Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

CVIII.

Peregrine und der Lieutenant söhnen sich miteinander aus und Ersterer erneuert seine Verbindungen mit der Gesellschaft.

Nicht ohne Streit räumte Gauntlet dem Lieutenant in diesem Punkte den Vorrang ein; endlich ergab er sich jedoch dem Willen seines Freundes und Hatchway wurde nun durch ein Billet von Pickle zu einer Conferenz eingeladen. Man traf den alten Seemann an der Thüre des Gefängnisses, wo er auf den Hauptmann wartete, um den Ausgang der Unterhandlungen zu erfahren. Kaum erhielt er hier die willkommene Aufforderung, so setzte er alle seine Segel auf und steuerte in vollem Laufe dem Zimmer seines Freundes zu, Pipes aber folgte unmittelbar dem Striche seines Schiffscameraden.

So dauerte es nicht lange, daß Peregrine und Gauntlet den Schall des Stelzfußes vernahmen, der mit solcher Schnelligkeit die hölzerne Treppe hinaufstieg, daß sie erst glaubten, man schlüge mit hölzernen Klöppeln auf ein leeres Faß. Diese Eilfertigkeit zog jedoch einen Unfall herbei: Hatchway übersah eine schadhafte Stelle in der Treppe; sein Stelzbein fuhr durch und er stürzte rückwärts wieder hinab und würde vielleicht großen Schaden genommen haben, wenn ihn nicht zum Glück der hinter ihm her kommende Tom in seine Arme aufgefangen hätte. So kam er zwar ohne Schaden davon, aber der Stelzfuß war zerbrochen; dies hielt ihn jedoch nicht ab, weiter zu eilen; schnell schnallte er den Stummel vollends los und hüpfte, nunmehr ganz Krüppel, auf einem Beine dem Zimmer zu.

Peregrine empfing ihn mit herzlicher Zuvorkommenheit, ließ ihn sich auf seinem Bette niedersetzen und bat ihn dann, nachdem er sich wegen seiner bisherigen, den Lieutenant so sehr kränkenden Zurückhaltung entschuldigt hatte, ihm zwanzig Guineen zu leihen. Ohne den Mund zu öffnen, zog Hatchway seine Börse, Pipes aber setzte voll Freude über dies Begehren seine Bootsmannspfeife an die Lippen und begann ein lustiges Liedchen zu blasen. Nachdem auf diese Art Alles wieder in Ordnung gebracht war, ersuchte unser Held den Hauptmann und Hatchway, das Mittagsbrod bei ihm einzunehmen, was Beide auch versprachen; doch wollte Gauntlet vorher noch einen Besuch bei seinem Oheim machen, der krank darnieder lag.

Jetzt, nachdem der Lieutenant mit Peregrinen allein war, betrachtete er sich dessen elenden Zustand genau und konnte sich bei diesem Anblick der Rührung nicht enthalten. Er verwies dem jungen Manne seinen hartnäckigen Stolz und stellte ihm vor, sein Verfahren bisher sey nicht viel besser als ein überlegter Selbstmord; doch ward er bald in dieser Vorlesung von Peregrine unterbrochen, der ihm seine Gründe, warum er gerade so und nicht anders gehandelt habe, ein andermal auseinander zu setzen versprach und ihm zugleich eröffnete, daß er jetzt seinen Entschluß geändert habe und gesonnen sey, sich für das bisher ausgestandene Elend zu entschädigen.

Er schickte nun auch sogleich den Pipes zu dem Pfänderverleiher, um seine Sachen einzulösen; dann ließ er ein gutes Mittagsessen bestellen, und als Geoffry zurückkehrte, da war dieser nicht wenig über die vortheilhafte Veränderung im Aeußeren unseres Freundes überrascht, der jetzt dadurch, daß er sich in andere Kleider geworfen und sich selbst von dem Kerkerschmutze gesäubert hatte, ein ganz neuer Mensch geworden zu seyn schien.

Die Freunde nahmen hierauf das Mittagsessen mit vieler Heiterkeit und unter gegenseitigen Erinnerungen früherer Ereignisse im Castell ein; nach dem Essen beurlaubte sich aber Gauntlet wieder, um an seine Schwester zu schreiben und sie zu bitten, nach London zu kommen, da ihr Oheim sich seinem Ende nahe befände und sie gern noch einmal zu sehen wünsche.

Peregrine erschien jetzt auf dem großen Platze, wo er von seinen ehemaligen Tischgenossen, die ihn in vielen Wochen nicht gesehen hatten, und allen denen bewillkommt wurde, denen er früher Wohlthaten erzeigte. Auf seine Verwendung räumte der Aufseher des Gefängnisses dem Lieutenant dessen frühere Wohnung wieder ein, und Pipes, den Peregrine unterdessen zu Crabtree gesendet hatte, um sich nach dem Befinden des Menschenhassers zu erkundigen, brachte die Nachricht zurück: der Alte habe sich nach Ueberstehung einer schweren Krankheit nach dem Brunnen von Kensington Gravelpits begeben, um daselbst einer reineren Luft zu genießen.

