Freundes einige kleine Wettrennen an und ließ ihn, um ihm zu schmeicheln, die ersten Wetten gewinnen. So gelang es, unsern Helden in Stimmung zu bringen, sich mit seinem Urtheil gegen Leute herauszuwagen, die sich ihr ganzes Leben mit Pferderennen beschäftigt hatten. Er begleitete den Lord nach New-Market und da ihn hier der Genius des Ortes ergriff, so ward er bald allen daselbst versammelten Kennern als eine gute Beute bezeichnet. Trotz den Ermahnungen und Warnungen des Lords, der ihn für sich selbst aufsparen wollte, fanden Mehrere hier schnell Mittel, ihn in ihr Garn zu ziehen.

Mag einer noch so furchtsam und kaltblütig seyn, es ist kaum möglich, unbefangener Zuschauer bei den gewühlvollen Scenen in New-Market zu bleiben. Gleich einem verpestenden Dunst schwebt der Dämon des Spiels hier in den Lüften und steckt die Anwesenden an. Auch Peregrine ward von dieser Krankheit ergriffen, und nachdem er die verschiedenen Gaunereien dieses Ortes durchgegangen und sich, wie er glaubte, mit einigen hundert Pfunden einen reichen Schatz von Erfahrungen erkauft hatte, ließ er sich mit seinem vornehmen Freunde zugleich in eine große Wette ein, auf deren Ausgang er nicht weniger als dreitausend Pfund wagte, wozu ihn allein der Beitritt des Lords ermuthigte, der eine gleiche Summe auf das Spiel setzte.

Die beiden Verbündeten hatten sich nämlich gegen eine Wette von sechstausend Pfund anheischig gemacht, mit einem vierspännigen leichten Wagen drei Mal gegen einen Anderen die Rennbahn rund zu jagen. Bei dem ersten und zweiten Male hatte unser Held das Vergnügen, seinen Gegner hinter sich bleiben zu sehen, aber plötzlich stürzte jetzt eines seiner Pferde und so verlor er mit dem Sieg sein Geld und hatte noch den Schimpf obenein.

Dies Unglück ging ihm tief zu Herzen, aber weit entfernt, sich etwas davon merken zu lassen, suchte er die philosophische Resignation seines Freundes nachzuahmen, der sich und ihn mit der Aussicht tröstete, bei der ersten besten Gelegenheit die Scharte wieder auswetzen zu können. Dessen ungeachtet konnte Peregrine doch nicht umhin, den Gleichmuth dieses Herrn zu bewundern, ja sogar zu beneiden; aber freilich wußte er nicht, daß Se. Lordschaft es klüglich so eingerichtet hatten, daß sie bei dem Unfalle noch gewannen. Um seinem Schaden nachzukommen, kaufte Pickle jetzt auf Empfehlung seines Freundes, mehrere Pferde, mit denen er zu dem berühmtesten Pferderennen in England reiste, hier es aber nach manchem Glückswechsel so weit brachte, daß er, als die Zeit der Wettrennen vorüber war, seinen Schaden verdreifacht hatte.

Dies hinderte jedoch nicht, daß seine Hoffnungen mit seinem Unglück stiegen und als er gegen Eintritt des Winters in die Hauptstadt zurückkehrte, war er jetzt überzeugt, das Glück müsse sich nothwendig ändern und er bei der nächsten Saison die Früchte seiner Erfahrungen ärndten. In dieser Zuversicht schien er allen Regeln der Klugheit und Wirthlichkeit Lebewohl zu sagen; sein bisheriger Aufwand war gegen den jetzigen Oekonomie; er unterzeichnete auf die Oper und ein halbes Dutzend Concerte; er ward der Wohlthäter mehrerer Hospitäler, er kaufte eine theure Gemäldesammlung, miethete sich ein Haus, das er auf das Glänzendste meublierte, schaffte sich einen vortrefflichen Keller an und gab seinen vornehmen Freunden, die ihn dafür mit Schmeicheleien überhäuften und ordentlich quälten, von ihrem Ansehn und Einfluß Gebrauch zu machen, prachtvolle Banquette.


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