Dieser Nachricht zufolge ersuchte Peregrine, der die geringen Einkünfte des Cynikers kannte, den folgenden Tag seinen Freund Geoffry, sich zu Crabtree zu bemühen und ihm in seinem Namen einen Brief zuzustellen, in welchem er dem Alten sein Beileid über seine Krankheit bezeigte und ihm die guten Nachrichten mittheilte, die er aus den Dünen erhalten hatte, zugleich ihn aber auch beschwor, sich seiner Börse zu bedienen, falls er sich in der geringsten Verlegenheit befände. Gauntlet nahm auch sogleich einen Wagen und machte sich auf den Weg.

Crabtree, der den Hauptmann zu Bath gesehen hatte, erkannte denselben sogleich wieder, als er in das Zimmer trat. Obschon er selbst durch seine Krankheit zu einem wahren Todtengerippe ausgehuzelt war, so würde er sich doch ungesäumt mit Gauntlet auf den Weg nach dem Fleet gemacht haben, wenn ihn seine Wärterin nicht zurückgehalten hätte, die von dem Arzte unumschränkte Gewalt bekommen hatte, sich seinem Willen in Allem zu widersetzen, was seiner Gesundheit nachtheilig seyn würde; denn man hielt den Cyniker für einen alten wunderlichen Gesellen, dessen Gehirn in Unordnung gerathen sey und den man deshalb wie ein Kind gängeln müsse.

Crabtree erkundigte sich jetzt nach den beiden Seeleuten, die, wie er sagte, durch den Schreck, welchen sie ihm gemacht, nicht allein die Veranlassung zu seiner Krankheit gewesen waren, sondern ihn auch abgehalten hätten, seinen Umgang mit Peregrine fortzusetzen. Auf die Nachricht, daß Hatchway und Pickle wieder in Frieden lebten und somit nichts für ihn von des Lieutenants Zorn mehr zu besorgen sey, versprach er nunmehr bei erster bester Gelegenheit nach dem Fleet zu kommen, und meldete dann Peregrinen in einem Briefe, daß er für den Augenblick seines Beistandes nicht bedürfe.

Wenige Tage reichten hin, um unserem Helden seine Kräfte und seine Lebhaftigkeit wiederzugeben und in Kurzem erhielt er die auf das Schiff geliehene Summe, die mit den Zinsen sich auf eilfhundert Pfund belief. Dies Geld heiterte ihn zwar sehr auf, setzte ihn jedoch auch wieder in einige Verlegenheit. Zuweilen hielt er es für Pflicht, den größten Theil davon als ehrlicher Mann zur Verminderung der Schuld anzuwenden, wegen welcher er verhaftet war; dann glaubte er aber auch wieder keine besondere Pflicht gegen einen Menschen zu haben, der ihn durch sein treuloses Betragen zehnfach über den Werth der vorgestreckten Summe beleidigt hatte, und ging mit dem Gedanken um, aus dem Gefängnisse zu entfliehen und mit den Trümmern seines Vermögens in irgend ein anderes Land zu gehen.

Gauntlet drang unterdessen noch immer darauf, ihm die Genugthuung zu geben, seinem Freunde durch Einlösung des Schuldscheines die Freiheit wieder zu verschaffen, und rieth diesem dann, sich mit einem Theil seines jetzigen Capitals eine Officierstelle zu kaufen; Hatchway behauptete dagegen, er habe um so mehr ein Näherrecht, seines Vetters Loslassung zu bewirken, da er nicht allein von dessen Tante eine hübsche Summe ererbt hätte, die eigentlich Peregrinen gehörte, sondern auch wegen des Nießbrauchs des Castells ihm verpflichtet sey; denn obschon er zu Gunsten Peregrinens längst ein Testament gemacht habe, so würde er sich dennoch nie ruhig fühlen, so lange er seinen Freund nicht frei oder von irgend einem Mangel gedrückt sähe.

Crabtree, welcher um diese Zeit Picklen wieder besuchte und den Charakter desselben am besten kannte, machte jetzt den Vorschlag: der Lieutenant solle ihm das Castell nebst allem Zubehör abkaufen; dies würde mäßig angeschlagen, mehr machen, als zur Tilgung der Schuld nothwendig sey, und im Fall dann Peregrinen die sklavische Subordination bei der Armee nicht anstände, so könne er sich ja für seine Anwartschaft auf das Castell eine ansehnliche Leibrente kaufen und sich mit dem Lieutenant auf das Land begeben, wo er nicht allein in völliger Unabhängigkeit leben, sondern sich auch in aller Muße an den Thorheiten der Menschen zu ergötzen vermöge.

Dieser Plan sagte Peregrinen mehr zu als jeder andere und Hatchway erklärte sich bereit, ihn ausführen zu helfen; Gauntlet dagegen konnte sich mit dem Gedanken nicht befreunden, seinen Beistand unnöthig gemacht zu sehen, und bestritt die Ausführung mit so vielen Gründen und so großer Lebhaftigkeit, daß Peregrine um so mehr abgehalten wurde, dieserhalb einen Entschluß zu fassen, da es ihm zugleich unendlich schwer fiel, das Castell auf irgend eine Art wegzugeben, indem er dadurch glaubte dem Andenken seines verstorbenen Wohlthäters zu nahe zu treten.


 << zurück weiter >>